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Länderberichte

Camp David 2000

Ende der Friedensbemühungen in Nahost?

Die Gespräche in Camp David endeten ohne Erfolg. Wenn in Camp David ein Ergebnis erzielt worden wäre, dann hätte Camp David 2000 als Ereignis von historischem Rang in die Geschichte eingehen können. Jetzt aber spielt Camp David in der öffentlichen Diskussion keine große Rolle mehr. Es wurde kein Durchbruch zum Positiven erreicht, Camp David führt aber auch nicht in die Resignation: Camp David war ein weiterer Schritt auf einem langen Weg zum Frieden im Nahen Osten.

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Israel nach dem Camp David Gipfel

Hauptstreitpunkt der Verhandlungen in Camp David war der zukünftige Status von Jerusalem. Während sich die Palästinenser unnachgiebig und ohne Konzessionsbereitschaft gezeigt haben, hat Barak in Camp David weitgehende Zugeständnisse gemacht. Barak stellte den Palästinensern insbesondere Souveränität über Ost-Jerusalem in Aussicht. Er war damit nach dem wichtigen Durchbruch von Oslo, den Rabin und Peres mit Arafat erzielt haben, der erste israelische Staatsführer, der sich erlaubt hat, den Kernbereich des israelisch-palästinensischen Konflikts anzupacken und ein Tabu zu brechen. Barak ist der palästinensischen Position in einer bisher nicht gekannten Weise entgegengekommen. Dies macht die Bedeutung von Camp David aus: Erstmals waren Kernbereiche des Konfliktes auf dem Tisch. Jerusalem galt seit der Proklamation zur "wiedervereinigten und ewigen Hauptstadt Israels" durch das israelische Parlament für alle israelischen Verhandlungsführer als nicht verhandelbar. Erwartungsgemäß war die Reaktion des Rechten Lagers auf die Angebote Baraks. Aber selbst Barak politisch sehr nahestehende Persönlichkeiten wie Minister im Büro des Ministerpräsidenten Chaim Ramon und Meretz-Chef Yossi Sarid sagen, die Zeit sei noch nicht gekommen, über Jerusalem zu sprechen. Außer Justizminister Yossi Beilin und Sicherheitsminister Ben-Ami hat sich bisher niemand öffentlich hinter Barak gestellt.

Jedoch hat keiner seiner Kritiker bislang einen alternativen Vorschlag gemacht, wie der Frieden konkret zu erzielen ist - abgesehen von der vorgeschlagenen Verschiebung des Problems.

Welche Chancen hat Barak, doch noch eine Einigung mit den Palästinensern zu erreichen?

Mindestens drei Dinge sprechen dafür, dass die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden können:

  1. Barak kann damit rechnen, dass auch Arafat an einer Verhandlungslösung grundsätzlich weiterhin stark interessiert ist.

    Arafat hat mit der langfristigen Ankündigung, am 13. September 2000 einen palästinensischen Staat auszurufen seine Verhandlungspartner, aber auch sich selbst stark unter Zeitdruck gesetzt. Es ist klar für Arafat, dass er mit einer Ausrufung des Staates Palästina ohne Friedensschluss mit Israel nur einen Pyrrhussieg erringen würde. Die Israelis wären dann sicher zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit, im Gegenteil: die israelische Armee bereitet sich auf einen Einmarsch in der Westbank vor. Israel droht damit, die noch unter ihrer Kontrolle befindlichen Gebiete der Westbank zu annektieren. Das Lebensziel Arafats, einen lebensfähigen palästinensischen Staat zu schaffen, wäre damit verspielt.

    Das Interesse Arafats an einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zeigt sich auch daran, dass er derzeit laut darüber nachdenkt, den Termin der Ausrufung des Staates auf November zu verschieben. In Frage kommen für ihn der 15. November, der Tag an dem auf der Höhe der Intifada 1988 schon einmal ein palästinensischer Staat ausgerufen wurde, oder der Fatah-Tag 1. Januar.

    Außerdem wurden die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern auch nach Camp David auf allen Ebenen weitergeführt, um nicht nur bewusst den Eindruck einer positiven Atmosphäre zu vermitteln, sondern auch die noch ausstehenden Probleme zu lösen. Palästinensische Unterhändler haben öffentlich angekündigt, dass die gegenwärtigen Verhandlungen schon bald zu einem weiteren Gipfel führen werden.

    Arafat gilt im Moment in der arabischen Welt als der Held von Camp David. Arafat lässt sich bei nicht weniger als einem Dutzend Besuchen innerhalb von zwei Wochen in der Region feiern und wirbt bei den arabischen Führern um weitere Unterstützung. Diese politische Stärkung könnte ihm die nötige Rückendeckung für die neue Verhandlungsrunde geben und Konzessionen vorbereiten, vor allem in der Jerusalemfrage.

    Gleichzeitig wirbt der designierte palästinensische Außenminister Nabil Shaath in Westeuropa um Unterstützung und Verständnis für die Position der Palästinenser.

