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Mangelnde Führungskraft und zugeschobene Verantwortung

от Thorsten Zimmermann

Betrugsskandal im EU-Statistikamt „Eurostat“

Wer wie viel und zu welchem Zeitpunkt gewusst hat, scheint die entscheidende Frage im Skandal um Betrug und Unterschlagung in Millionenhöhe im statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) zu sein. Beobachter werteten die Entwicklung „einer der heißesten EU-Betrugsaffären“ (Der Spiegel) bereits als bedrohlich für die Europäische Kommission. Kommentatoren erinnerten an das Jahr 1999, als die Kommission von Jacques Santer zum Rücktritt gezwungen wurde, nachdem einzelnen Mitgliedern Vetternwirtschaft, Täuschung und Korruption vorgeworfen worden waren.

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Der jetzigen Kommission unterstellte niemand ähnliche Verhaltensweisen. Als problematisch wurde jedoch erachtet, dass sie sich aufgrund der Erfahrungen der Santer-Zeit dem Prinzip „Toleranz null“ gegenüber Betrug verschrieben hatte und es wahrscheinlich dennoch zu Unterschlagungen in Millionenhöhe kommen konnte. Die Kommission habe dadurch mangelnde Führungskraft und Verantwortungsbereitschaft gezeigt und massiv an Glaubwürdigkeit verloren. „Das System hat nicht ganz funktioniert“, gestand Kommissionspräsident Romano Prodi am 18. Juni 2003 ein. Die Kommission übernehme die politische Verantwortung für die entstandenen Unregelmäßigkeiten. Allerdings könne man keine Verantwortung für Dinge übernehmen, von denen man nichts gewusst habe, so Prodi.

Erst sehr spät über die Vorgänge informiert gewesen zu sein, nimmt der Italiener dabei ebenso für sich in Anspruch wie seine verantwortlichen Kommissionskollegen Neil Kinnock (Personal), Michaele Schreyer (Haushalt) und Pedro Solbes (Wirtschaft und Währungsangelegenheiten). „Wer nichts Böses tut, braucht keine Angst zu haben“, zitierte der Kommissionspräsident am 1. Juli 2003 gegenüber Journalisten ein italienisches Sprichwort.

Der Hintergrund

Nach Medienberichten sollen bei Eurostat mindestens 900.000 Euro an der offiziellen Buchführung vorbeigeschleust worden sein. Teilweise ist von bis zu acht Millionen Euro die Rede, die in schwarzen Kassen verschwunden sein sollen. Im Zentrum des Skandals steht die Firma Planistat S.A. Im Auftrag von Eurostat verkaufte das französische Unternehmen Daten, deren Erstellung durch Steuergelder finanziert wurde, z.B. an Planungsbüros und Wirtschaftsunternehmen. Dabei wurden im Zeitraum von 1992 bis 2002 Verträge in Höhe von 41 Millionen Euro abgeschlossen.

Mit Wissen der Eurostat-Spitze soll ein Teil der Verkaufserlöse unterschlagen und auf Konten in Madrid, Brüssel, Luxemburg verschoben worden sein. Die Vorfälle wurden öffentlich, als das europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) der Pariser Justiz am 18. März 2003 ein umfangreiches Dossier übergab. Die Brüsseler Beamten empfahlen, wegen Untreue, Anstiftung zur Untreue und Bildung einer kriminellen Vereinigung zu ermitteln. Die Summe der Einzelheiten erlaube es, von einer weit verzweigten Unternehmung zur Plünderung von EU-Mitteln zu sprechen.

Die EU-Antibetrugseinheit richtete ihren Verdacht auf die oberste Führungsspitze von Eurostat, Generaldirektor Yves Franchet und Daniel Byk, einem der Eurostat-Direktoren. Beide wurden verdächtigt, ein System zur Unterschlagung ganz oder teilweise installiert zu haben. Am 4. April 2003 eröffnete die Pariser Justiz eine gerichtliche Untersuchung gegen Unbekannt wegen „Hehlerei und Beihilfe zur Veruntreuung“ eröffnet.

Die britische Financial Times griff die Geschehnisse in ihrer Ausgabe vom 16. Mai 2003 auf. Just am gleichen Tag feierte Eurostat-Chef Franchet im Beisein von Großherzog Henri und Währungskommissar Solbes das 50-jährige Jubiläum seiner Behörde in Luxemburg. Auch die Justiz des Großherzogtums ermittelte derweil bereits in zwei weiteren Fällen gegen Eurostat-Vertragspartner: Ein Unternehmen soll sich Aufträge mit falschen Angaben erschlichen haben. Der anderen Gesellschaft werden Bilanzmanipulationen vorgeworfen. Als besonders problematisch wurde gewertet, dass Franchet zeitweiliger Präsident und Gründungsmitglied des Unternehmens gewesen ist.

