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Tomohiro Ohsumi, Reuters

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Es ist nicht alles Gold, was glänzt

von Alina Reiß

Die Einflussnahme der Kommunistischen Partei Chinas ­auf die politische Elite in Südostasien

Die Kommunistische Partei Chinas versteht es, Wirtschaft und Politik miteinander zu verweben. In Südostasien trifft Peking auf einen fruchtbaren Nährboden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Aber die Verbindungen sind mit konkreten Konsequenzen für Deutschland und die EU verbunden.

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Insbesondere seit der Machtübernahme Xi Jinpings im Jahr 2012 baut die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) systematisch die Zusammenarbeit mit Parteipolitikerinnen und Parteipolitikern jeglicher politischer Ausrichtung weltweit aus. Warum ist gerade diese Form der Einflussnahme in Südostasien für Deutschland und Europa relevant? Wie stellt sich die Zusammenarbeit der KPCh mit Eliten, Parteien und Parlamenten in ausgewählten Ländern Südostasiens dar? Und welche Möglichkeiten gibt es für Deutschland und Europa, um auch weiterhin attraktive politische Partner zu bleiben?

 

Relevanz der Region für Deutschland und die EU

Durch die geografische Distanz zwischen Europa und Südostasien nimmt die Bevölkerung in Deutschland und Europa die massiven politischen Veränderungen in dieser Region kaum wahr. Dennoch ist Südostasien in zweierlei Hinsicht – und gerade langfristig – essenziell für den Wohlstand einer global vernetzten Exportnation wie Deutschland sowie für Europa als Ganzes. Zum einen aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung mit dieser Region: Für die EU ist der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) nach den USA und China drittgrößter Handelspartner. Seewege wie die Straße von Malakka, durch die jährlich 40 Prozent des weltweiten Warenverkehrs transportiert werden, und das Südchinesische Meer sind Schlüsselrouten für deutsche und europäische Gütertransporte von und nach ganz Asien.

Aber nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch nimmt Südostasien eine Schlüsselrolle bei der Zukunftsgestaltung der internationalen Ordnung ein. Der Aufstieg Chinas zur globalen Handelsmacht löste bereits eine Verlagerung politischer und wirtschaftlicher Stärke von West nach Ost aus, die weiter fortschreiten und eine Vielzahl anderer asiatischer Staaten einschließen wird. Der Systemwettbewerb zwischen den USA und einer immer dominanter auftretenden Volksrepublik China manifestiert sich nicht nur, aber besonders stark in der Region.

Dabei laufen die südostasiatischen Länder Gefahr, strategische Pufferzone im Kampf um die Hegemonie zwischen den beiden Großmächten zu werden. Dies ist begründet in ihrer geografischen Lage sowie ihren langjährigen und teilweise sehr engen Verbindungen zu den USA, einschließlich bestehender Sicherheitsgarantien auf der einen und der zunehmenden Abhängigkeit von China auf der anderen Seite. Die Länder Südostasiens sind in den letzten Jahren nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch immer stärker von Peking abhängig geworden. Durch den Rückzug der USA unter Donald Trump, beispielsweise durch den Ausstieg aus den Verhandlungen zu einem Pazifischen Freihandelsabkommen (TPP), konnte China in Südostasien „Boden gewinnen“ – im wirklichen wie auch im übertragenen Sinn.

Die Volksrepublik ist bestrebt, ausländische politische Eliten und Multiplikatoren durch wirtschaftlichen und politischen Druck so zu beeinflussen, dass kritische Stimmen gegenüber China im Ausland unterdrückt werden und sich die Akteure sowohl im eigenen Land als auch darüber hinaus wohlwollend gegenüber chinesischem Engagement positionieren. Dies gefährdet deutsche und europäische Interessen ganz konkret, da hierdurch die Einflussmöglichkeiten Deutschlands und der EU auf die Region schwächer werden.

