Ausgabe: 1/2025
Mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begann im Nahen Osten eine Gewalteskalation, welche die Region bis heute erschüttert. Die Hoffnung auf eine neue Phase regionaler – und eben auch israelisch-arabischer – Zusammenarbeit, wie sie mit den Abraham-Abkommen im Herbst 2020 genährt wurde, scheint erstmal zerschellt. Doch die Einsicht, dass eine Eindämmung der Konfliktherde und der Aufbau regionaler Kooperationsstrukturen unabdingbar sind, um wirtschaftliche Entwicklung und nachhaltige Stabilität zu ermöglichen, ist bei vielen Schlüsselakteuren immer noch vorhanden.
Eine neue Dynamik könnte sich dabei aus der Nahostpolitik der Trump-Administration ergeben, aus der Fortsetzung und Verstärkung regionaler Kooperationen unter Bearbeitung des israelisch-palästinensischen Konflikts oder aus dem Umbruch in Syrien nach dem Fall des Assad-Regimes. Auch mit der derzeitigen geopolitischen Schwächung Irans werden die Karten im Nahen und Mittleren Osten neu gemischt. In dieser Lage gilt es auszuloten, welche Akteure in welchen Formaten kooperieren können. Funktionale, also sachorientierte und zunächst sektoriell begrenzte Zusammenarbeit kann dabei ein erster Schritt sein. Damit wird idealerweise Vertrauen geschaffen, das dann für eine stärker politische Vernetzung innerhalb der Region genutzt werden kann.
Die israelisch-jordanischen Wasserbeziehungen sind dabei ein Beispiel, wie ungeachtet politischer Spannungen funktionale Kooperationen aufgebaut und aufrechterhalten werden können – zum wechselseitigen Vorteil. Gleichzeitig zeigen sie aber auch, welch große Kooperationspotenziale im Nahen Osten aufgrund langwieriger politischer Konflikte, wie dem israelisch-palästinensischen, nicht abgerufen werden können.
Jordanien – Wasser als existenzielle Ressource
Im Frühjahr verwandelt sich der Norden Jordaniens in eine blühende Landschaft. Mancher Olivenhain wurde noch von den alten Römern gepflanzt. Im wohlhabenden Westen Ammans säumen Ziergärten und Straßenbäume die großen Verkehrsachsen. Die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Wasser liegt bei fast hundert Prozent. Doch der Eindruck täuscht: Jordanien hat ein Wasserproblem. Geologen schätzen, dass die natürlichen Wasserressourcen des Landes, dessen Fläche zu drei Vierteln aus Wüste besteht, für eine Bevölkerung von drei Millionen Menschen reichen. Das war die Einwohnerzahl in den 1980er-Jahren. Seither hat sie sich auf mehr als elf Millionen erhöht. Jenseits des Wachstums durch relativ hohe Geburtenraten hat Jordanien immer wieder Flüchtlinge aus den Nachbarländern aufgenommen, zuletzt mehr als eine Million Syrer.
Daneben haben Urbanisierung und die Steigerung ökonomischer Aktivität, vor allem in der Landwirtschaft, zu einem immer höheren Wasserbedarf geführt. Der Agrarsektor, der mit einem Anteil von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts volkswirtschaftlich eher nachrangig ist, verbraucht davon rund die Hälfte. Der Klimawandel und insbesondere stetig sinkende Niederschlagsmengen verschärfen die Situation. Bereits heute gilt Jordanien als eines der wasserärmsten Länder der Welt. Pro Kopf verfügt das Land derzeit über 61 Kubikmeter erneuerbares Frischwasser, 500 Kubikmeter gelten international als mindestens notwendig. In Szenarien, welche die jetzigen Trends fortschreiben, wird ein Großteil der Haushalte mit geringem Einkommen bis zum Ende des Jahrhunderts an Wasserunterversorgung leiden – mit unabsehbaren Folgen für die Stabilität des Landes. Kurzfristiger würde sich akuter Wassermangel auf Schlüsselbereiche für die jordanische Wirtschaft wie den Tourismus negativ auswirken. Fraglich ist außerdem, wie lang sich Jordanien angesichts seines notorisch klammen Staatshaushaltes die großzügige Subventionierung des Wasserpreises leisten kann – auch hier drohen Gefahren für den sozialen Frieden im Königreich.
