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Länderberichte

Die Ankündigung großer Vorhaben

von Dr. Peter R. Weilemann †, Joscha Ritz, Dr. Olaf Wientzek

Die Tagung des Europäischen Rates vom 10. und 11. Dezember 2009

Fünf Botschaften scheinen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union mit dem ersten Gipfel unter dem Lissabon-Vertrag senden zu wollen: neue Impulse für Kopenhagen, von der Überwindung zur Wirtschafts- und Finanzkrise zu einer Strategie der Nachhaltigkeit, Annahme des Stockholmer Programms, Umsetzung des Lissabon-Vertrages, EU-Erweiterung

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Mit einer Anschubfinanzierung zur Umstellung der Klimapolitik der Entwicklungsländer in Höhe von € 7.2. Mrd. über drei Jahre hofft die Europäische Union den Verhandlungen auf dem Kopenhagener Klimagipfel einen entscheidenden Impuls zu geben und die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen zu unterstreichen. Die Mittelzusage erfolgt auf freiwilliger Basis. Entgegen anfänglicher Erwartungen beteiligen sich alle Mitgliedsstaaten und die Kommission an der Finanzierung.

Auch wenn es für Entwarnung bei der Wirtschafts- und Finanzkrise noch zu früh ist, so ist es doch notwendig, bereits jetzt eine besser integrierte Strategie für nachhaltiges Wachstum und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union festzulegen. Auf Vorschlag des neuen Präsidenten des Europäischen Rates soll die Staats- und Regierungschefs Anfang Februar auf einem Sondergipfel die neue Strategie „EU 2020“ beraten.

Nachdem die Bürger der Europäischen Union in den zurückliegenden Jahren vor allem als Wirtschaftssubjekte des Binnenmarktes im Blickpunkt standen, sollen nun ihre Rechte als Unionsbürger gestärkt werden. Mit dem so genannten Stockholmer Programm verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs einen umfassenden Aktionsplan zur Innen- und Justizpolitik für die Jahre 2010 bis 2014. Das breit angelegte Programm wird allerdings noch einer besseren Fokussierung unter richtigen politischen Vorzeichen bedürfen.

Die Umsetzung des Vertrages von Lissabon soll zügig und möglichst reibungslos vorangetrieben werden. Die rasche Aufnahme der Arbeit des Europäischen Auswärtigen Dienstes bis Ende April 2010 und die Schaffung der Voraussetzungen für das neue Instrument einer Bürgerinitiative stehen dabei politisch im Vordergrund. Daneben müssen allerdings noch viele rechtliche und politische Fragen insbesondere im Verhältnis der Institutionen geregelt werden.

Trotz wachsender Forderungen nach einer Phase der Konsolidierung der Europäischen Union gibt es keinen Kurswechsel in der Erweiterungspolitik gegenüber den Staaten des westlichen Balkans. Der Europäische Rat bestätigte entsprechende Entscheidungen des Außenministerrates gegenüber Serbien und Kroatien. Mazedonien darf damit rechnen noch unter spanischer Präsidentschaft Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Die Weigerung der Türkei, das Ankaraprotokoll umzusetzen, wird weiter hingenommen.

