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Argentinien: Das Hin und Her geht weiter

od Frank Priess

Eine Kabinettsumbildung, die niemanden überzeugt / Ein neues Abkommen / Pläne für ein Ende des "Coralito"

Wenn sich die Tiefe der Krise eines Landes daran ablesen ließe, mit welcher Geschwindigkeit sich das Karussell handelnder Personen dreht, hätte man für Argentinien einen Indikator, der der Lage am La Plata ziemlich genau entspricht.

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Wenn sich die Tiefe der Krise eines Landes daran ablesen ließe, mit welcher Geschwindigkeit sich das Karussell handelnder Personen dreht, sich politische Einschätzungen ändern und Regierungspläne revidiert werden, hätte man für Argentinien einen Indikator, der der Lage am La Plata ziemlich genau entspricht: Wirtschaftsminister Jorge Remes Lenicov sorgte mit seinem Rücktritt am 23. April für den Auftakt von Wochen neuer Unsicherheit.

Noch am Tag zuvor hatte ihn Präsident Eduardo Duhalde als einen "Luxus" für sein Kabinett bezeichnet, einen allerdings, den man sich offenbar aber nicht mehr leisten wollte. Nachdem das Parlament zuvor den von ihm eingebrachten "Plan Bonex", ein Vorhaben zur Umwandlung der im sogenannten "Coralito" festsitzenden Spargelder der Argentinier in staatliche Schuldtitel mit längerer Laufzeit, scheitern liess, warf Remes Lenicov das Handtuch.

Der Zickzack-Kurs in den Erklärungen und Handlungen seines Präsidenten aber leistete einen entscheidenden Beitrag. Durch publizitätsträchtige Treffen mit Gewerkschaftsökonomen vermittelte er den Eindruck, selbst nicht hinter seinem Wirtschaftsminister zu stehen, Hinweise auf seinen Wunsch, den Peso wieder fest an einen bestimmten Dollarkurs zu binden, verstärkten dies noch und beschworen gravierende Widersprüche zu den Forderungen des Internationalen Währungsfonds herauf, die dieser zur Grundvoraussetzung einer Unterstützung Argentiniens gemacht hatte.

Was folgte, zeigte allerdings, dass der Präsident keineswegs einen gangbar "Plan B" in der Tasche hatte: Hektische Betriebsamkeit und "Massenveranstaltungen" mit politischen Entscheidungsträgern vor allem seiner eigenen Partei (PJ) gaben den Beobachtern Rätsel über die Zukunft auf, ein einwöchiger "Bankfeiertag", der so gut wie alle Finanztransaktionen zum Erliegen brachte, verhinderte zwar den Zusammenbruch des Systems, dies allerdings auf Kosten eines weiteren Vertrauensverlustes von Sparern, Schuldnern und Investoren.

Zentrale Achse der Verhandlungen waren einmal mehr die mächtigen Provinzgouverneure, die Duhalde augenscheinlich Daumenschrauben anlegten: In einer 14-Punkte-Erklärung legte man sich auf einen Pro-Währungskurs fest und versprach einmal mehr Bereitschaft zur Implementierung notwendiger Reformen.

Die Kabinettsumbildung

Allerdings verweigerten sich die Gouverneure einmal mehr einem stärkeren personellen Engagement in der derzeitigen Regierung. Keiner von ihnen fand sich bereit, den Posten des Kabinettschefs zu übernehmen, den Eduardo Duhalde fast wie Sauerbier anbot. So blieb dem Präsidenten nichts anderes übrig, als erneut auf vertraute Kräfte seiner Heimatprovinz Buenos Aires zurückzugreifen.

Anstelle von Jorge Capitanich wurde Alfredo Atanasof vom Arbeitsministerium an die Spitze des Kabinetts geholt, die Abgeordnete Graciela Camaño, Frau des einflussreichen Gewerkschaftsfunktionärs und Senators Luis Barrionuevo wurde Arbeitsministerin und als neuen Innenminister verpflichtete Duhalde den Abgeordneten Jorge Matzkin, der jahrelang die PJ-Fraktion geführt hatte und auch jetzt nicht zuletzt als "Strippenzieher" zwischen Regierung und Parlament gebraucht wird.

