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Länderberichte

Die Kandidaten der neuen EU-Kommission

Anhörung durch das Europäische Parlament

Vom 11. bis zum 19. Januar 2010 werden sich nach sechs Wochen der Vorbereitung die Kandidaten der neuen Europäischen Kommission den Anhörungen im Europäischen Parlament stellen. Durch die verzögerte Ratifizierung des Lissabon-Vertrags mussten die für Ende 2009 geplanten Anhörungen in den Januar 2010 verschoben werden. Die „alte Kommission“ ist nun seit dem 31.10. nur noch geschäftsführend im Amt.

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Bei den Anhörungen werden die Kandidaten für die neue Kommission (deren 7 in ihrer Vergangenheit EP-Abgeordnete waren) vor die ihrem Ressort entsprechenden parlamentarischen Ausschüsse geladen, um ihre Prioritäten für ihre Amtszeit darzulegen sowie sich Fragen seitens der Abgeordneten zu stellen. Erst nach der folgenden Bestätigung des gesamten Kommissionskollegiums durch das Europäische Parlament wird die neue Europäische Kommission ihre Arbeit aufnehmen können.

Organisiert werden die Anhörungen von der Konferenz der Präsidenten und der Konferenz der Ausschussvorsitze. Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments sieht vor, dass jeder Kommissar sich einer Anhörung durch den seinem Portfolio entsprechenden Ausschuss stellen soll. Falls mehrere Ausschüsse das Portfolio des Kommissars abdecken, nehmen alle beteiligten Ausschüsse unter der Federführung des hauptsächlich betroffenen Ausschusses an der Anhörung teil. Wenn das Portfolio die Arbeitsbereiche zweier Ausschüsse gleichermaßen betrifft, sind beide Ausschüsse gleichwertig an der Anhörung beteiligt. Hinsichtlich der Zuständigkeiten der jeweiligen Ausschüsse hatte es Differenzen gegeben.

Zur Vorbereitung der Anhörungen waren den Kandidaten bereits fünf schriftliche Fragen vorgelegt worden, die sich auf die persönliche Eignung, die Stellung innerhalb der Kommission, die Zusammenarbeit mit dem EP sowie auf die Prioritäten im eigenen Portfolio bezogen. Einige Kandidaten nutzten diese Gelegenheit, um bereits konkrete Projekte für ihre Amtszeit anzukündigen. Die mündliche Anhörung dauert pro Kommissar drei Stunden. Zunächst einmal erhält der Kandidat für maximal 20 Minuten das Wort für eine einleitende mündliche Erklärung. Nach den Fragen durch den Ausschuss erhält der Kommissionskandidat am Ende der Anhörung noch die Gelegenheit, eine kurze Abschlusserklärung abzugeben.

Bei der Bewertung der Anhörungen muss das Parlament entscheiden, ob der Kandidat geeignet ist, zum einen Kommissionsmitglied zu sein und zum anderen die fachliche Qualifikation für das für ihn vorgesehene Portfolio zu besitzen. Falls ein Ausschuss in beiden Fragen keine Einigung erzielt, wird eine geheime Abstimmung gehalten. Die Beschlüsse der Ausschüsse werden dann der Konferenz der Präsidenten und der Konferenz der Ausschussvorsitze präsentiert. Abschließend stellt der Kommissionspräsident das Komissionskollegium in einer Plenarsitzung des EP vor, gefolgt vom Votum des Parlaments über die neue Kommission als Ganzes.

In der Vergangenheit hatte das Parlament die Kandidaten durchaus strengen Prüfungen unterzogen und entweder Kandidaten durchweg abgelehnt oder aber einen Tausch von Portfolios erwirkt. Mit Hinblick auf seine gestärkte Position und neue Mitentscheidungsbefugnisse in weiteren Politikfeldern durch den Lissabon-Vertrag wird das Parlament die Anhörungen nutzen, um eigene Prioritäten gegenüber den Kommissaren deutlich zu machen.

Obgleich vor allem die fachliche Befähigung für das Amt im Vordergrund steht, werden bei den Anhörungen einiger Kandidaten wie in der Vergangenheit auch der persönliche und Hintergrund sowie politische Überlegungen eine Rolle spielen. Gerade Gruppen, deren Parteifamilie keine eigenen Kandidaten stellt, könnten versuchen, die Anhörungen als politische Bühne zu benutzen.

