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Vom failed state zum OECD-Mitglied?

von Dr. Hubert Gehring, Maria Christina Koch

Kolumbiens Weg in eine bessere Zukunft

Kolumbien steht derzeit vor allem wegen des Friedensabkommens zwischen Regierung und FARC-Guerilla im Fokus der Weltöffentlichkeit. Es sind jedoch nicht nur Fortschritte bei der Bewältigung dieses jahrzehntealten Konflikts, die den Andenstaat hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lassen.

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Im November 2014 gestand der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos ein, dass Kolumbien vor gut 20 Jahren auf dem besten Weg war, ein sogenannter failed state zu werden. Während der Rede beim Forum El Futuro de las Américas der Stiftung Clinton in Miami zeichnete er für Gegenwart und Zukunft allerdings ein ganz anderes Bild, denn das Land befände sich nun mitten im Friedensprozess, im wirtschaftlichen Wachstum und würde allgemein auf internationaler Ebene ganz anders, d.h. positiver wahrgenommen. Santos sollte Recht behalten, denn gerade erst Ende September 2015 kam es zu einem wichtigen Durchbruch in den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla, als Santos mit dem obersten Führer der FARC, „Timochenko“, eine Vorvereinbarung im kubanischen Havanna abschloss

Und auch wenn bis zum ursprünglich angestrebten 23. März 2016 das lang ersehnte Friedensabkommen mit der ältesten Guerilla der Welt nicht unterzeichnet werden konnte, steht zu erwarten, dass in 2016 der sogenannte „bewaffnete Konflikt“ beendet werden wird. erwarten, dass das lang ersehnte Friedensabkommen tatsächlich unterzeichnet werden wird. Nun ist es auch an der internationalen Gemeinschaft, Kolumbien nicht mehr nur auf den bewaffneten internen Konflikt und den Drogenhandel zu reduzieren, sondern das Land für seine Bemühungen zu würdigen.

Denn auch jenseits der Friedensverhandlungen konnten im letzten Jahrzehnt in vielen Bereichen wichtige politisch-wirtschaftliche Fortschritte erzielt werden. Kolumbiens internationale Wahrnehmung wendet sich immer mehr vom Schlechten zum Guten und so zeigt sich das Land bereit, in Zukunft eine bedeutendere Rolle im Rahmen der internationalen Gemeinschaft einzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch der Wille Kolumbiens, Mitglied im „Eliteclub“ der OECD zu werden, zu sehen.

Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung Kolumbiens in der jüngeren Vergangenheit illustriert, bevor auf die politischen Herausforderungen eingegangen wird, die dem Land noch bevorstehen. Diese Herausforderungen zu meistern steht in direktem Zusammenhang mit den Anforderungen eines OECD-Beitritts. Der Text schließt mit einer realistischen Einschätzung, ob und wie schnell Kolumbien das Ziel einer OECD-Mitgliedschaft erreichen kann.

Der Plan Colombia – trotz Kritik erste Schritte zu einer Verbesserung der Wirtschaft- und Sicherheitslage

Der ehemalige Präsident Andrés Pastrana Arango (1998 bis 2002) ebnete mit seiner Sicherheitspolitik den Weg für den Aufstieg Kolumbiens und ermöglichte es so seinen Nachfolgern, weitergehende Reformen durchzuführen. Die kolumbianische Regierung entwickelte 1999 den Plan Colombia als eine Strategie, um den größten Herausforderungen Kolumbiens zu begegnen: dem Friedensprozess, dem Drogenhandel, dem Wirtschaftswachstum und der Festigung der Demokratie. Dieser Plan umfasste 7,5 Milliarden US-Dollar. Die kolumbianische Regierung stellte vier Milliarden US-Dollar zur Verfügung und rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, die fehlenden 3,5 Milliarden US-Dollar beizusteuern. Die USA gaben 1,6 Milliarden US-Dollar als zusätzliche Hilfe dazu, die an fünf Bedingungen gekoppelt wurde:

  1. Stärkung des Staates und Achtung der Menschenrechte: Finanzierung von Programmen der United States Agency for International Development (USAID) und anderer Einrichtungen, um die Menschenrechte und die Institutionen der Justiz vor Ort zu stärken;
  2. Ausweiterung der Operationen zur Drogenbekämpfung im Süden Kolumbiens;
  3. alternative wirtschaftliche Entwicklung: finanzielle Mittel für Kleinbauern, die bisher Coca und Mohn anpflanzten, um ihnen eine legale Tätigkeit zu ermöglichen;
  4. Erhöhung der Überwachungsmechanismen, v. a. um Drogenhändler effizienter bekämpfen zu können;
  5. verstärkte Kooperation mit der „Nationalen Polizei“ in Kolumbien.
Neben einer breiten Zustimmung in der Öffentlichkeit wurde der Kolumbien-Plan von der politischen Linken, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert. Sie warfen der USA eine neokoloniale Haltung vor, da der Plan lediglich den strategischen Interessen der USA dienen würde. Das US-Militär würde kolumbianische Bürger als potenzielle Terroristen vorverurteilen und viele Gebiete Kolumbiens von strategischer Bedeutung bezüglich natürlicher Ressourcen, Biodiversität sowie Bergbau und Erdölgewinnung kontrollieren. Zudem würde der Plan Colombia die Gewaltsituation noch verschlimmern und so den Friedensprozess gefährden. Auch die Nachbarländer äußerten Bedenken, dass die militärische Präsenz in den Grenzgebieten stark erhöht werden würde.