Europaabgeordnete erhoben den Vorwurf, dass Eurostat trotz länger bekannter Vorgänge immer wieder Aufträge an verdächtige Firmen vergeben habe. Gabriele Stauner (CSU), beklagte, dass Planistat im Geschäft blieb, obwohl der Vorwurf schwarzer Kassen bereits im Jahr 1999 erhoben worden sei. „Ich verstehe nicht, warum die Firma im Jahr 2000 nochmals 670.000 Euro und auch 2001 nochmals 1,6 Millionen Euro vom EU-Statistikamt erhalten konnte“, sagte Stauner. Gleichzeitig forderte die Wolfratshausenerin die sofortige Suspendierung von Eurostat-Chef Franchet und Direktor Byk.

Die Kommission, die sich den Vorwurf einhandelte, zu defensiv zu reagieren, zog am 21. Mai 2003 personelle Konsequenzen und enthob die beiden ihrer Ämter. „Dies ist keine disziplinarische Maßnahme“, unterstrich ein Sprecher von Roman Prodi. Es handele sich vielmehr um eine Versetzung in die Generaldirektion Verwaltung für die Dauer und zur Gewährleistung des guten Verlaufs der von Olaf durchgeführten Ermittlungen.

Fragen an die Kommission

Die EP-Abgeordneten stellten sich die Frage, wer in der Kommission zu welchem Zeitpunkt über die Untersuchungen von Olaf informiert gewesen ist. Die Fragen der Parlamentarier richteten sich in einer Sitzung des Haushaltskontrollausschusses zunächst an den stellvertretenden Kommissionspräsidenten Kinnock, der für die Verwaltungsreform und das Personal verantwortlich ist. Auch Kommissar Solbes, in dessen Zuständigkeit Eurostat fällt, und seine deutsche Kollegin Schreyer, der Olaf untersteht, solange es nicht operativ tätig ist, mussten sich der Kritik stellen.

Für Aufregung sorgte allerdings schon vor Beginn der Ausschuss-Sitzung am 17. Juni 2003 ein Artikel der Financial Times, der Bezug auf ein Interview Franchets mit den Fernsehsendern ARD und ARTE nahm. Demnach hätten die verantwortlichen Kommissare viel mehr zum Eurostat-Skandal gewusst, als sie bis dahin zugegeben hätten. Die Zeitung zitierte Franchet mit der Aussage, Prodi, Kinnock und Solbes auf dem laufenden gehalten zu haben. Schreyer sei „besonders gut informiert“ gewesen, so Franchet.

Prodis Sprecher Reijo Kemppinen bezeichnete die Aussagen als „das übliche Gerede und die üblichen Verdrehungen“. Er unterstrich, dass niemals Informationen von Franchet an Prodi oder die Kommissare geflossen seien.

Pedro Solbes gestand vor den Mitgliedern des EP-Haushaltskontrollausschusses ein, dass bei dieser Sache „das System nicht richtig funktioniert“ habe. Er bemängelte insbesondere den Informationsfluss von Olaf an die Kommission sowie den Informationsfluss innerhalb der Kommission selbst. Kinnock und Schreyer unterstrichen jedoch, dass Franchet mit ihnen niemals über Verwaltungsprobleme bei Eurostat gesprochen habe. Kinnock präzisierte, dass Olaf den Generalsekretär der Kommission erst am 1. April 2003 über die Anschuldigungen informiert habe. Dies sei mit Hinweis auf strengste Vertraulichkeit geschehen. Auch seien keine Details mitgeteilt worden. Schreyer fügte hinzu, dass sie bezüglich der beiden Eurostat-Unterlieferanten Eurogramme und Eurocost erst im Mai genauere Informationen erhalten habe.

Die Parlamentarier waren mit diese Aussagen nicht zufrieden: „Wenn ich, als zuständige Kommissarin, von einem Betrugsverdacht gehört hätte, hätte ich mich sofort darüber informiert“, betonte Diemut R. Theato (CDU), Vorsitzende des EP-Ausschusses für Haushaltskontrolle.