Das zentrale Wirtschaftsressort übernahm, nachdem Duhalde mit anderen Wunschkandidaten offenbar am Widerstand nicht nur der Gouverneure gescheitert war, der bisherige Botschafter Argentiniens bei der Europäischen Union in Brüssel und gegenüber der Welthandelsorganisation in Genf, Roberto Lavagna (60). Dieser betrieb bisher auch parallel eine noch von seinem Vater 1975 gegründete eigene Consulting-Firma, Ecolatina (die im übrigen weiterhin eher düstere Zukunftsaussichten prognostiziert) und gilt als moderater Marktwirtschaftler, der für eine Kollisionskurs mit dem Währungsfonds sicher nicht zur Verfügung steht.

Gleichwohl verfügt Lavagna über gute Kontakte auch zu den Radikalen der UCR um Raúl Alfonsín, diente er diesem in dessen Regierungszeit doch als Staatssekretär für Industrie und Handel. Lavagna, kein Mann der lauten Töne, gilt als guter Verhandler und ausgleichende Persönlichkeit, Fähigkeiten, die er sicher gut wird brauchen können.

Probleme hatte er allerdings sofort beim Versuch, ein geeignetes Team zusammenzustellen, mittlerweile lässt sich kaum noch ein entsprechend qualifizierter Wirtschaftsfachmann für ein Regierungsamt begeistern. So kommentierte denn auch der Ambito Financiero: "Lavagna hat mittlerweile sein Team komplettiert und so hat das niedrige Niveau seiner Mitglieder das Licht der Welt erblickt ..." (2.5.) Im Ministerium Lavagnas verbleiben gleichwohl für zunächst 90 Tage auch die Kompetenzen, die zuvor Produktionsminister Ignacio de Mendiguren innehatte, der in die Privatwirtschaft zurückkehrt, nicht ohne die Begleitung resignierter Kommentare in Medien und Fachwelt, lediglich als Lobbyist für einen bestimmten Sektor, in dem er selbst Firmen betreibe, erfolgreich gewesen zu sein

Dramatische Wirtschaftsentwicklung

Derweil setzt sich der dramatische Niedergang der argentinischen Wirtschaft fort: In den ersten drei Monaten des Jahres 2002 etwa gingen nach Angaben des Arbeitsministeriums allein im Großraum Buenos Aires 60.000 Arbeitsplätze verloren. In den zurückliegenden 12 Monaten sind es damit zusammen 155.000 "registrierte" Arbeitsplätze, die nicht mehr zur Verfügung stehen, ein Rückgang um 9,6 Prozent. Die Daten aus anderen Ballungsräumen wie Córdoba oder Groß-Rosario sind ähnlich alarmierend. An der Spitze liegen die Verluste in Industrie, Baugewerbe und Handel, aber auch im Bankenwesen gingen 7.500 Arbeitsplätze verloren. Ein Rhythmus von 500 neuen Arbeitslosen pro Tag!

Dies findet seinen Niederschlag auch an der Steuerfront, wo die Schätzungen, die die Regierung ihrem Haushaltsentwurf zugrunde legte, immer mehr zur Makulatur werden: Im April wurden 21 Prozent weniger Steuern eingenommen als im gleichen Vorjahresmonat, 2,795 Mrd. Pesos. Daran hatten die Remes-Krise und der lange "Bankfeiertag" sicher ihren Anteil, für das laufende Jahr allerdings liegen die bisherigen Einnahmen bereits weit hinter den Kalkulationen von 3,2 Milliarden Pesos pro Monat. In den ersten drei Monaten schon belief sich das rechnerische Defizit im Vergleich dazu auf 2,518 Milliarden Pesos. Tendenz steigend.

