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Auslandsinformationen

„Das internationale System steht unter erheblichem Druck“

von Andrea Ellen Ostheimer

Deutschlands zweijährige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

Die vergangenen zwei Jahre war Deutschland nichtständiges Mitglied im VN-Sicherheitsrat. Für die Auslandsinformationen spricht Andrea Ellen Ostheimer, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in New York, mit dem Diplomaten Christoph Heusgen über die Herausforderungen und Erfolge dieser Zeit, die Rolle Chinas und Russlands sowie den außenpolitischen Kompass der Bundesrepublik.

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Ai: Botschafter Heusgen, Sie sind seit Sommer 2017 Deutschlands Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen. Zuvor waren Sie zwölf Jahre außen- und sicherheitspolitischer Berater der Bundeskanzlerin. Alle acht Jahre kandidiert Deutschland für einen der zehn nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die jeweils für zwei Jahre per Wahl durch die VN-Generalversammlung vergeben werden. 2019 trat Deutschland sein sechstes Mandat mit einer ambitionierten Agenda an und übernahm gemeinsam mit anderen Mitgliedern die Federführung in wichtigen Regionaldossiers wie Afghanistan, humanitäre Hilfe für Syrien, Sudan sowie den Vorsitz der Sanktionskomitees zu Libyen und Nordkorea. Darüber hinaus setzte sich Deutschland zum Ziel, wichtige Themen wie Frauen, Frieden und Sicherheit und den Nexus Klima und Sicherheit im Sicherheitsrat voranzubringen. Wenn Sie nun nach zwei Jahren Bilanz ziehen, wo würden Sie sagen, dass Sie entscheidende Impulse setzen konnten?

Christoph Heusgen: Zunächst einmal: Wir haben in diesen zwei Jahren gehalten, was wir angekündigt haben. Wir haben uns systematisch für die Stärke des Rechts und eine regelbasierte internationale Ordnung eingesetzt. Das mag auf den ersten Blick selbstverständlich klingen für die Arbeit im Weltgremium, das die Wahrung von internationalem Frieden und Sicherheit zur Hauptaufgabe hat. Es ist es – leider – mitnichten. Wir mussten in den vergangenen Jahren erleben, wie sehr die Gründungsidee der Vereinten Nationen – nämlich Krisen und Konflikte friedlich zu lösen und Menschenrechte im Geiste der Charta weltweit zu wahren – zunehmend unter Beschuss steht: Wenn China massive Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren begeht, Russland mit der Bombardierung von Krankenhäusern in Syrien nicht vor skrupelloser Verletzung humanitären Rechts zurückschreckt oder auch die USA unter ihrer vorherigen Administration mit dem Rückzug aus wichtigen multilateralen Strukturen Lücken reißen, muss man dem etwas entgegensetzen. Ich glaube, Deutschland konnte als starker Vertreter des Multilateralismus, der für die Ziele und Werte der VN-Charta eintritt, insgesamt einen wichtigen Akzent setzen.

Als konkrete Impulse, die über unsere Zeit im Sicherheitsrat hinaustragen, will ich an dieser Stelle nur zwei Beispiele aus den deutschen Sicherheitsratspräsidentschaften herausgreifen: In vielen Konflikten ist der Einsatz sexueller Gewalt eine schreckliche Kriegswaffe. Es war uns ein Kernanliegen, dem nicht länger tatenlos zuzuschauen. Unterstützung fanden wir in den Friedensnobelpreisträgern Nadia Murad und Denis Mukwege sowie der Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, die dem Sicherheitsrat auf beeindruckende Weise die Tragweite dieser in vielen Konflikten zum Teil systematisch begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen darlegten. Im April 2019 hat der Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, die erstmals die Überlebenden dieser Verbrechen in den Mittelpunkt rückt und den Weg dafür ebnet, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

In unserer zweiten Präsidentschaft im Juli 2020 stand die grenzüberschreitende humanitäre Hilfe für die Menschen in Syrien auf Messers Schneide. Es stand zu befürchten, dass Russland und China die humanitären Zugänge zu den notleidenden Menschen ganz kappen. Es war ernüchternd, ja erschütternd, wie sehr diese Länder rein aus politischem Kalkül handelten. Wir hatten die notleidenden Menschen vor Augen, ließen uns von den VN-Hilfsorganisationen beraten und konnten nach hartem Ringen gemeinsam mit unserem Ko-Federführer Belgien zumindest einen Zugang für eine verlängerte Dauer sichern. Das war nicht das Ergebnis, das wir erhofft hatten, aber zumindest eine wichtige Linderung angesichts des Leids so vieler Menschen.

