Politik und Fußball: Das Länderspiel Armenien - Türkei - www.kas.de
Репортажи от различните страни
This portlet should not exist anymore
Türkei - Türken begrüßen Annäherungskurs mit Armenien
Bereits vor längerer Zeit nahm der armenische Staatspräsident Sersch Sarkissjan das Sportereignis zum Anlass, seinen türkischen Amtskollegen Abdullah Gül zum WM-Qualifikationsspiel in die armenische Hauptstadt Eriwan einzuladen.
Obwohl sich das Präsidialamt in Ankara
zunächst zurückhaltend gab und eine Zusage
als eher unwahrscheinlich erschien,
wurde drei Tage vor dem Match plötzlich
die Bestätigung für eine Reise Güls nach
Eriwan bekannt gegeben. Erstmals in der
Geschichte beider Staaten besuchte somit
ein türkischer Präsident das armenische
Nachbarland und erstmals seit über
fünfzehn Jahren kam es wieder zu direkten
politischen Kontakten auf Staatsebene.
Zwar gab es auch früher Treffen und
Gespräche zwischen Politikern beider
Länder, allerdings geschah dies meistens
„inoffiziell“ am Rande internationaler Versammlungen
(OSZE, UNO, NATO) und
immer in Drittländern. Türkische Medien
berichteten 2005 wiederholt über Zusammentreffen
zwischen dem damaligen
türkischen Außenminister Abdullah Gül
und seinem armenischen Pendant Vardan
Oskanyan. Anfang 2007 ließ die türkische
Regierung zur Beisetzung des ermordeten
armenisch-türkischen Journalisten
Hrant Dink erstmals eine offizielle Delegation
aus Armenien einreisen. Im Juli
dieses Jahres wurde über „Geheimgespräche“
ranghoher Diplomaten beider
Länder in der Schweizer Hauptstadt Bern
berichtet.
Präsident Abdullah Gül reiste in Begleitung
von Außenminister Ali Babacan und
einer 30köpfigen Delegation unter umfangreichen
Sicherheitsvorkehrungen
nach Eriwan. Vor dem Match kam es zu
einem zweieinhalbstündigen Gespräch
zwischen den beiden Staatsoberhäuptern,
anschließend verfolgten sie gemeinsam
das Fußballspiel von der Präsidentenloge
im Hrasdan-Stadion aus. Außenminister
Babacan blieb nach dem Match (das mit
einem 2:0-Sieg der Türken endete) noch
einige Stunden länger als Gül, um mit
seinen armenischen Gesprächspartnern
über weitere Schritte zur Normalisierung
der bilateralen Beziehungen zu verhandeln.
Zwar hat der Besuch noch keine konkreten
Ergebnisse für die bilateralen Beziehungen
erbracht, dennoch ist dem Ereignis
eine hohe – vor allem symbolische –
Bedeutung beizumessen. Das türkischarmenische
Verhältnis ist stark angespannt
und historisch belastet. Ein wesentlicher
Streitpunkt sind die Armenierverfolgungen
im Osmanischen Reich von
1915 bis 1923. Während die Armenier
von einem Völkermord an 1,5 Millionen
ihrer Landsleute sprechen, geht die offizielle
türkische Geschichtsschreibung von
Gewalthandlungen im Rahmen von
„Kriegswirren“ mit einigen hunderttausenden
Opfern aus. Ein weiterer wichtiger
Punkt ist die Anerkennung des heutigen
Grenzverlaufs. Die Türkei war einer der
ersten Staaten, die die Unabhängigkeit
Armeniens von der Sowjetunion 1991 anerkannt
haben. Armenien erklärte jedoch
kurz darauf den Vertrag von Kars vom
23. Oktober 1921 für ungültig, mit dem
der Verlauf der Grenze zwischen den damaligen
Sowjetrepubliken im Kaukasus
und der Türkei festgelegt wurde. Obwohl
Armenien keine Gebietsansprüche an die
Türkei stellt, ist es bislang aber auch
nicht bereit gewesen, die Gültigkeit des
Vertrags schriftlich zu bestätigen.