Jordanien bemüht sich zunehmend, diese Herausforderungen zu bewältigen – auch mit internationaler Unterstützung. Gerade die deutsche Entwicklungszusammenarbeit engagiert sich seit Jahrzehnten in diesem Bereich. 2023 hat das Königreich eine neue Nationale Wasserstrategie vorgelegt. Mit einer Kombination aus effizienterer Wassernutzung, integriertem Wassermanagement und der Erschließung neuer Wasserressourcen, insbesondere durch Aufbereitung von Klärwasser und Entsalzung, soll die Wassersicherheit des Landes langfristig garantiert werden. Dabei schwingt immer auch das Streben nach nationaler Wasserautonomie mit. Doch bis auf Weiteres braucht Jordanien zur Komplettierung seiner Versorgung Wasserimporte, nicht zuletzt aus Israel. Als ein flussabwärts gelegenes Land ist Jordanien zudem in jedem Fall auf Zusammenarbeit mit Israel und Syrien angewiesen, welche die oberen Abschnitte des Jordan- und des Yarmouk-Flusses kontrollieren.
Zwar hat Jordanien mit Syrien bereits 1953 und 1987 Wasserabkommen unterzeichnet. Diese konnten allerdings aufgrund wiederkehrender politischer Spannungen zwischen den Ländern ihr Potenzial nie voll entfalten. Jordanien macht den Bau von Dämmen auf syrischer Seite und das Bohren illegaler Brunnen dafür verantwortlich, dass es immer weniger Wasser aus dem Yarmouk erhält. Wie sich Syrien nach dem Fall des Assad-Regimes Ende 2024 entwickeln wird, bleibt ungewiss, und in Amman schaut man mit einiger Skepsis auf die neuen islamistischen Machthaber in Damaskus. Doch gleichzeitig besteht die Hoffnung, dass mit einem regional und international wieder integrierten Syrien gutnachbarliche Beziehungen möglich sind, einschließlich einer besseren Zusammenarbeit im Wassersektor. Zugleich hat Israel mit seinem auf Assads Sturz folgenden militärischen Vorstoß in Syrien dort Wasserquellen unter seine Kontrolle gebracht, die auch für Jordanien wichtig sind.
Jordanien verbraucht derzeit rund eine Milliarde Kubikmeter (1.000 Million Cubic Metres, MCM) Wasser im Jahr, davon entfällt rund die Hälfte auf den Frischwasserbedarf. Der Großteil kommt aus Grundwasserspeichern, die allerdings überwirtschaftet, also zunehmend leergepumpt werden. Der Regenwasseranteil, der mit den 13 Dämmen des Landes aufgefangen wird, beträgt rund ein Viertel. Aufbereitetes Klärwasser, das für die Bewässerung in der Landwirtschaft eingesetzt wird, macht nur 16 Prozent des genutzten Wassers aus. Die Lücke beim Frischwasser wird durch Wasserimporte aus Israel gefüllt, die im Friedensvertag von 1994 auf jährlich 50 MCM festgesetzt wurden, sowie durch eine Zusatzlieferung von weiteren 50 MCM, die – wie weiter unten näher ausgeführt wird – allerdings politisch umstritten ist und auf die Jordanien sich nicht ohne Weiteres verlassen kann.