1. Neue Impulse für Kopenhagen

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nutzten ihr Gipfeltreffen in Brüssel, um den Verhandlungen in Kopenhagen über ein neues Klimaabkommen zusätzlichen Schwung zu verleihen. Die EU-Mitgliedstaaten erklärten sich bereit, einen überraschend hohen Mindestbeitrag von 7,2 Milliarden Euro (d.h. 2,4 Milliarden Euro pro Jahr) zur Unterstützung von Sofortmaßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel in Entwicklungsländern von 2010 bis 2012 zu leisten. Die Beiträge der Mitgliedstaaten erfolgten auf freiwilliger Basis – wie auch vom Europäischen Rat Ende Oktober beschlossen. Die Summe von 7,2 Milliarden Euro stellt das Ergebnis intensiver Verhandlungen in der Nacht von Donnerstag auf Freitag dar. Während einige Mitgliedstaaten – wie beispielsweise Großbritannien oder Schweden - bereits im Vorhinein Angebote unterbreitet hatten, sahen andere Mitgliedstaaten angesichts hoher Haushaltsdefizite kaum Spielraum für eigene Beiträge. Schließlich beteiligten sich jedoch alle Mitgliedstaaten sowie die Kommission an der Anschubfinanzierung und sendeten damit ein wichtiges Signal der Solidarität an die Entwicklungsländer. Deutschland trägt 420 Millionen Euro bei. Die Anschubfinanzierung, die insbesondere für die am wenigsten entwickelten Länder gedacht ist, soll für Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen sowie zum Kapazitätsaufbau bereitgestellt werden. Auf ihrem Gipfeltreffen vom 29./ 30. Oktober 2009 hatten die Staats- und Regierungschefs Schätzungen der Europäischen Kommission zur Kenntnis genommen, die den Gesamtfinanzierungsbedarf für den Zeitraum 2010 bis 2012 auf fünf bis sieben Milliarden Euro pro Jahr beziffern. Im Gegensatz dazu stellt die nun genannte Zahl von 7,2 Milliarden Euro eine Gesamtsumme des EU-Mindestbeitrags für die ersten drei Jahre nach Abschluss eines Abkommens in Kopenhagen dar. Nachdem die EU-Mitgliedstaaten nunmehr konkrete Zahlen auf den Tisch gelegt haben, forderten sie andere entwickelte Länder auf, ebenfalls ihre Beiträge anzukündigen.

Der Europäische Rat hat ferner sein konditionales Angebot zur Emissionsreduktion aufrechterhalten. Eine Senkung der Emissionen bis 2020 um 30% im Vergleich zu 1990 - anstatt der angebotenen 20% - wird davon abhängig gemacht, ob die anderen Industriestaaten und Entwicklungsländer ebenfalls ihrer Verantwortung zur Emissionsreduktion gerecht werden. Damit wurde dem Drängen einiger Mitgliedstaaten nicht nachgegeben, die gefordert hatten, die EU solle abermals bei der Emissionsreduktion in Vorleistung gehen. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigten das Ziel, die globale Erwärmung auf unter 2° C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu halten. In diesem Zusammenhang wurden kürzlich unterbreitete Angebote zur Emissionsreduzierung begrüßt. Die EU-Mitgliedstaaten forderten diejenigen Staaten, die noch kein angemessenes Angebot vorgelegt haben, auf, dies umgehend nachzuholen. Im Rahmen der abschließenden Pressekonferenz drängte Ratspräsident Reinfeldt insbesondere die USA, ein ehrgeizigeres Angebot vorzulegen. Die USA haben angeboten, ihre Emissionen bis 2020 um 17% im Vergleich zu 2005 zu senken, was eine Reduktion von drei bis vier Prozent gegenüber 1990 bedeutet.

Zudem konkretisierten die EU-Mitgliedstaaten ihr Verhandlungsmandat für die Klimakonferenz in Kopenhagen. Es wurde gefordert, dass ein Übereinkommen in Kopenhagen – vorzugsweise in einem Zeitrahmen von sechs Monaten – in ein rechtlich verbindliches Instrument überführt wird. Darüber hinaus bekräftigte der Europäische Rat die Verhandlungsposition, die auf dem Gipfeltreffen vom 29./ 30. Oktober 2009 festgeschrieben wurde: Die EU zielt auf ein weltweites, ehrgeiziges und umfassendes Übereinkommen zum Klimaschutz ab. Dieses müsse gemeinsam vereinbarte transparente internationale Standards für Messbarkeit, Berichtsfähigkeit und Nachprüfbarkeit von Treibhausgasemissionen beinhalten.

