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Argentinien hat gewählt

od Frank Priess

Opposition dominiert jetzt beide Parlamentskammern / Heftige Verluste der Regierungsparteien / Rekord bei Proteststimmen

Ein Novum in der politischen Geschichte Argentiniens brachten die Wahlen zu Senat und Abgeordnetenhaus am 14. Oktober: Erstmals sieht sich ein amtierender Präsident einer oppositionellen Mehrheit in beiden Kammern gegenüber. Im erstmals direkt und komplett gewählten Senat verteidigten die Peronisten (Partido Justicialista, PJ) ihre absolute Mehrheit, im Abgeordnetenhaus, das wie alle zwei Jahre üblich zur Hälfte neu gewählt wurde, verdrängten sie die Parteien der Regierungsallianz als stärkste Fraktion.

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Besonders bitter für Präsident Fernando de la Rúa: auch auf die neuen Abgeordneten und Senatoren seiner eigenen UCR (Unión Cívica Radical) kann er nur begrenzt bauen, verdanken sie ihre bescheidenen Siege doch gerade einem Wahlkampf der Frontalkritik gegen den Regierungskurs. Immerhin gelang es damit wohl, der peronistischer Opposition und den neuen Protestparteien nicht allein das Feld zu überlassen: das Abschneiden der letzteren blieb weit hinter den Erwartungen zurück.

Ein deutliches Signal an die Politik stellt hingegen die hohe Zahl von Stimmenthaltungen und ungültiger Stimmen dar: Rund 25 Prozent der Wähler etwa im Hauptstadtbezirk Capital Federal demonstrierten so ihr Missfallen gegenüber den angebotenen Alternativen. Im Landesdurchschnitt allerdings modifizierte sich dies etwas: Hier gaben rund 15 Prozent der Wähler ungültige Stimmen ab oder entschieden sich für die Enthaltung. Die Wahlbeteiligung blieb mit rund 77 Prozent - in Argentinien herrscht Wahlpflicht - unter den Ziffern bei früheren Wahlen, allerdings nicht dramatisch.

Das Ergebnis

Nach den Ergebnissen vom 14. Oktober und dem bisherigen Stand der Auszählungen - leichte Abweichungen sind aufgrund von Nachzählungen, Einsprüchen und Unklarheiten immer noch möglich - hat der neue Senat folgendes Gesicht: Von seinen 72 Mitgliedern stellt die PJ künftig 41 (+2), auf die Regierungs-Allianz entfallen 26 Sitze (+4). Zwei Senatoren stellt die Regionalpartei "Movimiento Popular Neuquino" der Provinz Neuquén, je ein Senator kommt von der Partei "Renovador Salta", von der "Allianza para una República de Iguales" (ARI) und der "Fuerza Republicana".

Nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus - bei den Halbzeitwahlen wurden 127 der 257 Sitze neu vergeben - kommt die PJ jetzt auf 110 Mandate (+12), die Allianz auf 90 (-14) und die ARI auf 15 (+1). Auf zahlreiche sonstige Parteien entfallen 37 Mandate, darunter neun auf Cavallos "Acción por la República".

Damit zeigt sich, dass insbesondere das Wahlsystem zum Senat die großen Parteien begünstigt. Trotz der stimmen- und prozentmäßig herben Wahlniederlage gelang des Allianz hier , sogar noch Sitze hinzuzugewinnen. Repräsentativer ist das System dem Parlamentswahlen, bei denen nach D´Hondt ausgezählt wird und eine Drei-Prozent-Hürde gilt. Da hier aber nur die Hälfte der Mandate neu vergeben wurde, hält sich das Debakel mit Blick auf die Sitzverteilung ebenfalls in Grenzen.

Der Sieg der PJ

Strahlende Gesichter gab es fast überall bei den Kandidaten der Justizialistischen Partei. Sie gewannen in den meisten argentinischen Provinzen zwei der jeweils zu wählenden drei Senatoren - der stärksten Liste stehen laut Wahlsystem zwei, der nächststärksten Liste ein Sitz zu - , nicht zuletzt in den neben dem Hauptstadtbezirk Capital Federal wichtigsten Stimmbezirken: Provinz Buenos Aires, Córdoba und Santa Fé. So gut wie überall konnten sie auch die Sitze für das Abgeordnetenhaus erhöhen. Im bereits vorher von ihr dominierten 72-köpfigen Senat verfügt die PJ jetzt über 41 Mandate (vorher 39). Dies führt zu der delikaten Situation, dass es der Partei möglich wäre, den Senatspräsidenten zu stellen. Da es nach dem Rücktritt Carlos Alvarez im Herbst des vergangenen Jahres keinen Vizepräsidenten mehr gibt - er wäre sonst Kraft Amtes Senatspräsident - fällt mit dieser Funktion auch die Vertretung des Präsidenten im Falle von dessen Abwesenheit und sogar seine Nachfolge etwa im Falle eines Rücktritts zusammen.

