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Länderberichte

Neue Eingriffe in die Pressefreiheit

von Thomas Bernd Stehling

Malaysia will Zeitungen verbieten

Mit der angedrohten Schließung von fünf regierungskritischen Zeitungen setzt die malaysische Regierung unter Premierminister Mahathir Mohamad ihre Politik der Mißachtung elementarer Grundfreiheiten ungeachtet des wachsenden Widerstandes im Land selbst und in der internationalen Öffentlichkeit fort.

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Offenkundig ermutigt durch den klaren Wahlsieg am 29. November sieht Mahathir keinerlei Anlaß auch nur zu behutsamen Korrekturen bei Presse- und Meinungsfreiheit.

Unter den Zeitungen, deren jährlich auslaufende Lizenz - eine Besonderheit des malaysischen Presserechts - nicht verlängert werden soll, befindet sich auch mit "Harakah" das Blatt der fundamentalistischen "Pan - Malaysian Islamic Party (Parti Islam Semalaysia/PAS)", das nach Auffassung der Regierung "voll von Lügen und Verleumdungen" ist.

Der Vorsitzende der PAS-Partei, Fadzil Noor, hat alle Mitglieder dazu aufgerufen, eine Woche lang "Allah anzuflehen, Harakah zu retten".

Wie weit dies den 73jährigen Mahathir zu beeindrucken vermag, der seine Rolle und die damit verbundene Aufmerksamkeit desjenigen zu genießen beginnt, der als vermeintlicher Geisterfahrer gegen den Strom und internationalen Zeitgeist rudert, bleibt abzuwarten.

Sein Ego dürfte eher gestärkt sein durch vorübergehende wirtschaftliche Erfolge des Landes, die - wie jüngst im thailändischen Parlament - die Nachbarländer zu einer kritischen Bewertung ihrer eigenen Wirtschafts- und Finanzpolitik veranlassen. Und vor allem durch überraschende Äußerungen des scheidenen Managing Directors des Internationalen Währungsfonds, Michel Camdessus, in denen er die Entscheidung Mahathirs zur Einführung von Kapital- und Finanzkontrollen als richtig und im Interesse Malaysias bezeichnet hat.

Daß die Regierung sich jetzt die Zeitung der PAS- Partei vornimmt, zeigt ihr ungeschmälertes Selbstbewußtsein.

PAS hatte bei den Parlamentswahlen zum ersten Mal die regierende Nationale Front in der ölreichen Provinz Terengganu schlagen können und insgesamt 27 von 42 Oppositionssitzen im Parlament errungen. Fadzil Noor ist seither der Oppositionsführer, sieht sich indes nach wie vor einer erdrückenden 2/3 Mehrheit der 14 Mitglieder umfassenden nationalen Front gegenüber, die 148 Parlamentarier stellt.

Der Vorgang bietet aber auch Anlaß zu einem genaueren Blick auf die Situation der Medien in Malaysia, einem Land, von dem sein Premierminister jüngst auf einer Pressekonferenz sagte, es sei "freier, als jedes Land in Europa".

Wäre es wirklich so, wäre die Petition, die 581 malaysische Journalisten unterschrieben haben und die am 3. Mai 1999, dem World Press Freedom Day, im Parlament an den stellvertretenden Premierminister Datuk Seri Abdullah Badawi überreicht wurde, unverständlich und überflüssig. Darin wird die Aufhebung des "Printing Press and Publication Act" von 1984 verlangt, der die Rücknahme einer Zeitungslizenz durch die Regierung erlaubt und von dem die Regierung jetzt erneut Gebrauch machen will.

In der Petition schreiben die Journalisten, sie fänden es unter diesem Gesetz "zunehmend schwieriger, ohne Furcht oder Begünstigung unserer Arbeit nachzugehen. Selbstzensur hat wegen der engen Kontrolle durch die Regierung längst Eingang in die Redaktionen gefunden, ein unglücklicher und inakzeptabler Umstand, wenn man bedenkt, daß ein Journalist nur das berichten sollte, was tatsächlich wahr ist".

Die Fairness gebietet es, zu erwähnen, daß Malaysia dieses Gesetz - , wie auch andere - von seinen britischen Kolonialherren geerbt hat. Wahr ist indes aber auch, daß man hier - bei aller sonst gern geäußerten Kritik an den Briten - keinen Anlaß für eine Aufhebung oder Veränderung sah.

Ein weiteres Gesetz, "The Official Secrets Act" von 1982, wirkt sich ebenfalls auf die Freiheit der Journalisten hemmend aus. Wenngleich durch eine Modifizierung 1986 die Dokumente, die als offizielle Staatsgeheimnisse klassifiziert sind, eingegrenzt wurden, macht das Gesetz jede Art von investigativem Journalismus extrem schwierig.