2. Von der Überwindung zur Wirtschafts- und Finanzkrise zu einer Strategie der Nachhaltigkeit

Der Europäische Rat begrüßte die Fortschritte zur Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise. Der ECOFIN-Rat hatte am 2. Dezember Übereinkommen über eine neue Struktur der Finanzaufsicht in Europa sowie über Ausstiegsstrategien erzielt. Nachdem er am 20. Oktober 2009 bereits Übereinkommen über die Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken erreicht hatte, konnte im Dezember auch Konsens über drei EU-Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Wertpapiermärkte erzielt werden. Die neuen EU-Aufsichtsbehörden, welche die bisherigen Kontrollgremien ersetzen, stellen einen zentralen Bestandteil des Europäischen Systems der Finanzaufsicht dar, das nationale und europäische Aufsichtsbehörden künftig eng miteinander verzahnen soll. Insbesondere die Frage der Verbindlichkeit von Beschlüssen der künftigen Europäischen Bankenaufsichtsbehörde für die Mitgliedstaaten hatte zu schwierigen Verhandlungen im Rat geführt. Vor allem Großbritannien stand dabei weit reichenden Befugnissen auf europäischer Ebene kritisch gegenüber. Die Staats- und Regierungschefs forderten das Europäische Parlament nun zur zügigen Annahme der Rechtsetzungsvorschläge auf. Dort stößt das Vorhaben jedoch auf heftigen Widerstand. Die Europaabgeordneten kritisierten, dass die vorgeschlagene Regelung mit zersplitterten nationalen Zuständigkeiten noch viele Lücken lasse, die es globalen Akteuren erlaube, sich der Aufsicht zu entziehen. Auch seien die Beschlüsse der künftigen Europäischen Bankenaufsichtsbehörde nicht bindend genug. Der Wirtschaft- und Währungsausschuss will sich im Januar mit der Gesetzesvorlage befassen. Ziel ist es, dass der neue Rahmen europäischer Finanzaufsicht im Verlauf des Jahres 2010 operativ wird.

Der Europäische Rat betonte ferner die Notwendigkeit eines rechtlichen Rahmens, der Finanzinstitute besser mit der Gesellschaft verbindet. In diesem Zusammenhang wurde der Internationale Währungsfonds aufgefordert, innovative Finanzierungsformen – u.a. die Einführung einer Steuer auf globale Finanztransaktionen - zu prüfen.

Mit Blick auf die Ausstiegsstrategien betont der Europäische Rat die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Der ECOFIN-Rat vom 2. Dezember hatte Defizitverfahren u.a. gegen Deutschland eingeleitet und Empfehlungen im Rahmen bestehender Defizitverfahren gegen Irland, Spanien, Frankreich und Großbritannien überarbeitet. Unter Berücksichtigung der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise beschloss der ECOFIN-Rat, dass die betroffenen Länder spätestens ab dem 2. Juni 2010 korrigierende Maßnahmen ergreifen müssen, und skizzierte entsprechende Strategien. Den Mitgliedstaaten wurde bis 2012 (Belgien, Italien), 2013 (u.a. Deutschland), 2014 (Irland) bzw. bis zum Finanzjahr 2014-15 (Großbritannien) Zeit eingeräumt, um ihre Defizite unter die Grenze von 3% des BIP zurückzuführen.

Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit breiter angelegter Exitstrategien betont, die auch den Ausstieg aus finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für den Finanzsektor einschließen. In diesem Kontext betrachtete der Europäische Rat die durch den ECOFIN-Rat vom 02. Dezember 2009 erarbeiteten Prinzipien als Leitfaden künftigen Handelns. Die EU-Finanzminister forderten koordinierte Strategien, welche die Rückkehr zu Anreizen eines wettbewerblich verfassten Marktes ermöglichen, den ex-ante Informationsaustausch sicherstellen, dem Kriterium der Transparenz genügen und eine Bewertung der Stabilität des Finanzsystems einschließen. Der Ausstieg aus finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für den Finanzsektor sollte mit dem stufenweisen Rückzug staatlicher Garantien beginnen. Ferner sollten bei Entscheidungen über den richtigen Zeitpunkt des Ausstiegs Kriterien wie etwa die Stabilität des Finanzsektors sowie länderspezifische Bedingungen einbezogen werden. Schließlich müsse der rechtliche Rahmen sowie das Interesse an einer Minimierung des Verlusts öffentlicher Mittel berücksichtigt werden. Ferner bekannte sich der Europäische Rat erneut zu den Grundsätzen fiskalpolitischer Ausstiegstrategien, die bereits im Rahmen des ECOFIN-Rats vom 20. Oktober 2009 entwickelt wurden.

