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„Papeleras“ am Rio Uruguay – Ein notwendiger Konflikt?

von Christoph Korneli
Der Konflikt zwischen den Regierungen Argentiniens und Uruguays um den Bau zweier Zellulosefabriken (papeleras) in Fray Bentos am gemeinsamen Grenzfluss Rio Uruguay hat mittlerweile weit über den nationalen Rahmen beider Länder hinaus auch in der internationalen Presse ein Echo gefunden und an Bedeutung gewonnen, ist zu einem zentralen Punkt in den Agendas der Regierungen beider Länder geworden.

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Mittlerweile zeitigt der Konflikt unberechenbare Gefahren nicht nur für die Nachbarn, sondern auch für den Mercosur, die regionale Integration Lateinamerikas und die internationale Reputation Argentiniens und Uruguays.

Es scheint völlig unverständlich, dass zwei Länder mit gemeinsamer Tradition und vielen gemeinsamen Interessen keinen gemeinsamen Weg zur Lösung finden können.

Die Angelegenheit rührt aus dem Jahre 2002 her als beschlossen wurde, langjährige Pläne Uruguays zum Bau von zwei Fabriken zur Produktion von Zellulosepaste, dem Grundprodukt für die Papierherstellung, umzusetzen. Und zwar am Ostufer des Grenzflusses, gegenüber der argentinischen Orte Gualeguachu und Colon. Dort verbindet eine der wenigen Brücken die beiden Länder.

Der Bau der beiden Anlagen durch die spanische Firma ENCE und das finnische Unternehmen BOTNIA bedeuten eine immense Investition für Uruguay und die Schaffung von ca. 1000 direkten und schätzungsweise bis zu als 5000 indirekten Arbeitsplätzen.

Das Vorhaben hat aber auch eine umweltpolitische Dimension. Die trotz der Einhaltung modernster Standards kaum zu vermeidende Kontamination des Flusswassers, zusätzlich zur bereits bestehenden Kontamination durch alte argentinische Anlagen. Die Anlieger befürchten nicht nur gesundheitliche Beeinträchtigungen, sondern auch wirtschaftliche Schäden im Tourismus.

Die Bevölkerung von Gualeguachu und Colon ging auf die Strasse, protestierte, besetzte die für den Verkehr in der Region lebenswichtige Flussbrücke und führte Beschwerde bei internationalen Organisationen und vor uruguayischen und argentinischen Gerichten. Trotz der Beteuerungen beider Betreiberfirmen, die Einhaltung der Umweltrichtlinien der EU einzuhalten, blieb man skeptisch. Die Umweltschützer beklagen, dass während des Produktionsprozesses aggressive Stoffe Verwendung finden. Zwar sind die von den Betreibern geplanten Methoden international anerkannt, gewährleisten aber angeblich nicht die optimale Vermeidung der Kontamination.

Argentinien steht auf dem Standpunkt, dass die Planung und Durchführung der Vorhaben von einer Reihe von Regelverstößen begleitet war. So wurde das Thema von Uruguay nicht von der binationalen Behörde, die für den Rio Uruguay zuständig ist, geprüft und genehmigt. Aber auch Argentinien ergriff nicht die notwendige Initiative seine Rechte zu verteidigen. So verging viel Zeit, bis schließlich die Umweltschützer gegen das Vorhaben aufbegehrten. Niemand hatte erwartet, dass die soziale und ökologische Bewegung in Gualeguachu (Provinz Entre Rios) solche Ausmaße annehmen würde, wie es in den letzten Wochen geschah.

Angesichts dieser Bewegung ließ es sich der argentinische Präsident aber auch nicht nehmen, den Konflikt populistisch auszunutzen. Er solidarisierte sich teilweise mit den Demonstranten, machte dann wiederum Druck um die Brückensperrung aufzuheben und veranstaltete letztlich eine große öffentliche Versammlung zu der alle Provinzgouverneure eingeladen wurden und fast alle kamen. Das Thema wurde nationalisiert und der Umweltschutz zum ausdrücklichen Ziel der Regierung Kirchner erklärt. Dies klingt wie Hohn vor dem Hintergrund der sonst üblichen Umweltsünden in Argentinien, deren Beseitigung seit Jahren versprochen, aber nie in Angriff genommen wurde. Noch mehr, da Argentinien selbst mit der Planung großer Anlagen zur Papierproduktion in der Provinz Corrientes beschäftigt ist.

Die Regierung in Uruguay unterschätzte die Dynamik dieser Bewegung und glaubte, dass nach der Wiederwahl des Gouverneurs von Entre Rios, Jorge Busti, der alles zu seiner Sache gemacht hatte, Normalität wieder einkehren würde. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht.