Als Präsident Álvaro Uribe 2002 ins Amt kam, startete er ein Sicherheitsmodell, das militärische und wirtschaftliche Komponenten des Plan Colombia miteinander verband, um den Drogenhandel zu reduzieren und die Guerilla zu besiegen. Zu diesem Zweck nahmen die kolumbianischen Streitkräfte einen ideologischen und einen militärischen Kampf auf. Zum einen wurde eine mediale Kampagne in Fernsehsendern und nationalen Zeitungen gestartet, um die Sympathie und die Unterstützung der Zivilbevölkerung zu sichern. Zudem fanden zivile und militärische Aktionen in abgelegenen Gebieten des Landes statt, wie ärztliche Behandlungen und Spenden für die Infrastruktur. Zum anderen wurde eine Restrukturierung und Modernisierung der Streitkräfte durchgeführt sowie in die Installation US-amerikanischer Technologien für Spionage und Geheimdiensttätigkeiten investiert, um die militärischen Operationen zu erweitern.

Welche Ergebnisse erzielte der Plan Colombia? Als wichtigste Punkte sind zu nennen:

  • Die Regierung von Álvaro Uribe konnte die FARC militärisch signifikant schwächen.
  • Das Ziel der Halbierung der Kokainproduktion wurde nicht erreicht: Kolumbien ist weiterhin einer der Hauptexporteure von Kokain in die USA.
  • Die Programme der sogenannten „alternativen Entwicklung“ haben es nicht geschafft, die Produktionsschemata der großen Unter-nehmen, z.B. der Palmölindustrie und anderer Exportprodukte, zu modifizieren. Den kleinen Coca-Bauern konnten keine ausreichenden Alternativen, etwa in Form von Kakao oder anderer Früchte, für ihren Broterwerb geboten werden.
  • Die Justizprogramme haben zwar Erfolg gezeigt, aber noch immer gibt es Effizienz- und Effektivitätsprobleme bei den Ermittlungen und den Gerichtsverfahren der paramilitärischen Gruppen, kriminellen Armeeeinheiten sowie korrupten Amtsträgern.
Trotz der Kritik bzw. einiger noch nicht erreichter Ziele waren aber die Ergebnisse insgesamt ermutigend für den kolumbianischen Staat: Es wurde eine bessere Kontrolle des Staatsgebietes, eine Sicherung der Industrie sowie eine Verringerung des Einflusses der Guerilla erreicht. Diese Erfolge bildeten die ersten Schritte zu einer Verbesserung der Wirtschafts- und Sicherheitslage, ohne die einige der gegenwärtigen Erfolge Kolumbiens nicht möglich gewesen wären.

Die Präsidentschaft von Santos – Internationalisierung Kolumbiens und Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarländern

Die Außenpolitik des seit 2010 amtierenden kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos unterscheidet sich deutlich von jener seiner Vorgänger. Der bedeutendste Unterschied ist die Tatsache, dass Santos eine Diversifizierung der internationalen Beziehungen Kolumbiens als unerlässlich für den demokratischen Wohlstand erachtet.

Zukünftig soll durch einen intensiven Dialog eine Normalisierung im Verhältnis zu den Nachbarländern Venezuela und Ecuador erreicht werden.

Während die kolumbianische Außenpolitik über Jahrzehnte ausschließlich von den sehr engen Beziehungen zu den USA geprägt war und dabei andere Länder und Regionen vernachlässigte, hat sich Santos vorgenommen, dieses Defizit zu beseitigen. Für ihn hat es Priorität, die bilateralen Beziehungen zu den bisher vernachlässigten Ländern zu stärken. Dabei möchte er neue Mechanismen aufbauen, die eine politische Annäherung sowie mehr Möglichkeiten für Handel und technologischen Austausch schaffen. Im Detail sollen die Wirtschafts-, Sozial-, Politik- und Handelsbeziehungen mit Lateinamerika und der Karibik gefestigt werden. Auch ist es ein Ziel, durch einen intensiven Dialog eine Normalisierung im Verhältnis zu den Nachbarländern Venezuela und Ecuador zu erreichen. Im Zusammenhang damit soll die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Grenzgebiete einen verbesserten Umgang mit den Nachbarländern ermöglichen. Auch die Beteiligung Kolumbiens in der Unión de Naciones Suramericanas(UNASUR), in der Comunidad Andina,dem ProjektMesoamérica, el ARCO del Pacífico, sowie der Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños (CELAC) sollen erweitert werden.

Ein weiteres konkretes Beispiel für den Wandel der Außenbeziehungen Kolumbiens ist das Thema Zölle. Mit der 2012 gegründeten Pazifikallianz wurden die Beziehungen zu Mexiko, Peru und Chile vertieft. Diese Länder stehen Kolumbien ideologisch in Bezug auf internationalen Handel und Strategien der Internationalisierung der Wirtschaft am nächsten. Die Mitgliedschaft in der Pazifikallianz zwingt den kolumbianischen Staat in die Infrastruktur, besonders die der Häfen, zu investieren. Wird diese Herausforderung erfolgreich bewältigt, wird Kolumbien zukünftig sehr von der Pazifikallianz profitieren können. Darüber hinaus kann sich Kolumbien durch die Pazifikallianz nun als „Brückenland“ profilieren, das zwischen verschiedenen Regionen und politischen Standpunkten vermittelt. Zudem kann die Pazifikallianz genutzt werden, um die Beziehungen zu China, das einen Beobachterstatus genießt, auszubauen.

