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Die EU und Brasilien - Partner für Klimaschutz und Energiesicherheit

Bericht zum XVII. Forum Brasilien-Europa – Klima, Energie und Umwelt auf der politischen Agenda Brasiliens und der EU

Im Zeichen der Kooperationsmöglichkeiten in Klima- und Energiefragen stand das „XVII. Forum Brasilien-Europa“, das am 26. und 27. Mai 2010 in Brasilia stattfand. Das Forum war eine von der EU-Delegation in Brasilien unterstützte Gemeinschaftsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung, der brasilianisch-europäischen Parlamentariergruppe des brasilianischen Kongresses und der Universität von Brasilia.

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Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Brasilien gehen bis in die Tage der Römischen Verträge in den sechziger Jahren zurück, waren jedoch für beide Seiten lange Zeit nur von nachrangiger Bedeutung und von zum Teil gegensätzlichen Interessen geprägt. Ins Blickfeld Europas trat Brasilien erst im Zuge seines beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten Jahre und der damit verbundenen zunehmenden politischen Präsenz des Landes auf dem internationalen Parkett. Seit dem EU-Brasiliengipfel 2007 in Lissabon besteht eine strategische Partnerschaft, die es gilt, mit Leben zu füllen.

Die terminliche Abstimmung des Forums mit dem Aufenthalt einer Gruppe von Abgeordneten aus der Delegation für die Beziehungen mit den Mercosul-Staaten des EU-Parlaments in der brasilianischen Hauptstadt ermöglichte die Teilnahme des EU-Abgeordneten und Delegationsvorsitzenden Luis Yáñez-Barnuevo García sowie der EU-Abgeordneten Edite Estrela.

Europäische als auch brasilianische Teilnehmer der Veranstaltung zeigten sich optimistisch mit Blick auf die bevorstehende Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen EU-Mercosul. Diese sollen der strategischen Partnerschaft zwischen Brasilien und der EU mehr Substanz verleihen soll, insbesondere auch im umwelt- und energiepolitischen Bereich. Im Vorfeld des UN-Klimagipfels von Kopenhagen Ende 2009 hatte Brasilien bereits, im Selbstverständnis einer internationalen Führungsmacht, freiwillig den Vorstoß gewagt, sich mittel- und langfristigen Reduktionszielen zu verpflichten. Unter dem Eindruck der vorwiegend als gescheitert interpretierten Klimakonferenz sorgte diese Ankündigung für umso mehr Beachtung und Anerkennung. Brasilien ist damit in jene Gruppe von Staaten vorgedrungen, die beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen.

Einleitend betonte der Vorsitzende der brasilianisch-europäischen Parlamentariergruppe Bala-Rocha die Bedeutung der EU als Handelspartner. Brasilien könne mit seinem für dieses Jahr erwarteten wirtschaftlichen Wachstum von 7 % einen wichtigen Beitrag zur Erholung des krisengeschwächten Europas leisten, so Bala-Rocha. Doch auch seinem Land stünden gewaltige Aufgaben bevor, wie umfangreiche Investitionen in das Gesundheitswesen, in die öffentliche Sicherheit, in Bildung und Forschung und umfangreiche Sozialprogramme zur Armutsbekämpfung.

Die Direktorin der Europaabteilung des brasilianischen Außenministeriums, Maria Edileuza Fontenele Reis, betonte angesichts der wachsenden Bedeutung des EU-Parlaments die Notwendigkeit, den Dialog insbesondere auch auf Ebene der Abgeordneten zu vertiefen. Es müssten gemischte Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Themenblöcken etabliert

und versucht werden, frühzeitig gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme und Aufgaben zu finden.

Diesem Aufruf schloss sich auch der brasilianische Senator Renato Casagrande an. Der politische Dialog zwischen der EU und Brasilien müsse „alltäglicher“ werden. An einer Kooperation im Bereich Umwelt und Energie seien beide Seiten interessiert. Die EU sei auf den Import von Brennstoffen angewiesen, Brasilien könne sie liefern. Gleichzeitig, so Casagrande, sei Brasilien aufgrund seines internationalen Gewichts in der Pflicht, mehr Verantwortung bei globalen Fragen zu übernehmen. Dennoch könne Brasilien aufgrund seines schnell steigenden Energiebedarfs vorerst nicht auf den Ausbau der Energieerzeugung mittels fossiler Brennstoffe verzichten, ebenso wenig wie auf den Bau neuer Wasserkraftwerke im Amazonas. Der Senator betonte jedoch auch, das Brasilien mit seiner knapp zur Hälfte sauberen Energiematrix eine Ausnahmestellung unter den großen Wirtschaftsnationen einnehme. Hinzu komme, dass 90 % der weltweit zum Einsatz kommenden flüssigen Biokraftstoffe brasilianisches Bioethanol sei. Die mit dessen Produktion verbundener Kritik seitens anderer Staaten seien nicht gerechtfertigt. Der hierzu notwendige großflächige Zuckerrohranbau sei weitaus produktiver als die vergleichbare Kraftstoffgewinnung aus Mais oder Rapps. Die EU müsse ihren Protektionismus zum Schutz traditioneller Brennstoffe beenden und den Markt für den Import von Bioethanol öffnen. Umgekehrt könne die EU Brasilien neben technologischer Unterstützung im Bereich der Solar- und Windenergie bei der Umsetzung des geplanten nationalen CO2-Handels behilflich sein.

