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Generalprobe ein Jahr vor den Parlamentswahlen in Tschechien

od Matthias Barner, Alena Reslová

Die Regional- und Senatswahlen zeigen die weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft

Ein Jahr vor den Parlamentswahlen in der Tschechischen Republik setzt die liberal-populistische Bewegung ANO (Aktion unzufriedener Bürger) des zweitreichsten Tschechen und Finanzministers Andrej Babiš ihren Siegeszug fort, ohne aber damit das Parteispektrum zu dominieren. Die linken Parteien erlitten eine bedeutende Niederlage. Die Christdemokraten stabilisieren sich und gewinnen einen Hauptmann (Regions-Regierungschef).

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Die Regional- und Senatswahlen sind ein bedeutender Stimmungstest, da sie die letzten Wahlen vor den Parlamentswahlen im Herbst 2017 sind. Die langfristige Strategie der Bewegung ANO, sich als eine Alternative zum „alten Establishment“ zu positionieren, ist auch nach drei Jahren immer noch wirksam. Damals zog die neu gegründete Partei aus dem Stand ins Parlament ein. Obwohl die Regionalwahlen bisher traditionell von der Opposition gewonnen wurden, schaffte es ANO trotz der Beteiligung in einer Regierungskoalition mit Sozialdemokraten (ČSSD) und Christdemokraten (KDU-ČSL), die Regionalwahlen mit einem Gesamtergebnis von 21,05 Prozent zu gewinnen. Die ČSSD erzielte 15,25 Prozent, gefolgt von der Kommunistischen Partei (KSČM) mit 10,54 Prozent, der liberal-konservativen ODS mit 9,47 Prozent, der KDU-ČSL mit 6,3 Prozent, der Antiimmigrationskoalition der Parteien SPD und SPO mit 4,67 Prozent, dem Bündnis der „Bürgermeister und Unabhängigen“ mit 4,01 Prozent, der Partei TOP 09 mit 3,4 Prozent und weiteren regionalen Parteien und Koalitionen, die aber nur in einzelnen Regionen erfolgreich waren. Die Wahlbeteiligung betrug insgesamt nur 34,57 Prozent.

ANO als „Opposition in der Regierung“

Der Finanzminister und milliardenschwere Unternehmer Andrej Babiš positionierte sich als „Opposition in der Regierung“ und schaffte es, das Gefühl des Erfolges auf seine Person zu lenken. Seinen Wählern imponiert sein einfacher Ausdruckstill und sein Versprechen, dass seine Bewegung die Regionen „wie ein Unternehmen“ führen werde und dadurch ein besseres Tschechien schaffe. Mit einer Mischung aus populistischer Rhetorik und professionellem politischen Marketing konnte ANO bei den Regionalwahlen auch zahlreiche Wähler von den linken Parteien gewinnen und somit die Abwanderung von Wählern zu Mitte-Rechts-Parteien auffangen. Laut der Agentur Median ging ein Fünftel der ANO-Wähler aus der Parlamentswahl 2013 zur ODS und dem Bündnis der „Bürgermeister und Unabhängigen“ über.