 

Ziele, Absichten und Vorgehensweisen der KPCh

Mit der Belt and Road Initiative (BRI) fördert China große Energie- und Infrastrukturprojekte weltweit und bindet damit andere Regionen in den eigenen „Kosmos“ ein. Die Empfängerländer begeben sich dabei oft in starke Abhängigkeiten von chinesischem Kapital und (quasi-)staatlichen chinesischen Investoren. Über die wirtschaftlichen Verflechtungen ringt die KPCh diesen Ländern auch politische Zugeständnisse ab, unter anderem bei Abstimmungen in internationalen Organisationen oder Stellungnahmen, die im Sinne und im Interesse Pekings getätigt werden. So stellte eine Studie, bei der unter anderem Forscher des Kieler Instituts für Weltwirtschaft beteiligt waren, fest, dass die Rückzahlungsmodalitäten in Kreditverträgen mit chinesischen Banken eine Umschuldung durch andere Gläubiger effektiv verhindern und restriktive politische Klauseln enthalten. Diese können zu einer sofortigen Aufkündigung der Verträge führen, wenn Empfängerländer politische Sensibilitäten der Volksrepublik verletzen (z. B. Taiwan, Tibet). Konnten die Länder ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, führte dies in der Vergangenheit bereits dazu, dass wichtige Infrastrukturbereiche, wie (Flug-)Häfen in chinesischen Besitz gerieten (z. B. in Sri Lanka / Loan-to-own-Modell).

Neben wirtschaftlichen und finanziellen Abhängigkeiten, wie den o. g. „Loan-to-own-Modellen“ bedient sich Peking aber auch anderer Mittel. Die KPCh betreibt eine aktive Diplomatie gegenüber den politischen Eliten Südostasiens. Diese werden häufig und hochrangig besucht oder nach China eingeladen. Dabei beschränkt sich Peking nicht nur auf die Regierungen, sondern verstärkt zunehmend die Zusammenarbeit auf der Ebene der Parteien. Dies schließt oft auch oppositionelle Kräfte ein und richtet sich an Parteien aller politischer Couleur. Die Zusammenarbeit mit Parteien bietet für die KPCh zusätzlich zu regulären Beziehungen mit ausländischen Regierungen verschiedene Vorteile. Sie ist flexibler, da Kontakte zu Ländern hergestellt werden können, zu denen keine oder schlechte zwischenstaatliche Beziehungen bestehen. Außerdem können Parteien und (Nachwuchs-)Politikerinnen und -politiker angesprochen werden, die in Zukunft eine einflussreiche politische Funktion im Land übernehmen (könnten).

Dabei ist die Parteienzusammenarbeit nur ein Mechanismus in einer übergeordneten Strategie der KPCh mit dem Ziel, Kritik an China global zu unterbinden, außenpolitische Ziele zu erreichen und ein positives Image der Volksrepublik und ihres Herrschafts- und Entwicklungsmodells herzustellen. Peking geht es in Südostasien – aber nicht nur dort – insbesondere um Folgendes:

 

1. Die Unterstützung durch andere Länder für eine globale Ordnung, in welcher das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten von Staaten gilt. So blockiert China jeglichen Widerspruch zu den eigenen, als „Kerninteressen“ definierten Ansprüchen.

2. Ein stabiles äußeres Umfeld, definiert durch (asymmetrische) außenwirtschaftliche Beziehungen, um geostrategische Interessen und die Wahrung der inneren Ordnung des Landes sicherzustellen.

3. Die Ausdehnung eines Netzwerkes von wirtschaftlichen sowie (sicherheits-)politischen Partnern, um den Einfluss der USA und des Westens auf die regionale Sicherheitsordnung und die Kontrolle von Handelswegen zu reduzieren.

