Wahlergebnis
Wie bereits in den Umfragen prognostiziert, setzte sich José Antonio Kast in der Stichwahl mit deutlichem Vorsprung durch und erreichte 58,16 Prozent der Stimmen, während seine Konkurrentin Jeannette Jara auf 41,84 Prozent kam. Obwohl Jara in der ersten Wahlrunde am 16. November noch knapp vor Kast lag, war der Sieg des Rechtsaußenkandidaten für Beobachter keine Überraschung.
Die Umfragen der letzten Wochen vor der Stichwahl waren sich weitgehend einig, dass Kast als klarer Favorit ins Rennen ging und es eines disruptiven Ereignisses bedurft hätte, um das Blatt noch zugunsten Jaras zu wenden. Die Stimmenanteile der rechtskonservativen und mitte-rechts Kandidaturen machten deutlich, dass Kast im zweiten Wahlgang über deutlich mehr Stimmen verfügen würde. Damit war bereits kurz nach der ersten Wahlrunde klar, dass es für Jara schwierig werden würde, zusätzliche Wählergruppen zu mobilisieren und Stimmen zu gewinnen, zumal ihr Ergebnis im ersten Wahlgang unter den Erwartungen ihres eigenen Lagers lag. Letztendlich konnte Kast am vergangenen Wahlsonntag dann fast alle Stimmen des Rechtspopulisten Johannes Kaiser sowie den Großteil der Stimmen der mitte-rechts Kandidatin Evelyn Matthei übernehmen.
Die Wahlbeteiligung betrug insgesamt 85 Prozent und war somit identisch mit der beim ersten Wahlgang am 16. November. Der Anteil der ungültigen Stimmen lag bei nur knapp sieben Prozent.
Wahlkampf im Zeichen der inneren Sicherheit
Im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen 2021, die stark von den sozialen Unruhen 2019 und dem Wunsch nach grundlegenden Reformen geprägt waren, fanden die aktuellen Wahlen unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen statt. Im Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses standen diesmal vor allem Fragen der inneren Sicherheit, Migration und des wirtschaftlichen Wachstums. Die Wahrnehmung von zunehmender Unsicherheit und der Präsenz der organisierten Kriminalität im Alltag hat das Vertrauen in die amtierende Regierung geschwächt und die Forderung nach einem politischen Kurswechsel verstärkt. Die Regierung unter Präsident Gabriel Boric konnte viele ihrer Versprechen nicht umsetzen. Soziale Probleme bestehen weiter und die gestiegenen Sorgen um Sicherheit und Ordnung prägten die politische Agenda der Wähler entscheidend.
José Antonio Kast, 59 Jahre alt, ist katholisch, Jurist und Sohn eines deutschen Wehrmachtleutnants, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Chile auswanderte. In seiner dritten Kandidatur fürs Präsidentenamt setzte Kast klare Schwerpunkte auf innere Sicherheit, Migration und wirtschaftliches Wachstum. Er forderte harte Maßnahmen gegen illegale Einwanderung, die Aufrüstung der Polizei, den Ausbau von Gefängnissen und die Schließung der Grenzen. Während er bei den Wahlen vor vier Jahren vielen Chilenen als zu radikal galt, präsentierte sich Kast in diesem Wahlkampf bewusst staatsmännischer. Er distanzierte sich von früheren Positionen, etwa von seiner Unterstützung der Pinochet-Diktatur oder seiner Haltung zu sozialpolitischen Fragen wie Abtreibung und Frauenrechte und setzte stattdessen auf Botschaften zur öffentlichen Ordnung, Kontrolle irregulärer Migration und Kürzung der Staatsausgaben – eine monothematische Schwerpunktsetzung, die in einem Klima hoher Unsicherheit wirkte.
