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Politik und Fußball: Das Länderspiel Armenien - Türkei

от Katja Christina Plate, Jan Senkyr, Liana Marukyan
Dass Fußball auch Politik sein kann, zeigte das Länderspiel zwischen der Türkei und Armenien am6. September 2008 besonders deutlich. Über das sportliche Ereignis und seine politischen Implikationenberichten aus zwei Perspektiven unsere Auslandsmitarbeiter aus dem RegionalprogrammPolitischer Dialog Südkaukasus und aus der Türkei. Darin werden auch die Reaktionen in der jeweiligenLandespresse kurz dargestellt.

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Türkei - Türken begrüßen Annäherungskurs mit Armenien

Bereits vor längerer Zeit nahm der armenische Staatspräsident Sersch Sarkissjan das Sportereignis zum Anlass, seinen türkischen Amtskollegen Abdullah Gül zum WM-Qualifikationsspiel in die armenische Hauptstadt Eriwan einzuladen.

Obwohl sich das Präsidialamt in Ankara

zunächst zurückhaltend gab und eine Zusage

als eher unwahrscheinlich erschien,

wurde drei Tage vor dem Match plötzlich

die Bestätigung für eine Reise Güls nach

Eriwan bekannt gegeben. Erstmals in der

Geschichte beider Staaten besuchte somit

ein türkischer Präsident das armenische

Nachbarland und erstmals seit über

fünfzehn Jahren kam es wieder zu direkten

politischen Kontakten auf Staatsebene.

Zwar gab es auch früher Treffen und

Gespräche zwischen Politikern beider

Länder, allerdings geschah dies meistens

„inoffiziell“ am Rande internationaler Versammlungen

(OSZE, UNO, NATO) und

immer in Drittländern. Türkische Medien

berichteten 2005 wiederholt über Zusammentreffen

zwischen dem damaligen

türkischen Außenminister Abdullah Gül

und seinem armenischen Pendant Vardan

Oskanyan. Anfang 2007 ließ die türkische

Regierung zur Beisetzung des ermordeten

armenisch-türkischen Journalisten

Hrant Dink erstmals eine offizielle Delegation

aus Armenien einreisen. Im Juli

dieses Jahres wurde über „Geheimgespräche“

ranghoher Diplomaten beider

Länder in der Schweizer Hauptstadt Bern

berichtet.

Präsident Abdullah Gül reiste in Begleitung

von Außenminister Ali Babacan und

einer 30köpfigen Delegation unter umfangreichen

Sicherheitsvorkehrungen

nach Eriwan. Vor dem Match kam es zu

einem zweieinhalbstündigen Gespräch

zwischen den beiden Staatsoberhäuptern,

anschließend verfolgten sie gemeinsam

das Fußballspiel von der Präsidentenloge

im Hrasdan-Stadion aus. Außenminister

Babacan blieb nach dem Match (das mit

einem 2:0-Sieg der Türken endete) noch

einige Stunden länger als Gül, um mit

seinen armenischen Gesprächspartnern

über weitere Schritte zur Normalisierung

der bilateralen Beziehungen zu verhandeln.

Zwar hat der Besuch noch keine konkreten

Ergebnisse für die bilateralen Beziehungen

erbracht, dennoch ist dem Ereignis

eine hohe – vor allem symbolische –

Bedeutung beizumessen. Das türkischarmenische

Verhältnis ist stark angespannt

und historisch belastet. Ein wesentlicher

Streitpunkt sind die Armenierverfolgungen

im Osmanischen Reich von

1915 bis 1923. Während die Armenier

von einem Völkermord an 1,5 Millionen

ihrer Landsleute sprechen, geht die offizielle

türkische Geschichtsschreibung von

Gewalthandlungen im Rahmen von

„Kriegswirren“ mit einigen hunderttausenden

Opfern aus. Ein weiterer wichtiger

Punkt ist die Anerkennung des heutigen

Grenzverlaufs. Die Türkei war einer der

ersten Staaten, die die Unabhängigkeit

Armeniens von der Sowjetunion 1991 anerkannt

haben. Armenien erklärte jedoch

kurz darauf den Vertrag von Kars vom

23. Oktober 1921 für ungültig, mit dem

der Verlauf der Grenze zwischen den damaligen

Sowjetrepubliken im Kaukasus

und der Türkei festgelegt wurde. Obwohl

Armenien keine Gebietsansprüche an die

Türkei stellt, ist es bislang aber auch

nicht bereit gewesen, die Gültigkeit des

Vertrags schriftlich zu bestätigen.

