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Venezuela vor dem Generalstreik

от Michael Lingenthal
Mit einem „zivilen, nationalen Ausstand“ will die demokratische Opposition Venezuelas Präsident Hugo Chávez weiter unter Druck setzten und ihrer Forderung nach Neuwahlen Nachdruck verleihen. Der Präsident reagiert mit einem Drohszenarium und versucht, mit gezielten Massenereignissen den Ausstand der Opposition ad absurdum zu führen.Überschattet wird die neue Kraftprobe von einer Brandkatastrophe in einem Tanzlokal von Caracas, bei der 47 Tote und über 500 Verletzte zu beklagen waren.

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Die „Coordinadora Democrática“, Gewerkschaften und Unternehmer haben vom 2. Dezember an den „nationalen, zivilen Ausstand“(Streik) als Protest gegen die Regierung Chávez ausgerufen. Streikziel ist allerdings nicht nur der Protest, sondern die Forderung nach Neuwahlen, um die politische Krise gewaltlos über die Entscheidung des Souverän zu lösen. Die „Coordinadora“ rechnet mit einer großen Beteiligung. Allerdings haben sich wichtige Bereiche dem Ausstand nicht angeschlossen, wie z.B. der Personentransport, Teile der Ölproduktion und Teile des Handels.

Der Handel fürchtet um sein Weihnachtsgeschäft. Die große Frage also, ob der Ausstand den gleichen Organisationsgrad wie am 10. Dezember 2001 oder am 21. Oktober 2002 erreicht, als jeweils 85 bis 90% des betrieblichen und öffentlichen Lebens „lahm gelegt“ waren.

Nach Wochen, in denen Teile der „Coordinadora“ ganz offen das Eingreifen des Militärs gefordert hatten, setzt sich nun –wohl auch unter dem Druck der OAS-Vermittlung – die Richtung durch, die nur demokratische Lösungswege sucht und die Gewalt ablehnt. Coordinadora, Gewerkschaften und Unternehmer fordern daher Neuwahlen.

Die Regierung bezeichnet durch den für den nationalen Dialog und die nationale Versöhnung zuständigen Vizepräsidenten Rangel, den Ausstand als „Terror“ und „Putschvorbereitung“. Präsident Chávez stößt ins gleiche Horn und versucht zugleich, mit Drohszenarien und sehr subtilen Mitteln den Erfolg des Ausstandes zu verhindern. Das Drohszenario reicht von der Ankündigung, dass der Notstandsplan zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung ausgerufen werde, bis zur „Erinnerung“, dass die privaten TV-Sender staatliche Lizenzen besitzen, die den Sendern „wie ein Führerschein bei Übertreten von Verkehrsregeln“ entzogen werden können.

Im Bundesstaat Falcón wurde der Präsident vor FETROFALCON, Carlos Colina, festgenommen, ohne dass die Gründe der Festnahme oder sein Verbleib bislang klar sind. Er gehört zu den Hauptorganisatoren des Ausstandes in dieser Region.

Die subtilen Mittel sind vielfältig und einfallsreich. Präsident Chávez gibt in seiner sonntäglichen Radio-/TV-Sendung „Aló Presidente“ die „Gebrauchsanweisung“, um die geplante Manipulation der Privatsender zur „wahren Situation des Landes am 2. Dezember“ zu entlarven. Nur der staatliche TV-Sender „Canal 8“ wird wahrheitsgemäß berichten, die Privatsender aber einen „Krieg“ führen. Die Regierung ruft ihre Anhänger zu gezielten Einkäufen und zum „öffentlichen Ausgang“ auf. Mit erheblichen staatlichen Mitteln wird auf einer der größten, achtspurigen Straßen des Zentrums ein „Volksmarkt“ organisiert. Motto des Marktes: „Alles für die Hälfte!“.