Die Kommission müsse ihre Rechnungsführung endlich in Ordnung bringen, die interne Kommunikation wesentlich verbessern und sich vor allem nicht ständig hinter Olaf verstecken. „Ich habe heute wirklich den Eindruck gehabt, dass Olaf eine Alibifunktion einnimmt“, so Theato weiter. Der deutsche Sozialdemokrat Helmut Kühne stellte fest, dass es keine Beweise gebe, derer zufolge Kinnock, Schreyer und Solbes von Franchet über die Vorgänge frühzeitig informiert worden seien. Aber auch Kühne kritisierte das bestehende System, bei dem die Kommissare, die keine Einwände zu haben scheinen, nicht informiert würden. Allerdings könnten die Kommissare Olaf nicht als Entschuldigung für ihre Unwissenheit benutzen. Dies sei nicht zu akzeptieren. In einem solchen Fall müsse die Verwaltungsspitze aktiv werden und sich nicht mit einem übermäßig legalistischen Ansatz begnügen, unterstrich Kühne.

Klarstellungen Franchets

Eine wesentliche Entlastung für die Position der Kommissare lieferte der Hauptbeschuldigte, Eurostat-Generaldirektor Franchet, am 25. Juni selbst. In einer Pressemitteilung stellte er dar, weder Prodi, Schreyer, Kinnock und Solbes über die Entwicklungen der Eurostat-Affäre informiert zu haben. Er fügte hinzu, dass seine Aussagen gegenüber Journalisten „zu bedauernswerten Missverständnissen Anlass gegeben“ hätten. Zudem unterstrich er, dass es kein System der Übertragung von Prüfungsberichten an die Kommissare gebe und er den Kommissaren die internen Prüfungsberichte von Eurostat folglich nicht übermittelt habe.

Rückendeckung hatten die betroffenen Kommissionsmitglieder zuvor auch von Seiten der europäischen Betrugsbekämpfer selbst bekommen, die bereits Anfang Juni eine Pressemitteilung veröffentlicht hatten. Darin wurde zunächst bestätigt, dass Schreyer die für Betrugsbekämpfung zuständige Kommissarin sei. Dies führe aber nicht dazu, dass sie einen privilegierten Zugang zu Olaf-Informationen habe. Zu ihrer politischen Verantwortung für die Betrugsbekämpfung gehöre der Schutz der Unabhängigkeit von Olaf. Der Ablauf der nun diskutierten Untersuchungen zeige, dass diese Unabhängigkeit respektiert worden sei, da es keine Beeinflussung von außen gegeben habe.

Erneute Anhörung im EP-Haushaltskontrollausschuss

Am 1. Juli 2003 war es an David O’Sullivan, Generalsekretär der Europäischen Kommission, den Mitgliedern des EP-Haushaltskontrollausschusses Rede und Antwort zu stehen. Er bestätige die Aussagen der Kommissionsmitglieder, gemäß derer die Brüsseler Verwaltungsspitze „erst vor kurzem“ über die laufenden Untersuchungen zur Eurostat-Betrugsaffäre unterrichtet worden sei. O’Sullivan unterstrich, dass er zunächst nur einen sehr allgemeinen Hinweis auf die Eröffnung der Untersuchung erhalten habe.

Erst am 4. April 2003 habe er die Namen der betroffenen Personen mit der Bitte erhalten, diese Namen nicht weiterzugeben. Nachdem die französische Justiz im Fall Planistat Anklage gegen Unbekannt erhoben hätte, habe er Kommissionspräsident Prodi über die Vorgänge informiert.

Gabriele Stauner (CSU) betonte, dass die betroffenen Beamten ihres Amtes enthoben und die Verträge mit den beschuldigten Unternehmen früher hätten ausgesetzt werden müssen. Hingegen meinte O’Sullivan, dass die Kommission auf Informationen von Olaf angewiesen sei und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Einrichtung zu respektieren habe. In laufende Untersuchungen dürfe nicht eingegriffen werden. Auf den Hinweis, dass bereits im Jahr 2000 erste Verdachtsmoment über Unregelmäßigkeiten bei Eurostat aufgetaucht seien, räumte O’Sullivan ein, dass „man sich rückblickend fragt, ob nicht früher Schlussfolgerungen hätten gezogen werden müssen“. Seinerzeit habe man gedacht, dass alles unter Kontrolle sei. „Wir sind bereit, Lehren für den Informationsaustausch zwischen Olaf und der Kommission zu ziehen, um die Kommission in die Lage zu versetzen, Präventivmaßnahmen ergreifen zu können“, sagte der Generalsekretär.