Starker Rückhalt für Kast
Schon nach dem ersten Wahlgang zeichnete sich ab, dass Kast im konservativen Lager über eine außergewöhnlich geschlossene Unterstützung verfügte. Noch am Abend der ersten Wahlrunde am 16. November traten Kast, Kaiser und Matthei gemeinsam auf. Sein rechtspopulistischer Konkurrent Johannes Kaiser räumte seine Niederlage ein und rief seine Anhänger zur Unterstützung Kasts auf. Auch die Kandidatin des mitte-rechts Bündnisses Chile Grande y Unido, Evelyn Matthei, gratulierte. Kast betonte dabei: „Auch wenn wir im Wahlkampf unsere legitimen Differenzen hatten, so ist es doch mehr, was uns eint. Wir haben die gleiche Sichtweise auf die Probleme Chiles.“
Die Strategie von José Antonio Kast zielte darauf ab, ein möglichst breites Bild innerer Geschlossenheit zu vermitteln. Er erhielt die Unterstützung der prominenten Familie des verstorbenen ehemaligen Präsidenten Sebastián Piñera und des ehemaligen Präsidenten Eduardo Frei, dessen Mitgliedschaft daraufhin von der christdemokratischen Partei Chiles suspendiert wurde. Zudem zeigte sich Kast öffentlichkeitswirksam mit moderateren Akteuren des mitte-rechts Spektrums. Diese breite Unterstützung verlieh Kast ein Maß an politischer Schlagkraft, das seine Konkurrentin Jara nicht erreichen konnte. Ihr Stimmenpotenzial war nach dem ersten Wahlgang weitgehend ausgeschöpft.
Ausblick: Das Dilemma der politischen Mitte
José Antonio Kast wird sein Amt als Präsident am 11. März antreten. Trotz seines deutlichen Wahlsiegs stehen ihm politische Herausforderungen bevor. Das konservative Lager hat sich bei dieser Wahl als stärkste politische Kraft behauptet. Ohne Unterstützung der moderaten Parteien der Mitte wird Kast aber nicht regieren können. Intern sind bereits erste Meinungsunterschiede zwischen dem ultrakonservativen und dem moderaten Flügel der Mittepartei Renovación Nacional erkennbar, die bis zum Amtsantritt der neuen Kast-Regierung behoben werden müssen. Die zentrale strukturelle Herausforderung liegt in den Mehrheitsverhältnissen und in der hohen Fragmentierung der Legislative: Weder in der Abgeordnetenkammer noch im Senat verfügt sein Lager über eine eigene Mehrheit. Rechnet man die Abgeordneten der Parteien Partido Republicano, Partido Nacional Libertario und Partido Social Cristiano (42 Sitze) sowie von Chile Vamos und den mitte-rechts Kräften (34 Sitze) zusammen, so ergeben sich insgesamt 76 Sitze, knapp unter der fünfzig Prozent-Marke der Abgeordnetenkammer. Die unterschiedlichen Profile innerhalb des Spektrums machen gemeinsame Positionen keineswegs selbstverständlich und müssen vermutlich mühsam ausgehandelt werden. Vor diesem Hintergrund kommt der Partido de la Gente (PDG) des in der ersten Wahlrunde drittplatzierten Franco Parisi eine ausschlaggebende Rolle zu. Mit künftig 14 Abgeordneten werden sie in zahlreichen Abstimmungen das entscheidende Zünglein an der Waage sein. Ihr Abstimmungsverhalten ist schwer vorhersehbar und könnte je nach Thema volatil ausfallen. Die Haltung einzelner Akteure könnte zu zusätzlichen Spannungen beitragen und den parlamentarischen Alltag erheblich belasten. So ließ die Abgeordnete Pamela Jiles (PDG) bereits verlauten, dass sie eine Präsidentschaft Kasts im Kongress mit einer konsequent opponierenden Linie begegnen werde – bis hin zur Ankündigung, ihm „das politische Leben schwer zu machen“. Auch im Senat gibt es keine gefestigten Mehrheiten; unabhängige Senatoren könnten für zentrale Projekte eine entscheidende Rolle spielen.
Die kommenden Regierungsverhandlungen und die Neuordnung der Kräfte im Kongress werden zeigen, ob Kast die institutionellen Spielräume nutzen kann, um eine tragfähige Regierungsbasis zu bilden. Die Frage, wie sich die moderateren Kräfte innerhalb des rechten Lagers gegenüber den deutlich radikaleren Strömungen positionieren werden, bleibt eine zentrale Herausforderung für die kommenden Regierungsjahre. Moderat ausgerichtete Parteien stehen vor der Herausforderung, einerseits Teil der Regierungskoalition zu sein, um Einfluss auf zentrale politische Entscheidungen zu nehmen, andererseits ihre eigene politische Identität und Glaubwürdigkeit gegenüber ihren Wählern nicht zu verlieren. Ihre Fähigkeit, als vermittelnde Kraft zwischen dem rechten Lager und oppositionellen Strömungen zu fungieren, könnte darüber entscheiden, ob sie in der neuen Legislatur eine moderierende Rolle spielen oder weiter an Einfluss einbüßen werden.
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