Uns hat dies gezeigt: Es lohnt sich, für jede und jeden Einzelnen, der in Krisen und Konflikten bedroht ist, zu kämpfen. Das war und ist unsere Motivation und unser Ansporn.

 

Ai: Ihre Arbeit im Sicherheitsrat fand im Kontext gravierender, teils neuer geopolitischer Herausforderungen statt. Bei allen Hindernissen, mit denen Sie in den vergangenen Jahren konfrontiert wurden, waren durchaus auch positive Entwicklungen zu erkennen. Was wäre notwendig, um diese positiven Errungenschaften nun auch nach der Zeit im Sicherheitsrat zu bewahren?

Christoph Heusgen: Sie sagen es, es gab auch immer wieder ermutigende Ansätze. So begleitet beispielsweise eine neue politische Mission, die Deutschland gemeinsam mit Großbritannien in den Sicherheitsrat eingebracht hat, den fragilen politischen Transitionsprozess im Sudan. In Afghanistan konnten wir zusammen mit unseren indonesischen Partnern erreichen, dass mit der United Nations Assistance Mission in Afghanistan die Unterstützung für das Land durch die Vereinten Nationen weitergeht.

In einem besonders polarisierten Konflikt vor den Toren Europas hat unser beharrliches Engagement die Chance für eine politische Lösung mit in Gang gesetzt: Als Vorsitz des Sanktionsausschusses zur Überprüfung des Waffenembargos für Libyen haben wir nicht nachgelassen, alle Seiten zur Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen zu drängen. Die Berliner Libyen-Konferenz in Unterstützung der VN-Friedensbemühungen hat im Januar 2020 erstmals die Unterstützer der beiden Konfliktparteien an einen Tisch gebracht. Mit einer von uns initiierten Resolution hat der Sicherheitsrat das Ergebnis der Berliner Konferenz unterstützt und ihr damit zusätzliches Gewicht verliehen. Die inzwischen herrschende Waffenruhe und der innerlibysche politische Prozess mit Aussicht auf Wahlen zum Ende des Jahres 2021 geben den Menschen eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

 

Ai: Der VN-Sicherheitsrat besteht aus 15 Mitgliedern: den fünf ständigen Mitgliedern (P5) China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA sowie den zehn auf der Basis eines regionalen Proporzes gewählten Mitgliedern. Wie viele Einflussmöglichkeiten haben die gewählten Mitglieder? Welche Instrumente stehen ihnen zur Verfügung? Und wie setzt man sich mit dem Damoklesschwert des Vetorechts der ständigen Mitglieder im Tagesgeschäft auseinander?

Christoph Heusgen: Natürlich haben die fünf ständigen Mitglieder eine besondere, ja privilegierte Rolle. Damit geht auch besondere Verantwortung einher. Darunter fällt eindeutig auch das Vetorecht. Es für rein politisches Kalkül zu nutzen – wir sprachen bereits über Russlands und Chinas Agieren im Fall der humanitären Hilfe für Syrien – halte ich für höchst problematisch und verantwortungslos. Die russisch-chinesischen Vetos gegen eine bestmögliche humanitäre Versorgung der Menschen in Syrien sind sicher ein trauriger Höhepunkt, der einen Schatten auf dieses besondere Privileg wirft.

In der täglichen Arbeit des Sicherheitsrats erlebt man dies – glücklicherweise – nicht als ständiges Damoklesschwert. Denn jedes Sicherheitsratsmitglied, auch die P5, muss überzeugen und Mehrheiten bilden, wenn es darum geht, Resolutionen durchzubringen oder externe Sachverständige, sogenannte Briefer, in den Sicherheitsrat einzubringen. Die Schallmauer sind dort neun notwendige Stimmen.

Wir haben uns in unserer Sicherheitsratszeit stets von unseren inhaltlichen Überzeugungen und Zielen leiten lassen und auf dieser Wertebasis versucht, die anderen mitzunehmen. Damit haben wir in den vergangenen zwei Jahren, glaube ich, deutlich gezeigt, dass man als gewähltes Mitglied einen besonderen Anspruch und Gestaltungswillen haben kann. Die allermeisten inhaltlichen Impulse, sei es zum Nexus von Klima und Sicherheit, sei es zur Mediation in lang andauernden Konflikten wie in Libyen, kamen von gewählten Mitgliedern.