Franz-Hermann Brüner, seit 1. März 2000 Generaldirektor von Olaf, unterstrich vor den Ausschussmitgliedern, dass die Informationspolitik seiner Behörde restriktiv sei. Gleichzeitig räumte er ein, dass der „außergewöhnliche Fall“ von Eurostat gezeigt habe, dass in solchen Fällen die Öffentlichkeit besser informiert werden müsse. Auf Nachfragen zum Dauer der laufenden Untersuchung verwies Brüner auf die besonderen Umstände in Zusammenhang mit der Auflösung der Olaf-Vorgängerorganisation UCLAF , auf die Anfangszeit von Olaf und den Mangel an Professionalität zu dieser Zeit. Nach Ende der Ausschuss-Sitzung resümierte Vorsitzende Theato, die Diskussion sei „ruhig, aber nicht zufriedenstellend“ verlaufen. Gleichzeitig bedauerte sie die Kommunikationsprobleme innerhalb der Kommission und unterstrich, dass die Informationen zwar den Dienststellen der Kommission zugeleitet würden, aber nicht den Kommissaren selbst. Theato warf der Haushaltskommissarin Schreyer vor, sich nicht hinreichend informiert zu haben.

Prodi will Konsequenzen ziehen

Die Untersuchungen der Eurostat-Affaire dauern an. Doch bereits nach bekannt werden der Vorwürfe meinten Beobachter, dass der Eurostat-Skandal alte Wunden wiederaufreiße. Die Bürger würden in ihrem Vorurteil gestärkt, dass die Brüsseler Verwaltung leichtfertig mit Steuergeldern umgehe und sich der Kontrolle ihrer Macht entziehe. Im Skandal um Eurostat klaffe demnach Anspruch und Wirklichkeit der EU-Führungsspitze bedenklich auseinander: Etwa zur gleichen Zeit, als sich Prodi dem Prinzip der „Toleranz null“ gegenüber Betrug verschrieb, schöpften interne Prüfer in einer Reihe von Fällen erstmals Verdacht auf Unregelmäßigkeiten im statistischen Amt. Doch erst vier Jahre später und nach Berichten in den europäischen Medien wurden Konsequenzen gezogen und die Eurostat-Spitze vorläufig abgesetzt.

Einige Beobachter sahen zwei mögliche Erklärungen: Entweder haben die Kommissare frühzeitig von den Vorgängen gewusst und sie ignoriert, oder aber sie haben von den Vorgängen tatsächlich nichts gewusst und waren ahnungslos: „Dann aber hat die Spitze den EU-Apparat nicht im Griff. In jedem Fall handelt es sich also um einen eindeutigen Mangel an politischer Führung“, urteilte die Süddeutsche Zeitung. Zu sehr sei die Kommission damit beschäftigt, sich die Zuständigkeiten gegenseitig zuzuschieben. Dabei sei es auch angesichts der anstehenden Erweiterung höchste Zeit, dass sich die EU-Spitze eine wirksame Struktur der Verantwortung schaffe.

Mangelnde Führungskraft wird vor allem Haushaltskommissarin Schreyer unterstellt. Der Eurostat-Skandal sei dabei der vielleicht entscheidende Minuspunkt in einer mageren Bilanz. Schon länger gebe es demnach Vorwürfe, die von den Grünen berufene Kommissarin habe ihr Arbeitsgebiet nicht im Griff. Zudem fühlten sich die Mitglieder des EP-Haushaltskontroll-ausschusses besonders von Schreyer nicht hinreichend informiert. Nach übereinstimmenden Berichten wird ihre europäische Karriere spätestens mit der Neuberufung der Kommission im nächsten Jahr zu Ende gehen.

Kommissionspräsident Prodi versicherte gegenüber Journalisten, dass er der Sache auf den Grund gehen werde. Es läge im ureigensten Interesse der Gemeinschaft, die Angelegenheit vollständig aufzuklären. Prodi fügte hinzu, dass man uneingeschränktes Vertrauen in Olaf habe und alle notwendigen Konsequenzen ziehen werde. Welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, ließ der Kommissionspräsident offen. Die Ergebnisse der derzeit andauernden Ermittlungen bleiben ab zuwarten. Trotz der gegen die Amtsführung der Kommission erhobenen Vorwürfe ist die Position Prodis nach allgemeiner Einschätzung allerdings nicht gefährdet.

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