Länderberichte
Während Anhänger Mahathirs von "Stabilität und Kontinuität" sprechen, bezeichnet die Opposition die "neue" Regierungsmannschaft als "vorsintflutlich". Diese Reaktionen zeigen eine Gemeinsamkeit: Trotz einiger zum Teil überraschender Wechsel ist der status quo gewahrt worden. Dies ist allgemein auch erwartet worden, nachdem die regierende Barisan Nasional Koalition (BN) bei den Wahlen am 29. November ihre 2/3 Mehrheit halten konnte.
Allerdings hatte die führende Koalitionspartei, Mahathirs United Malay National Organization (UMNO), empfindliche Verluste einstecken müssen. 22 Parlamentssitze und viele ehemalige UMNO-Hochburgen, besonders in den nördlichen Bundesstaaten, fielen an die Opposition. Bei den Wahlen zu den Länderparlamenten konnte die islamische PAS zum dritten Mal ihre Mehrheit im Bundesstaat Kelantan ausbauen und ein zweites Bundesland, das rohstoffreiche Terengganu, hinzugewinnen.
Viele Malayen, die traditionell UMNO-Anhänger sind, und junge Wähler votierten aufgrund der Anwar-Affäre für das Oppositionslager. In den Zeitungen wurde offen von einem "wake-up call" für die Regierung gesprochen. So hob selbst der stellvertretende Premierminister Abdullah Ahmad Badawi nach den Wahlen hervor, das Wichtigste für die UMNO sei es nun, die jüngere Generation wieder zurückzugewinnen.
Zunächst sieht es aber eher nach "business as usual" in Malaysia aus, was sicher nicht zuletzt mit der Wiederernennung Tun Daim Zainuddins zum Finanzminister manifestiert wird. Sein Verbleiben im Amt soll sowohl einheimischen Geschäftsleuten wie auch ausländischen Investoren den Eindruck von Kontinuität vermitteln. Unter ihm hat sich die Wirtschaft im letzten Jahr allmählich erholt.
Andere Schlüsselpositionen im Kabinett wurden ebenfalls mit bekannten Gesichtern besetzt: Abdullah Badawi bleibt stellvertretender Premierminister sowie Innenminister, Syed Hamid Albar Außenminister, Rafidah Aziz Handels- und Industrieministerin, Ling Liong Sek Transportminister und Samy Vellu leitet weiterhin das Arbeitsministerium.
Die größte Überraschung war der Wechsel Datuk Seri Najib Tun Razaks zum Verteidigungsministerium. Najib, dessen "think tank" MSRC (Malaysian Strategic Research Centre) Partnerinstitut der KAS ist, hatte seinen Wahlkreis am 29. November knapp verteidigen können. Er besiegte mit einem hauchdünnen Vorsprung von 241 Stimmen seinen PAS-Gegenkandidaten. Najib hatte bisher den einflußreichen Posten des Erziehungsministers inne. Neuer Erziehungsminister wurde der politische Neuling Tan Sri Musa Mohamad, ein aus dem Ruhestand geholter ehemaliger Hochschulprofessor. Musa ist weder UMNO-Mitglied noch Abgeordneter und mußte, um sein Ministeramt übernehmen zu können, zunächst zum Senator ernannt werden.
Mit dieser Wahl hat Premierminister Mahathir zum einen das Erziehungsministerium, bisher wichtigster Posten auf dem Weg zum Amt des Premierministers, "entpolitisiert" und zum anderen Najib Tun Razak, der als möglicher Nachfolger Mahathirs gehandelt wurde, zugunsten des stellvertretenden PM Abdullah Badawi verdrängt. Auch ein anderer möglicher Nachfolger Mahathirs, Tengku Razaleigh Hamzah, wurde zurückgedrängt und nicht, wie im Vorfeld der Wahlen erwartet worden war, ins Kabinett berufen. Razaleigh war bei den Wahlen mit dem Ziel angetreten, den Bundesstaat Kelantan, der seit 1995 von der islamischen PAS regiert wird, für die Regierungskoalition zurückzugewinnen, was jedoch fehlschlug. PAS konnte ihre Mehrheit sogar ausbauen.
Premierminister Mahathirs bevorzugter Kandidat für seine Nachfolge - nachdem er hervorhob, dies sei definitiv seine letzte Amtsperiode als Premierminister - ist damit sein jetziger Stellvertreter Abdullah Badawi. Gegenüber der Presse ließ er verlauten "... if I were to step down, Datuk Abdullah will take over. I think UMNO will back him as my successor." Allerdings könnte sich nach dem UMNO-Parteitag, der im nächsten Halbjahr (vielleicht bereits im März) abgehalten werden wird, noch einiges ändern. Premierminister Mahathir strebt auf dem Parteitag noch einmal das Amt des Parteivorsitzenden an, das er seit Juni 1981 innehat. Dafür gibt es eine breite Unterstützung in der Partei, und seine Wiederwahl gilt als sicher. Die Neuwahl des Parteivorsitzenden erfolgt alle drei Jahre. Der Vorsitzende der UMNO, die die dominierende Partei in der seit der Unabhängigkeit 1957 regierenden Barisan Nasional Koalition ist, wird automatisch Premierminister. Der vom Parteitag gewählte stellvertretende Vorsitzende ist auch Stellvertreter des Premierministers. Diese Position ist seit dem Sturz und der Inhaftierung Anwar Ibrahims im September vakant. Abdullah Badawi ist zwar zur Zeit stellvertretender Premierminister, wurde jedoch bisher nicht zum stellvertretenden Parteivorsitzenden ernannt. Sowohl Najib Tun Razak, der momentan, wie Abdullah Badawi, einen von drei Vizepräsidentenposten in der UMNO innehat, als auch Razaleigh haben eine starke Lobby bei den Parteitagsdelegierten und sind mögliche Anwärter auf das Amt des Stellvertreters in der Parteispitze.
Neuer Oppositionsführer im Parlament
Neuer Führer der Oppositionskoalition Barisan Alternatif im Parlament ist der Vorsitzende der PAS, Fadzil Noor. Die oppositionelle Barisan Alternatif (BA) besteht aus der islamischen Parti Islam SeMalaysia (PAS), der von Wan Azizah, Frau des inhaftierten früheren Vize-Premiers Anwar Ibrahim, geführten multiethnischen Malaysian National Justice Party (KEADILAN), der chinesisch dominierten Democratic Action Party (DAP) und der sozialistischen Parti Rakyat Malaysia (PRM).
Die PAS ist mit 27 von insgesamt 45 Sitzen die größte Oppositionspartei im Parlament. Der bisherige Oppositionsführer, der ehemalige Generalsekretär und jetzige Präsident der DAP, Lim Kit Siang, hat bei den Wahlen am 29. November seinen Wahlkreis verloren. Er ist nach über 30 Jahren Parlamentsarbeit als Abgeordneter ausgeschieden.
Während der ersten konstituierenden Sitzung des neugewählten Parlaments am 20. Dezember verließ die Opposition, angeführt von Fadzil Noor, geschlossen den Plenarsaal, um gegen die die ihrer Meinung nach zu früh angesetzte Parlamentssitzung zu protestieren. Sie sorgten damit für einen turbulenten Start der ersten Sitzungswoche, in der unter anderem ein Interimsbudget für das Jahr 2000 verabschiedet wurde.