Besonders dramatisch ist die Situation an der Stabilitätsfront: Nach einer Monatsinflationsrate von 10,4 Prozent allein im April steht die vom statistischen Amt INDEC errechnete Jahresinflation bereits bei 21.1 Prozent! Bei den Großhandelspreisen sieht es noch weit schlimmer aus: sie stiegen in den ersten Monaten des Jahres 2002 bereits um 60,7 Prozent, können allerdings von den Einzelhändlern aufgrund der Finanzsituation der argentinischen Haushalte nicht in vollem Umfang an die Kunden weitergegeben werden.

Eine Zeitbombe, zumal die Regierung seit dem 1. Mai und entgegen heftigen Beteuerungen mit den Dienstleistern schon heftige Preiserhöhungen verabredete: So wird allein der Strompreis seit diesem Zeitpunkt um 15 Prozent angehoben, andere Tarife werden folgen. Allein die Dieselpreise stiegen im Verlauf des Jahres um 58 Prozent, mit allen Konsequenzen für die Landwirtschaft, den Fischereisektor und, über die gestiegenen Transportkosten, die Endverbraucherpreise.

Der dramatische Kaufkraftverlust erhöht gleichzeitig den Druck auf die Gewerkschaften, für deutliche Lohnerhöhungen einzutreten, eine Möglichkeit allerdings, die nach einer gerade veröffentlichten Umfrage über 90 Prozent der argentinischen Unternehmen rundweg für unmöglich erklären. "Weder die Regierung noch die Unternehmen haben einen Spielraum für Lohnerhöhungen, und so wird es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch für lange Zeit bleiben", resümiert Joaquin Morales Solá in seiner sonntäglichen Kolumne in der Hauptstadtzeitung La Nación vom 5. Mai.

Wieder einmal zeigt sich, wie eine verfehlte und versäumte Anpassungspolitik an die wirtschaftlichen Realitäten seitens des Staates über kurz oder lang eine Neujustizierung auf die schlechteste aller Möglichkeiten erzwingt: durch real eingefrorene Löhne bei gleichzeitiger Hyper-Inflation, so die Wirtschaftszeitung El Cronista am 2. Mai. Für die sozial Schwachen, die fast das gesamte Einkommen für den Basiskonsum aufwenden müssen, fällt die Negativbilanz noch krasser aus. Hinzu kommen ein Pleitenrekord und damit verbunden eine auf inzwischen rund 25 Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit.

Zeitbombe Banken

Ungelöst ist nach wie vor das Bankenproblem: Massiven Forderungen der Sparer, ihre Einlagen möglichst in der hinterlegten Währung zurückzuerhalten, steht die Unmöglichkeit der Geldinstitute gegenüber, die Bedienung der ausgeliehenen Kredite zu erzwingen. Allein der Staat, der bekanntlich seine Zahlungsunfähigkeit erklärt hat, steht hier für rund ein Drittel der Außenstände. Mittlerweile aber haben auch bedeutende Großunternehmen Argentiniens ihre Zahlungen eingestellt.

Dass zu ihnen auch wichtige Dienstleister wie Metro Gas und der Wasserversorger Aguas Argentinas gehören, lässt Stromausfälle und Versorgungsengpässe im kommenden Winter befürchten. Da die Bürger versuchen, möglichst viel Bargeld aus den Instituten abzuziehen - der "Coralito", der dies verhindern soll, war nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Gerichtsentscheidungen immer löchriger geworden - und dieses unmittelbar in Dollar zu tauschen, entsteht ein gravierendes Liquiditätsproblem, zumal trotz gigantischer Zinsangebote kaum jemand neue Einlagen zeichnet.

