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Ukraine: Weiterhin Stillstand und Blockaden statt politischem Handeln

от Nico Lange
Trotz der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise ist politisches Handeln in der Ukraine seit Monaten kaum erkennbar. Stattdessen spekulieren die führenden Politiker fortwährend über Neuwahlen, Wahltermine und Verfassungsänderungen. Die politischen Eliten fixieren sich jedoch schon jetzt ausschließlich auf die kommenden Präsidentschaftswahlen und lassen eine konstruktive Politikentwicklung nicht zu. Im Ergebnis treibt die Ukraine in Innen- und Außenpolitik ohne erkennbare eigene Agenda.

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Trotz der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise ist politisches Handeln in der Ukraine seit Monaten kaum erkennbar. Stattdessen spekulieren die führenden Politiker fortwährend über Neuwahlen, Wahltermine und Verfassungsänderungen. Das Land bleibt finanziell erheblich unter Druck. Schlechte wirtschaftliche Perspektiven machen strukturelle Reformen eigentlich unumgänglich, um Rahmenbedingungen für eine mögliche Erholung zu schaffen. Die politischen Eliten fixieren sich jedoch schon jetzt ausschließlich auf die kommenden Präsidentschaftswahlen und lassen eine konstruktive Politikentwicklung nicht zu. Im Ergebnis treibt die Ukraine in Innen- und Außenpolitik ohne erkennbare eigene Agenda. Die politische Instabilität und offenbare Handlungsunfähigkeit über einen langen Zeitraum hinweg sind gefährlich für das Land, die Region und die Europäische Union.

Politisches Handeln von Regierung, Parlament und Präsident ist kaum auszumachen

Die Ukraine gehört zu den von der Finanz- und Wirtschaftskrise am stärksten betroffenen Ländern. Trotz dieser tiefen Krise ist politisches Handeln von Regierung, Parlament und Präsident seit Monaten kaum mehr wahrzunehmen. In einer für das Land sehr schwierigen Zeit bleiben die Schlüsselressorts des Finanz- und des Außenministeriums monatelang unbesetzt, nachdem Regierung und Parlament die Minister Pynsenyk und Ohrysko entlassen haben. Die Fraktionen der Partei der Regionen und des Blocks Tymoschenko legten den Parlamentsbetrieb mit den für die Ukraine bedauerlicherweise typischen Blockaden des Präsidiums im vergangenen Sitzungszeitraum weitgehend lahm. Wie schon in der gesamten Legislaturperiode verabschiedete das Parlament kaum nennenswerte Gesetzesvorhaben. Lediglich für die Rede des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, in der Werchowna Rada Anfang April hoben die Fraktionsführer die Blockaden zeitweilig auf. Präsident Juschtschenko und seine Administration beschränken sich vor allem auf permanente Kritik an Regierungschefin Tymoschenko, ohne jedoch Kooperationsbereitschaft zu demonstrieren oder selbst Verantwortung für die Situation übernehmen zu wollen.

Spekulationen und taktische Manöver bestimmen das Geschehen

Die bestimmenden politischen Themen im Kiew dieser Tage sind nicht etwa Programme zum Umgang mit der Krise, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Investoren, Reformen der Renten- und Sozialsysteme oder die Konsolidierung des Staatshaushalts. Stattdessen debattiert man heftig über vermeintliche neue Koalitionsbildungen, mögliche gleichzeitige Wahlen des Präsidenten und des Parlaments, den Termin der Präsidentschaftswahlen und grundlegende Verfassungsänderungen.

Mehrfach kolportierten Politiker und Beobachter in den vergangenen Wochen die Möglichkeit der Formierung einer neuen Regierungskoalition aus dem Block Julija Tymoschenko und der Partei der Regionen von Oppositionsführer Wiktor Janukowytsch. Für beide Seiten wäre eine solche stabile Mehrheit von großem Interesse, nicht zuletzt, um Präsident Juschtschenko und die von ihm kontrollierten Abgeordneten vollends auszuschalten. Die Gespräche über ein solches Zusammengehen gelten nun aber als endgültig gescheitert. Die Partei der Regionen ist zwischen dem Lager Janukowytschs und der Gruppierung um den Oligarchen Rinat Achmetow gespalten. Es gelang es nicht, in dieser Frage zu einer einheitlichen Position zu kommen. Janukowytsch rechnet sich gute Chancen für die kommenden Präsidentschaftswahlen aus und will im Vorfeld keine Verbindung mit seiner vermutlichen Hauptgegnerin eingehen.