Bisher hat die PJ aus Staatsräson auf diese Besetzung verzichtet und einen UCR-Vertreter mitgewählt, jetzt allerdings könnte die Wahl Teil der Verhandlungsmasse werden, um mindestens einen PJ-Vertreter auf den Stuhl des Präsidenten des Abgeordnetenhauses zu hieven, wo die Peronisten zwar stärkste Partei geworden sind - der bisherige Stand der Auszählungen spricht von 110 von 257 Sitzen, bisher waren es 98 - nicht aber über die absolute Mehrheit verfügen.

Ein strahlendes Comeback feierte der ehemalige Gouverneur der Provinz Buenos Aires und 1999 gegen de la Rúa gescheiterte Präsidentschaftskandidat der PJ, Eduardo Duhalde. Er setzte sich mit rund 42,5 Prozent der Stimmen und damit über zwanzig Prozent Vorsprung vor seinem Allianz-Rivalen, Ex-Präsident Raúl Alfonsín durch. Erste Kommentare sehen ihn damit sogar zurück auf der Bühne möglicher Präsidentschaftskandidaten seiner Partei. Bisher waren ihm lediglich Ambitionen für eine erneute Gouverneurskandidatur in der Provinz Buenos Aires im Jahr 2003 nachgesagt worden.

Eine Führungsfigur nationaler Größe allerdings ist er in jedem Falle wieder geworden und kommt damit möglicherweise den Präsidentschaftsambitionen seines Parteifreundes Carlos Ruckauf, des aktuellen Gouverneurs der Provinz, in die Quere. Dieser sieht sich zwar ebenfalls durch das Provinzergebnis gestärkt, der Triumph aber, dies bemerkte Ruckauf bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit einem etwas angestrengt wirkenden Lächeln, habe einen Namen: Duhalde.

Einen deutlichen Triumph konnte auch der PJ-Gouverneur der Provinz Córdoba und ebenfalls aussichtsreiche Pre-Präsidentschaftskandidat seiner Partei, José Manuel de la Sota für sich verbuchen. Mit rund 47 Prozent der Stimmen behielten seine Senatskandidaten Juan Carlos Maqueda und Beatriz Halac mit über zehn Prozent Vorsprung die Oberhand über die in Cordoba traditionell starke UCR, für die mit Rubén Marti zudem der populäre Ex-Bürgermeister der Provinzhauptstadt ins Rennen gegangen war. Gleichzeitig sicherten sich die PJ und ihre Verbündeten auch eindrucksvoll eine bequeme Mehrheit bei den Wahlen zum Provinzparlament, das nach einer Verfassungsreform jetzt nur noch aus einer Kammer besteht.

Der Dritte oder inzwischen möglicherweise Vierte im Bunde ums Präsidentschaftsrennen der PJ, der Gouverneur der Provinz Santa Fé, Carlos Reutemann, konnte am Wahlabend ebenfalls zufrieden sein. Auch seine Kandidaten Oscar Lamberto und Roxana Latorre verwiesen die Allianz-Liste mit über zehn Punkten Abstand auf den zweiten Platz. Einen erheblichen Wermutstropfen stellt allerdings auch in Santa Fé die Zahl der ungültigen und "weissen" Stimmzettel dar: über 30% der Bürger drückten auf diese Weise ihr Missfallen aus.

In La Rioja, der Heimatprovinz von Ex-Präsident Carlos Menem, kam sein Bruder Eduardo gemeinsam mit Ada Maza, der Schwester des Provinzgouverneur, zu einem ungefährdeten Sieg jenseits der 50% Marke. Zweite Kraft wurde der PJ-Senator Jorge Yoma mit seiner neuen "Frente Riojano con Todos", deutlich vor dem UCR-Vertreter Raúl Galvan. Yoma war zu einer Kandidatur außerhalb der PJ-Struktur genötigt, da die erstmals bei Senatswahlen wirksame Frauenquote von fünfzig Prozent auf den aussichtsreichen Listenplätzen die Parteien zu einer eins-zu-eins-Berücksichtigung von Männern und Frauen zwingt, PJ-intern Eduardo Menem aber über die stärkeren Bataillone verfügte.