Um seinen steigenden Wasserbedarf zu decken und die überlasteten Grundwasserspeicher zu schonen, arbeitet Jordanien seit einigen Jahren an einem ambitionierten Projekt, dem National Water Carrier Project, das auch unter dem Namen Aqaba Amman Water Desalination and Conveyance Project (AAWDC) firmiert. Dabei soll eine große Entsalzungsanlage am Roten Meer errichtet werden, von der aus jährlich 300 MCM in den bevölkerungsreichen Norden des Landes transportiert würden. Die Planungen sind darauf ausgelegt, die Kapazitäten sogar noch weiter auszubauen. Der offizielle Startschuss für das Projekt erfolgte im Herbst 2024 mit der Vergabe an ein französisch geführtes Konsortium, bis 2029 soll es abgeschlossen sein. Trotz Finanzhilfen mehrerer Partnerländer Jordaniens, darunter Hilfs- und Kreditzusagen von 400 Millionen Euro durch die Europäische Entwicklungsbank und mehr als 100 Millionen Euro allein aus Deutschland, sind die veranschlagten Kosten von mindestens drei Milliarden US-Dollar jedoch nach wie vor nicht gedeckt. Ein Gelingen dieses Projekts wäre ein Quantensprung für die Wasserversorgung in Jordanien, wo bisher das Potenzial von Entsalzung im Land selbst überhaupt nicht genutzt wird. Entsalzung ist kosten- und energieintensiv und für Jordanien geografisch zusätzlich herausfordernd: Der Meerzugang im südlichen Aqaba ist Hunderte Kilometer entfernt und liegt tiefer als die Bevölkerungszentren in Nordjordanien, wo der Wasserbedarf am höchsten ist.
Israel – Wasser als technologische Errungenschaft
Schon in der Bibel wurde Israel als ein Land beschrieben, in dem Milch und Honig fließen. Das ist ohne ziemlich viel Wasser kaum möglich – eine Ressource, die im Nahen Osten schon wiederholt Konflikte angefacht hat. Nicht nur deshalb war die Wasserknappheit in der Region bereits vor der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 ein zentrales Thema. In einem Gebiet, das naturgemäß von Wasserarmut geprägt ist, erkannten die israelischen Staatsgründer schnell, dass eine zuverlässige Wasserversorgung für das Überleben und das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes unerlässlich sein würde. Diese Erkenntnis führte dazu, dass Wasser eine Schlüsselrolle in den strategischen Überlegungen und Entwicklungen des jungen Staates einnahm.
Israel begann in den 1950er- und 1960er-Jahren, erhebliche Investitionen zu tätigen, um die Wasserversorgung sicherzustellen. Israel wollte dabei nicht nur die Wasserversorgung aller Haushalte gewährleisten – was schon damals ein sehr ambitioniertes Ziel war –, sondern strebte auch eine effiziente Nutzung von Wasserressourcen für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke an. Dafür verabschiedete im Jahr 1959 das israelische Parlament das Wassergesetz, welches festlegte, dass Wasser eine öffentliche Ressource ist, die weder privat noch staatlich im klassischen Sinne als Besitz gelten darf. Diese rechtliche Grundlage war von entscheidender Bedeutung für eine systematische und nachhaltige Wasserbewirtschaftung, bei der sowohl der Zugang zu Wasser als auch dessen Verteilung und Nutzung auf demokratische und öffentliche Weise geregelt wurden. Dabei hat Israel nicht nur sehr früh die legislativen Aspekte vor Augen gehabt. Parallel wurden auch professionelle Verwaltungsorganisationen ins Leben gerufen unter Mitwirkung des Privatsektors, der in Partnerschaft mit dem Staat wichtige Projekte zur Wasserversorgung und -aufbereitung realisierte.