 

Die offizielle Zusammenarbeit der KPCh mit ausländischen politischen Parteien wird vom International Liaison Department of the Central Committee of the Chinese Communist Party (ILD) gesteuert, welches direkt dem Zentralkomitee der KPCh unterstellt ist. Das Zentralkomitee ist verantwortlich für die Wahl der obersten Entscheidungs- und Führungsorgane der KPCh, dem Politbüro sowie dem dazugehörigen Ständigen Ausschuss.

Ein weiterer Pfeiler bei der Herstellung direkter Verbindungen mit Politikerinnen und Politikern ist die Chinese People’s Association for Friendship with Foreign Countries (CPAFFC). Dieses Organ ist für die Kontaktherstellung und -pflege mit subnationalen Regierungen, parlamentarischen Freundschaftsgruppen, Partnerstädten und sogenannten Freundschaftsvereinigungen zuständig. Es ist dem Ministerium des Staatsrates für Auswärtige Angelegenheiten (CPIFA) unterstellt und Teil der Einheitsfront (United Front Work). Die Einheitsfront schließt mehrere Parteibehörden und verbundene Organisationen ein, die in verschiedensten Bereichen agieren, aber alle das gemeinsame Ziel verfolgen, Parteiinteressen im Ausland zu wahren. Dazu gehören unter anderem die in Deutschland bekannten Konfuzius-Institute.

Die Herstellung von Verbindungen und „Freundschaften“ ist für die KPCh ein wichtiges Werkzeug bei der Etablierung eines globalen Netzwerks, das lokal, regional und national auf ausländische Institutionen und Eliten in Politik, Wirtschaft und Kultur einwirkt. Dabei hat die KPCh mit der Einheitsfront und den Mitteln der wirtschaftlichen und (partei-)politischen Zusammenarbeit einen systemischen Ansatz entwickelt, der für die chinesische Interessenwahrung bislang durchaus als erfolgreich bezeichnet werden kann.

 

Besonderheiten von Parteiensystemen in Südostasien

Bei Betrachtung der parteipolitischen Einflussnahme der KPCh in südostasiatischen Staaten müssen die Eigenarten der dortigen Parteiensysteme berücksichtigt werden. Diese zeichnen sich oftmals aus durch eine fehlende Programmatik, eine starke Orientierung an Führungspersönlichkeiten und Klientelsystemen, einer Vielzahl von Parteineugründungen, -abspaltungen, -auflösungen und -zusammenschlüssen sowie einen Wechsel von Politikerinnen und Politikern zwischen verschiedenen Parteien. Parteien dienen in vielen Fällen nur als Mittel zur Wählermobilisierung und als Zugang zu staatlichen Ressourcen. Weiterhin verschwimmt die Trennlinie zwischen politischer und wirtschaftlicher Elite. Daher kann sich die KPCh durch die Parteienzusammenarbeit nicht nur politischen Einfluss sichern, sondern erhält auch direkten Zugang zur wirtschaftlichen Elite eines Landes – und umgekehrt. Denn eine staatliche Parteienfinanzierung ist in Südostasien gar nicht oder nur rudimentär vorhanden und auch eine Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge meist unzureichend. Daher sind die Parteien überwiegend auf Spenden angewiesen. Wirtschaftliche Eliten finanzieren ihren Wahlkampf häufig entweder selbst oder sichern sich durch Spenden politischen Einfluss nach den Wahlen.

Gleichwohl existieren gravierende Unterschiede in der Rolle, die politische Parteien im Verfassungsgefüge Südostasiens einnehmen. So gibt es beispielsweise in Indonesien eine im Vergleich gute Institutionalisierung und Verankerung von politischen Parteien in der Gesellschaft, die an gesellschaftlichen Konfliktlinien orientiert und auch mit einer gewissen Programmatik verbunden ist. Die Parteienlandschaft ist zwar fragmentiert, aber deutlich ausgeprägt. Ganz anders sieht es in De-facto-Einparteiensystemen wie in Kambodscha aus.

