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Länderberichte

Signal der Geschlossenheit

von Joscha Ritz, Dr. Olaf Wientzek

Der Europäische Rat vom 16. und 17. Dezember 2010

Die Staats- und Regierungschefs nutzten ihre Dezember-Tagung, um ein Signal der Geschlossenheit auszusenden. Diese Botschaft war nach zuletzt öffentlich ausgetragenen Dissonanzen, hinsichtlich des richtigen Wegs aus der Eurozonenkrise, erforderlich.

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Voraussetzung war eine erfolgreiche Vorbereitung des Gipfeltreffens - insbesondere durch Präsident Van Rompuy. Der Europäische Rat konzentrierte sich darauf, die Maßnahmen umzusetzen, deren Weichenstellung bereits auf dem Oktobergipfel vorgenommen worden war. So wurde Einigung über eine begrenzte Änderung des Lissabonvertrags zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus erzielt und Grundsätze seiner Ausgestaltung beschlossen. Darüber hinaus gaben die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets und die EU-Institutionen eine allgemeine Erklärung ab, in der sie versicherten, die Stabilität der Eurozone unter allen Umständen zu gewährleisten. Für Diskussionen am Rande des Gipfels sorgten Bemühungen des britischen Premiers David Cameron, Unterstützung für eine Erklärung zur Deckelung des Mehrjährigen Finanzrahmens zu gewinnen. Darüber hinaus wurde der Fortschrittsbericht der Hohen Vertreterin Catherine Ashton zu den strategischen Partnerschaften diskutiert. Zudem erkannten die Staats- und Regierungschefs Montenegro den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu.

1. Konkrete Maßnahmen zur Stärkung wirtschaftspolitischer Steuerung in der Eurozone

Im Mittelpunkt des Europäischen Rats stand die Schaffung eines Stabilitätsmechanismus für die Eurozone. Es galt, durch konkrete und überschaubare Maßnahmen, das Vertrauen in die Einigkeit und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken.

Strittig waren ausschließlich Details der Formulierung, bezogen auf die Vertragsänderung zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf eine eng begrenzte Vertragsänderung und öffneten damit die Tür für das vereinfachte Änderungsverfahren nach Artikel 48 Abs. 6 EUV. Primärrechtlich verankert werden soll, dass der Krisenmechanismus nur als Ultima Ratio zur Stabilisierung der Eurozone als Ganze und unter strengen Auflagen aktiviert werden kann. Ferner beschlossen die Staats- und Regierungschefs – wie erwartet – die Grundzüge eines Europäischen Stabilitätsmechanismus, wie sie in der Erklärung der Eurogruppe vom 28. November niedergelegt sind. Damit trug der Europäische Rat Kernforderungen der Bundesregierung Rechnung.

Zudem wurde eine wirtschaftspolitische Strategie für die Eurozone vereinbart. Zentrales Element ist die Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone und der EU-Institutionen, „(…) dass sie alles Nötige tun werden, um die Stabilität des gesamten Euro-Währungsgebiets sicherzustellen.“ Damit wurde nicht nur eine unmissverständliche Erklärung zur Verteidigung der Eurozone abgegeben, sondern auch die Tür für vertiefte wirtschaftspolitische Koordination insbesondere im Euro-Währungsgebiet geöffnet.

Keine zentrale Rolle kam hingegen Vorschlägen zu, die im Vorfeld des Europäischen Rats für mitunter kontroverse Diskussionen gesorgt hatten. Die Staats- und Regierungschefs fassten weder Beschlüsse über die Einführung von Eurobonds noch über die Flexibilisierung der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität (EFSF).

Einigung über eine begrenzte Vertragsänderung

Der Europäische Rat hat eine begrenzte Vertragsänderung zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus auf den Weg gebracht. Auf dem Tisch lag ein Bericht von Van Rompuy, der sowohl einen Vorschlag zur Formulierung der Vertragsänderung als auch zur Prozedur enthielt. Die Staats- und Regierungschefs übernahmen den vorgelegten Entwurf. Demnach soll Artikel 136 AEUV um folgenden Absatz 3 ergänzt werden: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“ Damit hat der Europäische Rat einem Kernanliegen der Bundesregierung entsprochen. Insbesondere Deutschland hatte sich beharrlich dafür eingesetzt, dass eine juristisch unanfechtbare Rechtsgrundlage für den Stabilitätsmechanismus im Primärrecht geschaffen wird. Weitere Anliegen der Bundesregierung wurden im Haupttext der Schlussfolgerungen – Festschreibung des Einstimmigkeitsprinzips – bzw. bei der Ausgestaltung des Stabilitätsmechanismus – Beteiligung des Privatsektors – berücksichtigt.