Ein schwieriges Problem in den bilateralen

Beziehungen ist die türkische Forderung

nach dem Rückzug armenischer

Streitkräfte aus Berg-Karabach. Die armenisch

besiedelte Region Nagornyj Karabach,

die zu Aserbaidschan gehört,

wurde Anfang der 90er Jahre zunächst in

Scharmützel mit aserischen Milizen aus

der Enklave Nachitschevan verwickelt

und 1992 von aserbaidschanischen Einheiten

besetzt. Es soll zu Massakern an

der armenischen Bevölkerung gekommen

sein. 1993 wurde das Gebiet von armenischen

Milizen zurückerobert, seit dem

steht Nagornyj Karabach unter armenischer

Kontrolle. Die Türkei hat 1993 aus

Solidarität mit dem türksprachigen Brudervolk

der Aserbaidschaner die diplomatischen

Beziehungen zu Armenien abgebrochen

und die gemeinsame Grenze

geschlossen.

Armeniens wichtigster Verbündeter in der

Region ist Russland. Offene Grenzen hat

es nur noch zu Georgien und dem Iran.

Bei dem Bau der strategisch wichtigen

Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan, mit der

kaspisches Öl unabhängig von russischen

Leitungen zur türkischen Mittelmeerküste

geleitet wird, ist aus politischen Gründen

an Armenien vorbei über georgisches Gebiet

gebaut worden. Auch andere wichtige

Verkehrsprojekte machen um Armenien

einen Bogen. Nach dem russischgeorgischen

Krieg und den daraus resultierenden

sicherheitspolitischen Konsequenzen

wird allerdings deutlich, dass

das Land im Süden der Kaukasusregion

nicht weiter isoliert bleiben kann. Dies

bildet auch den Hintergrund für das momentane

türkisch-armenische politische

Tauwetter.

Armenien hat bisher als einziges Land die

vom türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan

vorgeschlagene Stabilitätsplattform

für den Kaukasus unterstützt. Ziel

dieser Plattform soll vor allem die Festlegung

eines Mechanismus zur Lösung und

Vermeidung von Konflikten sein, um

mehr Sicherheit und Stabilität in der Region

zu schaffen. Während Russland

skeptisch zu dieser türkischen Initiative

steht, hat Georgien bereits eine Teilnahme

am Stabilitätspakt abgelehnt. So lange

sich russische Soldaten auf georgischem

Gebiet befinden, könne es mit

Russland keine Verhandlungen geben.

Auch Aserbaidschan hat sich zurückhaltend

gegeben, vor allem mit Blick auf die

derzeit guten Beziehungen zu den USA.

Präsident Gül ist deshalb am 9. September

nach Baku gereist, um seinen Kollegen

Alijew über die Gespräche in Armenien

zu informieren und für die Idee der

Stabilitätsplattform zu werben.

In der türkischen Öffentlichkeit wird eine

Annäherung an Armenien derzeit positiv

aufgenommen. Zwar hat die Opposition, allen voran die Republikanische Volkspartei

(CHP) und die Nationalistische Aktionspartei

(MHP), harsche Kritik an dem

Gül-Besuch geübt. Die türkischen Medien

bewerteten die jüngste diplomatische Initiative

des Staatspräsidenten jedoch

mehrheitlich positiv. Mehrere Tageszeitungen

beschrieben das Treffen als einen

viel versprechenden Anfang. „Die Beziehungen

zwischen der Türkei sind in eine

neue Phase getreten“ schreibt die Tageszeitung

„Milliyet“. Auch „Zaman“ spricht

von einer neuen Ära im Verhältnis zwischen

den beiden Ländern. „Sabah“ bezeichnet

das 0:2 für die Türkei als doppelten

Sieg. Auf dem Platz habe die Türkei

gewonnen, auf der Tribüne sei aber

die Freundschaft Sieger im Spiel geblieben.

Eine vom Forschungszentrum

„Metropoll“ am 7. September durchgeführte

Blitzumfrage ergab, dass 69,5 %

der Befragten Türken den Besuch in Armenien

als Erfolg betrachten (15 % als

Misserfolg), 62,8 % gaben zudem an,

dass mit Armenien diplomatische und

wirtschaftliche Beziehungen aufgenommen

werden sollten.

Armemien - Warum auch Armenien bei dem WM-Qualifikationsspiel gewonnen hat

Am 6. September 2008 startete die Türkei

mit einem Sieg gegen Armenien die

Qualifikation für die WM 2010. Das Spiel

war die erste Begegnung zwischen dem

türkischen und dem armenischen Nationalteam.