Zudem werden alle Sanktionsausschüsse des Sicherheitsrats von nichtständigen Mitgliedern geleitet. Das ist oft wirkliche Kärrnerarbeit, die wir aber mit konkreter politischer Gestaltung verbunden haben. So konnten wir beispielsweise die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen, die für die Menschen in Nordkorea tätig sind, erleichtern. Das mag sehr technisch klingen, bedeutet aber konkret: Hilfsorganisationen können jetzt die Lieferung von dringend benötigten Lebens- und Arzneimitteln verlässlich planen. Das ist für die Menschen vor Ort, die unter einem brutalen Regime leiden, das die Aufstockung seines Waffenarsenals vor das Wohlergehen seiner Bürger stellt, ein wichtiger Hoffnungsschimmer.

 

Ai: In den vergangenen zwei Jahren fand sich eine starke europäische Präsenz im Sicherheitsrat wieder. Neben den zwei ständigen europäischen Mitgliedern Frankreich und Großbritannien hatten Estland, Polen, Belgien und Deutschland die Möglichkeit, europäische Werte und Positionen im VN-Sicherheitsrat zu vertreten. Wie viel „europäische Einheit“ konnte man im Sicherheitsrat sicherstellen? Und welche Dossiers sind aufgrund der Interessenlage unter europäischen Ratsmitgliedern trotz der gemeinsamen Werte komplexer beziehungsweise schwieriger?

Christoph Heusgen: Der Gleichklang der EU-Mitglieder im Sicherheitsrat in allen zentralen Fragen war ein solides Fundament, auf das wir während der vergangenen zwei Jahre stets bauen konnten. Natürlich gibt es Nuancen bei Positionierungen oder unterschiedliche Schwerpunkte. Aber wenn es darauf ankam, hielten die EU-Mitglieder zusammen. Es hat in unserer Zeit im Sicherheitsrat keine Abstimmung gegeben, in der die EU-Mitglieder nicht an einem Strang gezogen hätten. Oft haben wir dies auch in gemeinsamen Pressestatements vor oder nach Sicherheitsratssitzungen zum Ausdruck gebracht.

Auch Großbritannien hat sich nach dem Brexit weiterhin inhaltlich eng an EU-Positionen im Sicherheitsrat angelehnt. Insbesondere im schwierigen und fortdauernden Ringen um die Erhaltung des Nuklearabkommens mit dem Iran waren und sind die sogenannten E3 – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – eine unverzichtbare Allianz. Im Sicherheitsrat und darüber hinaus. Diese Allianz hat gehalten und sich bewährt.

Was insgesamt noch ausbaufähig ist: Wir sollten als EU-Mitgliedstaaten im Sicherheitsrat gelegentlich nicht nur vom selben Blatt singen, sondern tatsächlich mit einer „EU-BotschafterInnen-Stimme“ sprechen, also ein EU-Mitglied im Namen der gesamten Gruppe, so wie es beispielsweise die afrikanischen Sicherheitsratsmitglieder handhaben. Wir bleiben hier für unsere nächste Mitgliedschaft dran.

 

Ai: Im März/April 2019 gab es eine gemeinsame Sicherheitsratspräsidentschaft Deutschlands und Frankreichs, die für die europäische Stimme im Rat nochmals besondere Symbolkraft hatte. Unter anderem wurde gemeinsam mit Frankreich die Allianz für den Multilateralismus auf den Weg gebracht. Wieso wurde dies gerade jetzt für notwendig erachtet? Und welchen Mehrwert stellt eine solche Allianz dar?

Christoph Heusgen: Das bringt mich zu Ihrer Ausgangsfrage zurück. Das internationale System steht unter erheblichem Druck: von der Weltgesundheitsorganisation bis zum Internationalen Strafgerichtshof, vom Klimaabkommen bis zur Welthandelsorganisation hin zu einer massiven Missachtung von Menschenrechten. Wir wollen, dass internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen handlungsfähig sind. Uns geht es darum, dass die Regeln, die sich alle verbindlich gegeben haben, auch eingehalten werden. Dafür werben wir. Das ist unser außenpolitischer Kompass. Und das ist ein Kerngedanke der Allianz für den Multilateralismus, die Bundesaußenminister Maas gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen und vielen Staaten weltweit ins Leben gerufen hat. Gerade in Zeiten, wo es eines Mehr an internationaler Kooperation bedarf, der Zusammenhalt aber auch in den Vereinten Nationen stark unter Druck geraten ist, hat die Allianz für den Multilateralismus für Staaten aus allen Regionen der Welt eine große Anziehungskraft. Der Erfolg der Allianz beweist: Es gibt weltweit große Unterstützung für eine internationale Ordnung, die auf Regeln beruht, die das internationale Recht achtet. Dafür müssen und wollen wir uns als Deutschland konsequent einsetzen.