Die Vertragsänderung soll nun gemäß dem vereinfachten Änderungsverfahren des Artikels 48 Absatz 6 EUV durchgeführt werden. Dieser Weg ist gangbar, da die Änderung im Dritten Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfolgt und kein Kompetenztransfer auf die europäische Ebene stattfindet. Mit der Anhörung von Europäischem Parlament, Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) soll unverzüglich begonnen werden, sodass der Europäische Rat bereits auf seiner Tagung im März 2011 die Vertragsänderung einstimmig beschließen kann. Bis Ende 2012 soll sodann die Ratifikation in den Mitgliedstaaten abgeschlossen sein und die Änderung am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Van Rompuy betonte am Rande der Tagung, nach seinem Kenntnisstand sei in keinem Mitgliedstaat ein Referendum vorgesehen. Ferner unterstrich der Präsident des Europäischen Rats, die Ratifikationsprozedur müsse separat durchgeführt werden. Die simultane Ratifizierung weiterer Texte – denkbar wäre eine gleichzeitige Ratifikation des Beitrittsvertrags mit Kroatien – wurde jedoch nicht ausgeschlossen. Der Ratifikationsprozess könnte sich in einigen Mitgliedstaaten wie den Niederlanden schwierig gestalten.

Grundsätze eines Europäischen Stabilitätsmechanismus

Die Staats- und Regierungschefs legten ferner die Grundzüge eines Europäischen Stabilitätsmechanismus fest. Auf dem Tisch lag die Erklärung der Eurogruppe vom 28. November, die in den Annex der Schlussfolgerungen übernommen wurde. Die darin festgeschriebenen Eckpunkte sollen das Gerüst für den Stabilitätsmechanismus bilden. Angestrebt wird ein Mechanismus der Mitgliedstaaten der Eurozone. EU-Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, können sich beteiligen. Dieser soll nur aktiviert werden, wenn die Stabilität der Eurozone als Ganze betroffen ist. Voraussetzung ist ein einstimmiger Beschluss der Eurostaaten. Die Bundesregierung wird somit auch künftig jeder Gewährung von Finanzhilfen separat zustimmen müssen. Private Gläubiger sollen von Fall zu Fall beteiligt werden, d.h. deren Einbeziehung wird keine notwendige Vorbedingung für Finanzhilfen aus dem Stabilitätsmechanismus sein – wie Van Rompuy am Rande des Europäischen Rats unterstrich.

Der Mechanismus sieht zwei Varianten vor: Kommen Kommission und Internationaler Währungsfonds (IWF) in Zusammenarbeit mit der EZB im Rahmen einer Analyse der Schuldentragfähigkeit eines finanziell angeschlagenen Eurostaats zu dem Schluss, dass der betreffende Staat zahlungsfähig ist, werden seine privaten Gläubiger aufgefordert, ihr Engagement aufrechtzuerhalten. Sollte einem Eurostaat jedoch Zahlungsunfähigkeit bescheinigt werden, so muss dieser mit seinen privaten Gläubigern in Verhandlungen zur Entwicklung eines Restrukturierungsplans eintreten. Um eine geordnete Beteiligung privater Gläubiger zu ermöglichen, sollen Staatsanleihen, die ab Juni 2013 begeben werden, entsprechende Klauseln (sog. Collective Action Clauses) enthalten. Insgesamt soll die Beteiligung des Privatsektors nach Verfahren erfolgen, die bereits gängige IWF-Praxis sind. Nur wenn dieser Prozess dazu führt, dass die Schulden wieder tragfähig sind, können Liquiditätshilfen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus unter strengen Auflagen bereitgestellt werden. Damit wurde zahlreichen Forderungen der Bundesregierung Rechnung getragen - wie der Beteiligung des Privatsektors, der Einbeziehung des IWF, strikter Konditionalität bei der Vergabe von Finanzhilfen und der Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips. Mit diesem Beschluss hat der Europäische Rat ein zentrales Instrument künftiger europäischer wirtschafts- und finanzpolitischer Steuerung auf die Schiene gesetzt. Damit soll verantwortungsvolles Handeln privater und staatlicher Akteure in der Eurozone gefördert werden.