  2. Innenpolitisch ist nicht damit zu rechnen, dass Barak noch weiter geschwächt wird. Von Seiten der Bürokratie hat Barak nicht viel zu befürchten. Die ersten durch die Rücktrittswelle der Koalitionspartner Shas, Meretz und Israel be Aliyah frei gewordenen Ministerposten sind bereits neu besetzt bzw. verteilt. Einige Minister haben nun mehrere Portfolios.

    Die Knesset wäre die einzige Macht, die Barak weiter schwächen könnte. Die Parlamentarier befinden sich jedoch in der dreimonatigen Sommerpause. Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, dass eine außerplanmäßige Sondersitzung zustande käme. Noch kurz vor der Sommerpause überstand Barak mehrere Misstrauensvoten. Barak hat also Zeit und vom Parlament ist vorerst wenig zu befürchten.

    Scheitern die Friedensgespräche in einer zweiten Runde, wird Barak möglicherweise eine große Koalition mit dem Likud anstreben. Die derzeitigen Verhältnisse sprechen nicht für eine Neuauflage der alten, kürzlich zerbrochenen Koalition. Ob der Likud allerdings zu einer großen Koalition zur Verfügung steht ist fraglich, da er sich um eine Mehrheit für vorgezogene Neuwahlen bemüht.

    Sollte es in einer zweiten Runde zu einem Friedensschluss kommen, wird Barak möglicherweise selbst Neuwahlen ausrufen und mit einer Pro-Friedensvertrag-Plattform für sich werben.

  3. Die Clinton-Administration ist trotz des Scheiterns von Camp David und der deutlich artikulierten Enttäuschung darüber weiterhin an der Fortführung der Verhandlungen interessiert. Schon vor der Einberufung des Treffens in Camp David wurde dieses Treffen als möglicherweise erster Teil eines mehrstufigen Verhandlungsprozesses bezeichnet. Nun ist bereits eine neue trilaterale Verhandlungsrunde vor dem 13. September 2000 im Gespräch, die jedoch stark von den Vorverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern abhängig ist. Amerikanische Diplomaten, darunter Außenministerin Albright, Nahostgesandter Dennis Ross und Clintons Berater für Nationale Sicherheit Sandy Berger bemühen sich durch intensive Reisediplomatie, in der Region die Verhandlungen am Laufen zu halten.

    Clinton hat angekündigt, dass er beide Seiten wieder zu einem Gipfel einladen wird, allerdings nur, wenn ein Verhandlungsergebnis als sicher erscheint und ein Friedensvertrag unterschrieben wird.

Welche Probleme sind zu lösen?

Die Gespräche in Camp David haben für beide Seiten deutlich werden lassen, welche Probleme noch zu lösen sind. Klar ist, dass jegliche Verhandlungslösung durch Referenden in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten bestätigt werden muss. Dazu wird es nicht nur auf kreative Sprachregelungen und eine politisch zu verkaufende Lösung ankommen, sondern auch auf die Bereitschaft zum Aufgeben von bisher tabuisierten Vorstellungen:

Arafat muss die Palästinenser auf vier wichtige Zugeständnisse vorbereiten:

  1. Palästina wird nicht den Umfang der Grenzen vom 4. Juni 1967 haben. Die Verhandlungen werden sich darauf konzentrieren, wie weit der endgültige Rückzug Israel von diesem in den UN-Resolutionen 242 und 338 abweichen werden.
  2. Es wird kein Rückkehrrecht für Palästinenser nach Israel geben, auch wird Israel keine moralische Verpflichtung für das 1948 entstandene palästinensische Flüchtlingsproblem anerkennen.
  3. Die Mehrheit der israelischen Siedlungen in der Westbank werden nicht geräumt werden, obwohl die bisherige Position der Palästinenser immer davon ausging, dass alle Siedlungen illegal sind.
  4. Die Legitimität von Jerusalem als Hauptstadt Israels muss anerkannt werden. Außerdem tun sich bisher auch muslimische Religionsführer mit dem Gedanken schwer, dass Jerusalem auch eine christliche Bedeutung hat.

Für einen stabilen Frieden müssen auch die Israelis für Zugeständnisse vorbereitet werden:

  1. Jerusalem als palästinensische Hauptstadt ist für Palästinenser nicht weniger wichtig als Jerusalem als israelische Hauptstadt für Israelis. Jegliche Lösung muss außerdem von den drei monotheistischen Weltreligionen akzeptiert werden können.
  2. Die formale Existenz eines palästinensischen Staates reicht nicht aus. Das Staatsgebilde muss lebensfähig sein, mit territorialer Kontinuität und Bewegungsfreiheit.
  3. Ohne die Lösung des Flüchtlingsproblems, zu der u.a. eine Eigentumskompensierung und die Möglichkeit der Familienzusammenführung gehört, wird es keinen dauerhaften Frieden geben.
Die Tür zu einem Friedensschluss im Nahen Osten ist auch nach Camp David noch offen. Israel hat bisher am deutlichsten Bereitschaft zum Kompromiss gezeigt. Alle Seiten sind trotz des gescheiterten Gipfels in Camp David weiterhin an einer baldigen Lösung interessiert. Nun kommt es darauf an, diese Chancen zu nutzen.

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Kontakt

Dr. Alexander Brakel

Alexander.Brakel@kas.de

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