Diese Neuausrichtung soll jedoch keine Vernachlässigung der traditionellen Partner bedeuten. Ganz im Gegenteil ist es ein Ziel, die Beziehungen zu den strategischen Partnern Kolumbiens – USA, Europa und Kanada – weiter zu vertiefen. Die Beziehungen zu diesen Ländern werden, nicht zuletzt weil sie die Haupthandelspartner darstellen, als fundamental angesehen.

Doch neben den wirtschaftlichen Komponenten ist auch der politische Dialog von großer Relevanz. Das Ziel ist offensichtlich, Kolumbien auf positive Weise weiter in die internationale Gemeinschaft einzufügen. So soll z.B. die UN für Beiträge Kolumbiens zum Frieden und der internationalen Sicherheit genutzt werden. Auch möchte Kolumbien seine außenpolitischen Richtlinien in regionalen und subregionalen Foren projizieren. Zudem soll die Vertretung Kolumbiens in anderen Staaten sowie internationalen Organisationen ausgeweitet werden, um die Beteiligung Kolumbiens an Entscheidungen auf internationaler Ebene zu erhöhen.

Kolumbien hat bereits Freihandelsabkommen mit zahlreichen Staaten(-gruppen) abgeschlossen: Angefangen mit der ComunidadAndina (1993), über Kanada (2011) bis zu den USA (2012). Im August 2013 ist auch das Freihandels-abkommen zwischen Kolumbien und der EU – nach den USA der wichtigste Handelspartner Kolumbiens – in Kraft getreten. Von dem Abkommen werden deutliche Steigerungsraten im bilateralen Handelsaustausch mit den jeweiligen EU-Ländern erwartet, insbesondere mit Deutschland, das innerhalb der EU ohnehin bereits als wichtigster Handelspartner Kolumbiens gilt.

Auch die Entwicklungszusammenarbeit ist ein zunehmend bedeutender Aspekt der Außenpolitik Kolumbiens. Diese ergänzt die nationalen Bemühungen in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt und erlaubt es dem Land, sich als internationaler Akteur zu positionieren.

Die kolumbianische Regierung bewertet es demnach als Erfolg, dass ihre internationale Agenda, die lange Zeit vom Kampf gegen den Terrorismus und den Drogenhandel dominiert war, nun vielseitiger geworden ist. So umfasst diese mittlerweile auch Themen wie bspw. soziale Entwicklung, Umwelt, Wissenschaft und Technologie. Während Kolumbien früher selbst um Hilfe und Unterstützung bitten musste, kann das Land nun anderen Staaten z.B. bei Entführungen oder Naturkatastrophen zur Hilfe kommen. Kolumbien profitiert dabei von seinen eigenen Erfahrungen. Ein Beispiel hierfür ist das Erdbeben in Nepal im April 2015. Santos teilte sofort mit, dass Kolumbien bereit wäre, 45 Experten in das Erdbebengebiet zu schicken. Diese Bereitschaft zur Hilfe zeigten selbst viele europäische, wirtschaftlich weiter entwickelte Staaten nicht. Für Kolumbien stellt es offensichtlich einen bedeutenden Schritt dar, vom Bittsteller zu einem gleichwertigen Partner aufzusteigen, der seine Erfahrungen mit anderen Staaten teilen kann und als Folge mehr Anerkennung bekommt.

Im September 2014 erhielt Santos eine Einladunn UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und US-Vizepräsident Joe Biden, um an einem Gipfel über weltweite Friedensmissionen teilzunehmen. Friedensmissionen können entweder finanziell oder durch Entsendung von Truppen unterstützt werden. Kolumbien verfolgt augenscheinlich das Ziel, durch Streitkräfte einen Beitrag zu leisten. Voraussetzung für eine Teilnahme an Friedensmissionen ist allerdings die Beendigung des Guerilla-Konfliktes. Kolumbiens Armee gilt – bedingt durch den jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt – als sehr gut ausgebildet. Nach dem Willen von Santos soll sich die Armee in der Zeit des Postkonfliktes zwar verstärkt der Friedenskonsolidierung widmen, gleichzeitig sollen jedoch ihre Erfahrung und Fähigkeit, die im Laufe des kolumbianischen Konfliktes entwickelt wurden, nicht verloren gehen. Ein weiterer Grund ist sicherlich auch die Weiterbeschäftigung des Personals nach dem Ende des bewaffneten Konfliktes. Die fuerzapública in Kolumbien umfasst ca. 455.750 Personen (Stand: 2013). Während die Streitkräfte aktuell noch für den Kampf gegen die Guerilla gebraucht werden, wäre eine so hohe Zahl an Streitkräften im Falle einer Beendigung des Konfliktes an sich nicht mehr nötig.