Mithilfe dieser Strategien und Technologien hat Israel eine weltweit führende Rolle im Bereich der Wasseraufbereitung einnehmen können. Dabei gab es immer wieder auch Schwierigkeiten. Anfang der 2000er-Jahre hat eine landesweite Kampagne der israelischen Regierung unter der Überschrift „Israel trocknet aus“ Bürger mit Sorge erfüllt, dass Wasser weiterhin knapp ist. Umso bemerkenswerter ist der Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte. Heute stammen etwa 70 Prozent des in Israel verwendeten Trinkwassers aus fünf großen Entsalzungsanlagen entlang des Mittelmeers. Diese Anlagen nutzen modernste Techniken, um Meerwasser in Trinkwasser umzuwandeln und somit die ohnehin knappen natürlichen Süßwasserquellen zu entlasten. Drei weitere Entsalzungsanlagen sind derzeit im Bau und sollen die Wasserversorgung weiter sichern.
Doch es ist nicht nur die Entsalzung, die Israel zum Weltmarktführer im Bereich angewandte Wassertechnologie macht. Eine weitere wichtige Entwicklung sind die fortschrittlichen Systeme zur Abwasseraufbereitung. Heute werden etwa 85 Prozent des Abwassers in Israel wiederaufbereitet und für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Zudem wurden fortschrittliche Technologien implementiert, um den Wasserverlust auf ein Minimum zu reduzieren.
Diese Innovationen haben nicht nur Auswirkungen auf Israel selbst. Die Fähigkeit, mithilfe moderner Technologien und durch innovative Ansätze Wasser als Ressource effizient zu nutzen, hat nicht nur die Lebensqualität der Bevölkerung gesichert, sondern das Land auch zu einem globalen Modell für nachhaltige Wasserwirtschaft gemacht. In einer Region, in der Wasser oft als strategische Waffe betrachtet wurde, hat Israel durch technologische Errungenschaften eine einzigartige Position eingenommen – nicht nur als Nutzer und Bewahrer dieser wertvollen Ressource, sondern auch als Vorbild und Partner für andere Länder im Umgang mit Wasserknappheit.
Die israelisch-jordanische Wasserkooperation
Die wasserpolitischen Beziehungen zwischen Israel und Jordanien reichen bis in die Gründungsjahre der beiden Nachbarländer zurück und entwickelten sich in einem komplexen Prozess von Konflikt, Konkurrenz und Kooperation. Bereits in den 1950er-Jahren versuchten die USA, zwischen ihren Verbündeten zu vermitteln, und schlugen ein regionales Wassermanagement vor, das auch Libanon und Syrien einbeziehen sollte. Das nach dem damaligen US-Sonderbeauftragen als Johnston-Plan benannte Vorhaben scheiterte zwar an der Ablehnung der Arabischen Liga, die eine implizite Anerkennung Israels vermeiden wollte. Doch Jordanien und Israel übernahmen de facto einige Elemente, die letztlich in die wasserspezifischen Vereinbarungen des Friedensvertrages von 1994 mündeten.
Der israelisch-jordanische Friedensvertrag ist bis heute die Grundlage der Wasserkooperation zwischen den beiden Ländern. Der Vertrag regelt die Wasserzuteilung aus den beiden wichtigsten Flüssen, dem Jordan und dem Yarmouk, sowie aus den grenzüberschreitenden Grundwasserspeichern. Diese Gewässer sind von entscheidender Bedeutung für die Wasserversorgung beider Länder, die in der Folge der Vertragsunterzeichnung ein gemeinsames Wasserkomitee ins Leben gerufen haben, das die Wasserzusammenarbeit organisiert und das – zumindest auf fachlicher und technischer Ebene – weithin funktioniert. Daneben wurden immer wieder Projektideen entwickelt, um die Wasserressourcen gemeinsam besser zu nutzen. Deren Umsetzung scheiterte jedoch oft an mangelndem politischem Willen.