Trotz der Tordifferenz sah sich

auch Armenien als Gewinner.

Das Los hat entschieden, dass die Türkei

und Armenien im Rahmen der WMQualifikation

für 2010 in Eriwan aufeinander

treffen. Also lud der armenische

Präsident Serge Sargsyan, den türkischen

Präsidenten Abdullah Gül nach Armenien

ein. Gül akzeptierte die Einladung und

reiste nach Eriwan. Was sich normal anhört,

ist jedoch außergewöhnlich: Es

handelt sich um die erste Reise eines türkischen

Präsidenten nach Armenien.

Im Schatten des Ersten Weltkrieges hatte

die Regierung der Jungtürken die

Zwangsdeportation der gesamten armenischen

Bevölkerung Ostanatoliens angeordnet.

Es starben weit über eine Million

Armenier. Armenien spricht vom Genozid,

die Menschenrechtskommission der UN

spricht von Völkermord. Die Türkei bestreitet,

dass es sich um einen solchen

handelte.

Anfang der 1990er Jahre, nach der Auflösung

der Sowjetunion, sorgte der Nagorni-

Karabach-Konflikt für eine erneute

Verschlechterung des türkisch-armenischen

Verhältnisses. Stalin hatte das

mehrheitlich von Armeniern besiedelte

Nagorni-Karabach in den Dreißiger Jahren

Aserbaidschan zugeschlagen. Als

nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion

der aserisch-armenische Krieg um

Nagorni-Karabach ausbrach, schlug sich

die Türkei auf die Seite Aserbaidschans.

In der Folge schloss Ankara 1993 seine

Grenze zu Armenien und brach die diplomatischen

Beziehungen ab.

Vor diesem Hintergrund verfolgte die armenische

Presse das Fußballspiel am 6.

September auch mit großem politischem

Interesse und analysierte die außen- und

innenpolitischen Rahmenbedingungen der

armenisch-türkischen Beziehungen.

Der russisch-georgische Krieg verändert den Status-Quo im Südkaukasus

Zahlreiche armenische Zeitungen weisen

auf die schwierige geo-politische Lage

Armeniens hin: Die Grenzen zur Türkei

und zu Aserbaidschan sind geschlossen.

Armenien kann allein über den Iran und

Georgien Handel betreiben. „Wenn die

Republik Armenien die Unabhängigkeit

von Südossetien und Abchasien anerkennt,

dann besteht kein Zweifel daran,

dass auch die nördliche Grenze zu Georgien,K.P. blockiert wird“ schreibt die

Zeitung „168 Gam“ in ihrer Ausgabe vom

4./5. September.

Die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen

in Georgien, machten Armenien

seine Abhängigkeit von diesem

Nachbarland schmerzhaft deutlich: Als

die Hauptverkehrsader von Schwarzen

Meer über Tiflis nach Eriwan von russischen

Truppen gesperrt war, wurden

Mehl und Benzin knapp.

„Durch den Krieg in Georgien, konnten

Flugzeuge von Jerewan nach Moskau

nicht mehr über georgisches Territorium

fliegen. In der Folge verdoppelte sich der

Preis für Flugtickets; Dies hat wirtschaftliche

Konsequenzen für Armenien, die nur

negativ sein können“, schreibt die oppositionelle

Tageszeitung Gamanak (5. September).

Ungeachtet der aktuellen, kriegsbedingten

Probleme, ist das armenisch-georgische

Verhältnis nicht unbelastet: Nahe

der Grenze zu Armenien lebt in Georgien

eine große armenische Minderheit. Separatistische

Tendenzen in der armenischen

Minderheit führen immer wieder zu Konflikten

mit der georgischen Regierung.

Die Verhandlungsposition der armenischen

Regierung ist aufgrund der einseitigen

Abhängigkeit jedoch denkbar

schwach.

Die Medien in Armenien sind sich einig:

Die Öffnung der Grenze zur Türkei wäre

für Armenien ein wichtiger außenpolitischer

Befreiungsschlag und auch ein wesentlicher

Beitrag zur wirtschaftlichen

Entwicklung des Landes.

Eine schwierige innenpolitische Balance

Der frühere armenische Präsident Robert

Kocharyan vertrat stets kompromisslos

die Haltung, dass eine Verbesserung der

armenisch-türkischen Beziehungen zwingend

an die Anerkennung des Völkermordes

an den Armeniern durch die Türkei

gebunden ist. Die zweite Amtszeit Kocharyans

endete Anfang 2008: Am 19.