Im Juni 2013 kündigte Santos zudem an, dass Kolumbien den Beitritt in die NATO anstrebe. Die kolumbianische Armee nimmt aktuell bereits an mehreren militärischen Ausbildungsprogrammen der NATO teil. Im Moment darf jedoch bezweifelt werden, dass sich der Wunsch Kolumbiens nach Mitgliedschaft in der NATO in naher Zukunft erfüllt. Sicher jedoch ist, dass Kolumbien aufgrund seiner geostrategischen Lage Interessen weckt: Das Land hat sowohl Zugang zum Atlantik als auch zum Pazifik, verbindet Mittel- und Südamerika und grenzt dabei an die fünf Länder Brasilien, Venezuela, Peru, Ecuador und Panama.

Kolumbiens neues Selbstbewusstsein und der Beitrittswunsch in die OECD

Das wohl beste Beispiel für das neue Selbstverständnis Kolumbiens stellt der angestrebte Beitritt in die OECD dar. Aktuell vereint die OECD 34 Staaten und unterhält Arbeitsbeziehungen zu mehr als 70 weiteren. Da die Organisation die größten Wirtschaftsmächte vereint, wird sie oft auch als „Eliteclub“ bezeich net. Die Aufnahme in diesen Club wird von Experten auch als Auszeichnung für die wirtschaftlichen Bemühungen eines Staates verstanden.

Der Beitritt zur OECD ist für Santos ein wichtiger Schritt, um Kolumbien ein neues Ansehen in der Weltpolitik zu verschaffen. Kolumbien wäre nach Mexiko (Beitritt 1994) und Chile (Beitritt 2010) erst das dritte lateinamerikanische Land in der OECD. Die Entscheidung, ob ein Land aufgenommen wird, liegt bei den Mitgliedstaaten, die auch die Bedingungen festsetzen.

Die Mitgliedschaft in der OECD wäre für Kolumbien mit zahlreichen Vorteilen verbunden: Zum einen würde Kolumbien dadurch Mechanismen zur Qualitätsüberprüfung der öffentlichen Politik erlangen, was die Bemühungen in diversen Bereichen verstärken würde. Santos sagte dazu, dass die OECD nicht nur ein Club ist, zu dem man beitritt, sondern in dem man einen bestimmten Standard halten muss und dadurch die Möglichkeit bekommt, die notwendigen strukturellen Aufgaben in Angriff zu nehmen. Und die Folgen? Das Wachstum könnte befördert und die Armut reduziert werden. Zudem wirkt eine Mitgliedschaft in der OECD wie eine Art „Qualitätssiegel“ und als ein Zeichen des Vertrauens in die Wirtschaftspolitik und der Anerkennung als aufstrebende Wirtschaftsmacht. Außerdem würde der Status als OECD-Mitgliedstaat Investitionen anziehen und die Beziehungen zu den OECD-Ländern festigen und auch zu anderen Staaten stärken. Mittelfristig hätte eine Mitgliedschaft somit positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Insgesamt würde das Bild Kolumbiens in der Welt einen Wandel erfahren.

Die OECD hat Kolumbien keine Fristen gesetzt, der Zeitpunkt des Beitritts hängt stattdessen von der Fähigkeit Kolumbiens ab, die geforderten Bedingungen zu erfüllen.

Am 30. Mai 2013 stimmten die Mitgliedstaaten der OECD in Paris dafür, Beitrittsverhandlungen mit Kolumbien aufzunehmen. Im September wurden dann die Bedingungen eines Beitritts festgesetzt, bevor am 25. Oktober 2013 Ángel Gurría, Generalsekretär der OECD, offiziell die Beitrittsverhandlungen eröffnete.

Die Beitrittsverhandlungen zeichnen sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen der OECD und Kolumbien aus. Kolumbien muss während des Beitrittsprozesses zeigen, dass es bemüht ist, seine Politik und die Wirtschaftsleistung an den OECD-Standard anzunähern. Die OECD hat Kolumbien keine Fristen gesetzt, der Zeitpunkt des Beitritts hängt stattdessen von der Fähigkeit Kolumbiens ab, die geforderten Bedingungen zu erfüllen.

Seit dem Beginn der Beitrittsverhandlungen konnte Kolumbien schon einige Erfolge erzielen. So wurde das Land von der OECD eingeladen, zwei wichtige Konventionen zu unterzeichnen: die „Konvention gegen Korruption in internationalen Handelstransaktionen“, die dem Handel mehr Transparenz verleiht und Kolumbien als relevanten Akteur im Kampf gegen die Korruption anerkennt, sowie die „Konvention über Steuerangelegenheiten“, das wichtigste Instrument, um Steuerparadiese zu bekämpfen. Kolumbien hat auch bereits die „Erklärung über internationale Investitionen und multinationale Unternehmen“ unterschrieben, ist der Richtlinie über verantwortungsvollen Bergbau, der „Erklärung über grünes Wachstum“ beigetreten sowie den „Prinzipien der Internetpolitik“. Auf Einladung der OECD ist Kolumbien nun auch Mitglied in vier Komitees, nämlich im Investitionskomitee, im Anti-Korruptions-Komitee, im Wettbewerbskomitee und im Verbraucherschutzkomitee. In diesen Bereichen konnte Kolumbien somit schon einige wichtige Fortschritte erzielen.

