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Türkisches Parlament verabschiedet "begrenzte Freilassung" von "verurteilten Kriminellen"

od Dr. Wulf Eberhard Schönbohm
Am vergangenen Freitag (08.12.2000) hat das Türkische Parlament ein seit langem diskutiertes, umstrittenes Amnestie-Gesetz mit dem Titel "konditionierte Freilassung" verabschiedet. Falls Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer dieses Gesetz unterschreibt, können noch vor Neujahr ca. 35.000 Strafgefangene – dies ist die Hälfte aller einsitzenden Strafgefangenen – die Gefängnisse verlassen.

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Die Idee eines Amnestiegesetzes war vor 1,5 Jahren von der stellv. DSP-Vorsitzenden Frau Rahsan Ecevit, der Frau des türkischen Ministerpräsidenten, in die Öffentlichkeit lanciert worden. Ein erstes Gesetz war im letzten Jahr von Staatpräsident Demirel mit einem Veto bedacht worden, weil auch Mörder und korrupte Staatsbeamte in den Genuss dieses Gesetzes gekommen wären. Nunmehr werden alle Strafgefangenen auf Bewährung freigelassen, die wegen Straftaten vor dem 23. April 1999 verurteilt worden sind. Allerdings müssen sie nach erneuter Straffälligkeit wieder ins Gefängnis zurückkehren.

Mit Ausnahme der Straftaten wegen Hochverrats, wie z.B. Öcalan, werden Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt, langjährige Haftstrafen um 10 Jahre reduziert und Strafen unter 10 Jahren in Bewährungsstrafen umgewandelt. Ausgenommen von dieser Strafreduzierung sind Straftaten wie z.B. Vergewaltigung, Staatskorruption, Unterschlagungen in Banken, Geldwäsche und Drogenhandel.

Der frühere MP und Vorsitzende der Refah, Necmettin Erbakan, dem ab Januar eine einjährige Gefängnisstrafe wegen einer Wahlkampfrede drohte, wird auch in den Genuss dieses Gesetzes kommen. Unklar ist noch, ob auch der Papst-Attentäter Ali Agca aufgrund dieses Gesetzes freigelassen wird. Polizeibeamte oder sonstige Beamte, die wegen Folterung rechtskräftig verurteilt worden sind, werden nicht freigelassen. Dies hatte Justizminister Sami Türk nur durch seine Rücktrittsdrohung erreicht.

Gegen dieses Gesetz gab es vor allen Dingen in der nationalistischen Regierungspartei MHP starke Widerstände, weil davon Aktivisten dieser Partei, die in den 70er Jahren rechtextremistische Anschläge gegen Linksintellektuelle begangen hatten, ausgenommen bleiben. Dies gilt auch z.B. für Haluk Kirci, der wegen 7-fachen Mordes einsitzt und den die MHP auch befreien wollte.

Innerhalb der MHP sind die Konflikte zwischen der gemäßigten, pragmatischen Richtung unter dem Parteivorsitzenden Bahçeli und den extremistischen, nationalistischen Gruppierungen deutlich geworden. Nur durch das massive Eingreifen von Bahçeli konnte im letzten Moment verhindert werden, dass MHP-Abgeordnete entsprechende Änderungsanträge stellten. Aus Protest fehlte ca. die Hälfte aller MHP-Abgeordneter bei der Debatte und Schlussabstimmung über dieses Gesetz im Parlament.

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes hat die Regierungskoalition wiederum eine sehr schwierige Hürde genommen, wenngleich die politischen Widersprüche und Gegensätze zwischen den drei Koalitionsparteien im Verlaufe des Entscheidungsprozesses auch öffentlich deutlich geworden sind. Das Gesetz wird vor allen Dingen von den Müttern der Märtyrer, der im Kampf gegen die PKK gefallenen Soldaten, massiv kritisiert. Dies ist auch der Grund, weshalb viele MHP- Abgeordnete glauben, dass sie ihre Glaubwürdigkeit wegen dieses Gesetzes bei einem Teil ihrer Wähler gefährden.

Staatspräsident Sezer hat nunmehr noch 12 Tage Zeit bis zu seiner Entscheidung, ob er das Gesetz passieren lässt oder ob er sein Veto einlegt. Von verschiedenen türkischen Organisationen wird darauf hingewiesen, dass Sezer als Präsident des Verfassungsgerichtes vor 9 Jahren ein Amnestiegesetz für verfassungswidrig erklärt habe, weil es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieß. Bei dem neuen Gesetz - so wird argumentiert - werde ebenfalls gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, indem bestimmte Straffällige von der Strafbefreiung ausgenommen seien. "Sezer under pressure from all sides" titelt am 12.12. die Turkish Daily News.

Falls Sezer sein Veto einlegt, kann das türkische Parlament das Gesetz unverändert noch einmal beschließen und dann ist es rechtsgültig. Oder das Gesetz wird geändert und erneut beschlossen und dem Staatspräsident zur Unterschrift vorgelegt. Sezer könnte das Gesetz aber auch passieren lassen und gleichzeitig das Verfassungsgericht anrufen mit der Bitte, die Verfassungsgemäßheit des Gesetzes zu überprüfen.

Außerdem könnten 110 Abgeordnete des türkischen Parlaments das Verfassungsgericht anrufen. Die Oppositionspartei DYP unter ihrer Vorsitzenden Çiller würde dies gerne tun. Ihr fehlen allerdings dazu 26 Abgeordnete, da ihre Fraktion nur 84 Abgeordnete umfasst. Ob es ihr gelingt, die fehlenden Unterschriften von anderen Parteien zu gewinnen, ist fraglich.

In jedem Fall wäre es für die jetzige Regierungskoalition äußerst schwierig, wenn dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt oder wenn der Staatspräsident sein Veto einlegen würde. Denn dann würde das unangenehme politische Thema wieder auf der Tagesordnung des Parlaments erscheinen.

Die Entlassung von ca. 35.000 Strafgefangenen würde natürlich zu einer erheblichen Entlastung in den restlos überfüllten türkischen Gefängnissen führen. Dies wäre der Regierung auch deshalb angenehm, weil im Augenblick ca. 200 Gefangene seit 53 Tagen mit einem Hungerstreik gegen eine von der Regierung nach deutschem Vorbild geplante Gefängnisreform protestieren.

In der Türkei ist es seit der osmanischen Zeit Praxis, dass sich bis zu 100 Gefangene in einem Raum aufhalten, Einzelzellen oder 2-3 Mann-Zellen sind die absolute Ausnahme. Dies soll nun in Zukunft die Regel sein, um dadurch Bandenkriege und Gefängnisrevolten zu verhindern und eine bessere Kontrolle der Strafgefangenen zu erleichtern. Im Augenblick kontrollieren nämlich eher die Strafgefangenen als die Vollzugsbeamten die Gefängnisse. Auf Seiten der Regierung scheint die Hoffnung zu bestehen, dass mit einer Freilassung von vielen Gefangenen dieser Protest abgebrochen wird. In den nächsten Tagen wird mit den ersten Toten gerechnet, wenn der Hungerstreik nicht abgebrochen wird.


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