 

Mechanismen und Schwerpunkte der Zusammenarbeit zwischen der KPCh und der politischen Elite in ausgewählten Ländern Südostasiens

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der KPCh mit der politischen Elite in Südostasien nun konkret und wie reagieren die Länder, Parteien und Gesellschaften auf diese Einflussnahme?

In Ländern mit einem pluralistischen Parteiensystem ist die KPCh darum bemüht, sich neben der Zusammenarbeit mit der regierenden Partei auch Kanäle und Verbindungen zu den anderen Parteien und Nachwuchspolitikerinnen und -politikern offen zu halten bzw. diese zu etablieren. Dies kann aufgrund der instabilen Parteiensysteme in vielen Ländern Südostasiens als Versuch der KPCh gewertet werden, diversifizierte und strategisch angelegte Beziehungen zur (zukünftigen) politischen Elite aufzubauen.

In Indonesien beispielsweise bestehen langjährige und intensive Beziehungen mit der aktuellen Regierungspartei Demokratische Partei des Kampfes Indonesiens (PDI-P) unter der Führung von Staatspräsident Joko Widodo. Zusätzlich besteht aber auch ein Austausch mit Indonesiens zweitgrößter Partei „Partei der funktionellen Gruppen“ (Golkar), dessen junge Nachwuchspolitikerinnen und -politiker jedes Jahr auf Einladung der KPCh nach China reisen.

Bei sich in Transformation befindenden Regimen ist die Absicht der KPCh ebenfalls deutlich erkennbar, wie das Beispiel Myanmar zeigt. Das bis zur Öffnung 2010 regierende Militärregime war wirtschaftlich und militärisch von China abhängig. Als sich die demokratische Transformation des Landes und der Wahlsieg der bis zum Militärputsch im Februar 2021 De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi abzeichnete, war die KPCh um gute Beziehungen zwischen ihr und ihrer Partei „Nationale Liga für Demokratie (National League for Democracy) (NLD) bemüht. Auch weitere Parteien Myanmars wurden durch die KPCh nach China eingeladen. Nach dem Militärputsch verhinderte Peking zunächst ein gemeinsames Vorgehen der internationalen Gemeinschaft gegen die Militärjunta im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bevor sich auf eine abgeschwächte Version einer Verurteilung der Gewalt gegen Zivilisten in Myanmar durch den Sicherheitsrat geeinigt wurde.

In pluralistischeren Systemen wie den Philippinen veranstaltet die KPCh parteiübergreifende Treffen, um für die BRI zu werben und gemeinsame Deklarationen und Unterstützungsbekundungen der chinesischen Initiative zu verabschieden.

Ein völlig anderes Modell findet sich in Bezug auf Kambodscha. Hier können die Beziehungen auf Parteiebene mit denen auf Regierungsebene gleichgesetzt werden. Die KPCh unterstützt den kambodschanischen Premierminister Hun Sen und seine regierende kambodschanische Volkspartei (KVP) aktiv dabei, Kambodscha als Einparteiensystem zu stabilisieren, indem sie kurz vor wichtigen Wahlen große Investitions- oder Entwicklungsprojekte ankündigt, welche die KVP in ihren „Wahlkampagnen“ dann sich selbst als Erfolge bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Verbesserung der Infrastruktur zuschreibt.

Die KPCh nutzt dezentrale und föderale politische Strukturen, vor allem um auf Ebene der Bundesstaaten oder Provinzen Investitionen zu platzieren. Hier wird die Verflechtung von Wirtschaft und Politik sehr deutlich. Im föderalen Malaysia ist es auch auf bundesstaatlicher Ebene möglich, ausländische Investitionen einzuwerben. Deshalb unterhalten einzelne Regierungen und Sultane einiger malaysischer Bundesstaaten direkte Beziehungen zur KPCh, völlig unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Es ist keine Seltenheit, dass Delegationen aus regierenden Parteien der verschiedenen Bundesstaaten nach China reisen, um dort für chinesische Investitionen in die Infrastruktur ihrer Provinz zu werben. Der Unterseetunnel zwischen Penang und dem Festland, dessen Bau 2016 begann, wird beispielsweise nach direkten Absprachen von chinesischen Investoren finanziert. Aber selbst im zentralistisch organisierten Kambodscha sind die Kommunen auch auf Arbeitsebene mit Organisationen der KPCh vernetzt.