Die Fortschritte bei der Entwicklung von Ausstiegsstrategien werden durch das hohe griechische Haushaltsdefizit und die extrem hohe Verschuldung überschattet. Dies wird als eine Gefährdung der Stabilität des Euroraums gesehen. Der ECOFIN-Rat vom 2. Dezember hatte die Reaktion Griechenlands auf Empfehlungen im Rahmen eines bestehenden Defizitverfahrens als ungenügend bewertet. In gleicher Richtung nahmen die Regierungschefs nun auf dem Gipfel den griechischen Ministerpräsidenten in die Pflicht. Ratspräsident Reinfeldt und Kommissionspräsident Barroso zeigten sich jedoch nach der Debatte überzeugt, die neue Regierung Papandreou den Ernst der Lage erkannt habe und notwendigen Reformen zur Senkung des Defizits einleiten werde.

Gleichzeitig gab der Europäische Rat aber auch ein Signal für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der EU: Mit der „EU 2020-Strategie“, der Nachfolgerin der Lissabon-Strategie soll der wirtschaftliche Reformprozess in der Europäischen Union neuen Schub erhalten. Kernprioritäten der Strategie sollen die Stärkung wissensgestützten Wachstums und die Effizienz und Inklusivität der Arbeitsmärkte Noch stärker als bisher soll auf Nachhaltigkeit einer wettbewerbsfähigen und „grünen“ Wirtschaft eingegangen werden. Ein vierter Schwerpunkt ist die digitale Wirtschaft und die digitale Agenda.

Die Kommission soll nun Anfang 2010 Vorschläge erarbeiten, die dann im Rahmen eines Sondergipfels im Februar von den Staats- und Regierungschefs weiter erörtert werden sollen.

3. Annahme des Stockholmer Programms

Nach den Programmen von Tampere (1999) und Den Haag (2004) soll die Verabschiedung des Stockholmer Programms eine neue Etappe der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres in den Jahren 2010-2014 einläuten. Hintergedanke war, nach der weit fortgeschrittenen Wirtschaftsintegration nun, basierend auf den Forderungen des Lamassoure-Berichts von 2008, ein bürgerfreundlicheres Europa zu schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags steht das Programm auch unter den Vorzeichen der Vergemeinschaftung der dritten Säule sowie einer Stärkung des Europäischen Parlaments in diesem Politikfeld.

Mit dem Titel eines „offenen und sicheren Europas zum Schutz und im Dienst des Bürgers“ setzt das Dokument im Vergleich zu den beiden eher auf Sicherheit konzentrierten Vorgängerprogrammen auf den ersten Blick seinen Schwerpunkt auf Grund- und Bürgerrechte in der EU. Tatsächlich umfasst das Programm aber erneut die gesamte Bandbreite von Vorschlägen und Maßnahmen im Bereich Justiz und innere Sicherheit: So stehen ebenfalls Fragen der Zusammenarbeit an den Außengrenzen sowie die interne Sicherheitsstrategie und eine stärkere polizeiliche und strafrechtliche Zusammenarbeit im Vordergrund. Insgesamt handelt es sich um einen Mix aus der Wiederbelebung alter Initiativen sowie neuer Vorschläge: Zur Stärkung der Rechte europäischer Bürger soll eine verstärkte Kooperation bei Datenerhebung und – austausch erfolgen. Es sollen Zertifikate für „datenschutzfreundliche“ Produkte und Technologien eingeführt werden. Zudem soll die Kommission einen Vorschlag zum Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention vorlegen. Ferner soll die stark fragmentierte Zusammenarbeit bei polizeilicher und strafrechtlicher Kooperation intensiviert werden, im Vordergrund steht der umfassende Ausbau von grenzüberschreitender Fortbildung von Polizisten und Richtern. Bei Fragen konkreter Zusammenarbeit in diesem Bereich bleibt das Programm jedoch noch vage. Ein weiterer Aspekt ist die Ausarbeitung einer internen Sicherheitsstrategie zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Terrorismus, Drogen- und Menschenhandel. Insgesamt sollen auch hier Informationsaustausch und die Kooperation zwischen der Polizei der Mitgliedstaaten sowie zwischen den relevanten EU-Agenturen (Frontex, Europol, Eurojust) intensiviert werden. Ferner erwägt das Programm über die Möglichkeit von ad-hoc Kooperation bei großen Events (etwa die Europameisterschaft 2012) und die Einrichtung eines eigenen Koordinators im Kampf gegen Menschenhandel.