Die Empfehlungen der OECD – trotz erster Erfolge bleibt noch ein Stück Weg zu gehen

Bei all diesen Erfolgen darf jedoch nicht übersehen werden, dass Kolumbien noch einen schweren Weg zurücklegen muss, um die Anforderungen der OECD zu erfüllen. In vielen Bereichen wie dem Umweltschutz, der mangelnden Stärke des Arbeitsmarktes und der Schwäche der öffentlichen Institutionen liegt Kolumbien weit hinter den OECD-Ländern zurück. Trotz aller Erfolge beim Kampf gegen Gewalt – z.B. der Reduzierung der Morde von 69 pro 100.000 Einwohnern im Jahr 2002 auf 31 im Jahr 2012 stellt die Gewalt noch immer eine der Hauptherausforderungen für Kolumbien dar.

Die Experten der OECD haben die verschiedenen Politik- und Wirtschaftsbereiche Kolumbiens umfassend untersucht, evaluiert und Empfehlungen ausgesprochen, die Kolumbien helfen sollen, die Voraussetzungen zu erfüllen. Nachfolgend einige Beispiele:

Sozialabsicherung und Renten – Verbesserungsbedarf

Im Vergleich zu den OECD-Ländern ist die Einkommensunsicherheit im Alter in Kolumbien sehr hoch. Die Hälfte der älteren Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze und noch nicht einmal 40 Prozent beziehen Renten. Besonders betroffen sind Frauen und schlecht qualifizierte Arbeitnehmer. Die niedrige Bevölkerungsabdeckung des Rentensystems spiegelt vor allem aber auch den hohen Anteil der informellen Arbeit wider. Nur Arbeiter, die offiziell beschäftigt sind, können in eine Rentenversicherung eintreten. Der Bezug öffentlicher Rente setzt mindestens 25 Beitragsjahre voraus.

Kolumbien hat im Bezug auf Sozialabsicherung und Renten verschiedene Programme eingeführt, um die Situation zu verbessern. Darunter Beneficios Económicos Periódicos (BEPS), das zum Ziel hat, die Altersarmut der inoffiziell Beschäftigten zu verringern. Durch das Programm Colombia Mayor

Wirtschaft und Handel – Verbesserungen, jedoch weiterhin volatil

Kolumbien hat seit Beginn der 2000er Jahre sichtbare Fortschritte bei der Verbesserung der Lebensbedingungen erzielt. Solide makroökonomische Reformen – eine Inflationszielregelung, flexible Wechselkurse, solide Finanzregelungen – haben Wachstum und makroökonomische Stabilität geschaffen. Kolumbien hat sich schrittweise Handel und Investitionen geöffnet sowie die Sicherheitslage verbessert. Investitionen im Erdöl- und Bergbausektor ließen zumindest bis zum Einbrechen des Ölpreises 2015 die Industrien und Exporte boomen und haben sich auch auf die nationale Nachfrage ausgewirkt. Der Anteil der Menschen, der unter der Armutsgrenze lebt, hat sich von etwa der Hälfte auf ein Drittel reduziert. Auch die stete Reduzierung der Arbeitslosigkeit schuf Investitionen und ein höheres Haushaltseinkommen.

Der sinkende Bedarf an Rohstoffen erfordert jedoch ein Handeln von Seiten der Politik: Investitionen außerhalb des Ressourcensektors sind erforderlich, um offizielle Beschäftigungen zu schaffen. Die Produktivität ist noch immer auf einem niedrigen Stand, der sich durch schwache Rahmenbedingungen wie bspw. Informalität, schlechtes Bildungssystem, unzureichende Qualifikationen und niedrige Investitionen in Forschung und Entwicklung zeigt.

Infrastruktur, Steuersystem und Bildung – Schlüsselpunkte für die künftige Entwicklung

Kolumbien hat einen bedeutenden Ausgabenbedarf: Infrastrukturinvestitionen sind unverzichtbar für das wirtschaftliche Wachstum. Die schlechten Transportmöglichkeiten stellen Barrieren für die Wettbewerbsfähigkeit dar und sollten daher verbessert werden. Auch die geplante Erweiterung der Sozialpolitik sowie ein nach der Vorvereinbarung vom September 2015 erreichbarer Frieden mit den bewaffneten Gruppen stellen wichtige Ausgabenposten dar. Eine Erhöhung der Staatseinnahmen ist daher unerlässlich. Defizite entstehen durch weit verbreitete Steuerhinterziehung, eine hohe Informalitätsrate, eine hohe Anzahl an Steuerbefreiungen sowie die Ineffizienz der Steuerverwaltung. Ein weiterer Grund war bisher auch der bewaffnete Konflikt, durch den es schwer ist, Land und landwirtschaftliche Aktivitäten zu besteuern.

Am effizientesten wäre eine umfassende Reform des Steuersystems. Die Unternehmenssteuer sollte ausgeweitet, die Rate gesenkt und das Steuersystem vereinfacht werden. Besonders der Mehrwertsteuer kommt hierbei eine wichtige Rolle zu, da durch sie zusätzlicher Spielraum geschaffen werden könnte. Auch umweltbezogene Steuern sollten erhöht werden. Die weitverbreitete Steuerhinterziehung sollte systematisch bekämpft und Strafen nach Vorbild der OECD-Länder erhöht werden. Die kürzlich abgeschlossenen bi- und multilateralen Abkommen zum Austausch von Informationen hinsichtlich der Steuerhinterziehung sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Das erhöhte Budget für Bildung und frühkindliche Erziehung ist ein Schritt in die richtige Richtung. In Kolumbien beträgt der Anteil der Kinder im Kindergarten nur 50 Prozent im Vergleich zu 90 Prozent im OECD-Durchschnitt. Obwohl sich der Zugang zum tertiären Bildungswesen in den letzten zwanzig Jahren verdreifacht hat, liegt er bei nur 45 Prozent (OECD: 70 Prozent). Zudem müssen die Qualität der Bildung verbessert und in Fortbildungen für Lehrer investiert werden.

