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Dollarisierung vor dem Hintergrund einer Banken-, Finanz- und Währungskrise

Ecuador ist das erste Land des südamerikanischen Kontinents, daß seiner Währung Sucre nach 116 Jahren das Vertrauen entzogen und sich für eine offizielle Dollarisierung entschieden hat.

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Bis zum 13. September sollen in Ecuador nur noch Dollarnoten und als Untereinheit der neu aus der Taufe gehobene "Neue Sucre" als Landeswährung zirkulieren. Die Zentralbank, auf die Ecuador auch in Zukunft trotz Aufgabe der eigenen Geldpolitik nicht verzichten will, hat sich bereits an die Arbeit gemacht, die Sucrenoten zu einem Kurs von 25.000 Sucres pro Dollar in die "Hartwährung" umzutauschen.

Diese radikale Richtungsänderung in der Währungspolitik von flexiblem Wechselkurs zu Dollarisierung, die am 9. Januar 2000 von Ex-Präsident Jamil Mahuad in einer Fernsehansprache verkündet wurde, kam selbst für die ecuadorianische Bevölkerung durchaus unerwartet. Zu diesem Zeitpunkt lag der Bekanntheitsgrad der US-Währung in der ecuadorianischen Bevölkerung bei lediglich 13%.

Der Christdemokrat Jamil Mahuad von der Democracia Popular, dessen Popularität Anfang 2000 auf unter 10% landesweit gefallen war, hatte gehofft, durch die Ankündigung einer offiziellen Dollarisierung seine Präsidentschaft zu retten. Der Rettungsversuch kam zu spät. Am 22. Januar wurde Ecuadors Vize-Präsident, Dr. Gustavo Noboa, zum Nachfolger Mahuads.

Die neue Regierung, die voraussichtlich bis zum Jahre 2003 die Politik bestimmen wird, behielt aus eigener Überzeugung den wirtschaftspolitischen Kurs der Regierung Mahuad bei. Es gelang ihr, ein umfassendes Stabilisierungsprogramm auf den Weg zu bringen, dessen Eckpfeiler eine offizielle Dollarisierung darstellt.

Dieses Reformprogramm, welches in dem am 1. März 2000 vom Kongress verabschiedeten Gesetz "Ley Fundamental para la Transformación Económica del Ecuador" festgehalten ist, betrifft alle wirtschaftlichen Bereiche und wird die Struktur der ecuadorianischen Wirtschaft weitgehend verändern.

Das Reformpaket neoliberaler Bauweise ist die Antwort der ecuadorianischen Regierung auf die "schwerste Krise des Landes in diesem Jahrhundert." Diese nach wie vor anhaltende Krise begann mit dem Kollaps des Bankensektors Ende 1998. Sowohl eine mangelnde Bankenaufsicht, vor allem bei off-shore-Geschäften, als auch ein unkontrolliertes aus dem Boden Sprießen neuer Banken und die beliebte und gern praktizierte Kreditvergabe der Banken an eigene Unternehmen haben dazu geführt, dass zahlreiche Banken in Zahlungsschwierigkeiten gerieten.

14 Banken wurden unter eine staatliche Aufsichtsbehörde gestellt. Die Rettung des Bankensystems wurde zur Chefsache erklärt und der Staat emittierte 1.400 Millionen US$ in Form von Staatsanleihen um die in Schwierigkeiten geratenen Banken mit neuem Kapital zu versorgen und die Guthaben der Sparer zu sichern. Diese großzügige Kreditvergabe blieb nicht ohne Folgen sowohl für den Staatshaushalt, der das Jahr 1999 mit einem Defizit von 5,7% BIP abschloss (1998: 5,9%) als auch für den Wechselkurs.

Die Zentralbank, deren merhrmals ausgewechselter Vorstand sich politischen Zwängen unterwarf und Staatsanleihen in Höhe von 1.200 Millionen kaufte, versuchte die Geldmengenausweitung durch die Veräußerung ihrer Internationalen Währungsreserven zu neutralisieren. Gezwungenermaßen gab die Zentralbank im Febraur 1999 den Wechselkurs frei. Die Talfahrt des Sucre wurde nur kurzzeitig durch einen sogenannten Bankenfeiertag (feriado bancario) vom 8. Bis zum 12. März und durch das Einfrieren von Sparguthaben gebremst. 1999 erlebte Ecuador eine Abwertung der Landeswährung von 195% und eine jährliche Inflation von 60,7.