Ein Kernpunkt des Programms ist im Rahmen der Zusammenarbeit an den Grenzen die umfassende Stärkung der für die Koordination der operativen Grenzkooperation zuständigen Agentur FRONTEX, die nun unter anderem auch regionale oder spezialisierte Zweigstellen eröffnen können soll. Die Kommission soll bis Anfang 2010 einen entsprechenden Vorschlag ausarbeiten. Fer ner sollen ein Europäisches Grenzüberwachungssystem und ein Registrierungssystem aller Ein- und Ausreisenden geschaffen werden.

In Fragen von Einwanderung und Asyl bekräftigt das Dokument erneut das Ziel eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Es wird jedoch keinen ursprünglich im Kommissionspapier vorgesehenen Mechanismus zur gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen geben. Solidarität der Mitgliedstaaten soll weiterhin auf freiwilliger Basis geübt werden. Das Programm fordert darüber hinaus eine stärkere Synergie von Außen- und Sicherheitspolitik mit der externen Dimension von justizieller Zusammenarbeit. Auch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten gerade bei Rückführungsabkommen soll in den nächsten fünf Jahren umfassend verstärkt werden.

Auf Grundlage dieser breiten Palette an Maßnahmen und Vorschlägen soll die Europäische Kommission im ersten Halbjahr 2010 einen konkreten Aktionsplan ausarbeiten, der im Juni vorgelegt werden soll. Dabei steht sie vor mehreren Herausforderungen: Zum einen bleibt das Programm in einigen Bereich relativ vage. Auf die beiden mit der Umsetzung des Stockholmer Programms betrauten Kommissare wird zudem die schwierige Aufgabe zukommen, aus dem Dickicht der Prioritäten und Maßnahmen Schwerpunkte zu setzen und den eigentlichen Grundgedanken des Programms, nämlich die Stärkung der Rechte und den Schutz des Bürgers wieder herauszuarbeiten und zu stärken. Mit Viviane Reding als neuer EU-Kommissarin für Justiz, Grund- und Bürgerrechte besteht aber die Aussicht, dass im Aktionsplan der Kommission die Schaffung eines Europas der Bürger, wie im Lamassoure-Bericht von 2008 gefordert, sich wieder als Priorität herauskristallisiert.

Eine Zwischenbewertung des Programms soll vor Juni 2012 erfolgen.

4. Umsetzung des Lissabon-Vertrages

Die Tagung des Europäischen Rates war die letzte unter schwedischer Präsidentschaft aber die erste als neues Organ der Europäischen Union gemäß dem Lissabon Vertrag. Deshalb waren auch die Außenminister nicht, wie in der Vergangenheit üblich, eingeladen.

Da der designierte Präsident des Europäischen Rates, van Rompuy, sein Amt erst mit Beginn des neuen Jahres antritt hatte die Sitzungsleitung noch ein Mal der schwedische Ministerpräsident inne. Van Rompuy nahm jedoch am Abendessen teil und stellte seine Überlegungen zur Amtsführung und Rolle des Europäischen Rates vor. Viele praktische Fragen mit langfristiger politischer Bedeutung sind zu klären. So spricht man in Brüssel nach wie vor von der kommenden „spanischen Präsidentschaft“ oder „Triopräsidentschaft“ (Spanien, Belgien, Ungarn). Die Staaten haben es sich auch nicht nehmen lassen ihre Prioritäten für die Ratsarbeit die nächsten 18 Monate zu formulieren. Die Verzahnung dieser Arbeitsschwerpunkte mit denen der Kommission und des Europäischen Parlamentes wird eine der schwierigen Aufgaben sein, die der neue Präsident des Europäischen Rates – der die Impulse wie allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der Europapolitik vorgeben soll - zu leisten hat.