Die KPCh forciert die Zusammenarbeit mit Institutionen und Vertretern aus Parlamenten in den Ländern Südostasiens. So traf Xi Jinping selbst die Sprecherin des philippinischen Repräsentantenhauses sowie den Präsidenten des Senats und warb bei ihnen für eine stärkere Verbindung mit den beiden legislativen Organen. Ähnliche Ankündigungen kommen auch aus Kambodscha: Die Kambodschanische Nationalversammlung und der Chinesische Nationale Volkskongress befinden sich in Gesprächen über eine engere Zusammenarbeit. In Myanmar wurde im Februar 2016 eine interparlamentarische Freundschaftsgruppe zwischen dem Oberhaus und dem Chinesischen Volkskongress gegründet.

Gleichwohl ist die politische Elite Südostasiens nicht vollkommen naiv im Umgang mit den Angeboten der KPCh. Sie ist sich der damit verknüpften Abhängigkeitsverhältnisse sehr wohl bewusst. Diese werden jedoch aufgrund von (kurzfristigen) innenpolitischen Erfolgen, zu Legitimationszwecken oder zur persönlichen Bereicherung oft willentlich und wissentlich in Kauf genommen. Der Machterhalt wird der Einschränkung von außenpolitischen Handlungsspielräumen übergeordnet. Im Falle Kambodschas führt die interne Abhängigkeit von der KPCh dazu, dass außen- und regionalpolitische Entscheidungen, beispielsweise in ASEAN, in Übereinstimmung mit chinesischen Interessen getroffen werden. Das Land verhinderte in der Vergangenheit mehrfach eine klare Positionierung des Staatenbündnisses gegenüber der – laut dem Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag – unrechtmäßigen chinesischen Inanspruchnahme und Besetzung großer Teile des Südchinesischen Meers. Davon ist eine Vielzahl der ASEAN-Mitgliedsländer betroffen. Die Einflussnahme der KPCh in und über Kambodscha führt also dazu, dass die Handlungsfähigkeit dieser Regionalorganisation im territorialen Konflikt mit der Volksrepublik erheblich eingeschränkt ist. Auch Indonesien schreckt aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeiten von China trotz eigener Konflikte mit der Volksrepublik um Gewässer um die Natuna Inseln davor zurück, gemeinsame Stellungnahmen unter den ASEAN-Ländern zu erwirken. Denn die Volksrepublik ist wichtigster Handelspartner und Präsident Joko Widodo setzt beim Ausbau der indonesischen Infrastruktur auch auf den drittgrößten ausländischen Investor China, wie zum Beispiel bei der geplanten Hochgeschwindigkeits-Bahnlinie zwischen Jakarta und Bandung.

Durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von der KPCh ist eine Veränderung des Kurses gegenüber China auch bei Regierungswechseln kaum zu erwarten. Dies lässt sich sehr gut in Malaysia beobachten. Nach dem überraschenden Regierungswechsel 2018 waren der neuen Regierung aufgrund von zuvor geschlossenen Verträgen mit der KPCh und der Abhängigkeit der malaysischen Wirtschaft von chinesischen Investitionen die Hände gebunden. Dies führt dazu, dass politische Entscheidungsträger Peking nur begrenzt kritisieren und um positive Beziehungen mit der KPCh bemüht sind. Ebenso wie in Indonesien beeinflusst das auch in Malaysia die Haltung gegenüber dem chinesischen Vorgehen im Südchinesischen Meer. Beinahe wöchentlich finden Operationen der chinesischen Küstenwache vor der malaysischen Küste nördlich von Borneo statt. Aber die malaysische Küstenwache bleibt passiv und die Regierung wählt in Stellungsnahmen einen beschwichtigenden Ton. Erwähnenswert ist weiterhin, dass der ehemalige malaysische Premierminister Najib Razak während seiner Amtszeit Kooperationsverträge im Rahmen der BRI direkt mit Xi Jinping verhandelte, welche durch staatliche chinesische Investoren und durch staatliche chinesische Bauunternehmen, wie z. B. die China Communications Construction Company umgesetzt werden sollen. Aufgrund des enormen Ausmaßes der von Korruption und Patronage durchtränkten Projekte wurde Malaysia so jedoch immer mehr von den Geld- und Investitionsflüssen aus China abhängig. Zurückhaltung gegenüber der Einflussnahme der KPCh war auch in Myanmar zu beobachten, als die NLD unter der De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi 2016 an die Macht gelangte. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China – die Volksrepublik ist der größte Kreditgeber, Investor und Handelspartner des Landes – veranlasste wohl die neue Regierungschefin dazu, die Wiederaufnahme eines kontroversen Staudammprojekts mit China anzukündigen.

Die politischen Eliten der Länder Südostasiens sind sensibilisiert für mögliche antichinesische Stimmungen innerhalb der Gesellschaft, zum Beispiel im Bereich chinesischer Arbeitsmigration und der Sorge um Arbeitsplätze. Daher wird es in Indonesien auf Regierungsebene oftmals vermieden, die Kontakte und Beziehungen mit der KPCh ausführlich in den Medien darzustellen, um nicht als zu empfänglich für jene Angebote zu erscheinen. Antichinesische Sentiments in der Bevölkerung werden von Oppositionsparteien genutzt, um die Regierung für ihren Umgang mit China zu kritisieren: Die größte Oppositionspartei Partei für Gerechtigkeit und Wohlstand (PKS) prangerte an, dass chinesische Arbeitskräfte für die von chinesischen Unternehmen durchgeführten Infrastrukturprojekte im Land aufgenommen wurden, anstatt die Aufträge an lokale Unternehmen und deren Beschäftigte in Indonesien zu vergeben. Der Gründer der indonesischen Oppositionspartei Partei des Nationalen Mandats (PAN) warf der Regierungspartei PDI-P aufgrund ihrer Delegationsreisen nach China zudem vor, den Kommunismus wieder in Indonesien einführen zu wollen. Auch in Kambodscha mehren sich die Gegenstimmen. Hier werden die engen Beziehungen beider Länder durch die kambodschanische Unter- und Mittelschicht kritisiert. Unter anderem deshalb werden Verhandlungen und Treffen auf Arbeitsebene zwischen kambodschanischen Regierungsbeamten und Vertretern der KPCh nicht veröffentlicht.

 

Herausforderungen für die deutsche Politik und die EU: Freiheit und Pluralismus als Angebot

Grundsätzlich besteht in der Mehrzahl der südostasiatischen Länder ein hohes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU. Denn sie sind daran interessiert, nicht in ein ausschließliches Abhängigkeitsverhältnis zu China zu geraten. Deutlich wird dies unter anderem durch die 2020 verabschiedete Aufwertung der Beziehungen zwischen ASEAN und der EU zu einer strategischen Partnerschaft. Deutschland und die EU können den außenpolitischen Spielraum dieser Länder erweitern, die nicht zwischen den hegemonialen Bestrebungen der USA und China „zerrieben“ werden möchten.