Ein schwieriges Problem in den bilateralen
Beziehungen ist die türkische Forderung
nach dem Rückzug armenischer
Streitkräfte aus Berg-Karabach. Die armenisch
besiedelte Region Nagornyj Karabach,
die zu Aserbaidschan gehört,
wurde Anfang der 90er Jahre zunächst in
Scharmützel mit aserischen Milizen aus
der Enklave Nachitschevan verwickelt
und 1992 von aserbaidschanischen Einheiten
besetzt. Es soll zu Massakern an
der armenischen Bevölkerung gekommen
sein. 1993 wurde das Gebiet von armenischen
Milizen zurückerobert, seit dem
steht Nagornyj Karabach unter armenischer
Kontrolle. Die Türkei hat 1993 aus
Solidarität mit dem türksprachigen Brudervolk
der Aserbaidschaner die diplomatischen
Beziehungen zu Armenien abgebrochen
und die gemeinsame Grenze
geschlossen.
Armeniens wichtigster Verbündeter in der
Region ist Russland. Offene Grenzen hat
es nur noch zu Georgien und dem Iran.
Bei dem Bau der strategisch wichtigen
Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan, mit der
kaspisches Öl unabhängig von russischen
Leitungen zur türkischen Mittelmeerküste
geleitet wird, ist aus politischen Gründen
an Armenien vorbei über georgisches Gebiet
gebaut worden. Auch andere wichtige
Verkehrsprojekte machen um Armenien
einen Bogen. Nach dem russischgeorgischen
Krieg und den daraus resultierenden
sicherheitspolitischen Konsequenzen
wird allerdings deutlich, dass
das Land im Süden der Kaukasusregion
nicht weiter isoliert bleiben kann. Dies
bildet auch den Hintergrund für das momentane
türkisch-armenische politische
Tauwetter.
Armenien hat bisher als einziges Land die
vom türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan
vorgeschlagene Stabilitätsplattform
für den Kaukasus unterstützt. Ziel
dieser Plattform soll vor allem die Festlegung
eines Mechanismus zur Lösung und
Vermeidung von Konflikten sein, um
mehr Sicherheit und Stabilität in der Region
zu schaffen. Während Russland
skeptisch zu dieser türkischen Initiative
steht, hat Georgien bereits eine Teilnahme
am Stabilitätspakt abgelehnt. So lange
sich russische Soldaten auf georgischem
Gebiet befinden, könne es mit
Russland keine Verhandlungen geben.
Auch Aserbaidschan hat sich zurückhaltend
gegeben, vor allem mit Blick auf die
derzeit guten Beziehungen zu den USA.
Präsident Gül ist deshalb am 9. September
nach Baku gereist, um seinen Kollegen
Alijew über die Gespräche in Armenien
zu informieren und für die Idee der
Stabilitätsplattform zu werben.
In der türkischen Öffentlichkeit wird eine
Annäherung an Armenien derzeit positiv
aufgenommen. Zwar hat die Opposition, allen voran die Republikanische Volkspartei
(CHP) und die Nationalistische Aktionspartei
(MHP), harsche Kritik an dem
Gül-Besuch geübt. Die türkischen Medien
bewerteten die jüngste diplomatische Initiative
des Staatspräsidenten jedoch
mehrheitlich positiv. Mehrere Tageszeitungen
beschrieben das Treffen als einen
viel versprechenden Anfang. „Die Beziehungen
zwischen der Türkei sind in eine
neue Phase getreten“ schreibt die Tageszeitung
„Milliyet“. Auch „Zaman“ spricht
von einer neuen Ära im Verhältnis zwischen
den beiden Ländern. „Sabah“ bezeichnet
das 0:2 für die Türkei als doppelten
Sieg. Auf dem Platz habe die Türkei
gewonnen, auf der Tribüne sei aber
die Freundschaft Sieger im Spiel geblieben.
Eine vom Forschungszentrum
„Metropoll“ am 7. September durchgeführte
Blitzumfrage ergab, dass 69,5 %
der Befragten Türken den Besuch in Armenien
als Erfolg betrachten (15 % als
Misserfolg), 62,8 % gaben zudem an,
dass mit Armenien diplomatische und
wirtschaftliche Beziehungen aufgenommen
werden sollten.
Armemien - Warum auch Armenien bei dem WM-Qualifikationsspiel gewonnen hat
Am 6. September 2008 startete die Türkei
mit einem Sieg gegen Armenien die
Qualifikation für die WM 2010. Das Spiel
war die erste Begegnung zwischen dem
türkischen und dem armenischen Nationalteam.
Trotz der Tordifferenz sah sich
auch Armenien als Gewinner.
Das Los hat entschieden, dass die Türkei
und Armenien im Rahmen der WMQualifikation
für 2010 in Eriwan aufeinander
treffen. Also lud der armenische
Präsident Serge Sargsyan, den türkischen
Präsidenten Abdullah Gül nach Armenien
ein. Gül akzeptierte die Einladung und
reiste nach Eriwan. Was sich normal anhört,
ist jedoch außergewöhnlich: Es
handelt sich um die erste Reise eines türkischen
Präsidenten nach Armenien.