Zu den vielen offenen Fragen des künftigen Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) wie Rolle der Delegationen, Personalausstattung oder Programmierung der Haushaltsmittel machen die Schlussfolgerungen der Tagung keine Angaben. Die Hohe Vertreterin, Catherine Ashton, wird aufgefordert ihre Vorschläge zur Organisation und Arbeitsweise so rasch vorzulegen, dass sie bis Ende April angenommen werden können.

Zu politischen Umsetzung des neuen Verfahrens einer Bürgerinitiative – intendiert als Instrument der Bürgernähe – hat die Kommission Mitte November ein Grünbuch vorgelegt und Interessierte aufgefordert, Stellung zu den damit zusammenhängenden praktischen Fragen zu beziehen. Wenn sich 1 Million Unionsbürger zusammenfinden, können sie die Kommission auffordern, in einem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden. Doch was sind die Mindestanforderung an die Zahl der beteiligten Mitgliedsstaaten? Sind 0.2 Prozent einer EU Bevölkerung von rund 500 Millionen ein hinreichendes Quorum? Wie präzise muss das Anliegen formuliert sein? etc. Der Europäische Rat fordert die Kommission auf, schnellstmöglich einen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten, damit dieser noch im ersten Halbjahr 2010 angenommen werden kann.

Diese Beispiele – Verhältnis der Ratspräsidentschaften, praktische Regelungen für den Auswärtigen Dienst oder Bürgerbegehren, man muss auch hinzufügen: Rolle der nationalen Parlamente und Benennung der neuen Amtsträger– zeigen, dass die Umsetzung des Lissabon-Vertrages viele Fallstricke bietet. Falsch angegangen können sie die Freude über das lang ersehnte und erkämpfte Inkrafttreten des Vertrages rasch trüben.

5. Erweiterung

Der Europäische Rat bekräftigte ferner die Schlussfolgerungen des Rats für Allgemeine Angelegenheiten zur Erweiterung: Der Rat folgt bezüglich des westlichen Balkans weitgehend dem tendenziell positiven Bericht der Europäischen Kommission. Eine Kurskorrektur bei der offensiven Erweiterungsstrategie ist somit nicht erkennbar. Darüber hinaus konnte bei der Frage der Implementierung des Interimabkommens mit Serbien ein Durchbruch erzielt werden. Nachdem im Brammertz- Report „Fortschritte“ in der Zusammenarbeit zwischen dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und Serbien festgestellt worden waren, gaben die Niederlande ihren Widerstand gegen die Umsetzung des Interimabkommens auf. Zu erwarten ist nun, dass Serbien bald offiziell sein Beitrittsgesuch stellen wird. Vor einer kompletten Umsetzung des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens warten die Niederlande aber noch auf die „volle Kooperation“ Serbiens mit dem ICTY.

Keine Fortschritte gab es im Fall von Mazedonien bei der Namensfrage: Somit konnten die EU-Beitrittsverhandlungen noch nicht in Angriff genommen werden. Gleichwohl zeichnet sich bei den Verhandlungen zwischen der neuen griechischen Regierung und Skopje eine positive Dynamik ab, die zu einem Durchbruch während der spanischen Präsidentschaft führen könnten.

Die Türkei wurde erneut dazu aufgerufen, umgehend das Zusatzprotokoll des Assoziationsabkommens („Ankaraprotokoll“) auf alle Mitgliedstaaten umzusetzen und somit seine Häfen auch für zypriotische Schiffe zu öffnen. Die vom Europäischen Rat im Dezember 2006 gestellte Frist verstreicht nun ohne jegliches Resultat. Entgegen der Forderung Zyperns vor dem Gipfel, weitere fünf Kapitel zu blockieren, wurde nur die lediglich bereits bestehende Blockade von acht Kapiteln bestätigt. Zypern kündigte gleichwohl an, seinerseits die Öffnung von fünf weiteren Kapiteln (darunter auch das Energiekapitel) zu blockieren.

Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ist nun zu erwarten, dass Befürworter einer raschen Erweiterung der EU um neue Länder weiteren Auftrieb erhalten.

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