Mitte-Rechtes Spektrum zersplittert sich weiter

Das bürgerliche Lager um die Mitte-Rechts-Parteien ist weiterhin zersplittert. Das Ergebnis der ODS deutet noch nicht auf deren Rückkehr zu einer großen Partei hin. Die KDU-ČSL wird durch den Gewinn in der Zlínský-Region im Falle erfolgreicher Koalitionsverhandlungen um einen potenziellen Hauptmann gestärkt. Insgesamt erzielt die KDU-ČSL zusammen mit den regionalen Koalitionen, in denen sie vertreten war, circa 10 Prozent. Die Strategie der Bildung von Koalitionen in traditionell christdemokratisch schwachen Regionen verfolgt die KDU-ČSL bereits langfristig und erweist sich damit auch bei dieser Wahl als erfolgreich. Dagegen zieht die TOP 09, die sich 2009 von der KDU-ČSL abgespalten hatte, nur in sechs Regionalvertretungen ein. Das Ergebnis ist ein Warnsignal vor den Parlamentswahlen. Allerdings sind die unterschiedlichen Bedingungen der Parlamentswahlen (höhere Wahlbeteiligung, Miteinbeziehung von Prag) Faktoren, die dann zu Gunsten von TOP 09 wirken können. Die Bewegung der „Bürgermeister und Unabhängigen“, deren Alleingang als ein Test vor den Parlamentswahlen dienen sollte, ist nur in einigen Regionen dank bekannter Persönlichkeiten erfolgreich geworden. Die 5-Prozent-Hürde konnte sie nur nach der Zurechnung von regionalen Koalitionen nehmen. Vor diesem Hintergrund ist ungewiss, ob sie in den Parlamentswahlen alleine antreten wird. Es ist eher zu erwarten, dass sie sich wieder um eine Koalition bemüht. Als mögliche Partner werden die KDU-ČSL oder die ANO genannt.

Niedergang der linken Parteien

Die ČSSD gewann nur zwei von den neun in 2012 behaupteten Regionen. Für den Premierminister und ČSSD-Parteivorsitzenden Bohuslav Sobotka ist dies eine deutliche Schwächung vor dem Wahlparteitag, der im Frühjahr 2017 stattfinden wird. So kurz vor den Parlamentswahlen könnten ein offener Konflikt in der Partei und die Zerstrittenheit schwere Verluste auch in den Wahlen bedeuten. Die kommunistische KSČM verlor noch massiver, sie verteidigte nur weniger als die Hälfte ihrer bisherigen Regionalvertreter.

Die Anti-Babiš Strategie ohne Erfolg

Eine der zentralen politischen Schlussfolgerungen, die sich aus den Regionalwahlen ziehen lässt, ist die Feststellung, dass die Anti-Babiš Strategie, die die traditionellen Parteien, vor allem die TOP 09, führten, die Wähler nicht beeindruckte. Den traditionellen Parteien fehlte eine eigene klare Vision für die Tschechische Republik. Babiš steht als Finanzminister, Inhaber der Unternehmensholding Agrofert und Besitzer von zwei der auflagenstärksten Tageszeitungen sowie weiterer Medien, in einem ständigen Interessenskonflikt. Wegen der Machtkonzentration wird Babiš oft als Oligarch bezeichnet und Parallelen zu Silvio Berlusconi oder Donald Trump gezogen. Die anderen Parteien haben im vergangenen Monat ein „Anti-Babiš“-Gesetz im Abgeordnetenhaus durchgesetzt, das gegen den Interessenskonflikt vor allem im Bereich der Medien und der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen und Subventionen vorgeht. Doch all das sowie der mögliche Missbrauch von EU-Geldern im Falle der Farm Storchennest, der durch die EU-Behörde für Betrugsbekämpfung OLAF untersucht wird, haben der Bewegung ANO faktisch nicht geschadet. Vor diesem Hintergrund scheint es im Hinblick auf die kommenden Parlamentswahlen als riskant, dass die traditionellen Parteien trotz des Sieges der ANO-Bewegung zögern, regionale Koalitionen mit ihr zu schließen. Dies betrifft konkret die Regionen Královehradecký (Königgrätz), Pardubický (Pardubitz) und Plzeňský (Pilsen). Dagegen ist ANO zu jedem Koalitionspartner offen, in der Region Ústecký (Aussig) könnte sie eine Koalition mit der kommunistischen KSČM bilden, dagegen in Mittelböhmen mit der TOP 09 und den „Bürgermeistern“. Die Regionalwahlen brachten insgesamt eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft in den regionalen Vertretungen und deswegen wird es komplizierter, hier stabile Koalitionen zu bilden.