Zu diesen Projekten gehörte das 2015 von den Regierungen beider Länder unter Vermittlung der USA und der Weltbank vereinbarte Red Sea-Dead Sea Conveyance Project (RSDSC). Dabei sollte ein Kanal zwischen der jordanischen Hafenstadt Aqaba am Roten Meer und dem Toten Meer, das landeinwärts zwischen Israel und Jordanien liegt, gebaut werden. Das Ziel dabei war, das Tote Meer, dessen Pegel jährlich um einen Meter sinkt, mit frischem Meerwasser zu versorgen. Bemerkenswert an diesem Vorhaben, dessen technische Grundzüge bereits im 19. Jahrhundert und dann konkreter in den 1960er-Jahren ausgearbeitet wurden, war die Einbeziehung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Doch nach jahrelangen bürokratischen Verzögerungen und auch umweltpolitischen Kontroversen zog sich Jordanien 2021 aus dem Vorhaben zurück – mit Verweis auf mangelndes Interesse der israelischen Seite.
Für Jordanien bedeutsamer und politisch immer wieder umstritten ist die Lieferung von jährlich 50 MCM Frischwasser aus Israel, zusätzlich zu den 50 MCM pro Jahr, die im Friedensvertrag festgelegt sind. Auch diese Zusatzlieferung ist bereits im Friedensvertrag erwähnt, allerdings wurden die Modalitäten damals nicht präzisiert. Was damals als notwendiger diplomatischer Kompromiss galt, führte in der Folge immer wieder zu Unstimmigkeiten und Verzögerungen – beispielsweise im Frühjahr 2021, als aufgrund eines Aufflammens des Nahostkonflikts in Ost-Jerusalem und im Gazastreifen sich auch die israelisch-jordanischen Beziehungen verschlechterten. Dies änderte sich schlagartig mit dem Regierungswechsel in Israel von der Netanyahu- hin zur Bennett/Lapid-Regierung, die sich besonders um ein gutes Verhältnis zum Haschemitischen Königreich bemühte. Im Herbst desselben Jahres erreichte die Frischwasserlieferung von Israel nach Jordanien dann sogar ein Rekordhoch. „Das ist es, was gute Nachbarn tun“, sagte der damalige israelische Außenminister Yair Lapid. Seit dem erneuten Regierungswechsel in Jerusalem und nachdem die israelisch-jordanischen Beziehungen vor dem Hintergrund des jüngsten Gazakrieges einen neuen Tiefpunkt erreicht haben, stehen diese Wasserlieferungen jedoch wieder zur Disposition.
Die Vereinbarung der Zusatzlieferung ist Anfang 2024 ausgelaufen und wurde zunächst von Israel nicht verlängert. Dort war infolge des 7. Oktober 2023 die Verärgerung über Jordanien gewachsen. Das Haschemitische Königreich, das trotz seiner begrenzten Ressourcen auf der regionalen und internationalen Bühne durchaus Gehör findet, hat seit Beginn des Gazakrieges seine Kritik am israelischen Vorgehen dort sowie auch bei anderen geopolitischen Themen zunehmend öffentlich geäußert. Die scharfe Rhetorik der jordanischen Diplomatie wurde von vielen in Israel als überzogen und unangemessen empfunden. Außerdem hat Jordanien im November 2023 den Water-for-Energy-Deal – ein israelisch-jordanisch-emiratisches Kooperationsprojekt, das die israelische Energie- und die jordanische Wasserversorgung verbessern würde – mit Verweis auf die Lage im Gazastreifen auf Eis gelegt. Dies wurde wiederum von Israel als ein Zeichen der Abkühlung in den bilateralen Beziehungen gesehen.
Vor diesem Hintergrund stimmte die Netanjahu-Regierung erst nach erheblichem Druck der USA und anderer westlicher Partner sowie mit Blick auf die Hilfe Jordaniens beim Abfangen eines iranischen Drohnen- und Raketenangriffs auf Israel einer Verlängerung der Wasserlieferungen zu – allerdings nur auf sechs Monate und nicht, wie sonst üblich, mit einer Zusage für mehrere Jahre. In Amman schlussfolgerte man daraus, dass die Versorgung mit einer existenziellen Ressource von den innenpolitischen Mehrheiten in Israel beziehungsweise den Entwicklungen im israelisch-palästinensischen Konflikt abhängig ist und von Israel als politisches Druckmittel eingesetzt werden kann. Dies ist für das Königreich umso beunruhigender, da sich dort in den vergangenen Jahren die Einschätzung verbreitet hat, dass die traditionellen Jordanien-Freunde in Israel – dazu gehört neben dem linken Friedenslager und liberaldemokratischen Kräften auch das militärische Establishment – immer weiter an Einfluss verlieren.