Da der immer noch unter Hausarrest stehende Carlos Menem als Ersatzkandidat seines Bruders ins Rennen ging und bei dessen Rücktritt zum Zuge kommen könnte, schießen natürlich die Spekulationen ins Kraut: Könnte dies ein Weg sein, Immunität zu erlangen und die Haft schnellstmöglich zu beenden? Wäre dies ein Ausweg, um im Kampf um die Parteiführung gegenüber Ruckauf, Duhalde und anderen nicht zu sehr gehandicapt zu sein? Vieles spricht dagegen.

Der neue Senat nimmt zum 10. Dezember seine Arbeit auf und "akkreditiert" zu diesem Zeitpunkt die neugewählten Senatoren. Erst dann können sinnvollerweise Rücktritte erwogen werden. Über deren Annahme wiederum entscheidet der Senat in seiner Gesamtheit, im vorliegenden Fall eine Entscheidung mit offenem Ausgang. Zudem dürfte der öffentliche Eindruck, hier versuche sich jemand mit unlauteren Mitteln einem Strafverfahren zu entziehen, so schwer wiegen, dass die Beschädigung von Person und politischer Klasse kaum in Kauf genommen werden dürfte, abgesehen von der Tatsache, dass auch in Argentinien die Immunität von Abgeordneten aufgehoben werden kann.

Hervorragende Ergebnisse konnten die PJ-Provinzgouverneure von San Luis und Santa Cruz verzeichnen. Im ersten Fall brachten es die Kandidaten von Gouverneur Adolfo Rodríguez Saá auf rund 67 Prozent der Stimmen, die von Gouverneur Nestor Kirchner im zweiten Fall auf 62 Prozent. Keinesfalls also dürfen im nationalen Konzert künftig die "kleineren" Provinzen und ihre Exponenten unterschätzt werden.

Insgesamt gelang es der PJ, der Allianz vier bisher von dieser gehaltene Provinzen abzunehmen - San Juan, Mendoza, Entre Ríos und Corrientes - während nur in Jujuy eine gegenläufige Entwicklung zu verzeichnen war. Rechnet man die Ergebnisse landesweit hoch, entfallen auf die PJ rund 35 Prozent und die Dominanz in 17 der 24 Provinzen, während sich die Allianz mit 23 Prozent und einer Mehrheitsposition in sechs Provinzen bescheiden muss. Im verbliebenen Fall von Neuquen dominiert die Provinzpartei "Movimiento Popular Neuquino".

Was der Allianz noch blieb

Der Hauptstadtbezirk Capital Federal erwies sich wieder einmal als Balsam auf die wunde Seele der Allianzparteien UCR und FREPASO, wenn auch nicht unbedingt für die der Regierung de la Rúa. Ihr Kritiker Rodolfo Terragno (UCR) nämlich war es, der an der Seite der Schwester des Hauptstadtbürgermeisters Aníbal Ibarra, Wilma Ibarra (FREPASO) die relative Mehrheit im Kampf um die Senatssitze erringen konnte. Noch in der Nacht aber forderte er einen grundlegenden Kurswechsel der Regierungspolitik, insbesondere im Wirtschaftsbereich. Schon im Wahlkampf hatte er immer wieder den Kopf von Wirtschaftsminister Domingo Cavallo gefordert.

Um den zweiten Platz entbrannte ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das der Kandidat der neuen Kraft ARI (Allianza para una República de Iguales) der Abgeordneten Elisa Carrio, Alfredo Bravo, gegen Menems Ex-Innenminister Gustavo Beliz hauchdünn für sich entscheiden konnte Mit zehn Prozent blieb der Kandidat einer Listenverbindung von Cavallos "Acción por la República" und einem PJ-Flügel um den Abgeordneten Daniel Scioli nur ein abgeschlagener vierter Platz. Immerhin konnte diese Liste bei den gleichzeitigen Wahlen zum Abgeordnetenhaus punkten und neben Scioli einen weiteren Vertreter in den neuen Kongress entsenden.

Mit überraschend guten Ergebnisse folgen diverse Exponenten der Linksparteien auf den Plätzen, brachten es aber zusammen auf rund 25 Prozent! Auch in der Hauptstadt lag die Zahl der ungültigen und "weißen" Stimmen, das von den Journalisten unmittelbar "voto bronca" getaufte Protestvotum, deutlich höher als die rund 21 Prozent des siegreichen Kandidaten Terragno.