Der Interbankenzinssatz stieg von 60 % auf 150 % und die Mindestreserve bei der Zentralbank wurde angehoben. Es setzte sowohl eine Kapitalflucht als auch eine Flucht in den Dollar ein, wodurch zusätzlicher Druck auf den an Wert verlierenden Sucre ausgeübt wurde.

Zu den internen Schwächen gesellten sich externe Schocks die den produktiven Sektor lähmten: die Asienkrise erschütterte das Vertrauen in die "Emerging Markets" und Ecuador verlor wichtige Handelspartner. Das Klimaphänomen "El Niño" zerstörte weite Teile der Küstenregion, in der die Mehrheit der Bevölkerung Ecuadors lebt, und der Verfall des Ölpreises, der sich erst wieder Mitte 1999 erholte, traf Ecuador an seinem wundesten Punkt.

Der erneute Ausbruch des militärischen Konfliktes mit Peru im Jahre 1995, der 1999 beigelegt werden konnte, riß ein Loch in die Staatskasse und verhinderte notwendige Investitionen besonders im Erdölsektor, der Ecuadors dominierende Wirtschaftsbranche ist. Als erstes Land kam Ecuador seinen Zahlungsverpflichtungen aus der Auslandsverschuldung, die 1999 mit 15,902 Milliarden US$ bereits das Bruttoinlandsprodukt von 13,664 Milliarden Dollar (118% des BIP) überstieg, nicht mehr nach.

An die Dollarisierung sind eine Reihe von Erwartungen geknüpft. Vorrangiges Ziel ist das längerfristige Stoppen der Inflation und das Erreichen von Preisstabilität. Durch die Aufgabe der eigenen Geldpolitik wird sich die Inflationsrate in Zukunft an die der USA angleichen, das Preisniveau wird jedoch unter dem der USA liegen. Die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten machen die Dollarisierung für den starken Preisanstieg nach ihrer Einführung verantwortlich und bezweifeln den Nutzen der Maßnahme.

Die anfänglich gestiegene Inflationsrate hat jedoch Gründe, die mit Entwicklungen : vor der Dollarisierung zu tun haben: einer überhöhten Geldemission, die noch bis in die ersten Monate dieses Jahres andauerte; einer "nachholenden" Preiserhöhung durch die Unternehmer, die aufgrund der Wirtschaftskrise im letzen Jahr ihre Inflationseinbußen nicht auf die Konsumenten abwälzen konnten; und schließlich die Abwertung des Sucre, die sich ebenfalls auf das Preisniveau niederschlug.

Demgegenüber ist ein Pluspunkt der Dollarisierung im Sinken des Zinsniveaus zu sehen. Durch den Wegfall des Wechselkursrisikos wird Ecuador seine Zinsen langfristig senken können, politisch wurde festgelegt, daß das Zinsniveau künftig bei dem Prozentsatz: LIBOR+ 4% + Risikolandzuschlag liegen soll. Der Risikozuschlag wird jedoch vorerst erheblich ausfallen, nicht zuletzt aufgrund des Schuldenmoratoriums und aufgrund Fehlen juristischer Sicherheit für Investoren.

Vorzeigeland für einstellige Zinsraten und Preisstabilität ist Panama, daß seit 1904 offiziell dollarisiert ist. Die Dollarisierung wird bewirken, daß der Staatshaushalt demnach künftig ausgeglichen sein muß, wenn nicht auf externe Verschuldung zurückgegriffen werden kann. Zur Haushaltsentlastung werden ab 1. Juli die Benzinpreise um ca. 60% angehoben und die Subventionen für Gas und Elektrizität werden aufgehoben, zudem wird es zu Rationalisierungen im öffentlichen Sektor kommen.