Februar 2008 wurde Serge Sargsyan, ein

enger Gefolgsmann Kocharyans, zum

neuen Präsidenten Armeniens gewählt.

Sargsyan nimmt nun aus Sicht der armenischen

Presse eine deutlich kompromissorientiertere

Haltung gegenüber der

Türkei ein.

Zwar blieb die Grenze zwischen der Türkei

und Armenien geschlossen, 250 türkische

Fußballfans konnten jedoch per

Flugzeug nach Armenien einreisen. Die

Visa-Pflicht für die türkischen Fußballfreunde

wurde aufgehoben. Auch der türkische

Präsident wurde begrüßt: „Herzlich

Willkommen, Herr Präsident Gül! Wir

wünschen uns Fair-Play – auch nach dem

Fußballspiel“ wurde in zahlreichen armenischen

Zeitungen auf ganzseitigen Anzeigen

gedruckt.

Zwar kritisierte Alt-Präsident Kocharyan:

„Wenn ich noch Präsident wäre, würde

ich es sicher nicht zulassen, dass Herr

Gül nach Armenien kommt“ (www.polit.ru

/ 10.9.2008). Aber Sargsyan hat die breite

Zustimmung der armenischen Bevölkerung

für seine Politik sicher: Sowohl im

staatlichen als auch im privaten Fernsehen

und im Rundfunk haben sich jeweils

rund 90% der Befragten positiv über den

Besuch des türkischen Staatspräsidenten

Gül geäußert. Dennoch wollte man sicher

gehen: Vor der Ehrenloge waren schussfeste

Glasscheiben zum Schutz des türkischen

Präsidenten angebracht worden.

Sargsyan musste sich zudem Kritik von

einem seiner Koalitionspartner, der ältesten

armenischen Partei, Dashnakcutyun,

gefallen lassen: Demonstranten der

Dashnakcutyun hielten zum Empfang von

Präsident Gül in den Straßen Eriwans Plakate

mit der Aufschrift „1915 – nie wieder“

oder „Wir verlangen Gerechtigkeit“

hoch. Die armenischen Fußballfans „buhten“

als die türkische Nationalhymne gespielt

wurde.

Ein Koalitionskrach dürfte der Dashnakcutyun

jedoch nicht drohen. Es heißt,

dass die Demonstration Sargsyan letztlich

nicht unwillkommen war. „Armen Rustamyan

von der Dashnakcutyun hat mitgeteilt,

dass Programm und Inhalt der Aktion

mit den Machthabern (Serge Sargsyan)

besprochen waren“, berichtet die Zeitung

Nerasharh (5. September). Und weiter:

„man darf nicht vergessen, dass die

Demonstration nicht nur die Handschrift

der Partei Dashnakcutyun, sondern auch

die von Herrn Kocharyan trug“.

Bereits im Wahlkampf um das Präsidentenamt

wurde deutlich, dass die Bevölkerung

ein besseres Verhältnis mit der Türkei

wünscht, ohne jedoch Kompromisse

in Bezug auf die Anerkennung des Genozids

zu akzeptieren. Wenn Sargsyan einen

Schritt auf Gül zumacht, gleicht sein

politisches Alter-Ego Kocharyan diese Position

durch markige Worte wieder aus.

So versucht das politische Duo, eine

schwierige innenpolitische Balance zu

wahren.

Hohe Erwartungen, viel Arbeit für die Zukunft

Die regierungsnahe Hayastani Hanrapetutyun

(5. September) hatte erwartet,

dass mindestens folgende Themen angesprochen

werden: Eine Sicherheitsstruktur

für den Kaukasus, die Anerkennung

des türkischen Völkermordes an den Armeniern

und Konfliktlösungsmodelle für

Berg-Karabach. Diese Erwartungen wurden

enttäuscht. Der Fußball dominierte

das Treffen. Dennoch wurde auch viel

guter Wille demonstriert: „Armenien und

die Türkei müssen und sollen nicht dauerhaft

Gegner bleiben. Wohlstand und

eine gemeinsame Zukunft für Armenien

und die Türkei, sowie die Öffnung eines

Ost-West-Korridors für Europa, die Kaspische

Region und den Rest der Welt, sind

die Ziele, die wir erreichen können und

müssen“, so Sargsyan.

Fußballspiele können kein Ersatz für politisch

wahrgenommene Verantwortung

sein. Die Türkei muss sich ihrer Geschichte

stellen und Armenien seiner Gegenwart.

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