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"Kirch" in den Anden

América TV mit neuem Eigentümer

Die peruanisch-kolumbianische Gruppe Plural TV ist neuer Eigentümer von América Televisión. Nach langem Ringen endete damit eine der wohl schwersten Unternehmenskrisen seit Bestehen des peruanischen Fernsehens. Mit der Mediengruppe an der Spitze ist América TV kein Familienunternehmen mehr. Die bisherigen Eigentümer waren vom Geheimdienst des ehemaligen Präsidenten Fujimori bestochen worden und hatten sich ins Ausland abgesetzt. Plural TV verspricht Transparenz, mehr Qualität und journalistische Unabhängigkeit. Bei genauerer Betrachtung aber wird deutlich, dass politische und wirtschaftliche Einflussnahme auch in Zukunft die Geschicke bestimmen. Die juristischen Grauzonen und unternehmerischen Abhängigkeiten sind symptomatisch für die lateinamerikanischen Medienlandschaften.

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Einige Medienschaffende fühlten sich an die “Kirch-Pleite” erinnert. Beispielsweise zogen sich die Verhandlungen mit möglichen Investoren über mehr als ein Jahr hin. Auch ist América TV neben Panamericana Televisión, Frecuencia Latina und Red Global einer der größten Veranstalter in Peru. Bei den Geldbeträgen hören die Vergleichsmöglichkeiten aber auf; nach den Erfahrungen mit der Kirch-Pleite ließe sich der “Schuldenberg” von América TV treffender als “leichte Bodenerhöhung” beschreiben, - übertragen auf peruanische Größenordnungen jedoch kein Pappenstiel.

Die ehemaligen Eigentümer des Privatsenders, José Enrique Crousillat und sein Sohn José Francisco, standen zuletzt mit 80 Millionen US-Dollar in der Kreide. Dazu kommen operative Verluste in Höhe von inzwischen 10 Millionen US-Dollar.

1998 und 1999 waren die Ex-Eigentümer vom ehemaligen Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos bestochen worden. Als Gegenleistung sollte América TV positive Berichte über den damaligen peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori verbreiten. Montesinos hatte die Geldübergabe verdeckt auf Video festgehalten. Als die Bilder Anfang 2001 in Umlauf kamen, flohen die beiden Crousillats nach Argentinien. Der Verwaltungschef des Senders, Jaime Crosby, gab an, dass damit auch 11 Millionen US-Dollar aus der Unternehmenskasse verschwanden. Sie waren als Profite deklariert worden. Tatsächlich existierte kein Gewinn.

Im Dezember 2001 musste América TV Insolvenz anmelden. Auf dem Konto des Kanals liegen nach eigenen Angaben nur noch 1 Million US-Dollar.

Vor dem Hintergrund ist klar, das sich ernsthafte Übernahmeangebote aus dem Ausland nicht gerade stapelten. Die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage und rückläufige Werbeeinnahmen beuteln, abgesehen vielleicht von wenigen ganz Großen wie der mexikanischen Televisa, fast alle TV-Veranstalter in Lateinamerika.

Spätestens ab Februar 2002 war nur noch Plural TV im Rennen. An dem eigens zu diesem Zweck gegründeten Unternehmen sind die beiden größten peruanischen Zeitungen El Comercio und La República sowie das kolumbianische Caracol Televisión beteiligt. Seit dem 4. Juni, 14:30 Uhr, steht fest, das América TV mit dem neuen Eigentümer weitersenden kann. Die Abstimmung der Gläubiger im Studio 4 des Senders war für die Presse zugänglich.

Plural TV übernahm mit dem Deal 55 Prozent der Schulden von América TV, darf damit das Management besetzen und bis hin zur Programmgestaltung alle Maßnahmen zur Restrukturierung entscheiden. Forderungen in Höhe von 15 Millionen US-Dollar werden sofort fällig. Bis 2015 soll die Gesamtlast abgetragen sein.

Die größten Gläubiger waren bis jetzt neben der eingangs erwähnten Televisa die peruanische Interbank sowie die Banco Wiese Sudameris. Vor 13 Monaten hatten sie im Sender das Heft übernommen und das Management ausgewechselt. Ziel der Übergangsverwaltung (“Consultería A”) war, América TV zum Verkauf vorzubereiten.