In Jordanien haben deshalb zuletzt diejenigen Stimmen Aufwind bekommen, die sich für eine Stärkung der nationalen Wasserautonomie aussprechen – obwohl kooperative Lösungen mit Israel in der Regel technisch einfacher und damit effizienter wären. Israel verkauft das Wasser an Jordanien zudem zu günstigen Sonderkonditionen, weit unter dem Marktpreis in Israel selbst. Erst 2024 wurde mit US-amerikanischer Unterstützung eine neue Pipeline fertiggestellt, die größere Mengen an Frischwasser aus dem See Genezareth an die jordanische Grenze bringen kann.
Trotz dieser politischen Spannungen bleibt die Wasserkooperation ein zentrales Element der bilateralen Beziehungen. Für Israel ist die Zusammenarbeit im Wasserbereich mit Jordanien nicht nur eine diplomatische und – mit Blick auf die lange gemeinsame Grenze – auch eine sicherheitspolitische Notwendigkeit, sondern auch eine praktische, da die beiden Länder beim Wasser eine starke wechselseitige Abhängigkeit aufweisen. Israel profitiert durch die Wasserlieferungen und die Möglichkeit, Wasser aus dem Yarmouk-Fluss zu entnehmen, während Jordanien auf die Wasserversorgung aus Israel angewiesen ist, um die Bedürfnisse seiner wachsenden Bevölkerung und landwirtschaftlichen Produktion zu decken. Dieses Gleichgewicht der Interessen hält die Kooperation seit Jahrzehnten stabil, allen Krisen in der Region zum Trotz.
Es geht um mehr als nur Wasser
Der Gazakrieg infolge des Hamas-Angriffs am 7. Oktober 2023 und die anschließenden Entwicklungen haben den Nahen Osten in einen tiefen Konflikt gestürzt und die ohnehin fragile geopolitische Lage weiter destabilisiert. Die Gewalt hat an mehreren Fronten zugenommen, nicht nur zwischen Israel und den Palästinensern, sondern auch zwischen Regionalmächten wie Israel und dem Iran. Durch diese gewalttätige Eskalation haben sich die Spannungen auf den gesamten Nahen Osten ausgeweitet. Gleichzeitig hat diese Krise jedoch auch einen Wandel angestoßen beziehungsweise verstärkt: In vielen Teilen der Region wächst die Einsicht, dass eine langfristige Stabilität nur durch intensivierte regionale Kooperationen und die Reduzierung von Konfliktherden erreicht werden kann.
Die Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen – politisch, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch – ist dringlicher denn je. Besonders, wenn die Auswirkungen des Klimawandels immer spürbarer und Ressourcen wie Wasser knapper werden, müssen Staaten erkennen, dass ihre Zukunft nur durch gemeinsame Anstrengungen gesichert werden kann. Ein Bereich, in dem Kooperationen von großer Bedeutung sind und realistische Chancen auf Fortschritt bestehen, ist der Wassersektor. Wasser im Nahen Osten ist dabei nicht nur eine lebenswichtige Ressource, sondern auch ein zentrales geopolitisches Element.