Zusätzlich gibt es öffentliche und kostenfreie Gesundheitsfürsorge, Wohnungsbau- und Kreditberatung, Musik und Folklore und alle anderen staatlichen Dienstleistungen, die der Regierung und dem Bezirksbürgermeister Bernal nur möglich sind. Massiv wird der Einsatz der Streitkräfte für diese „Angebote zum Streiktag“ sein. Und zusätzlich werden Militärpolizei und Heer in allen Straßen erhöhte Präsenz zeigen, um Störungen zu vermeiden. Die Inspekteure des Arbeitsministeriums und die Staatsanwaltschaft sind aufgefordert „zu Fuß, mit Motorrädern, auf Fahrrädern und sogar mit Hubschraubern“ gegen alle Betriebe und Geschäfte ermitteln, die arbeitswilligen Angestellten den Zutritt verweigern. Diesen Betrieben droht die Arbeitsministerin Geld- und Haftstrafen an.

Präsident Chávez gibt die Formel für die nächsten Tage vor: „F“, „D“, „V“. F steht für „fracazo“ (Scheitern), D für „derrota“ (vernichtende Schlacht) und V für „victoria“ (Sieg) des Oficialismo über die Putsch- und Terrorstrategie der Opposition.

Generelle Neuwahlen: Annäherung zwischen Opposition und Oficialismo oder Nebelvorhang ?– Beginn der öffentlicher Debatte bei einer Tagung von Katholischer Universität und KAS

Trotz der Zuspitzung der Lage gibt es Signale, dass Verhandlungen weitergeführt werden. Beide Seiten betonen, dass sie die OAS-Vermittlung nicht verlassen und weiterverhandeln wollen. Zwar sind die Gespräche wegen des Ausstandes mit wechselnden Beschuldigungen derzeit ausgesetzt. Von einem Abbruch der OAS-Mission spricht jedoch keine Seite, vielmehr würdigt man die „Herkulesarbeit“ von OAS-Generalsekretär César Gaviria und versucht, ihn als „Kronzeugen“ für den eigenen Standpunkt zu vereinnahmen.

Die Katholische Universität Andrés Bello, die Juristenvereinigung der Andenstaaten, die „Ford-Foundation“ und die KAS ermöglichten eine internationale Tagung über Erfahrungen zur Lösung von Staatskrisen. Neben bemerkenswerten Beiträgen aus Deutschland, Chile, Perú, San Salvador und anderen Ländern Lateinamerikas, hatte der nationale Teil der Tagung breites Interesse gefunden.

Drei Beiträge zeigen, dass eventuell das Tor für echte Verhandlungen geöffnet wurde. Der 1. Vizepräsident des Parlaments, Rafaél Simón Jiménez, wiederholte - wie am 13.11. bei einer Konferenz der KAS im Parlament – seine These, dass das Parlament die Rolle der Lösungsinstanz der Staatskrise einnehmen muss.

Der Vorsitzende der jungen Partei „Primero Justicia“, Dr. Julio Borges, forderte einen tiefgreifenden Wandel der venezolanischen Politik und einen neuen nationalen Konsens über Grundprinzipien der Demokratie und der Re-Installierung des Rechtsstaates. Wegen der „Abwesenheit des Rechtsstaates“ sei Venezuela zur Konfliktlösung nicht allein fähig und benötige zum ersten Mal in seiner neueren Geschichte ausländische Vermittlung. Wichtig sei der Wechsel von der „Ölwirtschaft“ zu einer „modernen Volkswirtschaft“.

Die aktuelle Krise sei nur über Wahlen zu lösen. Das politische Mandat müsse bei der zivilen Politik bleiben, da die Folgen des Eingreifens des Militärs in Lateinamerika hinreichend bekannt seien. In jedem Fall ist seine Partei bereit, über alle Fragen (Referenden, Neuwahlen) im Zusammenhang mit dem Wählervotum zu verhandeln. Wenn unter dem Mandat der OAS verläßliche Vereinbarungen getroffen sind, ist die Frage des Termins der Wählerentscheidung zweitrangig. Wahlen wären also auch Mitte 2003 denkbar.