Präsident Juschtschenko fordert dagegen zuletzt immer wieder die gleichzeitige Durchführung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, um für einen echten politischen Neuanfang zu sorgen. Auf diese Weise sollen möglichst schnell klare politische Verhältnisse geschaffen werden. Nach der geltenden Verfassung sind zeitgleiche Wahlen allerdings unmöglich und eine schnelle Verfassungsänderung ist unrealistisch. Man muss wohl davon ausgehen, dass die Forderungen rhetorischen Charakter haben, um Druck auf Parlament und Regierung auszuüben. Ohnehin ist in der aktuellen Lage sehr fraglich, ob zeitgleiche Präsidentschafts- und Parlamentswahlen einen stark legitimierten Präsidenten und eine korrespondierende Mehrheit in der Werchowna Rada hervorbringen könnten. Die zunehmende Fragmentierung der politischen Landschaft der Ukraine macht dies eher unwahrscheinlich.

Der Streit dreht sich auch um den Wahltermin und die Verfassung

Am 1. März beschloss das Parlament, dass die regulären Präsidentschaftswahlen in der Ukraine am 25. Oktober 2009 stattfinden sollen. Dieser Beschluss ist rechtlich erheblich umstritten und Präsident Juschtschenko geht bereits gerichtlich dagegen vor. Nach Auffassung vieler Experten gilt ein Wahltag im Januar 2010 als wahrscheinlicher. Vermutlich kam der Beschluss der Werchowna Rada vor allem auf Betreiben Tymoschenkos zustande, um einer drohenden Auflösung des Parlaments und der Entlassung der Regierung vorherzukommen. Die ukrainische Verfassung schreibt vor, dass im Zeitraum von sechs Monaten vor Präsidentschaftswahlen das Parlament nicht mehr durch den amtierenden Präsidenten aufgelöst werden kann.

Ein weiterer Hintergrund dieser Diskussionen liegt darin, dass trotz einer mittlerweile vorliegenden Verfassungsgerichtsentscheidung noch immer umstritten ist, ob nach der Neubildung der Regierungskoalition im Dezember 2008 die Kandidatur der Premierministerin dem Parlament erneut zur Abstimmung hätte vorgeschlagen werden müssen. Das Verfassungsgericht gibt mit seiner aktuellen Entscheidung noch immer Raum für Auslegungen. Juschtschenko zieht daher die Auflösung des Parlaments nach öffentlichen Aussagen weiterhin in Betracht.

In seiner jährlichen Ansprache an das Parlament am 31. März schlug der Präsident zudem vor, noch vor den Präsidentschaftswahlen ein Referendum über einen neuen Verfassungsentwurf durchzuführen. Der am Tag der Rede erstmals vollständig veröffentlichte Entwurf sieht unter anderem die Einführung eines Zweikammersystems mit zum Teil auf Lebenszeit ernannten Senatoren vor. Die tatsächliche Verabschiedung einer neuen Verfassung durch ein Referendum ist aber kaum zu erwarten und im Rahmen der bestehenden Verfassungsordnung nicht vorgesehen.

Verfassungsänderungen sind zur besseren Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Kerninstitutionen und zur Entschärfung des strukturellen Dauerkonflikts in der ukrainischen Politik sicher nötig. Juschtschenkos Initiative zeigt jedoch deutlich die eklatanten Fehler der ukrainischen Verfassungsdebatte und wird kaum zu einer Problemlösung beitragen können. Entgegen den Empfehlungen der Venedig-Kommission und anderer Experten legt der Präsident einen grundlegend neue Verfassungstext vor, anstatt lediglich im bestehenden Rahmen die Widersprüche und Unklarheiten zu bearbeiten. Außerdem ist der Entwurf im Vorfeld nicht mit allen politischen Kräften offen diskutiert worden. Weder andere Parteien noch zivilgesellschaftliche Organisationen waren am Zustandekommen des Verfassungstextes beteiligt. Die von Juschtschenko zu Jahresbeginn 2008 einberufene Verfassungskommission war nach nur kurzer Zeit zur Farce geraten.