Die extreme Wasserknappheit der Region wird durch den Klimawandel und die schnell wachsenden Bevölkerungen noch verschärft werden. Das kann zu Konflikten führen, aber eben auch Anreize für zwischenstaatliche Kooperation erhöhen – mit potenziell positivem spill-over in andere Politikbereiche. Laut einem Papier des israelischen Institute for National Security Studies (INSS) hat das jordanisch-israelische Wasserabkommen dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen den beiden Ländern zu festigen und gleichzeitig ein gewisses Vertrauen in der Region aufrechtzuerhalten, selbst wenn andere Aspekte der bilateralen Beziehungen schwieriger sind. Auch manche jordanischen Experten gehen davon aus, dass bei einem dauerhaften Frieden im Gazastreifen und einer regionalen Beruhigung Fortschritte in der bilateralen Wasser- und Energiekooperation erzielt werden können.
Ein Paradebeispiel hierfür wäre der bereits erwähnte Water-for-Energy-Deal. Das ambitionierte Projekt entstand – abermals unter US-amerikanischer Vermittlung – in der Folge der Abraham-Abkommen, die unter anderem die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten ermöglichten. Ein emiratisches Unternehmen soll dabei in Jordanien ein Solarkraftwerk mit einer Kapazität von 600 Megawatt errichten, die an Israel geliefert würden. Im Gegenzug würde Jordanien 200 MCM entsalzenes Meerwasser zusätzlich aus Israel erhalten. Zwar stieß das Projekt von Anfang an in Teilen der jordanischen Politik und Gesellschaft auf Widerstand, dennoch wurden entsprechende Memoranden zwischen den Regierungen auf den UN-Klimakonferenzen 2021 in Dubai und 2022 in Kairo unterzeichnet und verschiedene Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben.
Wenngleich die Jordanier das Projekt im Zuge des Gazakrieges inzwischen gestoppt haben, bleibt die Idee bestechend. Nichtregierungsorganisationen wie EcoPeace argumentieren seit Langem, dass eine jordanisch-israelische, vielleicht sogar eine israelisch-jordanisch-palästinensische Zusammenarbeit am Nexus von Wasser- und Energieversorgung für alle gewinnbringend wäre. Jenseits von Großprojekten wie dem Water-for-Energy-Deal könnten auch kleinere grenzüberschreitende Maßnahmen auf lokaler Ebene entwickelt werden. Vielversprechende Bereiche dabei sind etwa die Renaturierung des Jordan-Flusses oder ein Erfahrungsaustausch und Technologietransfer in der Landwirtschaft.
Wasser wird natürlich immer ein politisches Thema sein. Aber es gilt, die für die Menschen auf allen Seiten gewinnbringenden Resultate von Kooperation zu betonen, anstatt sie für anderweitige politische Ziele zu instrumentalisieren. In einer Welt, in der Ressourcen zunehmend als politisches Druckmittel eingesetzt werden, könnte eine solche sachorientierte und auf wechselseitigen Nutzen zielende Zusammenarbeit ein wichtiger Schritt in Richtung einer engeren regionalen Kooperation im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Entspannung wie auch Entwicklung sein. Auch hier könnten die westlichen Verbündeten beider Länder – darunter Deutschland und die EU – eine größere Rolle spielen, etwa durch Finanzierungszusagen bei grenzüberschreitenden und multilateralen Projekten.
Jordanien und Israel sind seit mehr als drei Jahrzehnten durch einen Friedensvertrag miteinander verbunden. Es ist zwar sehr rasch ein „kalter“ Frieden geworden, denn die öffentliche Meinung hierzu ist in beiden Ländern gespalten und vor allem in Jordanien mehrheitlich ablehnend. Doch in spezifischen Bereichen ist es gelungen, über alle politischen Krisen hinweg eine resiliente Zusammenarbeit aufzubauen. Dazu gehören neben der Sicherheitskooperation und der Grenzsicherung auch die Wasserbeziehungen. Das gibt zumindest ein wenig Hoffnung, dass sich die politischen Eliten und letztlich auch die Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens den drängenden gemeinsamen Problemen in der Region widmen und dafür machtpolitische Ansprüche und historische Verletzungen überwinden können.
Dr. Edmund Ratka ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jordanien.
Dr. Michael Rimmel ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel.
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