Und schließlich gilt auch der "Internal Security Act" von 1960 noch weiter, der bei einem Verstoß gegen die "nationale Sicherheit" Gefängnis ohne jegliches Gerichtsverfahren ermöglicht.

Zu den gelegentlich noch wirksameren Methoden der Einschränkung von Pressefreiheit gehört die geeignete Auswahl von Eigentümern der Medien. Nahezu alle wichtigen Zeitungen sind direkt oder indirekt mit der regierenden Koalition verbunden, entweder durch Geschäftsanteile an den Zeitungshäusern oder die persönliche Linientreue des Herausgebers.

In manchen Fällen gehen Leidenschaft und Unterstützung für Premierminister Mahathir soweit, daß - wie jüngst im kurzen malaysischen Wahlkampf - Photos gefälscht oder manipuliert werden, indem z.B. die Menschenmenge, die Dr. Mahathir auf einem seiner Wahlkampfauftritte empfängt, schlicht vergrößert oder auf einem anderen Bild der Kopf des in Ungnade gefallenen früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten Anwar Ibrahim schlicht durch das Konterfei eines genehmeren Zeitgenossen ersetzt wird.

Auch bei den elektronischen Medien ist die Situation nicht viel anders. Die zwei privaten Fernsehprogramme sind eng mit der Koalition verbunden, und noch vor den Parlamentswahlen im November hat die Regierung festgelegt, daß keine der Oppositionsparteien Zugang zu den staatlichen Fernseh- und Rundfunkprogrammen erhalten soll. Der stellvertretende Informationsminister Suleiman Mohamad meinte dazu, in der Vergangenheit hätten diese Parteien "störende" Programme über die staatlichen Sender verbreitet, damit müsse jetzt Schluß sein. Er empfahl der Opposition, sich eigene Sender zu kaufen und dann eine Lizenz zu beantragen!

Schon in der Vergangenheit hatten die Sorgen von übereifrigen Regierungsvertretern vor unbotmäßiger Kritik an Mahathir und seinem Kabinett geradezu hysterische Formen angenommen.

Als dicke Rauchschwaden während der Waldbrandkatastrophe im indonesischen Kalimantan 1997 auch Teile Malaysias verdunkelten und Sorgen um die Zukunft des Tourismus auslösten, verbot der zuständige Minister kurzerhand den Wissenschaftlern seines Landes, sich in Interviews mit internationalen Medien über die Umweltbelastungen Malaysias durch die Waldbrände zu äußern.

1998 wurden die nationalen Radiostationen aufgefordert, als Zeichen der Solidarität mit dem Land in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten keine internationalen Hits mehr in die Musikprogramme aufzunehmen, sondern sich auf nationale Produktionen zu beschränken. Wirtschaftsförderungsminister Mustapa Mohamad teilte dem Parlament in jüngster Zeit mit, sein Ministerium werde die Lizenz für Taxifahrer widerrufen, wenn diese die Regierung kritisierten. Mustapa sagte, die Taxiunternehmen seien gewarnt worden, nicht Cassetten mit regierungskritischen Inhalten in ihren Autos abzuspielen oder Photos von Oppositionspolitikern an die Scheiben zu kleben, teilte die offizielle Bermana Nachrichtenagentur mit.

Zu bedauern sind bei all dem die Journalisten Malaysias. Sie sind nicht schlechter oder besser als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern der Welt. Viele von ihnen haben den Versuch, eine freie und unabhängige Presse in ihrem Land zu verwirklichen, mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes oder Gefängnisstrafen gebüßt.

Auch vor drakonischen Strafen gegenüber ausländischen Medienvertretern schreckt das System nicht zurück. So wurde der langjährige Büroleiter der angesehenen "Far Eastern Economic Review" in Malaysia, Murray Hiebert, im September letzten Jahres zu einer Gefängnisstrafe von vier Wochen wegen "Mißachtung des Gerichts" verurteilt. Hiebert hatte es gewagt, eine kritische Geschichte über die malaysische Justiz zu schreiben. Das insgesamt zweijährige Gerichtsverfahren, in dessen Verlauf er gehindert wurde, das Land zu verlassen, verdeutlicht, wie es um die Pressefreiheit im Land bestellt ist.

Dennoch gibt es auch hier Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Viele der malaysischen Journalisten nutzen das Internet, um Berichte und Erfahrungen mit ihren Kollegen anderswo auszutauschen oder schlicht das aufzuschreiben, was sie selbst nicht veröffentlichen dürfen. So kann Meinungsfreiheit heute zwar immer noch unterdrückt, aber niemals mehr ganz verhindert werden. Es ist ein Irrglaube rückwärtsgewandter Politik, anzunehmen, daß Verbote und staatlicher Druck am Ende zu verhindern vermögen, daß die Wahrheit nicht doch immer ans Licht kommt.

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