Dennoch waren die Reaktionen der südostasiatischen Länder auf die Veröffentlichung der „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ der deutschen Bundesregierung im vergangenen Jahr zurückhaltend. Wohl auch, weil die Übersetzung der deutschen Willensbekundung zu einem verstärkten Engagement in der konkreten Umsetzung zunächst noch abzuwarten bleibt. Der ASEAN-Staatenverbund wird in den Indo-Pazifik-Leitlinien als essenzieller Partner in der Region identifiziert. Die Bedeutung ASEANs sollte daher auf höchster politischer Ebene widergespiegelt und Wertschätzung als Grundlage erfolgreicher Kooperation signalisiert werden. Die Relevanz der Region scheint zwar auf Regierungsebene erkannt worden zu sein. Allerdings wären ein noch größeres Interesse und noch mehr Aktivitäten seitens der Parteien und der Mitglieder des Deutschen Bundestags mit Blick auf diese Schlüsselregion wünschenswert.

Für Deutschland und die EU ergibt sich dabei folgende Herausforderung: Im Unterschied zur Zusammenarbeit der KPCh mit politischen Eliten und Parteien ist die Parteienzusammenarbeit demokratischer Parteien nicht in eine übergeordnete und alle Gesellschaftsbereiche durchdringende Strategie eingebettet. Sie basiert vielmehr auf einer zumindest weitestgehend gemeinsamen ideellen Grundhaltung. Außerdem stehen Parteipolitikerinnen und -politiker hier immer im Wettbewerb mit anderen Parteien. Sie wirken nach außen als eine von vielen Stimmen, und sind nicht ausschließlich dem Vorstand ihrer Partei und dem Nationalstaat, sondern in erster Linie den Wählerinnen und Wählern im eigenen Wahlkreis verpflichtet und Ausdruck der gegenwärtigen Verhältnisse der gesellschaftlichen Willensbildung. Eine komplett unterschiedliche rechtliche Ausgangslage, die Offenlegungs- und Rechenschaftspflicht einschließt und der mögliche Verlust des Mandats durch eine Abwahl begrenzen die Einflussmöglichkeiten, die der KPCh offenstehen. Auch die deutsche Politik ist daran interessiert für die eigenen politischen sowie wirtschaftlichen Belange ein positives Klima und einen Nährboden zu schaffen. Allerdings geschieht dies durch einen offenen und gleichberechtigten Austausch, was sich vom Ansatz der KPCh signifikant unterscheidet.

Jedoch verdeutlicht die vorangegangene Analyse der Einflussnahme der KPCh in Südostasien den strategischen Stellenwert einer Zusammenarbeit mit politischen Eliten, politischen Parteien und Parlamenten in Südostasien. Zwar wird sich die Kooperation in der Region mit ihren überwiegend nichtdemokratischen Parteien und Institutionen immer auch im Spannungsfeld von demokratischen Werten und realpolitischen Interessen bewegen. Mit Blick auf globale Problemlagen bleibt ein enger Austausch auf der parlamentarischen wie parteipolitischen Ebene aber unbedingt geboten, um – trotz unterschiedlicher Blickwinkel und Weltanschauungen – zu einer regelbasierten Bewältigung globaler Herausforderungen in einer vernetzten Welt beizutragen. Sonst sind Abschottung, Isolation und eine noch stärkere Hinwendung zur Volksrepublik China die Folge.

Darüber hinaus ist unumstritten, dass starke, demokratisch organisierte Parteien für erfolgreiche Demokratien, gerade auch während Transformationsprozessen, ein unverzichtbarer Bestandteil sind. Hieraus ergibt sich der entwicklungspolitische Auftrag der Parteienzusammenarbeit. Deshalb sollten auch mit solchen Parteien, die nicht unbedingt in ideologischer Nähe zu westlichen demokratischen Parteien stehen und mit denen eine direkte Parteienzusammenarbeit (party-to-party cooperation) ausgeschlossen ist, dennoch Chancen einer Zusammenarbeit ausgelotet werden, um perspektivisch demokratische Bestrebungen von innen heraus zu (be-)stärken.