Lediglich rund 17 Prozent verbuchte Ex-Präsident Raúl Alfonsín für die Allianz bei seinem Kampf um einen Senatssitz in der Provinz Buenos Aires, genug immerhin, um als "erste Minderheit" dem neuen Oberhaus angehören zu können. Entsprechend zufrieden war die Miene des Kandidaten, der im Wahlkampf und bei entsprechenden Umfragen lange Zeit damit hatte rechnen müssen, von Protestkandidaten wie dem Geistlichen Luis Farinello überflügelt zu werden. Dessen politisches Kapital und das der anderen "kleineren" Kandidaten reichte aber nicht aus, um den Parteiapparaten von PJ und UCR erfolgreich zu begegnen, nicht zuletzt auf einem Terrain, wo die Stammwählerschaften nach wie vor stark ausgeprägt sind. Wie fast überall zeigte sich auch in der Provinz Buenos Aires, dass sie kaum in der Lage waren, Proteststimmen erfolgreich zu binden, die eher den Weg in die Enthaltung oder die Ungültigkeit wählten.

Eine weitere Hochburg konnte die UCR mit knapp fünfzig Prozent immerhin verteidigen: Chaco. Hier honorierten die Wähler wohl auch die als erfolgreich gesehene Regierungsarbeit des Gouverneurs Angel Rozas, Vize-Chef der UCR und aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Raúl Alfonsín in der Parteiführung. Die PJ kam bei den Senatswahlen auf den zweiten Platz, besetzt aber ebenso wie die Allianz im Abgeordnetenhaus künftig zwei der vier Sitze, die der Provinz zustehen. Auf Chaco hatten sich die Blicke der Wahlbeobachter deshalb gerichtet, weil hier die Abgeordnete Elisa Carrio zu Hause ist, die mit ihrer Aufklärerrolle bei Skandalen um Geldwäsche und als Gründerin der neuen Partei ARI Aufsehen erregt und hohe öffentliche Zustimmung genießt. Auf heimischem Boden aber war dies offenbar nicht genug: knapp 12 Prozent blieben ihr schließlich.

Regierung, was nun?

Mit gemischten Gefühlen dürfte Präsident de la Rúa die Wahlergebnisse verfolgt haben. Im Kreise seines Kabinetts in der Residenz Olivos nahm er sie zur Kenntnis und trat gegen 22.30 Uhr selbst vor die Presse. Neben allgemeinen Elogen auf die Stabilität der argentinischen Demokratie allerdings gab es kaum Neuigkeiten: Man werde am Stabilitätskurs des ausgeglichenen Haushaltes ("deficit cero") festhalten und auch die Eigentumsrechte in- und ausländischer Investoren streng achten. Ansonsten gebiete das "neue Szenario" mehr Gemeinsamkeit, insbesondere zwischen Nationalstaat und den Provinzen. Spekuliert wurde bereits in der letzten Woche über eine mögliche Kabinettsumbildung und die Ankündigung weiterer Wirtschaftsmaßnahmen.

Für die Regierung wird es in jedem Falle nicht einfacher, ganz neu allerdings ist die neue Situation aber auch wieder nicht: Bereits bisher hatte man es mit einer Oppositionsmehrheit im Oberhaus zu tun, die sich durchaus verhandlungsbereit zeigte und kein wichtiges Regierungsvorhaben blockierte. Im Abgeordnetenhaus wiederum musste sich die Regierung auch schon vorher mit Oppositionellen im eigenen Lager quälen, die ihrer Politik oft größere Hindernisse in den Weg rollten als die eigentliche Opposition.

Und auch das Verhältnis zu den Provinzen ändert sich nicht grundsätzlich: Angesichts der dramatischen Situation in vielen von ihnen ist ein Aushandeln von Kompromissen bei den Zuweisungen aus dem nationalen Haushalt oberste Priorität. Von Fall zu Fall also wird sich de la Rúa weiterhin Mehrheiten suchen müssen, eingezwängt zwischen einem politisch schwierigen Umfeld, sozialer Unruhe und internationalen Finanzmärkten, bei denen Argentiniens realer und ideeller Kredit längst erschöpft ist. Zu Kompromissen gibt es gleichwohl keine Alternative, ebensowenig aber derzeit auch zur Person des Präsidenten selbst.

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