Flüchtlinge kein zentrales Thema

Die Regional- und Senatswahlen hatten kein starkes einheitliches Thema in der öffentlichen Debatte hervorgebracht. Trotz einiger Vermutungen, dass die Flüchtlingsthematik eine bedeutende Rolle spielen könnte, konzentrierten sich die Vorwahldebatten mehr auf traditionelle Themen, die im Kompetenzbereich der Regionen liegen, wie die Verkehrspolitik, Gesundheitspolitik, Sozialpolitik oder Bildungspolitik. In den Regionalwahlen kandidierten gleichwohl mehrere Koalitionen mit der Antiimmigrationsthematik. Die einzig erfolgreiche war das Bündnis um „Freiheit und direkte Demokratie – Tomio Okamura“ (SPD) und der Partei der Bürgerrechte (SPO), die insgesamt in 10 von 13 Regionen vertreten sein wird. Die Partei SPD ist eine Abspaltung von der Parlamentspartei Úsvit von Tomio Okamura, eines Tschechen mit japanischen Wurzeln und die Partei SPO steht dem tschechischen Präsidenten Miloš Zeman nahe. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Flüchtlingsthematik in den Parlamentswahlen wieder stärker zum Tragen kommt. Die europäische Schuldenkrise und nun die Migrationskrise haben in Tschechien zu einem neuen Tiefpunkt des Vertrauens der Bürger in die Europäische Union geführt. Laut der Agentur Stem liegt das Vertrauen in die EU aktuell nur bei 29 Prozent, während es im März 2015 noch bei 38 Prozent gelegen hatte. Nach dem Brexit-Votum in Großbritannien sprach sich Präsident Zeman für ein Referendum über die Mitgliedschaft von Tschechien in der EU und auch in der NATO aus. Obwohl er ein solches Referendum unterstütze, würde er selbst dafür stimmen, in beiden Organisationen Mitglied zu bleiben.

Platz 2 für KDU-ČSL in Senatswahlen

Gleichzeitig mit den Regionalwahlen fanden auch die Wahlen in den Senat, die Oberkammer des Parlamentes der Tschechischen Republik statt. Alle zwei Jahre wird ein Drittel der Senatoren (27/81) neu gewählt. Im ersten Wahlgang hat keiner der Kandidaten die nötigen 50 Prozent der Stimmen erreicht. Die Regierungskoalition wird ihre Mehrheit im Senat beibehalten, was für die Abstimmung über die Regierungsgesetze wichtig ist. Die Bewegung ANO geht aus der ersten Runde der Senatswahlen als Siegerin hervor. Sie muss keine bisherigen Senatsposten verteidigen und stellt 14 neue Kandidaten in der zweiten Wahlrunde. Den zweiten Platz teilen die KDU-ČSL und ČSSD. Gerade die Senatswahlen waren ein Erfolg für die KDU-ČSL. Sie konnte drei Senatsposten verteidigen, für die zweite Runde stellt sie acht eigene Kandidaten und weitere sechs in jeweiligen Koalitionen. Dagegen hat die ČSSD zwölf 12 Senatsposten zu verteidigen, stellt aber nur acht Kandidaten in der zweiten Runde. Die zweite Runde der Senatswahlen findet am 14. und 15. Oktober 2016 statt.

Einziges Visegrád-Land ohne eine politisch überdominante Kraft

Der Sieg der Bewegung ANO wird ihr Selbstbewusstsein weiter stärken. In tschechischen Medien wird oft spekuliert, dass Finanzminister Babiš nach den Wahlen im nächsten Jahr Ministerpräsident Sobotka ablösen könnte. Die Kommentatoren erwarten, dass sich die Konflikte in der Regierungskoalition vor den Parlamentswahlen weiter verschärfen werden. Trotz des Erfolges in den Regionalwahlen zeigt jedoch das Ergebnis der ANO von 21 Prozent, dass sie bislang nicht die dominante Stärke etwa von Fidesz in Ungarn oder Smer in der Slowakei haben. Das Gesamtwahlergebnis von ANO ist das schwächste Ergebnis, das eine Siegerpartei in den tschechien Regionalwahlen je erreicht hat. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich auch nach den kommenden Parlamentswahlen in Herbst 2017 der in Visegrád-Nachbarländern auffällige Trend zur Dominanz einer Einzelpartei in der Tschechischen Republik eher nicht durchsetzen könnte.

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