Kolumbien befolgt eine good governance-Rahmenordnung, die ordentliche Budgetprozesse und deutliche Verbesserungen bei der Institutionalisierung des öffentlichen Dienstes vorsieht. Jedoch sind systematische Evaluationen empfehlenswert, da trotz positiver Entwicklungen in den Bereichen Transparenz und Rechenschaft der Regierung, Korruption immer noch ein wesentliches Hindernis für eine Geschäftstätigkeit im Land darstellt. Neben der Ratifizierung der OECD Anti-Korruptions-Konvention 2013 wurde bereits 2011 die National Public Procurement Agency geschaffen. Jedoch müssen noch mehr Kapazitäten und Ressourcen eingesetzt werden, um ein deutliche Verminderung der Korruption zu erreichen.

Der Arbeitsmarkt – zu viel Informalität

Trotz Verbesserungen ist der Arbeitsmarkt noch immer ineffizient und verstärkt somit die Ungleichheit. Seit 2011 liegt die Erwerbstätigkeit bei ca. 64 Prozent (Frauen: 48 Prozent, Männer: 73 Prozent), die Arbeitslosenquote ist seit 2001 von 15 auf ca. neun Prozent gesunken. Dennoch ist diese im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen und OECD-Ländern immer noch hoch. Dass der Schutz vor Arbeitslosigkeit vor kurzem verstärkt wurde, kann als ein erster Schritt in die richtige Richtung bezeichnet werden, auch wenn es für eine Evaluierung noch zu früh ist. Bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten stehen Kolumbien jedoch noch einige Herausforderungen bevor. Es gibt zu wenige Inspekteure, diese sind zudem schlecht ausgebildet und es mangelt ihnen an Autorität.

Kolumbien hat eine der höchsten Informalitätsraten in Lateinamerika. Dies erzeugt Ungleichheit, da der informelle Sektor nur begrenzten Zugang zu finanziellen und öffentlichen Vorteilen hat. Je nach Definition umfasst die informelle Beschäftigung 50 bis 70 Prozent der gesamten Beschäftigung. Besonders betroffen sind Jugendliche, Frauen, schlecht Qualifizierte und Vertriebene. Auch die Lohnnebenkosten tragen zur Informalität bei. Nach der Steuerreform 2012, die die Sozialversicherungsbeiträge verringert hat, wurden mehr formelle Arbeitsplätze geschaffen.

Kolumbiens Marktregelungen, insbesondere die Handelsbarrieren, sind immer noch etwas restriktiver als der OECD-Durchschnitt. Die Produktivität wird behindert durch den Mangel an Wettbewerb in Bereichen wie der Telekommunikation, Nahrung und Bekleidung.

Umweltschutz in Kolumbien – es gibt noch viel zu tun

Auch im Bereich des Umweltschutzes steht Kolumbien vor einigen Herausforderungen: Die schnelle Expansion im Bergbau, in der Energie- und der Landwirtschaft und die hohen Emissionen (v.a. durch den Transport) sind hier zu nennen. Wichtig ist nach Ansicht der OECD eine Stärkung der Rolle des „Ministeriums für Umwelt und nachhaltige Entwicklung“ als Hauptorgan für den Umweltschutz, eine stärkere interministerielle Zusammenarbeit sowie die Schaffung von Umwelteinheiten in den einzelnen Ministerien. Gesetze und Normen müssen vereint werden, um einen kohärenten und kongruenten Rahmen für die Umweltpolitik zu schaffen. Gleichzeitig soll die Beteiligung der Bevölkerung erhöht werden.

Der Reichtum an Ressourcen, Tierarten und Biodiversität, über den das Land verfügt, kann als eines der größten Potenziale Kolumbiens bezeichnet werden. Es sind jedoch verstärkte Anstrengungen nötig, um diesen Reichtum zu erhalten und optimal zu nutzen.

Der Entwicklungsplan 2014 – 2018: Santos’ ambitioniertes Projekt unter Einbeziehung der OECD-Forderungen

Die „Nationalen Entwicklungspläne“ (Planes Nacionales de Desarrollo) stellen in Kolumbien die Basis für die Regierungsarbeit der Präsidenten dar und umfassen daher – wie die Amtszeit der Präsidenten – einen Zeitraum von vier Jahren. Der aktuelle gilt für die Jahre 2014 bis 2018 und basiert auf drei Säulen: Frieden, Gleichheit und Bildung.

Frieden wird als eines, wenn nicht das wichtigste Ziel der kolumbianischen Entwicklung betrachtet, da der bewaffnete Konflikt sowohl als Ursache als auch als Konsequenz einer fehlenden Entwicklung wahrgenommen wird. Der für 2016 zu erwartende erfolgreiche Abschluss der Friedensverhandlungen stellt daher eine Priorität der Regierung dar. Doch der Entwicklungsplan stellt klar, dass auch nach einem eventuellen Friedensabkommen noch viele Herausforderungen gemeistert werden müssen: Demobilisierung und Reintegration der Kämpfer sowie eine Reduzierung der allgemeinen Gewaltbereitschaft. Ein Friedensabkommen würde somit nicht allen Problemen automatisch ein Ende bereiten, jedoch einen wichtigen Teil zur Delegitimation der Gewalt und Konsolidierung der Demokratie beitragen.