Dass angesichts dieser Situation ebensowenig neue Kredite vergeben werden können, liegt auf der Hand, trägt zur Paralyse der argentinischen Wirtschaft aber nachhaltig bei. Hatten die Banken überdies zu Zeiten der Konvertibilität, wo ein argentinischer Peso im Wert dem eines US-amerikanischen Dollars entsprach, noch rund 85 Milliarden Pesos Finanzvolumen in ihren Büchern, ist dieser Wert mittlerweile auf dramatische 15 Milliarden Pesos gesunken, gerade einmal 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und das alles zu einem Zeitpunkt, wo dies allenfalls noch einem Wert von fünf Milliarden Dollar entspricht! Damit werden sich 108 unabhängige Geldinstitute mit rund 4.200 Filialen im ganzen Land kaum gewinnbringend betreiben lassen.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit befinden sich derzeit die internationalen Kreditinstitute. Warben sie lange Zeit in Argentinien mit der Sicherheit, die die Zugehörigkeit zu einer weltweit operierenden Gruppe biete, sehen sich die Kunden jetzt damit konfrontiert, dass die Mutterhäuser im Ausland sich nachhaltig weigern, den argentinischen "Töchtern" weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Drastische Erklärungen etwas aus Spanien gießen Öl ins Feuer.

So erklärte die bedeutende Santander Central Hispano, der in Argentinien der Banco Rio gehört, nur noch über eine Liquidität für drei Monate zu verfügen. Frisches Geld werde nicht eingeschossen, auch bleibe man nur in Argentinien, "wenn das Finanzsystem realistisch und rentabel" bleibe, so Luis Blanco, der Sprecher der Gruppe. Wirtschaftsminister Lavagna sah sich sogleich veranlasst, den spanischen Botschafter und den Präsidenten des Banco Rio um etwas mehr Zurückhaltung und Verantwortlichkeit zu bitten.

Gleichwohl steht die Santander Central Hispono nicht allein da. Mittlerweile über 20 Tage ist die ScotiaBankQuilmes aufgrund von Liquiditätsengpässen von der argentinischen Zentralbank vom Geschäft suspendiert. Sie gehört zur kanadischen NovaScotia-Gruppe, die mittlerweile wohl als erste internationale Großbank ihren Rückzug aus Argentinien einläutet. Neues Geld, so war auch aus Kanada zu hören, werde es nicht geben, eine Investmentbank wurde beauftragt, für die 92 Filialen am La Plata einen Käufer zu finden.

Soziale Unruhe und kein Ausweg

Die Bürger versuchen derweilen, sich auf ihre Weise in der Krise zu behaupten. Konjunktur haben zum Beispiel Tauschbörsen, die sogenannten Clubes de Trueque, ein neues soziales Phänomen. Rund 500.000 Mitglieder setzen jährlich mittlerweile rund fünf Milliarden Pesos um. Getauscht wird zwischen Waren und Dienstleistungen so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Eine eigene Parallelwährung wurde eigens dafür ins Leben gerufen

Derweil häufen sich neue Massenproteste: Bei den aktuellen Finanzberatungen sah sich das nationale Parlament von Demonstranten umzingelt, bei der Vereidigung der neuen Kabinettsmitglieder kam es zu Ausschreitungen. Auch die Übergriffe auf einzelne Politiker, die sogenannten escraches, gehen weiter. Jüngstes Opfer: der sichtlich gezeichnete Ex-Regierungssprecher von Ex-Präsident Fernando de la Rúa, Pablo Baylac.

Die Wut der Bürger, die während des einwöchigen "Bankfeiertages" auch vor leeren Geldautomaten standen, war mit Händen zu greifen. In den Provinzen allerdings sieht es noch schlimmer aus: In San Juan kündigte der Gouverneur Alfredo Avelín nach schweren Ausschreitungen, nicht zuletzt mit Staatsbediensteten, die die Auszahlungen ihrer seit Januar ausstehenden Löhne forderten, Neuwahlen innerhalb von 45 Tagen an, ein Projekt, das das Landesparlament sofort torpedierte.

Konsequenz: eine weitere Krise der Gewaltenteilung. Kein Wunder aber, dass dieses Neuwahlprojekt von vielen trotz der Krise als Modell für das ganze Land angesehen wird.

Einen anderen "Rettungsplan" halten Spaßvögel und Zyniker bereit: Jetzt bleibe Argentinien wirklich nichts anderes mehr übrig, als die Ende des Monats beginnende Fußballweltmeisterschaft zu gewinnen ...

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