Interimgeschäftsführer José Tola äußerte sich während der Gläubigerversammlung zufrieden mit den Ergebnissen, mochte angesichts der finanziellen Schwierigkeiten verständlicherweise aber nicht von einer optimalen Ausgangsposition für den Weiterbetrieb sprechen. Beispielsweise stehe die Übertragungstechnik nach zwanzig Betriebsjahren vor einem Kollaps. Der Spielraum für die Modernisierung betrug nicht mehr als 71.000 US-Dollar. Der neue Eigentümer will nun weitere 7,5 Millionen US-Dollar in neue Technik investieren.

Plural TV sieht sich aber nicht nur in der Rolle des Geldgebers. América TV soll nach den Skandalen der Vergangenheit journalistisch Profil zeigen. Der Sender werde seinen Zuschauern, beschrieb Plural-Präsident José Antonio Miró Quesada, «nachrichtliche Inhalte und solide Meinungen sowie objektive und wahre Qualitätsinformationen» bieten. Gustavo Mohme Seminario, Vizepräsident bei Plural TV und gleichzeitig Chef von La República, versprach, das künftig jede Einflussnahme der Regierung auf die Programmplanung und die Inhalte von América TV ausgeschlossen sei.

Der Umstand, das zur Gläubigerversammlung auch die Presse zugelassen war, sollte in Richtung hin zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit ein erstes Zeichen setzen.

In diesem Zusammenhang stimmt hoffnungsfroh, das América TV nunmehr in den Händen eines ordentlichen Unternehmens liegt und Entscheidungen von einem neunköpfigen Direktorium (drei Mitglieder pro Gesellschafter) getroffen werden müssen. Denn wie zuvor América TV ist ein Großteil der Medien in Lateinamerika im privaten Eigentum einiger weniger einflussreicher Familien. Vater, Bruder, Onkel, Tante - sie alle besetzen irgendwelche Chefposten im eigenen Hause, in vorgelagerten Mutterfirmen oder bei wichtigen Zulieferunternehmen. Gewinne landen in der Familienkasse. Über die Werbemillionen aus den Regierungstöpfen oder staatseigenen Unternehmen entscheidet das gute Verhältnis zwischen Familienoberhaupt und Präsident. Politischer Einflussnahme sind damit Tür und Tor geöffnet.

Gut ist auch, das Plural TV mit seinen Gesellschaftern eine Menge Medienkompetenz einbringt. Was die journalistische Qualität ihrer eigenen Angebote angeht, spielen alle Beteiligten in der Oberliga. El Comercio, La República und Caracol Televisión zählen in Peru beziehungsweise in Kolumbien zu den seriösen Anbietern.

Natürlich verfolgen die neuen Eigentümer mit ihrem Engagement unternehmerische Interessen.

Zu El Comercio beispielsweise gehört bereits der peruanische Nachrichtensender Canal N. Auch der jedoch ist hoch defizitär und hat für die landesweite terrestrische Ausstrahlung keine Lizenz. Die aber hat América TV. Die Überlegungen gehen deshalb dahin, Canal N bei der Produktion von Nachrichteninhalten als eine Art Dienstleister für América TV einzusetzen. Auf diese Weise könnte Canal N neue Umsatzquellen generieren und über die wenigen großstädtischen Kabelnetze hinaus freie Verbreitung finden. América TV wiederum müsste weniger bezahlen für Redaktionspersonal und technische Infrastruktur.

La República hat sich ein Stück vom Kuchen abgeschnitten, um den Anschluss ans Fernsehgeschäft nicht gänzlich an El Comercio zu verlieren. Zumindest in der Hauptstadt Lima stehen beide Blätter im harten Wettbewerb um die Leserschaft. Große Zuwächse sind auf dem Zeitungsmarkt aber nicht zu erwarten. Im Zweckbündnis mit dem Konkurrenten will sich La República deshalb ein zweites Standbein aufbauen.

Ursprünglich wollte das Blatt den angeschlagenen Sender mehr oder weniger im Alleingang übernehmen. Finanzielle Unterstützung erhoffte sich die kapitalschwache La República von der venezolanischen Cisneros-Gruppe. Die aber wollte alles oder nichts und verlor am Ende das Interesse an einer direkten Beteiligung. Von seinen ursprünglichen Plänen musste sich La República deshalb wieder verabschieden.