Im Schatten des Ersten Weltkrieges hatte
die Regierung der Jungtürken die
Zwangsdeportation der gesamten armenischen
Bevölkerung Ostanatoliens angeordnet.
Es starben weit über eine Million
Armenier. Armenien spricht vom Genozid,
die Menschenrechtskommission der UN
spricht von Völkermord. Die Türkei bestreitet,
dass es sich um einen solchen
handelte.
Anfang der 1990er Jahre, nach der Auflösung
der Sowjetunion, sorgte der Nagorni-
Karabach-Konflikt für eine erneute
Verschlechterung des türkisch-armenischen
Verhältnisses. Stalin hatte das
mehrheitlich von Armeniern besiedelte
Nagorni-Karabach in den Dreißiger Jahren
Aserbaidschan zugeschlagen. Als
nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion
der aserisch-armenische Krieg um
Nagorni-Karabach ausbrach, schlug sich
die Türkei auf die Seite Aserbaidschans.
In der Folge schloss Ankara 1993 seine
Grenze zu Armenien und brach die diplomatischen
Beziehungen ab.
Vor diesem Hintergrund verfolgte die armenische
Presse das Fußballspiel am 6.
September auch mit großem politischem
Interesse und analysierte die außen- und
innenpolitischen Rahmenbedingungen der
armenisch-türkischen Beziehungen.
Der russisch-georgische Krieg verändert den Status-Quo im Südkaukasus
Zahlreiche armenische Zeitungen weisen
auf die schwierige geo-politische Lage
Armeniens hin: Die Grenzen zur Türkei
und zu Aserbaidschan sind geschlossen.
Armenien kann allein über den Iran und
Georgien Handel betreiben. „Wenn die
Republik Armenien die Unabhängigkeit
von Südossetien und Abchasien anerkennt,
dann besteht kein Zweifel daran,
dass auch die nördliche Grenze zu Georgien,K.P. blockiert wird“ schreibt die
Zeitung „168 Gam“ in ihrer Ausgabe vom
4./5. September.
Die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen
in Georgien, machten Armenien
seine Abhängigkeit von diesem
Nachbarland schmerzhaft deutlich: Als
die Hauptverkehrsader von Schwarzen
Meer über Tiflis nach Eriwan von russischen
Truppen gesperrt war, wurden
Mehl und Benzin knapp.
„Durch den Krieg in Georgien, konnten
Flugzeuge von Jerewan nach Moskau
nicht mehr über georgisches Territorium
fliegen. In der Folge verdoppelte sich der
Preis für Flugtickets; Dies hat wirtschaftliche
Konsequenzen für Armenien, die nur
negativ sein können“, schreibt die oppositionelle
Tageszeitung Gamanak (5. September).
Ungeachtet der aktuellen, kriegsbedingten
Probleme, ist das armenisch-georgische
Verhältnis nicht unbelastet: Nahe
der Grenze zu Armenien lebt in Georgien
eine große armenische Minderheit. Separatistische
Tendenzen in der armenischen
Minderheit führen immer wieder zu Konflikten
mit der georgischen Regierung.
Die Verhandlungsposition der armenischen
Regierung ist aufgrund der einseitigen
Abhängigkeit jedoch denkbar
schwach.
Die Medien in Armenien sind sich einig:
Die Öffnung der Grenze zur Türkei wäre
für Armenien ein wichtiger außenpolitischer
Befreiungsschlag und auch ein wesentlicher
Beitrag zur wirtschaftlichen
Entwicklung des Landes.
Eine schwierige innenpolitische Balance
Der frühere armenische Präsident Robert
Kocharyan vertrat stets kompromisslos
die Haltung, dass eine Verbesserung der
armenisch-türkischen Beziehungen zwingend
an die Anerkennung des Völkermordes
an den Armeniern durch die Türkei
gebunden ist. Die zweite Amtszeit Kocharyans
endete Anfang 2008: Am 19.
Februar 2008 wurde Serge Sargsyan, ein
enger Gefolgsmann Kocharyans, zum
neuen Präsidenten Armeniens gewählt.
Sargsyan nimmt nun aus Sicht der armenischen
Presse eine deutlich kompromissorientiertere
Haltung gegenüber der
Türkei ein.