Der EU-Abgeordnete Luis Yáñez-Barnuevo García sieht in der aktuellen Krise die Chance, die EU weiterzuentwickeln. Die Bevölkerung der EU und Brasiliens hätten die Vision von einer besseren Zukunft. Gemeinsam sei es möglich, die Abhängigkeit vom Öl zu überwinden und anderen globalen Herausforderungen zu begegnen.

Dieser Einschätzung pflichtete auch die EU-Abgeordnete Edite Estrela bei. Im Bereich des Klimaschutzes könnten Brasilien und die EU noch dieses Jahr bei der UN-Klimakonferenz in Cancún ein gemeinsames Zeichen setzen. Mit seinem Reduktionsziel von 36-39 % bis 2020 im Vergleich zu den bisher prognostizierten Werten (BAS = Business As Usual) nehme Brasilien neben der EU eine Vorreiterrolle ein. Die EU würde ihrerseits durch ihr Reduktionsziel von 20 % bis 2020 gegenüber 1990 mit gutem Beispiel vorangehen. Gemeinsam müsse dafür gesorgt werden, dass nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls keine vertragliche Lücke entstehe.

Für Luiz Alberto Figueiredo Machado vom brasilianischen Außenministerium wurde bei der Klimakonferenz von Kopenhagen trotz aller Kritik ein wichtiger Grundstein für den weltweiten Klimaschutz gelegt. Man habe einen Paradigmenwechsel erreicht: Das Bewusstsein über die menschliche Verantwortung für den Klimawandel habe sich endgültig durchgesetzt und neben den Industrieländern seien nun auch die Schwellenländer dazu bereit, auf freiwilliger Basis einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Brasilien habe sich aus eigenem Antrieb, ohne vertragliche Verpflichtung, zu Reduktionszielen entschlossen, vor allem auch weil die eigene Bevölkerung einen solchen Schritt gefordert hätte.

Brasilien sei bereit, sich an der Lösung des Klimaproblems zu beteiligen, auch wenn das Land keine historische Verantwortung für den stattfindenden Klimawandel trage, unterstrich die Staatssekretärin im brasilianischen Umweltministerium, Branca Americano. Brasilien habe erkannt, dass wirtschaftliche Entwicklung auch auf eine umweltschonendere Weise möglich sei als in Europa seit der industriellen Revolution geschehen. Dies könne durch eine engere Kooperation mit der EU gelingen. Großes Interesse bestehe auf brasilianischer Seite beispielsweise an Pilotprojekten wie emissionsfreien Städten.

Der brasilianische Abgeordnete Raul Jungmann sieht derzeit Brasilien in der Vorreiterrolle bei den Verhandlungen über eine Anschlussregelung an das Kyoto-Protokoll. Vom krisengeschüttelten Europa und den USA könne dies aufgrund des Meinungsklimas nicht erwartet werden, da die Sorgen der Europäer derzeit anderer Natur seien. Die aktuelle Krise verbiete seines Erachtens daher auch, zu große Erwartungen an den Klimagipfel in Cancún zu stellen.

Angereichert wurde die vorwiegend politisch geprägte Debatte des ersten Veranstaltungstages, der im brasilianischen Kongress stattfand, durch wissenschaftlich-technischere Ausführungen am zweiten Tag. Hier wurde der rege Austausch zwischen brasilianischen und europäischen Experten fortgesetzt und vertieft, wobei dem Publikum viel Platz zur Teilnahme an der Diskussion gelassen wurde. Zu einem Fokus der Debatte wurde die Rolle des Konsumenten im Prozess der Emissionsreduzierung. So betonte beispielsweise der Umweltberater Christoph Trusen, dass Klimaschutz nicht allein Aufgabe der Politik sein könne, sondern jeden Einzelnen einbeziehen müsse, durch Bildung, aber auch durch mehr Transparenz, z.B. in Form von Umweltsiegeln auf Konsumprodukten. Nur durch das Mitwirken aller, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, könne der langfristige Wandel hin zu einer Low Carbon Society gelingen.

Deutlich wurde beim diesjährigen Forum Brasilien-Europa vor allem eines: Die Grundlagen für die Beziehungen zwischen beiden Akteuren haben sich durch die Entwicklungen der letzten Jahre spürbar verändert. Brasilien hat sich als weiterer Machtpol im internationalen Wirtschafts- und Politikkonzert positioniert und untermauert dies mit dem kontinuierlichen Verweis auf die eigene Souveränität wie beispielsweise im Falle der selbstgesetzten CO2-Reduktionsziele. Dieses Selbstbewusstsein spiegelt sich ebenfalls wider in der Einschätzung des eigenen wirtschaftlichen Potenzials im Vergleich zur Situation in Europa und den USA. Der Erfolg der Partnerschaft zwischen Brasilien und Europa wird in großem Maße von der Fähigkeit beider Seiten abhängig sein, sich auf diese neue Situation einzustellen und sie nutzbar zu machen, beispielsweise mittels einer besseren Abstimmung im Rahmen internationaler Klimaverhandlungen oder Handelsvereinbarungen.

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