Televisa kann mit der Zusage zur neuen Eigentümerstruktur sicher sein, einen Teil seiner unzähligen Seifenopern (“Telenovelas”) auch weiterhin an América TV verkaufen zu können. Was das für die angekündigte Qualitätssteigerung des Programmangebots bedeutet, muss sich erst noch zeigen.

Den eigentlichen Hauptgewinn aber dürfte Caracol gelandet haben. Das Unternehmen betreibt seine Expansion nicht nur in Peru. Dort aber hatten es ausländische Investoren lange Zeit schwer.

Die neuen América-Eigentümer beriefen sich bei der Gründung von Plural TV auf das Abkommen von Cartagena (1991). Artikel 292 erlaubt unter bestimmten Auflagen die Gründung multinationaler Unternehmen, wenn der ausländische Partner in einem Staat der Andengemeinschaft, CAN, ansässig ist. Im Zweifelsfall aber entscheidet die jeweilige nationale Gesetzgebung am Sitz des Beteiligungsunternehmens. Und dort müssen Rechtsanspruch und Rechtswirklichkeit nicht immer zueinander passen.

Beispiel dafür ist der Fall Baruch Ivcher, bis 1997 Mehrheitseigner und Vorsitzender des Direktoriums von Frecuencia Latina. Ivcher stammt aus Israel, 1984 aber war ihm die peruanische Staatsbürgerschaft zuerkannt worden. Ohne sie besteht nach peruanischem Recht keine Möglichkeit, ein nationales Medienunternehmen größtenteils oder gar komplett zu erwerben.

Ivchers Dasein als Senderchef fand ein jähes Ende, als einige seiner Redakteure über eine Abhöraktion des Geheimdienstes berichtet hatten. Am Tag darauf vermeldete das amtliche Mitteilungsblatt El Peruano, Ivchers Urkunde zur Staatsbürgerschaft sei in den offiziellen Archiven nicht auffindbar. Folglich sei er kein peruanischer Staatsbürger und hätte Frecuencia Latina somit nie erwerben dürfen. Zwei Monate später wurden die Ivcher-Anteile per Gerichtsbeschluss an die beiden Mitgesellschafter verteilt.

Solcherlei Überraschungen müssen ausländische Investoren nach Ende des Fujimori-Regimes vor gut zwei Jahren wohl nicht mehr befürchten. Im politisch sensiblen Medienbereich aber halten sich Befürchtungen vor einem juristischen Restrisiko.

Denn streng genommen findet das Abkommen von Cartagena in den peruanischen Gesetzesfibeln keine Entsprechung. Zwar wird derzeit darüber diskutiert, die Möglichkeit von ausländischen Beteiligungen an peruanischen Medienunternehmen bis zu einem Anteil von maximal 40 Prozent im Rahmen eines Mediengesetzes zu verankern. Weil die verschiedenen Textvorschläge aber auch eine Reihe nationaler Sensibilitäten berühren, darunter die strittige Frage, welcher Sender nach welchen (bisher rein politischen) Kriterien wo eine Sendelizenz erhält, steht die Verabschiedung im Parlament in den Sternen.

Wenn schon nicht von rechtlicher Duldung, so darf im Falle von Plural TV zumindest von einer juristischen Grauzone die Rede sein. Die wiederum bietet, allen anderslautenden Bekundungen zum Trotz, sehr wohl einen Hebel für politische Einflussnahme.

Nach dem Motto „das beste Gesetz ist kein Gesetz“ bewahrt sich die peruanische Regierung im medienrechtlichen Niemandsland ein Druckmittel gegenüber der peruanisch-kolumbianischen Plural TV und América TV. Das muss nicht, kann aber zum Einsatz kommen. Schon mit öffentlich inszenierten Diskussionen über den „Ausverkauf der nationalen Medien“ ließe sich eine Menge Unsicherheit produzieren.

Zumindest dürfte das Joint Venture mit zwei peruanischen Partnern der kolumbianischen Caracol bei ihrem Engagement in Peru größtmögliche Rechtssicherheit bieten. Auch hat der Sender vorsichtshalber nicht mehr als ein Drittel (7,5 Millionen US-Dollar) des Startkapitals von Plural TV zugeschossen.