Der Abgeordnete der Regierungspartei „MVR“, Calixto Ortega, antwortete direkt auf diese Perspektive – wobei er „90% der Analyse“, die Julio Borges vorgetragen hatte, zustimmte. Die Spaltung Venezuelas sei tiefer, die Lage des Landes ernster, als viele annehmen würden. Die „Konfrontation ist die Schuld aller und bedarf der Lösung aller“ stellte er fest. Ursache der Konfrontation sei der „Kampf um die wirtschaftliche Macht“, der derzeit offen und verdeckt ausgetragen würde. Für seine Person - und er hat in der Regierungsfraktion Gewicht – sei er überzeugt, dass das „der einzige Weg über Wahlen geht“ und dass das „Referendum zur Abberufung“ (referendo revocatorio nach Art. 72 der Verfassung) Priorität hat und eigentlich der von der Verfassung vorgegebene Weg zur Ablösung des Präsidenten ist. „Ich verneine nicht, dass die Lösung aber einen anderen Weg nimmt“ erklärte er wörtlich. Im übrigen wendete er sich gegen den „Missbrauch des Wortes“, vor allem hinsichtlich des Begriffs „Terrorismus“.

Sind diese öffentlichen Äußerungen der Beginn einer Kritik an Wortwahl und Politik von Präsident Chávez und seines Vizepräsidenten Rangel? Sind die Aussagen zu einem Ausweg über Wahlen ein erstes politisches Verhandlungssignal? Oder erfüllt Calixto Ortega die Funktion, einen „Nebelvorhang zu schießen“, hinter dem sich andere politische Szenarien entwickeln?

Calixto Ortega ist einer der inhaltlich profiliertesten Abgeordneten der Chávez-Partei, der führend die Meinung der Mehrheitspartei vertritt. Immerhin zeigt sich, dass die internen Diskussionen über Varianten der Lösung der Staatskrise auch die Regierungspartei ergreifen.

Wenn das „Angebot“ von Calixto Ortega ernst gemeint ist, steht Venezuela vor einer Verfassungsänderung zur Mandatsverkürzung von Präsident Chávez und vor Neuwahlen zur Jahresmitte 2003. Der enge Zeitplan wäre nur umzusetzen, wenn die Änderung der Verfassung rasch durch das Parlament beschlossen werden würde. Dem Parlament wieder in der Politik eine zentrale Funktion zu geben, darin waren sich Borges als Sprecher der Opposition, Jiménez als Vertreter der „gemäßigten Koalitionspartners“ und Ortega als Spitzenpolitiker der Regierungspartei, einig. Wenn tatsächlich alle Kräfte die notwendige Verfassungsänderung tragen würden, wäre auch die anschließend zwingend vorgeschriebene Bestätigung durch einen Volksentscheid realisierbar.

Wie schwierig der Weg zu einem Konsens für Neuwahlen tatsächlich ist, beweist der Kampf um das „Konsultativreferendum“. Von mehr als 2 Millionen Wahlberechtigten unterstützt, wird es von der Regierung Chávez torpediert, wo es nur geht. Im Zusammenspiel von Novellierung des Wahlgesetzes, Einsprüchen beim Obersten Gericht und subtiler persönlicher Verunglimpfung des Direktoriums der Obersten Wahlbehörde durch Präsident Chávez selbst, versucht die Regierung eine ihr nicht genehmen Bürgerentscheidung zu verhindern.

„Auch wenn 90% der Bevölkerung gegen mich stimmen, werde ich nicht zurücktreten, vergeßt es, vergeßt es, vergeßt es“ so Präsident Chávez, und der Parlamentspräsident, MVR-Abgeordneter William Lara, bereichert die nationale Diskussion mit einer neuen Spielart des „Terrors“. Für ihn ist die Forderung der Opposition nach Lösung der Krise über Wahlen schlicht „Wahl-Terror“.

Die Tage nach dem zivilen Ausstand werden zeigen, wie ernst die erste öffentliche Annäherung der Positionen zu Neuwahlen tatsächlich zu nehmen ist.