Darunter fallen zum Beispiel Maßnahmen zum Capacity Building und Netzwerk-Möglichkeiten für und mit (demokratischen) Nachwuchspolitikerinnen und -politikern vor Ort. Leuchtturmprojekte wie die Konrad Adenauer School for Young Politicians (KASYP) in Asien fördern junge und demokratische Nachwuchspolitikerinnen und -politiker verschiedenster asiatischer Parteien durch gezielte Fortbildungsangebote. Dabei werden in verschiedenen Modulen Möglichkeiten zum Ausbau von demokratischen Fähigkeiten für den (Berufs-)Alltag und eine professionelle parteipolitische Tätigkeit der Teilnehmenden vermittelt. Darüber hinaus werden so (demokratische) Brücken zwischen verschiedenen Parteien eines Landes sowie der Region geschlagen. Das rege Interesse von Bewerberinnen und Bewerbern, das hohe Ansehen in der Region sowie die Werdegänge der Absolventinnen und Absolventen zeugen vom Erfolg dieser innovativen, indirekten Parteienzusammenarbeit und dem Bedarf an derartigen Angeboten.

Neben der Förderung individueller reform- und demokratieorientierter Kräfte ist dies auch auf institutioneller Ebene mit nationalen, bundesstaatlichen und kommunalen Parlamenten und der Parlamentsverwaltung denkbar. Hier ist das Ziel, die gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für Parteien zu stärken, etwa im Bereich der Parteienfinanzierung.

Initiativen wie KASYP sind ein attraktives Angebot gegenüber einer parteipolitischen Einflussnahme der KPCh. Doch werden diese in Zukunft durch weitere Maßnahmen ergänzt werden müssen:

 

1. Die Koordination zwischen der internationalen Arbeit der politischen Parteien, den Parlamentsfraktionen und parteinahen Institutionen wie den politischen Stiftungen sollte noch intensiver gestaltet werden. Auch die Demokratieförderinstrumente der Europäischen Union sollten Parteienförderung als wichtige Säule ihrer Außen- und Entwicklungspolitik anerkennen.

2. Verbesserungswürdig ist auch die Außendarstellung des europäischen Engagements. Die KPCh bettet solche Beziehungen in die eigenen Narrative, etwa der Süd-Süd-Beziehungen ein. Europa und Deutschland müssen selbstbewusster und kontinuierlicher auf die Vorteile ihrer Angebote und Kooperationen hinweisen, etwa die Verlässlichkeit, die Vorteile einer Diversifizierung und die Chancen einer echten programmatischen Entwicklung.

 

Ferner muss sich die EU gemeinsam mit dem transatlantischen Partner USA und demokratischen Partnern im Indo-Pazifik darüber hinaus überlegen, wie die südostasiatischen Länder bei der Modernisierung ihrer Infrastruktur (etwa Energie und Verkehr) unterstützt werden können. Denn die Entscheidungen für Angebote Chinas im Rahmen der BRI sind auch Folge fehlender attraktiver Alternativen. Gerade für die politischen Eliten Südostasiens ist es verführerisch, sich auf einen scheinbar starken und effektiven „Partner“ einzulassen. Dennoch: Deutschland und Europa müssen sich nicht hinter dem chinesischen Modell verstecken. Allerdings müssen sie sich als leistungsfähige Alternative einbringen. Als wichtigster Handelspartner der südostasiatischen Staaten innerhalb der EU kann und sollte Deutschland dabei im Verbund mit seinen europäischen Partnern selbstbewusst voranschreiten – nicht nur auf dem Feld der Handelspolitik.

Dieser Beitrag wurde mit der freundlichen Unterstützung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung Asien und Pazifik, der Abteilung Demokratie, Recht und Parteien sowie der Leiterinnen und Leiter der Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Region Südostasien verfasst.

 


 

Alina Reiß ist Trainee im Regionalprogramm Politikdialog Asien der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Singapur.

 


 

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