Die zweite Säule, Gleichheit, ist ebenso von fundamentaler Bedeutung. Ein Mangel an Gleichheit steht Entwicklungspotenzialen entgegen und verwehrt vielen Menschen gerechte Lebensbedingungen. Das wichtigste Instrument für mehr Gleichheit ist Bildung, die gleichzeitig auch die dritte Säule des Entwicklungsplans darstellt. Bildung ist neben der Reduzierung von Ungleichheit auch wichtig für mehr Fortschritt und die Verbesserung der allgemeinen Demokratiequalität.

Der Entwicklungsplan legt fünf Querschnittsstrategien fest: 1. Infrastruktur und strategische Wettbewerbsfähigkeit, 2. Soziale Mobilität (Gesundheit, Bildung, Arbeit), 3. Rurale Gebiete und grünes Wachstum (Unterschiede zwischen Stadt und Land verringern, Nachhaltigkeit), 4. Verfestigung des sozialen Rechtsstaates (Demokratie, Menschenrechte, Gerechtigkeit) und 5. good governance.

Die Ziele sind ehrgeizig, weil noch viele Probleme überwunden werden müssen. Der „Nationale Entwicklungsplan“ wird aber als Möglichkeit gesehen, den bewaffneten Konflikt zu beenden und die Entwicklung des Landes voranzutreiben. Die Empfehlungen der OECD können einen wichtigen Beitrag für die Konkretisierung leisten. Nach Aussage von Santos sind 44 Artikel des „Nationalen Entwicklungsplans“ direkt auf die Empfehlungen der OECD zurückzuführen.

Kolumbien in der OECD – wie realistisch ist dieses Ziel?

Der OECD-Generalsekretär José Ángel Gurría erwähnte im Januar 2015 in einem Interview, dass der Beitritt Kolumbiens zur OECD für 2016 angestrebt werde Do ch wie realistisch ist dieses Ziel?

Kritiker werfen der kolumbianischen Regierung vor, Süd-Süd-Kooperationen zugunsten einer OECD- Mitgliedschaft aufgeben zu wollen.

Allein schon die Tatsache, dass ein Beitritt bereits für 2016 in Erwägung gezogen wird, zeigt, über welche Potenziale Kolumbien verfügt, um sich den OECD-Ländern anzunähern und in absehbarer Zeit in diese Organisation aufgenommen zu werden. Die Frage ist jedoch, ob diese Potenziale in naher Zukunft auch ausgeschöpft werden (können). Bisher wurde zwar viel erreicht: Kolumbien gehört zu den Ländern mit einem hohen mittleren Einkommen, einem hohen Wirtschaftswachstum und niedriger Inflation; (informelle) Arbeitslosigkeit, Armut und Gewalt wurden reduziert – ganz zu schweigen von der großen Bewegung im Friedensprozess mit der FARC. Doch obwohl schon bedeutende Fortschritte erzielt wurden, besteht weiterhin ein enormer Handlungsbedarf. Dies gilt besonders für die Bekämpfung der Ungleichheit. Um diese zu verringern, hält die OECD neben weiteren Reformen vor allem eine grundlegende Reform des Renten- und Steuersystems für unumgänglich. Doch wenige Themen in Kolumbien im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind so sensibel wie Steuern und Renten. Tiefgreifende Reformen waren aufgrund der heftigen Reaktionen in den letzten Jahren fast unmöglich, was die kolumbianische Regierung vor große Herausforderungen stellt.

Da sich die Regierung z.B. bewusst ist, welche Schwierigkeiten mit einer Rentenreform verbunden sind, hat sie bisher zu kleineren Reformen tendiert, die zwar in die richtige Richtung gehen, jedoch längst nicht ausreichen. Tiefgreifendere Reformen sind allerdings notwendig, um die Anforderungen der OECD für eine Mitgliedschaft zu erfüllen. Die Konditionierung einer Mitgliedschaft von Seiten der OECD kann dabei als Motor für wichtige, aber unbeliebte Reformen wirken.

Allerdings sieht sich das Streben der kolumbianischen Regierung nach einer OECD-Mitgliedschaft auch Kritik ausgesetzt. Die Nachbarländer bemängeln etwa, dass Kolumbien mehr Interesse an den reichen Ländern, besonders den USA, zeige als an ihnen. Auf diese Weise würde sich Kolumbien mit dem OECD-Beitritt eine Identität aufbauen wollen, die das Land immer mehr an die Länder des Nordens – die etablierten Mächten – annähert. Dadurch würde sich Kolumbien zwangsweise von den Ländern des Südens und regionalen Regimen abwenden. Die Kritiker werfen der kolumbianischen Regierung zudem vor, die OECD als Plattform nutzen zu wollen, von der aus sich das Land in die Megablöcke TPP oder TTIP integrieren könnte, die von den kolumbianischen Eliten als erstrebenswerter als die Süd-Süd Kooperation betrachtet würden. Innerhalb Kolumbiens wird kritisiert, dass eine OECD-Mitgliedschaft im internationalen Ansehen einen Aufstieg in die Gruppe der reichen Länder bedeuten würde und daher eine Entwicklungszusammenarbeit zugunsten Kolumbiens nicht mehr notwendig erscheinen würde. Gleichzeitig wird auch beanstandet, dass die kolumbianische Regierung zwar bereit wäre anderen Ländern zu helfen (wie nach dem Erdbeben in Nepal), jedoch im eigenen Land auch viel Hilfe benötigt wird, diese aber nicht ankommt.