Deutschland und EU: eindeutige Stellungnahme gegen Putsch zur Lösung der Krise

Eine weitere Tagung von Katholischer Universität, NROs und KAS hatte für die öffentliche Diskussion Bedeutung. Im Namen der Bundesrepublik Deutschland und im Namen der EU erklärte der deutsche Botschafter eindeutig, dass ein Putsch nicht nur international abgelehnt würde, sondern Venezuela international isoliert. Zudem würden dann die internationalen Kooperations- und Hilfsprogramme gestoppt, auf die Venezuela aber zur Lösung seiner sozialen Krise dringend angewiesen ist. Deutschland und die EU unterstützen demgegenüber uneingeschränkt die Vermittlungsmission der OAS und fordern beide Seiten auf, den Konflikt nicht weiter zu verschärfen.

Die KAS und ihre Mitveranstalter hatten diese klare Haltung nicht nur öffentlich begrüßt und bestätigt, sondern um einen Aspekt erweitert. Die Verurteilung eines Putsches (golpe) beinhaltet auch den von mehreren gesellschaftlichen Gruppen und Parteien befürchteten „autogolpe“, für den Fall, dass die Regierung Chávez selbst mit gewaltsamen Mitteln Grundrechte und die Grundprinzipien einer Demokratie verletzten bzw. außer Kraft setzen sollte. Alle Veranstalter und Referenten, auch die teilnehmenden inaktiven Militärs, sprachen sich zusätzlich gegen Gewalt als Mittel der Politik aus.

Thema der Tagung war allerdings auch die Sorge von Militärs und Politik, dass die venezolanischen Streitkräfte von einer „klassischen Armee“ zu einer „revolutionären Miliz“ umgewandelt werden könnten. Ganz offen betreibt Präsident Chávez die Politisierung der Streitkräfte, bestraft aber diejenigen, die sich in diesem Politisierungsprozess gegen ihn stellen. Politisierung ja, aber nur, wenn sie seinem revolutionären Konzept dient.

Entscheidend für diese Veränderung wird dass neue Streitkräftegesetz sein. Es konzentriert noch mehr Macht in Hand des Präsidenten als Oberbefehlshaber und sichert vor allem seinen direkten „Durchgriff“ auf die Ebene der operierenden Einheiten, weil sie unmittelbar seiner Befehlsgewalt unterstellt werden. Zusätzlich wird die weitere Installation von „politischen Kommissaren“ befürchtet.

Im Zusammenhang mit den nächsten regulären Beförderungen im Juli 2003, wird prognostiziert, dass dann die „politisierten“ Streitkräfte legal“ genutzt werden können, um die „Bolivarianische Revolution“ durchzusetzen und die Opposition zu unterdrücken. Besorgnis bereitet vor allem der immer stärkere Einsatz von Heer und Militärpolizei, die nicht für Aufgaben der öffentlichen Sicherheit zuständig sind. Dieses ist Aufgabe der „Guardia Nacional“ (G.N.), der allerdings Präsident Chávez nicht vertraut. Die „G.N.“ hatte 1992 vorrangig seine beiden Putschversuche beendet. Das Heer ist weder für Polizeieinsätze ausgebildet noch ausgerüstet, trotzdem hatte es bei der Intervention der „Policia Metropolitana“ (siehe frühere Berichte) die ausschlaggebende Durchführung inne.

Fazit

Dieses ist das einzige Land der Welt, wo die „faschistische Opposition“ Wahlen verlangt, während die „demokratische Regierung“ Panzer auf die Straße schickt“, fasste der offizielle Rechtsberater der Delegation der „Coordinadora Democrática“ bei den OEA-Verhandlungen, Juan Manuel Raffalli, die Situation des Landes auf der KAS-Tagung zusammen.

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Henning Suhr

Henning Suhr bild

Leiter der Abteilung Inlandsprogramme

henning.suhr@kas.de +49 30 26996-1013
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