Die Ukraine bleibt finanziell weiterhin unter Druck

Die wenigen sachpolitischen Aktivitäten konzentrierten sich auf die Bedingungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Auszahlung der zweiten Rate des noch im Herbst 2008 bewilligten Kredits. Nachdem der IWF sich im März bereit zeigte, die wegen des politischen Stillstands abgebrochenen Gespräche wieder aufzunehmen, scheiterten die nötigen Gesetzesvorhaben in einer für die ukrainische Führung peinlichen Abstimmung im Parlament. Die Regierung Tymoschenko setzte daraufhin die Gesetze per Kabinettsbeschluss in Kraft. Das Parlament äußerte sich seitdem aufgrund der Blockaden und der anschließenden Urlaubszeit nicht mehr in dieser Sache. Die Erkundungsmission des IWF unterbreitete dennoch den Vorschlag an den Vorstand, die nächste Rate in Höhe von 2,8 Milliarden Dollar an die Ukraine auszuzahlen. Der Beirat des IWF wird Mitte Mai diesbezüglich eine Entscheidung treffen.

Vor allem die hohen Sozialausgaben und der dramatisch unterfinanzierte Pensionsfonds belasten zurzeit übermäßig den Staatshaushalt. Einsparmaßnahmen sind aufgrund der anstehenden Wahlen aber nicht zu erwarten. Die Haushaltssituation wird weiterhin sehr prekär bleiben. Immerhin konnte die Regierung Tymoschenko sich mit dem Verkauf von Emissionszertifikaten für Kohlendioxid in Höhe von 3 Milliarden Hrywnja eine kleine Erleichterung verschaffen. Beim ungenannten Abnehmer handelt es sich vermutlich um Japan, das schon seit längerem Interesse an Emissionsrechten bekundete. Tymoschenko hatte im März Tokio einen offiziellen Besuch abgestattet.

Schlechte wirtschaftlichen Perspektiven machen Reformen unumgänglich

Wie auch in Deutschland und der EU mussten die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine erneut deutlich nach unten korrigiert werden. Nach aktuellen Einschätzungen des IWF sind für die Ukraine im Jahr 2009 etwa 8 Prozent Rückgang der Wirtschaft bei etwa 17 Prozent Inflation zu erwarten. Die Arbeitslosigkeit wird im Jahresverlauf von derzeit 1 Million auf bis zu 4 Millionen steigen.

Strukturelle Reformen sind nötig, um günstigere Rahmenbedingungen für eine Erholung der ukrainischen Wirtschaft zu schaffen. Dringend erforderlich sind Erleichterungen für ein schnelles Gründen und Schließen von Unternehmen, insbesondere im Mittelstand. Eine Vereinfachung dieser Regulierungen wäre zudem ein großer Beitrag zur Korruptionsbekämpfung. Für die Konsolidierung des Staatshaushalts sind zudem die Erhöhung des Rentenalters und zumindest ein Anstoßen von Debatten über ein beitragsfinanziertes Rentensystem, Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung absolut dringend geboten. Diese und andere Reformen verschieben die Politiker aller Parteien aber auf einen imaginären Zeitpunkt nach den Präsidentschaftswahlen und den danach mit hoher Wahrscheinlichkeit folgenden vorgezogenen Parlamentswahlen. Die von Exporten und ausländischen Direktinvestitionen sehr stark abhängige Ukraine dürfte bis dahin einen erheblichen Rückstand in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit erlitten haben.

Die politischen Eliten fixieren sich schon jetzt ausschließlich auf die kommenden Präsidentschaftswahlen

Konstruktive Sachpolitik scheint in der Ukraine nicht mehr möglich, weil sich die politischen Akteure schon jetzt ausschließlich auf die kommenden Präsidentschaftswahlen fixieren. Das Rennen um die Präsidentschaft ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen. Vor dem Hintergrund der Dynamik der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der enormen Fragmentierung der ukrainischen Politik scheinen selbst große Überraschungen möglich. Die bedeutenden Kandidaten sind, neben Amtsinhaber Juschtschenko, Regierungschefin Tymoschenko und Oppositionsführer Janukowytsch, Parlamentspräsident Lytwyn, sein Amtsvorgänger Jazenjuk, der Kommunist Symonenko, die Sozialistin Semenjuk-Samsonenko, die Linksradikale Witrenko, der ehemalige Verteidigungsminister Hryzenko, der im Aufwind befindliche Nationalist Tjahnybok und der ehemalige Nationalbankchef Tihipko.