Nominell mag er damit nur 33 Prozent der Stimmanteile halten. Der faktische Einfluss aber reicht darüber hinaus. Denn Caracol und El Comercio haben sich als TV Perú zu einer Allianz zusammengeschlossen. Der Dritte im Bunde, La República, ist damit bei gleichem Kapitaleinsatz auf der schwächeren Seite. Der phantasielose Name für die Zweierallianz ist Programm: Im Gespann mit El Comercio haben die kolumbianischen Gesellschafter ebenso wie Telvisa, mehr noch aber als der schwachbrüstige Canal N die günstige Gelegenheit, América TV als Plattform mit hauseigenen Produktionen zu versorgen.

Erträge fahren die kolumbianischen Partner aber nicht nur auf diesem Wege ein.

Hohe Werbebudgets hat in Peru wie andernorts allen voran die Konsumgüterindustrie. Der Sektor wird von einigen wenigen Marken dominiert. Als sechstgrößte Brauerei Lateinamerikas (Umsätze in 2001: 507 Millionen US-Dollar) ist die Corporación Backus eines der finanzstarken werbetreibenden Unternehmen. Damit ist der Bierproduzent auch für América TV einer der Top-Kunden. Bei der Vermarktung seiner Werbeflächen aber muss América TV die Konkurrenzkanäle nicht weiter fürchten. Backus wird mehrheitlich von der kolumbianischen Bavaria kontrolliert. Die venezolanische Cisneros-Gruppe hält weitere 22 Prozent der Anteile.

Bavaria gehört zum kolumbianischen Firmenimperium Santo Domingo, ebenso wie das Schwesterunternehmen Valores Bavaria (ValBavaria). Das wiederum ist Mehrheitseigner von Caracol Television. Und zuguterletzt ist auch die Cisneros-Gruppe mit gut 15 Prozent an Caracol beteiligt.

Die Programmproduktion, die Belieferung mit Inhalten, die Entscheidung über den Ankauf und die Refinanzierung über die Werbeumsätze liegen damit in wenigen miteinander verflochtenen Händen.

Caracol Televisión kann eigenes Material an América TV verkaufen. Der Sender selbst vermarktet Werbeflächen an Backus. Die Erträge kommen anteilig wiederum Caracol als Plural-Gesellschafter zugute. Über die direkten und indirekten Gewinne freuen sich dann auch die Caracol-Teilhaber ValBavaria und Cisneros. Und wenn Backus mit seiner Werbung mehr Bier verkauft, verdienen dessen Gesellschafter Cisneros und Bavaria mit. Was gut ist für Bavaria, ist auch gut für ValBavaria, in jedem Fall für die Santo-Domingo-Gruppe.

Natürlich werben Backus-Bavaria-Cisneros nur dann, wenn América TV das passende Sendeumfeld anbietet. Im neuen Eigentümer-Gefäß Plural TV dürfte über die Inhalte im Gespann mit El Comercio vor allem Caracol entscheiden. Für Bierwerbung sind im Zweifelsfall die kolumbianischen Programme besonders geeignet. Mitgesellschafter El Comercio wird sich nicht sperren, schon um auch für seinen Canal N die eine oder andere Sendefläche abzubekommen. La República hat auf die Allianz der beiden ohnehin keinen großen Einfluss, dürfte sich aber für Televisa stark machen.

Bei diesem Geschäftsmodell verwundert nicht weiter, das Caracol nach der Gläubigerentscheidung zugunsten von Plural TV eher im Hintergrund blieb, keine langen Presseerklärungen gab beziehungsweise diese den beiden peruanischen Mitgesellschaftern überließ. Im entfernten Kolumbien waren die Reaktionen auf die erfolgreiche Expansion zwangloser. Hier übernahm ValBavaria gleich selbst die Bekanntgabe. Mit dem Deal habe die Santo-Domingo-Tochter, so Präsident Javier Aguirre, erneut ihr Interesse bekräftigt, in attraktive Geschäfte jenseits der kolumbianischen Grenze zu investieren. Eine Presseagentur ging noch etwas weiter und titelte mit Hinweis auf die Verflechtungen im Brauereimarkt: „Kolumbiens Bavaria übernimmt peruanische TV-Station.“ In den peruanischen Medien, im nunmehr „transparenten, journalistisch unabhängigen“ América TV, in La República und El Comercio war darüber nichts zu erfahren.

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Sebastian Grundberger

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Direktor Regionalprogramm Parteiendialog und Demokratie /Länderprogramm Uruguay

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