Zwar blieb die Grenze zwischen der Türkei
und Armenien geschlossen, 250 türkische
Fußballfans konnten jedoch per
Flugzeug nach Armenien einreisen. Die
Visa-Pflicht für die türkischen Fußballfreunde
wurde aufgehoben. Auch der türkische
Präsident wurde begrüßt: „Herzlich
Willkommen, Herr Präsident Gül! Wir
wünschen uns Fair-Play – auch nach dem
Fußballspiel“ wurde in zahlreichen armenischen
Zeitungen auf ganzseitigen Anzeigen
gedruckt.
Zwar kritisierte Alt-Präsident Kocharyan:
„Wenn ich noch Präsident wäre, würde
ich es sicher nicht zulassen, dass Herr
Gül nach Armenien kommt“ (www.polit.ru
/ 10.9.2008). Aber Sargsyan hat die breite
Zustimmung der armenischen Bevölkerung
für seine Politik sicher: Sowohl im
staatlichen als auch im privaten Fernsehen
und im Rundfunk haben sich jeweils
rund 90% der Befragten positiv über den
Besuch des türkischen Staatspräsidenten
Gül geäußert. Dennoch wollte man sicher
gehen: Vor der Ehrenloge waren schussfeste
Glasscheiben zum Schutz des türkischen
Präsidenten angebracht worden.
Sargsyan musste sich zudem Kritik von
einem seiner Koalitionspartner, der ältesten
armenischen Partei, Dashnakcutyun,
gefallen lassen: Demonstranten der
Dashnakcutyun hielten zum Empfang von
Präsident Gül in den Straßen Eriwans Plakate
mit der Aufschrift „1915 – nie wieder“
oder „Wir verlangen Gerechtigkeit“
hoch. Die armenischen Fußballfans „buhten“
als die türkische Nationalhymne gespielt
wurde.
Ein Koalitionskrach dürfte der Dashnakcutyun
jedoch nicht drohen. Es heißt,
dass die Demonstration Sargsyan letztlich
nicht unwillkommen war. „Armen Rustamyan
von der Dashnakcutyun hat mitgeteilt,
dass Programm und Inhalt der Aktion
mit den Machthabern (Serge Sargsyan)
besprochen waren“, berichtet die Zeitung
Nerasharh (5. September). Und weiter:
„man darf nicht vergessen, dass die
Demonstration nicht nur die Handschrift
der Partei Dashnakcutyun, sondern auch
die von Herrn Kocharyan trug“.
Bereits im Wahlkampf um das Präsidentenamt
wurde deutlich, dass die Bevölkerung
ein besseres Verhältnis mit der Türkei
wünscht, ohne jedoch Kompromisse
in Bezug auf die Anerkennung des Genozids
zu akzeptieren. Wenn Sargsyan einen
Schritt auf Gül zumacht, gleicht sein
politisches Alter-Ego Kocharyan diese Position
durch markige Worte wieder aus.
So versucht das politische Duo, eine
schwierige innenpolitische Balance zu
wahren.
Hohe Erwartungen, viel Arbeit für die Zukunft
Die regierungsnahe Hayastani Hanrapetutyun
(5. September) hatte erwartet,
dass mindestens folgende Themen angesprochen
werden: Eine Sicherheitsstruktur
für den Kaukasus, die Anerkennung
des türkischen Völkermordes an den Armeniern
und Konfliktlösungsmodelle für
Berg-Karabach. Diese Erwartungen wurden
enttäuscht. Der Fußball dominierte
das Treffen. Dennoch wurde auch viel
guter Wille demonstriert: „Armenien und
die Türkei müssen und sollen nicht dauerhaft
Gegner bleiben. Wohlstand und
eine gemeinsame Zukunft für Armenien
und die Türkei, sowie die Öffnung eines
Ost-West-Korridors für Europa, die Kaspische
Region und den Rest der Welt, sind
die Ziele, die wir erreichen können und
müssen“, so Sargsyan.
Fußballspiele können kein Ersatz für politisch
wahrgenommene Verantwortung
sein. Die Türkei muss sich ihrer Geschichte
stellen und Armenien seiner Gegenwart.
теми
за тази серия
Фондация „Конрад Аденауер“ разполага със собствени представителства в 70 държави на пет континента. Чуждестранните локални сътрудници могат да ви информира от първа ръка относно актуалните събития и пълносрочните проекти във вашата държава. В „Локална информация“ те предлагат на потребителите на уебсайта на фондация „Конрад Аденауер“ ексклузивни анализи, историческа информация и оценки.