Durch Privatisierungen der staatlichen Betriebe (Telekommunikation, Gas, Elektrizität) sowie Beteiligung des Privatsektors an der Rohölgewinnung und -verarbeitung sollen zusätzliche Einnahmen erzielt und der Bau einer neuen Pipeline ermöglicht werden. Ehrgeiziges Ziel ist ein Haushaltsdefizit von nicht mehr als 2,5% des BIP in den kommenden Jahren.

Ecuador erhält für seine neue Wirtschaftspolitik Rückendeckung von vier internationalen Organisationen. Am 4. April erreichte Ecuador die seit einem Jahr ersehnte Unterzeichnung eines Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds und kommt damit in den Genuß eines stand-by-Kredits in Höhe von 304 Millionen US$, der in fünf Raten ausgezahlt werden wird. Die Unterzeichnung des Abkommens bedeutet für Ecuador überdies den Zugang zu Krediten in Höhe von insgesamt 2045 Millionen US$ innerhalb der nächsten drei Jahre. Neben dem Internationalen Währungsfonds erhält Ecuador Kredite von der Weltbank, der Internamerikanischen Entwicklungsbank und der "Corporación Andina de Fomento".

Mit der Kreditvergabe wird das Ziel einer erneuten Anbindung Ecuadors an die internationlen Finanzmärkte und die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den ausländischen Gläubigern verfolgt. Die Sanierung des Bankensektors und die Verbesserung der Bankenaufsicht haben nach wie vor Priorität.

Die Umsetzung der Wirtschaftsreformen wird vom Internationalen Währungsfonds streng kontrolliert werden. Neben der Einführung des Dollars als Zahlungsmittel zu einem Kurs von 25.000 Sucres pro Dollar sieht die neue Gesetzgebung weitere Reformen vor. Die Arbeitsgesetzgebung wurde flexiblisiert Wichtigste Neuerung ist die Modifizierung der Arbeitszeiten. Darüber hinaus wurde ein Kuriosum ecuadorianischer Gesetzgebung abgeschafft, die Zerstückelung der Löhne und Gehälter in acht verschiedene Komponenten. In Zukunft wird es einen einheitlichen Grundlohn geben, der alle sozialen Leistungen mit einschließt, und auf dessen Grundlage auch die Einkommenssteuer berechnet wird. Ein flexibler Arbeitsmarkt stellt eine der Voraussetzungen für das Abwehren von externen Schocks und somit für das Gelingen der Dollarisierung dar.

Ecuador hat sich für die Flucht nach vorn entschieden und damit für die stärkere Anlehnung der ecuadorianischen Wirtschaft an die seines Haupthandelspartners USA. Ohne internationale Unterstützung wird die Region angesichts der leeren Staatskasse die sozialen Auswirkungen der Reformen nicht auffangen können. Intern soll ein Sozialprogramm, das die klassischen Schwerpunkte Wohnungsbau, Gesundheit und Erziehung aufgreift, die Bevölkerung auf die geplanten Erhöhungen der Energie- und Benzinpreise vorbereiten.

Für Fachökonomen mag das Reformpaket durchaus überzeugend klingend, sein Erfolg hängt aber in entscheidenden Maße von der Akzeptanz bei den Wirtschaftsteilnehmern ab. Der indigene Bevölkerungsanteil Ecuadors, der 36% ausmacht und überwiegend vom traditionellen Sektor Landwirtschaft lebt, sagt ein klares "Nein zur Dollarisierung", auch von Seiten der Transportunternehmer wurden Proteste gegen die geplante Benzinpreiserhöhung am 1. Juli angekündigt, die das Land lahmlegen könnten. Für die Regierung ist die Dollarisierung, wenn auch kein Allheilmittel, so doch ein monetärer Stabilitätsanker, der helfen soll, Ecuadors Glaubwürdigkeit auf internationaler Bühne wiederherzustellen.

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Winfried Weck

Winfried Weck (2020)

Leiter des Regionalprogramms "Allianzen für Demokratie und Entwicklung mit Lateinamerika" ADELA und des Auslandsbüros Panama

winfried.weck@kas.de +507 387 4470

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