Im diesem Konflikt hätte eine Instanz zur Verfügung gestanden, welche die beiden Länder hätten anrufen können. In Folge der gemeinsamen Verträge von 1971 und 1975 (Statut über den Rio Uruguay) wurde eine gemeinsame Kontrollkommission zur den Fragen des Grenzflusses gegründet, um optimalen und gegenseitigen Nutzen zu erzielen. Die Einschaltung dieses Informationsnetzes wäre der richtige Weg gewesen, um mögliche Beeinträchtigungen zu bewerten, die technischen Bedingungen einzuschätzen und negative Effekte für Tourismus, Landwirtschaft, Beschäftigung und Gesundheit zu diskutieren.

Nachdem bilaterale Versuche zur Einigung nicht in Betracht gezogen wurden, oder nicht zu einer Einigung führten, gingen Argentinien und Uruguay auch auf internationaler Ebene getrennte Wege. Argentinien rief letztlich den Internationalen Gerichtshof in Den Haag an, während Uruguay verlangte, den Konflikt mit den Instrumenten des Mercosur zu regeln, also das Problem regional und nicht bilateral zu behandeln. Argentiniens geht aber davon aus, dass es um bilaterale Beziehungen geht, da die gemeinsamen Gewässer betroffen sind. Aus dieser Sicht könnte seine Verfahrensweise als gerechtfertigt betrachtet werden, obwohl wenig Hoffnung besteht, das Den Haag in angemessener Zeit und Form eine für alle verträgliche Lösung finden wird und kann. Geht man aber von einem regionalen Konflikt aus, bezieht man die Grundlagen der Integrationspolitik mit ein. Aber auch diese sind diskussionswürdig und die Problematik scheint nicht besonders geeignet, neue Perspektiven für die Integration zu eröffnen.

Für Argentinien war die Angelegenheit auch Anlass für eine Auseinandersetzung mit Spanien und Finnland. Diese gingen auf die Kritik nicht ein, verteidigten die investierenden Firmen und stellten mit Recht die allgemeine Bereitschaft Argentiniens, Grundlagen für internationale Investitionen zu schaffen, in Frage. Dies auch angesichts der beständigen Kritik des argentinische Präsidenten an den europäischen Industrieländern, ihre umweltbelastenden Industrien mit niedrigeren Standards in Entwicklungsländern zu bauen.

Beeinträchtigt wird jedenfalls der Mercosur. Die Beziehungen zwischen den Präsidenten sind quasi abgebrochen. So hat Vazquez es mehrmals vermieden auf internationalen Treffen zu erscheinen, in deren Rahmen ein Gespräch möglich gewesen wäre. Gleichzeitig brüskierte Kirchner durch sein Entgegenkommen gegenüber den Strassen- und Brückensperrungen und der Nutzung des Konflikts für das eigen innenpolitische Kalkül. Die Frage nach dem Nutzen eines Mercosur, der nicht in der Lage erscheint die Probleme seiner Mitglieder zu lösen, wird immer lauter und schädigt unberechtigt den Integrationsprozess.

Um die Funktionalität des Integrationsprozesses weiter zu gewährleisten und Fortschritte zu erzielen, müssen Mechanismen der Förderung vernachlässigter oder benachteiligter Regionen und Integrationsformen, die nicht ausschließlich dem Handel dienen, definiert werden. Im speziellen Fall der „Papeleras“ wären regionale Netzwerke zur Arbeitsteilung und Einbindung der Akteure der Zellulose-Industrie in die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Belange hilfreich gewesen.

Das Recht Uruguays, den Bau der Anlagen auf seinem Gebiet zu autorisieren bleibt unbeanstandet, zumal diese einen wirtschaftlichen Entwicklungsschub für das Land versprechen. Aber neben dem Wirtschaftswachstum sollten auch nachhaltig die Fragen der Umwelt berücksichtigt werden.

Deshalb scheint es gerechtfertigt, wenn Argentinien seinerseits die Erfüllung bestimmter Auflagen des Umweltschutz im Produktionsprozess fordert um sicherzustellen, dass die negativen Effekte kontrolliert und möglichst gering gehalten werden. Dafür sollte sich das Land allerdings der angemessenen Instrumente bedienen und nicht eine unnötige Konfrontation schüren.

Die Positionen scheinen unvereinbar. Es kann aber keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben. Beide Seiten haben bisher nicht ihrer Verantwortung entsprechend gehandelt. Verantwortung für die traditionell guten Beziehungen und Verantwortung für die Region insgesamt . Verantwortung für ein Problem, für welches politische Lösungen möglich wären, wenn man die diplomatischen Wege finden und begehen würde. Dort gehört die Sache hin – in eine bilaterale Diplomatie, welche die regionale Dimension berücksichtigt.

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Olaf Jacob

Olaf Jacob

Leiter des Auslandsbüros Chile

olaf.jacob@kas.de
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7. Juni 2006
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