 

Ai: Gemeinsam mit Brasilien, Indien und Japan (G4) versucht Deutschland seit Jahren Unterstützung für eine Reform des Sicherheitsrats inklusive einer Erweiterung zu gewinnen. Wo stehen wir in diesem Prozess? Und welche Möglichkeiten bestehen, hier Fortschritte angesichts der realpolitischen Gegebenheiten zu erzielen?

Christoph Heusgen: Der Sicherheitsrat muss dringend reformiert werden. Denn die jetzige Zusammensetzung, in der beispielsweise kein einziger afrikanischer Staat einen ständigen Sitz hat, spiegelt nicht mehr die Realitäten der Welt wider. Auch andere Akteure sind nicht angemessen vertreten. Damit riskiert der Sicherheitsrat künftig seine kostbarste Währung: Legitimität. Das sieht die allergrößte Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen genauso und ist für eine Reform. Gemeinsam mit der Interessengruppe der G4 bemühen wir uns darum, dass endlich konkrete Verhandlungen dazu beginnen können. Das ist das Kerngeschäft der Diplomatie: Lösungsvorschläge entwerfen, Möglichkeiten ausloten, Kompromisse schmieden. Allerdings gibt es einige wenige erbitterte Reformgegner, allen voran China, die in dieser Frage weiterhin blockieren. Das war leider auch in den vergangenen zwei Jahren der Fall. Dass die COVID-19-Pandemie auch die Diplomatie weitgehend in den virtuellen Modus verbannt hat, war nicht gerade zuträglich für substanzielle Fortschritte. Wir werden aber an der Sache dranbleiben.

 

Ai: Ende März 2020 und kurz nachdem die Weltgesundheitsorganisation die COVID-19-Pandemie zum globalen Notfall erklärte, rief VN-Generalsekretär António Guterres zu einem globalen Waffenstillstand auf. Der Sicherheitsrat hüllte sich allerdings – anders als in vorherigen Situationen (wie z. B. beim Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014/2015) über Monate in Schweigen. Hätte der Sicherheitsrat in Bezug auf die COVID-19-Pandemie mehr tun können, um das System der Vereinten Nationen zu unterstützen? Und gibt es im Nachhinein betrachtet etwas, was man bei den Verhandlungen über eine Sicherheitsratsresolution zur Unterstützung des globalen Waffenstillstands hätte besser machen können?

Christoph Heusgen: Zu Ihrer ersten Frage: absolut! Es war ein wirkliches Versäumnis, dass der Sicherheitsrat den Aufruf des Generalsekretärs zu einem globalen Waffenstillstand im Frühjahr 2020 nicht unmittelbar öffentlich unterstützt hat. Ich habe dies selbst einmal im Sicherheitsrat als „ohrenbetäubendes Schweigen“ bezeichnet. Dabei waren sich die Sicherheitsratsmitglieder in der Sache im Grunde einig, dass die COVID-19-Pandemie die Lage der Menschen in Krisen- und Konfliktgebieten noch prekärer macht und daher ein Schweigen der Waffen weltweit geboten ist. Leider hat ein handfester amerikanisch-chinesischer Dissens um die Rolle der Weltgesundheitsorganisation zu wochenlangem Stillstand bei den Verhandlungen um die Sicherheitsratsresolution geführt, die dem Generalsekretär den Rücken hätte stärken sollen.

Es dauerte letztendlich viel zu lange, und vielleicht war es am Ende auch eine etwas glückliche Fügung: Die deutsche Sicherheitsratspräsidentschaft im Juli 2020 startete dann mit der einstimmigen Annahme der französisch-tunesischen Resolution. Dies war insofern auch ein Symbol, da Deutschland gemeinsam mit Estland – jetzt kommen wir wieder auf die Gestaltungsmöglichkeiten gewählter Mitglieder zurück – mit vereinten Kräften dazu beigetragen hatte, dass die Gräben überwunden wurden und die Resolution verabschiedet werden konnte.

