Länderberichte
So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) Tschechien in seiner jüngsten Studie ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für das Jahr 2000 von 2,5% prognostiziert, für das Jahr 2001 sogar einen Anstieg auf 3,5%. Auch das tschechische Finanzministerium hat seine Voraussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung im Jahre 2000 erneut korrigiert und rechnet ebenfalls mit einem Anstieg des BIP um 2,5%.
Die Preise sollen hingegen "nur" um 3,8% steigen und die Arbeitslosigkeit 9,4% nicht überschreiten.
Basis für die jüngste Aktualisierung der Wirtschaftsprognosen war die unerwartet günstige Entwicklung des BIP im ersten Quartal 2000, die Steigerung betrug im Jahresvergleich 4,4%.
Bereits im September 1999 hatte das Amt für Statistik (CSU) bekanntgegeben, dass das BIP im zweiten Quartal 1999 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erstmals nach 18 Monaten um 0,3% gestiegen sei und gegenüber dem ersten Quartal 1999 sogar um 3,6%. Karel Kühnl, Vorsitzender der Freiheitsunion (US), kommentierte die Entwicklung vor einem Jahr mit der Bemerkung, dass es sich nur um ein "Spiel der Statistiker" handle, die das BIP "völlig überbewerten" würden, so noch stellvertretende Vorsitzende der opositionellen Freiheitsunion.
Als Hauptgründe des Wirtschaftswachstums wurden vor einem Jahr eine Ausweitung der Regierungsausgaben und ein Konsumanstieg in der Bevölkerung, bei niedriger Inflation und steigenden Reallöhnen genannt. Mit 2,1% gehörte Tschechien 1999 zu den Ländern mit der niedrigsten Inflationsrate.
Die Gründe für die jetzige positive Entwicklung sehen die IWF-Experten in dem günstigen außenwirtschaftlichen Umfeld. Insbesondere in den EU-Staaten habe die wirtschaftliche Entwicklung an Dynamik gewonnen und die Nachfrage steige. 70 bis 80% der tschechischen Ausfuhren gehen in EU-Länder, davon fast 40% nach Deutschland. Als positive Einflußfaktoren für eine anhaltende wirtschaftliche Entwicklung werden die Fortführung der Privatisierung der staatlichen Betriebe, die relative Preisstabilität im Lande, die gefestigte Position der tschechischen Exportwirtschaft sowie die beachtliche Höhe der ausländischen Direktinvestitionen gewertet.
Trotz des positiven Entwicklungstrends mahnen die IWF-Experten die Fortsetzung der Strukturreformen an. So müssten die Unternehmen weiter restrukturiert sowie das Renten- und Gesundheitssystem reformiert werden.
Weitere Unternehmensumstrukturierungen könnten sich allerdings kurzfristig negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken, weshalb der IWF auch von einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 10,5% bis zum Jahresende ausgeht.
Erstmals in diesem Jahr stieg die Arbeitslosenquote. Wurden im Juni nur 8,7% verzeichnet, so waren es im Juli 9%. Beeinflusst wurde die Quote vor allem durch die Schulabgänger, die auf den Arbeitsmarkt strömten.
Mit 27,2 Milliarden Kronen (etwa 700 Millionen Euro) schlägt auch die Außenhandelsbilanz negativ zu Buche. 1999 betrug das Defizit lediglich 11,5 Milliarden Kronen (etwa 300 Millionen Euro). Analytiker internationaler Bankhäuser in Prag führen das vor allem auf die gestiegenen Preise für Erdöl und Gasimporte und weniger auf eine Ausweitung von Investitionsgütern zurück.
Dass es trotz allem langsam aufwärts geht mit der tschechischen Wirtschaft bestätigte auch Dieter Mankowski, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) in Prag.
Er bedauerte aber, dass die von Ministerpräsident Zeman (CSSD) angekündigte "Aktion Saubere Hände" zur Bekämpfung der Korruption ohne nennenswerte Ergebnisse beendet wurde. Ein Erfolg in dieser Angelegenheit wäre dem Image des Landes und damit dem Vertrauen der ausländischen Investoren sicherlich sehr dienlich gewesen, so Mankowski.
Die Wirtschaftszeitschrift "Euro" berichtete, dass mindestens 10 der größten 50 Unternehmen in Tschechien von ehemaligen Mitarbeitern der Staatssicherheit geleitet würden. Darunter seien auch Firmen in ausländischem Besitz.
EU-Kommissar Verheugen hatte jüngst erklärt, dass die Wirtschaftstruktur der EU-Beitrittskandidatenländer auch hinsichtlich der der Besetzung von Führungspositionen in Unternehmen und Institutionen durch die ehemalige Nomenklatura untersucht werden sollte.
Der Senat lehnte die Novelle über die Nationalbank, die von der Abgeordnetenkammer bereits im Juli mit 121 Stimmen der ODS und der CSSD verabschiedet worden war, kurz darauf ab. Im Senat sorgte die Vorlage für eine stürmische Debatte. Kritiker lehnen besonders den veränderten Ernennungsmodus der Mitglieder des Bankrates sowie die neu definierten Aufgaben für die Nationalbank ab.
Die Novelle beschneidet nämlich die Kompetenzen des Staatspräsidenten, der die Mitglieder des Bankrats in Zukunft erst auf Vorschlag der Regierung ernennen darf. Die Nationalbank soll auch nicht mehr, wie in der Verfassung vorgesehen, auf die Stabilität der Währung achten, sondern in erster Linie die Preisstabilität sichern helfen. Nun muss die Abgeordnetenkammer erneut über die Vorlage befinden.
Die Analysten des IWF kritisierten ebenfalls die Novelle. Als zu vage beurteilten sie z.B. die Bestimmung, dass die Zentralbank die Festlegung des Inflationsziels mit der Regierung abstimmen müßte.
Völlig ungenügend ist immer noch der Gläubigerschutz in Tschechien. Die im Mai 2000 verabschiedete Novelle des Insolvenzrechts, lässt eine Zwangsvollstreckung gegen den Willen des Gläubigers nur bei neu vereinbarten Krediten zu.
Die Banken schieben aber einen Schuldenberg von rund 300 Milliarden Kronen - von denen fast 30% mit einer "bad-loan-ratio" bewertet sind- vor sich her, der ihre Geschäftstätigkeit erheblich einschränkt. In diesem wichtigen Bereich der Angleichung an europäisches Recht besteht also weiterhin ein beachtliches investitionshemmendes Defizit.
Horst Köhler, Direktor des Internationalen Währungsfonds, besuchte Prag und traf mit Staatspräsident Havel sowie mit Globalisierungsgegnern zusammen. Zufrieden äußerte sich Köhler über den Stand der Vorbereitungen der Herbsttagung von IWF und Weltbank vom 19. -28. September in Prag.
Staatspräsident Havel möchte die Vertreter von Weltbank und Internationalem Währungsfonds während der Tagung mit ihren Gegnern an einen Tisch bringen. Den Gedanken an ein Treffen mit Globalisierungsgegnern haben auch Köhler und der Präsident der Weltbank James Wolfensohn befürwortet.
Die derzeit positive Entwicklung der Wirtschaft spiegelt sich jedoch bisher nicht in der Zufriedenheit der Bürger wider: Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes IVVM bezeichneten 79% der Befragten die wirtschaftliche Situation des Landes als nicht gut. 60% der Respondenten glauben zudem nicht, dass sich die Situation sobald verbessern werde.