Neben den Interessen Kolumbiens stellt sich auch die Frage, welchen Mehrwert die OECD in einer Mitgliedschaft Kolumbiens sieht. Eine wichtige Rolle spielt die geostrategische Lage Kolumbiens. Zudem nimmt es einen der ersten Plätze der Welt in Biodiversität ein und gehört zu den artenreichsten Ländern der Welt. Auch ist das Land reich an Rohstoffen wie z.B. Erdöl, Kohle, Gold und seltene Erden. Deutschland und die EU haben Interesse an einer Mitgliedschaft Kolumbiens, da das Land ein wichtiger Handelspartner ist.

Auch wenn Kolumbien ebenso für die USA einen wichtigen Handelspartner darstellt, sind besonders auch strategische Überlegungen entscheidend. Lateinamerika wird stellenweise als „Hinterhof der USA“ bezeichnet, in dem die USA keinen Einfluss verlieren will. Durch das Aufkommen linker und populistischer Regierungen in Lateinamerika, die der US-amerikanischen Politik kritisch gegenüberstehen und ihre historisch gewachsene Abhängigkeit verringern wollen, schwand der Einfluss der USA jedoch in Lateinamerika insgesamt. Viele Länder wenden sich stattdessen vermehrt Europa und China zu. Um diesem Einflussverlust entgegenzuwirken, sind die USA auf Kolumbien angewiesen, da die kolumbianische Regierung den USA freundlich gesinnt und ein verlässlicher Partner ist.

Ein weiterer Grund ist, dass die OECD nach Aussagen einiger Experten mit einem Bedeutungsverlust zu kämpfen hat. Während vor einigen Jahrzehnten noch über 80 Prozent des Welthandelsaufkommens auf die OECD-Länder entfiel, sind es aktuell nur noch ca. 60 Prozent. Ohne eine Erweiterung droht dieser Anteil in Zukunft noch weiter zu sinken. So haben etwa die aufstrebenden BRICS-Staaten seit 2007 den Status von Ländern mit vertiefter Zusammenarbeit und gelten seit 2012 als „Schlüsselpartner“. Interesse an einer OECD-Mitgliedschaft zeigen sie bisher jedoch nicht. Um ihre Bedeutung aufrechtzuerhalten, muss die OECD daher ihr Image als „Club der Reichen“ aufgeben und verstärkt mit „Ländern mittleren Einkommens“ wie Kolumbien zusammenarbeiten.

Insgesamt kann Kolumbien die Thematik des OECD-Beitritts als Chance sehen, längst fällige Reformen und Umstrukturierungen Realität werden zu lassen und so Anerkennung auf internationaler Ebene zu erlangen. Der Wert des Beitrittsprozesses sollte allein in dieser Hinsicht nicht unterschätzt werden, denn ohne diesen hätte Kolumbien nicht die Gelegenheit gehabt, so viele Politikbereiche von internationalen Experten analysieren zu lassen und von vielen spezifischen Empfehlungen zu profitieren. Wichtig ist auch, sich bei der Umsetzung des „Nationalen Entwicklungsplans“ nicht nur auf den „Frieden“, sondern auch auf Chancengerechtigkeit und Bildung zu konzentrieren. Nun liegt es an der Regierung Kolumbiens, ob und inwiefern diese Gelegenheit genutzt wird. Denn wenn Kolumbien sich weiterhin den Industrieländern zuwenden möchte, muss es dies auch in der Politik berücksichtigen, und zwar nicht nur in der Außen-, sondern vor allem in der Innenpolitik, mit dem Schwerpunkt der Verringerung der sozialen Ungleichheit.

Auch wenn von Seiten der Politik der Wille für Veränderungen vorhanden ist, erscheint die Umsetzung innerhalb des Jahres 2016 unrealistisch. Kolumbien sollte sich davon jedoch nicht entmutigen lassen. So hat z.B. Chile zehn Jahre gebraucht, um OECD-Mitglied zu werden. Wenn Kolumbien sich bemüht, kann der Beitritt deutlich schneller erfolgen. Schlussendlich können Reformen rund um den OECD-Beitritt für die Regierung Santos eine gute Möglichkeit darstellen, zu zeigen, dass sie sich essenziellen Problemen der Bevölkerung widmet und so das Ansehen der Regierung nicht mehr wie bisher nur vom Erfolg der Friedensverhandlungen abhängt. Ein möglicher OECD-Beitritt kann daher als Ansporn gesehen werden, dringend notwendige Veränderungen in Kolumbien in Themen wie einer verbesserten Infrastruktur, Bildung und Chancengerechtigkeit durchzuführen.

Dr. Hubert Gehring ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kolumbien.

Maria Christina Koch hat Internationale Beziehungen studiert und war von April bis Juni 2015 für das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bogotá tätig.

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