“Indem man miteinander redet, kann man viele Dinge vermeiden” - Auslandsbüro Argentinien
Veranstaltungsberichte
Zeitzeugenbericht von Micheline Wolanowski im Kongress der Nation Argentinien
Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war Micheline 14 Jahre alt und lebte mit ihrer Familie in Paris. Mit der Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten begannen auch dort die Deportationen der Juden in die Konzentrationslager (KZ) – darunter auch ihr Vater und ihr späterer Ehemann. „Die Ankunft in Ausschwitz war wie die Ankunft in der Hölle“, erinnert sie sich an die Erzählungen ihres Ehemannes. Er hatte insgesamt fünf Jahre in dem KZ überlebt; ihr Vater hingegen verstarb kurz nach seiner Ankunft an Typhus. Micheline selbst floh gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Südfrankreich, wo sie zunächst unter falscher Identität noch die Schule besuchen konnten. Nachdem ihre Mutter und ihre Schwester 1944 verschwanden, blieb sie schließlich allein bei der Familie eines Schreiners zurück. Nach ihrer Rückkehr nach im Paris im Jahr 1945 konnte niemanden aus ihrer Familie wiederfinden: Sie waren alle in den KZs gestorben. Daher emigrierte sie nach Uruguay, wo sie einen Franzosen heiratete und anschließend nach Buenos Aires zog, wo zu bis zum heutigen Tag wohnt. Durch Micheline wurden die Helfer ihrer Familie als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Auf die Frage, wie man eine Wiederholung des Holocaust verhindern könne, sagte sie, man müsse verstehen, warum jemand anders ist: „Indem man miteinander redet, kann man viele Dinge vermeiden.“
Zeitzeugenbericht von Sofía Fernández in der Universität Austral – Campus Pilar
Sofía wurde in Brüssel geboren und verwaiste im Alter von drei Jahren, als ihre Eltern deportiert wur-den. Nachdem sie zunächst von einer Christin versteckt wurde, adoptierte sie eine katholische Familie. Mit der Zeit baute sie eine sehr enge Bindung aufbaute: Auch heute noch nennt sie sie die „Familie ihres Herzens“. Als sie acht Jahre alt war, wurde dennoch gewaltsam aus dem Haus geholt und in ein Waisenhaus gebracht, wo sie ihren kleinen Bruder wiederfand. Kurz darauf wurden sie von einem kinderlosen jüdischen Ehepaar aus Argentinien adoptiert. Somit wechselte Sofía erneut die Identität und musste sich an eine neue Sprache gewöhnen. Viele Jahre später, als sie bereits ihre erste Tochter hatte, wurde sie schwer depressiv, weshalb ihr empfohlen wurde, ihre Kindheit aufzuarbeiten. Somit begann eine 40 Jahre lange Suche nach ihrer ursprünglichen Familie, bis sie ihre belgische Familie wiedertraf und die Wahrheit über ihre biologischen Eltern herausfand – und so ihren Lebensmut wiederfand. Auch die Helfer von Sofía wurden als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. In ihrem Vortrag betonte sie, dass sie heute noch am Leben ist dank der Hilfe von Christen und von Juden – und dass daher die Menschlichkeit über der Religion steht.