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Lennart Perlenhem / Wikimedia Commons / CC BY 2.5 DK

Länderberichte

Regierungswechsel in Norwegen

Mitte-Links Koalition wahrscheinlich

Am Montag standen in Norwegen die 169 Mandate für den Stortinget, das norwegische Parlament, zur Wahl. Mit einem Ergebnis von 26,35% und somit einem klaren Vorsprung vor der zweitplatzierten konservativen Partei Høyre (20,50%) wurde die sozialdemokratische Arbeiderpartiet (Ap) stärkste Kraft. Sehr wahrscheinlich ist nunmehr die Bildung einer Mitte-Links-Regierung unter der Führung des Sozialdemokraten Jonas Gahr Støre mit der sozialistischen Linkspartei Sosialistisk Venstreparti (SV) sowie der agrarisch-ländlichen Zentrumspartei Senterpartiet (Sp).

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Mandatsverteilung und Hintergründe von Gewinn und Verlust

Folgendes amtliches Endergebnis wurde am Dienstag veröffentlicht:

 

 

Eigene Zusammenstellung. Daten aus: vg.no2

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Partei Ergebnis 2021 in %
​​​​​​​(Differenz zu 2017)
Sitze im Parlament
(Ap) Arbeiderpartiet 26,3 (-1,0) 48 (-1)
(H) Høyre 20,5 (-4,6) 36 (-9)
(Sp) Senterpartiet 13,6 (+3,3) 28 (+9)
(Frp) Fremskrittspartiet 11,7 (-3,5) 21 (-6)
(SV) Sosialistisk Venstreparti 7,5 (+1,4) 13 (+2)
(R) Rødt 4,7 (+2,3) 8 (+7)
(V) Venstre 4,5 (+0,1) 8 (0)
(MDG) Miljøpartiet De Grønne 3,8 (+0,6) 3 (+2)
(KrF) Kristelig Folkeparti 3,8 (-0,4) 3 (-5)

Eigene Zusammenstellung

 

Die Sozialdemokraten erhielten zwar die meisten Stimmen bei dieser Wahl, erzielten aber insgesamt das schlechteste Ergebnis seit den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Høyre, ebenfalls eine Partei mit über 100-jähriger Geschichte, verlor nach zwei Legislaturperioden mit Ministerpräsidentin Erna Solberg an der Spitze 4,6% der Stimmen im Vergleich zur Wahl 2017. Ein Umstand, der zunächst dadurch zu erklären ist, dass es noch nie eine Partei in Norwegen geschafft hat, mehr als zweimal hintereinander die Regierung zu stellen. Obwohl die Regierung Solberg das Land gut durch die Krisen der letzten Jahre gesteuert hat und Norwegen mit einer negativen Übersterblichkeit in der Corona-Pandemie deutlich besser dastand als beispielsweise das Nachbarland Schweden, gab es in der Bevölkerung den Wunsch nach einem Wechsel und neuen Gesichtern an der Spitze.

Die Zentrumspartei konnte ihre Wählerzustimmung um 3,3% auf 13,58% ausbauen, wobei sie offensichtlich mit ihrem Protest gegen die Gebietsreform, also die Vergrößerung der Gemeindegebiete, sowie die Zentralisierung bei der Polizei und im Gesundheitswesen, bei vielen Wählern Punkte machen konnte.

Bemerkenswert ist durchaus der Einzug der linksradikal marxistischen Partei Røde (R) mit 4,69% ins Parlament. Soziale Ungleichheit und sehr hohe Lebenshaltungskosten im Erdölförderland Norwegen waren zentrale Themen im Wahlkampf, neben den Klima- und Umweltfragen. Auch die sozialistische Linke SV konnte davon profitieren. R und SV fordern gleichermaßen umweltpolitisch einen schrittweisen Ausstieg aus Norwegens Öl- und Gasförderung, ohne dabei aber eine konkrete Perspektive zu nennen.

Die Tatsache, dass die radikale grüne Partei Miljøpartiet de Grønne (MDG) mit 3,84% nicht die erforderliche 4% Hürde überschreiten konnte, deutet gleichzeitig darauf hin, dass deren radikale Forderungen nach einem Ausstieg aus der Erdölförderung bis 2035 nur von einer kleinen Minderheit in Norwegen unterstützt werden.

Die populistische Fremskrittpartiet (FrP), bis Anfang 2020 noch Teil der Regierung Solberg, verlor 3,5% an Zustimmung, ist mit 11,71% aber immer noch eine wichtige politische Stimme in Norwegen.

Die christdemokratische Kristeligt Folkparti (KrF) blieb ebenfalls knapp unter der 4% Hürde, obwohl es am Wahlabend zeitweilig so aussah, dass sie den Einzug schaffen könnte. In den letzten Jahren hatte es Abspaltungen hin zu neuen Parteien des christlichen Fundamentalismus gegeben, allerdings wirkten diese sich im Ergebnis mit - 0,4% gegenüber der Wahl von 2017 doch eher marginal aus.

 

Mögliche Koalitionen und Konfliktfelder

Rechnerisch würde ein Zusammenschluss von Sozialdemokraten, Sozialistischer Linke und Zentrumspartei mit 89 Stimmen als Mehrheitskoalition bequem regieren können. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, ist relativ hoch, auch da es bereits ein Vorbild für eben diese Parteienkoalition von 2005 bis 2013 unter Jens Stoltenberg gibt, bevor er von Erna Solberg abgelöst wurde.

Allerdings sind die Konfliktlinien zwischen den Parteien heute durchaus andere. Die Sozialdemokraten als Befürworter des EWR werden mit einer EU- und EWR skeptisch gegenüberstehenden Zentrumspartei auf der einen sowie Sozialistischen Linken auf der anderen Seite konfrontiert.

Die Frage vom schrittweisen Ausstieg aus der Erdölindustrie aus umweltpolitischer Verantwortung steht schon seit einiger Zeit in der Diskussion und wurde durch den Bericht des Weltklimarates IPCC vom August dieses Jahres noch verschärft. Ein hohes Umweltbewusstsein sowie die innovative und klimafreundliche Förderung des Erdöls beißen sich mit dem Export und seiner Verbrennung in anderen Ländern, wodurch ein Vielfaches der Emissionen erzeugt wird.

Norwegen unternimmt enorme Anstrengungen zum Erreichen der CO2 Neutralität, unter anderem hat das Land die meisten Elektrofahrzeuge in Europa.

 

Fazit

Die konservative Regierung unter Erna Solberg wurde, wie sich in den Umfragen bereits seit Anfang des Jahres ankündigte, trotz ihrer guten Bilanz abgelöst. Für Norwegen ist das ein normaler Wechsel nach zwei Legislaturperioden im Amt. Erna Solberg wird weiter Parteivorsitzende von Høyre bleiben und, wie sie am Dienstag nach den Wahlen sagte, die Rolle einer konstruktiven Partei in der Opposition übernehmen. Gleichermaßen wolle sie eine deutliche Alternative zum Linksruck aufzeigen.

Die vermutlich neue Regierung unter Führung des Sozialdemokraten und Multimillionärs Jonas Gahr Støre wird es schwer haben, das Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Konfliktlinien auszubalancieren.

 

1 Cover: Lennart Perlenhem / Wikimedia Commons / CC BY 2.5 DK, [14.09.2021].
2 https://www.vg.no/valgnatt/2021?utm_source=valg-widget-front, [14.09.2021].

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Kontakt

Gabriele Baumann

Gabriele Baumann

Leiterin des Projekts Nordische Länder

gabriele.baumann@kas.de 0046 8 6117000

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