Nach aktuellen Umfragen des Rasumkow-Zentrums erhielte Janukowytsch 17.1 % der Stimmen, Tymoschenko 15,7 %, Jazenjuk 11,8%, Lytwyn 5,2 %, Symonenko 4,2 % und Juschtschenko 3,5 %. Die Trends deuten darauf hin, dass in der ersten Runde der Wahlen schließlich vier bis fünf Kandidaten auf dem Niveau von 15 % in etwa gleichauf liegen könnten.

Die Ukraine treibt in Innen- und Außenpolitik ohne erkennbare eigene Agenda

Wie in der Innenpolitik sind auch in der Außenpolitik der Ukraine sachpolitische Aktivitäten nur sehr begrenzt zu erkennen. Dass die ukrainische Regierung zum wiederholten Mal seit Monaten ohne Außenminister auskommen muss, steht symbolisch für die mangelnde außenpolitische Programmatik des Landes. In Bezug auf die NATO scheint in der Ukraine seit dem Außenministertreffen im vergangenen Dezember eine gewisse Ratlosigkeit zu herrschen. Im Hinblick auf die EU gab es zuletzt verhaltene und kritische Reaktionen auf die Östliche Partnerschaft. Die darin liegenden Chancen der Ukraine, in diesem Rahmen an regionaler Bedeutung zu gewinnen und die bilateralen Beziehungen zur EU zu verbessern, werden bisher nur unzureichend erkannt.

Auch im seit langer Zeit sehr angespannten Verhältnis zu Russland zeigt sich kaum Bewegung zum Besseren. Der Gaskonflikt des Jahreswechsels 2008/2009 wirkt noch immer nach. Moskau reagierte höchst erbost auf das Memorandum zwischen der Ukraine und der EU zur Modernisierung des Gastransportsystems, wahrscheinlich vor allem weil die ukrainische Seite im Rahmen der Verhandlungen zu Jahresbeginn eine russische Beteiligung zugesagt hatte. Zuletzt forderte Gasprom Strafzahlungen, da die Ukraine wegen des Stillstands ganzer Industriezweige zurzeit nicht die vereinbarte Gasmenge abnimmt. Zumindest fand aber am 28. April der nach der Geberkonferenz der EU Ende März verschobene Besuch Tymoschenkos in Moskau statt, bei dem die Premierministerin diese russischen Forderungen nach eigener Aussage vorerst abwenden konnte.

Die Ukraine treibt aktuell gegenüber NATO, EU und Russland politisch ohne eigene Agenda. Für NATO und EU gilt, dass die Ukraine die nötigen innenpolitischen Reformen nicht unternimmt, um den selbst formulierten Fernzielen mit konkreten Schritten näher zu kommen. Mit häufig überzogener Kritik an den Initiativen der jeweils anderen Seite und vielfach unrealistischen rigorosen Forderungen läuft die Ukraine außerdem Gefahr, als Partner zunehmend ins Abseits zu gelangen.

Politische Instabilität und Handlungsunfähigkeit über einen langen Zeitraum hinweg sind gefährlich

Die nunmehr seit Jahren anhaltende politische Auseinandersetzung ohne tatsächliche Bearbeitung der innen- und außenpolitischen Sachthemen wird für die Ukraine angesichts der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise immer problematischer. Bis zu den Präsidentschaftswahlen sind noch einige schwierige Monate zu überstehen und auch danach ist angesichts der Spaltungen in den politischen Lagern kaum eine Konsolidierung zu erwarten. Eine innenpolitisch fragmentierte und wirtschaftlich angeschlagene Ukraine ist ein Problem für die gesamte Region und auch die EU. Die aktuelle polnisch-deutsche Initiative der Entsendung der EU-Troika nach Kiew zur Vermittlung in den innenpolitischen Grabenkämpfen ist vor diesem Hintergrund begrüßenswert. Für die politischen Eliten der Ukraine, die die Interessen ihres Landes scheinbar konsequent persönlichen Ambitionen unterordnen, ist das kein gutes Zeugnis. Die sachpolitischen Vorgaben für Haushalt und Gesetzgebung kommen vom Internationalen Währungsfonds und Weltbank. Politische Kompromissfindung gelingt, wenn überhaupt, dann nur unter Vermittlung der EU. Es ist bedauerlich, dass die führenden Politiker der Ukraine in diesen Wochen so wenig Eigenverantwortung für die innen- und außenpolitische Entwicklung ihres Landes übernehmen.

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