Wegen seiner kommunistischen Vergangenheit steht Stefan Füle, Kandidat für das Portfolio, „Erweiterung und ENP“, in der Kritik: So war er von 1982-1989 Mitglied der kommunistischen Partei und war zudem auf einer sowjetischen Diplomatenuniversität gewesen. Eine zu große „Nähe“ zum kommunistischen Regime seines Landes wird auch dem ungarischen sozialistischen Kandidaten Laszlo Andor vorgeworfen, allerdings ist er selber nie Parteimitglied gewesen. Zweifel an seiner Eignung kamen auch durch seine mangelnde Erfahrung in Verwaltung oder Politik auf. Kritisch wird auch beäugt werden, welche Schwerpunkte der ausgesprochene (Post-)Keynesianer Andor im Rahmen der sozialen Agenda der neuen EU-2020-Strategie setzen wird; Andor hatte bereits angekündigt, die umkämpfte Arbeitszeitrichtlinie einer Überprüfung zu unterziehen. Vor allem die Grünen sowie die bulgarische Presse werfen Rumiana Jeleva (Kandidatin für das Portfolio Internationale Kooperation, humanitäre Hilfe und Crisis Response) angebliche Verstrickungen ihres Ehemannes in Korruptionsfälle vor.

Generell wird das Parlament darauf bedacht sein, auf Respekt gegenüber seinen neuen Mitwirkungsrechten in verschiedenen Politikfeldern zu pochen: Das ist insbesondere bei der Anhörung des Handelskommissars de Gucht zu erwarten, da die Rolle des EP beim Abschluss internationaler Handelsabkommen gestärkt wird. Unter anderem wird dies wohl auch in der Anhörung von Dacian Ciolos, Kandidat für Kommissar und ländliche Entwicklung eine Rolle spielen, für die Anhörung von Janusz Lewandowski (Haushalt) und für Maros Sefcovic, der neben der Verwaltung auch für interinstitutionellen Beziehungen zuständig sein wird.

Lewandowski und Ciolos werden sich wohl angesichts der bald beginnenden Verhandlungen für den Haushaltsplan 2014-2021 brisanteren Fragen stellen müssen. Von Ciolos wird dabei erwartet, überzeugende Szenarien für die zukünftige Entwicklung der kostenintensiven Gemeinsamen Agrarpolitik vorzustellen. Im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise könnten auch Olli Rehn (Wirtschaft und Währung) sowie Joaquin Almunia (Wettbewerb, insbesondere bzgl. staatlicher Beihilfen) vor schwierigen Anhörungen stehen. Bei mehreren Anhörungen werden auch Großprojekte wie die anstehende EU 2020-Strategie oder auch die Umsetzung des Stockholmer Programms eine Rolle spielen: Hier werden Viviane Reding und auch Cecilia Malmström darlegen müssen, wie sie die Wunschliste des beim letzten Europäischen Ratsgipfel angenommenen Stockholmer Programms in einen Aktionsplan umsetzen möchten. Reding (Justiz, Grundrechte und bürgerliche Rechte) hatte bei den schriftlichen Fragen bereits erklärt, dass die Schaffung eines „Europas der Bürger“ im Geiste des Lamassoure-Berichts eine der drei Prioritäten ihrer Amtszeit sein würde.

Zum deutschen Kandidaten, Günther Oettinger (Energie) sind seit der Festlegung der Portfolios keine kritischen Stimmen mehr zu vernehmen.

Falls alle Kandidaten die Anhörungen gut überstehen, würde das Votum über das Kommissionskollegium am 26. Januar stattfinden. Sollten aber die jeweiligen Ausschüsse nicht von der Eignung eines oder mehrere Kandidaten überzeugt sein, wäre Kommissionspräsident Barroso zu Personalwechseln gezwungen, um bei der Abstimmung das Kommissionskollegium als Ganzes nicht in Gefahr zu bringen. Das würde den ohnehin schon verspäteten Start der neuen Kommission weiter über den 1. Februar hinauszögern.

Eine Übersicht aller Kandidaten für die neue Kommission finden Sie im obigen pdf.

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