 

Ai: Deutschland konnte einen wichtigen Beitrag zu Frieden und Sicherheit in den vergangenen zwei Jahren leisten. In welchen Bereichen werden Sie nach Ende des Mandats nun vielleicht mit anderen Instrumenten das Engagement Deutschlands fortführen?

Christoph Heusgen: Es ist richtig, dass man nach Ausscheiden aus dem Sicherheitsrat nicht mehr dieselbe unmittelbare Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeit im wichtigsten VN-Gremium hat. Aber wir haben den Anspruch, weiterhin unseren aktiven Beitrag zur Wahrung von Frieden und Sicherheit zu leisten. Der Berliner Prozess, der die Vereinten Nationen im Hinblick auf Libyen unterstützt, trägt weiterhin auch maßgeblich eine deutsche Handschrift. Mit Antritt der neuen US-Administration stehen die Chancen um ein Vielfaches besser, dass Klimawandelfolgen nicht nur vereinzelt, sondern systematisch und konsequent in den Blick des Sicherheitsrats genommen werden. Deutschland hat mit einer Gruppe von zehn Sicherheitsratsmitgliedern im Sommer 2020 einen starken gemeinsamen Resolutionsentwurf hierzu erarbeitet. Unsere Nachfolger im Sicherheitsrat können gezielt hierauf aufbauen. Und auch die Allianz für den Multilateralismus wird weiterhin wichtiger Impulsgeber für die Lösung drängender globaler Fragen sein.

 

Ai: In acht Jahren wird Deutschland das nächste Mal für den Sicherheitsrat kandidieren. Über welche Themen wird Ihrer Meinung nach dann gesprochen werden?

Christoph Heusgen: Es wird weiterhin um die drängenden Krisen und Konflikte der Welt gehen. Zu viele sind davon noch ungelöst. Ich denke an das Leid der Menschen in Jemen oder die Lage in Syrien, die von einer politischen Lösung weit entfernt ist.

Und wir werden sicher weiter über den Zusammenhang von Klima und Sicherheit sprechen. Wenn aufgrund von Klimawandel Menschen die Lebensgrundlage entzogen wird und sie aus ihren angestammten Gebieten abwandern, an anderer Stelle auf ansässige Bevölkerung treffen und um die Existenz konkurrieren, dann ist das eine Frage der Sicherheit vor Ort. Ob die Menschen in ihren Ländern ein würdiges und sicheres Leben führen können oder ob sie es nach Europa oder andernorts hinzieht, betrifft auch uns ganz konkret. Das gehört auch in acht Jahren auf die Agenda des Sicherheitsrats.

Das Gleiche gilt für die Menschenrechte. Es steht zu befürchten, dass es auch in Zukunft zu schweren Verletzungen grundlegender Menschenrechte kommt. Wir werden uns weiter für die betroffenen Menschen einsetzen und diejenigen offen kritisieren, die gegen internationales Recht verstoßen.

 

Ai: Herr Botschafter, erlauben Sie uns auch noch eine eher persönliche Frage zum Abschluss. Sie sind einer der erfahrensten Diplomaten Deutschlands. Welche besonderen Fähigkeiten benötigt man für die Arbeit als Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen in New York? Welche Empfehlungen können Sie Ihren irischen und norwegischen Kolleginnen geben, die beide ihr zweijähriges Mandat im Sicherheitsrat im Januar 2021 angetreten haben?

Christoph Heusgen: Die wichtigsten Eigenschaften als Diplomat sind sicher: zuhören, nie den Gesprächsfaden abreißen lassen. Klare Positionen beziehen und für diese werben, dafür auch klare Worte finden. Und vor allem: immer neugierig und aufgeschlossen bleiben. Ich glaube, dass all dies auch für den oder die VN-Botschafter(in) zentral ist.

Mit Irland und Norwegen sind zwei sehr erfahrene Kolleginnen in den Sicherheitsrat nachgerückt. Wenn ich einen Rat auf den Weg mitgeben würde, dann vielleicht das, was ich bereits in einer meiner letzten Sitzungen gesagt habe: „Selbst wenn Sie persönlich angegriffen werden, geben Sie nicht auf. Die nichtständigen Sicherheitsratsmitglieder sind in das Weltgremium gewählt, um internationales Recht und die Vereinten Nationen zu verteidigen.“

 

Die Fragen stellte Andrea Ellen Ostheimer, Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in New York.

 


 

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