Die Rechnung lautet: Wenn private Investoren ab Mitte 2013 mit einer Beteiligung an der Restrukturierung der Schulden eines insolventen Eurostaates rechnen müssen, werden sie höhere Risikoaufschläge beim Kauf von Staatsanleihen durch unsolide wirtschaftende Staaten verlangen und damit präventiv zur wirtschafts- und finanzpolitischen Disziplinierung beitragen. Europäische Kommission und EU-Finanzminister wurden dazu aufgefordert, auf dieser Grundlage die Details des Stabilitätsmechanismus bis zum Europäischen Rat im März 2011 auszuarbeiten. Der Mechanismus soll im Juni 2013 in Kraft treten und die aktuellen Krisenmechanismen, die ESFS und den Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), ersetzen.

Die wirtschaftspolitische Strategie der Eurozone

Da die zentralen Gipfelbeschlüsse in weitgehender Übereinstimmung getroffen wurden, eröffneten sich zeitliche Spielräume für eine gründliche Diskussion der wirtschaftspolitischen Strategie für die Eurozone. Zum Einen enthält diese Aufgaben, die im Zusammenspiel von Mitgliedstaaten und Organen der Europäischen Union umgesetzt werden müssen. So wurden die Finanzminister aufgefordert, ihre Beratung über die sechs Kommissionsvorschläge u.a. zur Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und zur Einrichtung eines Mechanismus zur Wirtschaftsüberwachung zu beschleunigen. Es besteht Sorge, dass aufgrund zäher Verhandlungen im Rat bis Juni 2011 keine Einigung zwischen Parlament und Rat erreicht wird. So manifestieren sich im Rat Tendenzen, sich von den Ergebnissen der Arbeitsgruppe unter Leitung Van Rompuys zu distanzieren. Die Staats- und Regierungschefs konnten derweil Fortschritte bei der künftigen Berücksichtigung von Rentenreformen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts erzielen.

Acht ost- und mitteleuropäische Mitgliedstaaten sowie Schweden hatten sich in einem gemeinsamen Brief vom 6. August an Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn gewandt. Darin forderten sie, kurzfristig kostenintensive Reformen der Altersvorsorgesysteme, die jedoch langfristig zu einer Stabilisierung der Staatsfinanzen führen sollen, bei der Berechnung des öffentlichen Schuldenstands zu berücksichtigen. Auf dem Tisch lag ein entsprechender Bericht der belgischen Ratspräsidentschaft. Auf Initiative Polens wurde dieser Bericht begrüßt und Kommission und Finanzminister aufgefordert, dessen Ergebnisse in die entsprechenden Gesetzgebungsvorschläge einzuarbeiten. Eine Beratungsfrist für die Finanzminister bis Februar 2011 – wie von Kommission und einigen Mitgliedstaaten gefordert – wurde nicht gesetzt. Ferner machten die Staats- und Regierungschefs deutlich, eine Kapitalaufstockung der ESFS stehe bei einer aktuellen Auslastung von ca. 4% nach der Irlandhilfe nicht zur Diskussion. Zudem wurden erneute Stresstests für europäische Banken vereinbart und der EZB allgemein Unterstützung bei ihrer unabhängigen Aufgabenerfüllung zugesichert.

Zum Anderen umfasst die vereinbarte wirtschaftspolitische Strategie Aufgaben für die Mitgliedstaaten. Dies umschließt die strikte Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ebenso wie die Durchführung von Strukturreformen im Kontext von Europa 2020 zur Stärkung langfristiger Wachstumspotentiale. Zudem wurden Fortschritte bei der Implementierung der Reformprogramme in Griechenland und Irland begrüßt.

Darüber hinaus bleibt abzuwarten, welche integrationspolitische Bedeutung das allgemeine Bekenntnis der Staats- und Regierungschefs und der EU-Institutionen zur Eurozone entfalten wird. Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Sarkozy gaben auf ihrem bilateralen Treffen in Freiburg am 10. Dezember bereits erste Hinweise, wohin die Fahrt gehen soll. Angestrebt wird eine stärkere wirtschaftspolitische Kohärenz insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland sowie im Euro-Währungsgebiet zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit aller Eurostaaten. In diesem Zusammenhang wurden die Bereiche Steuer- und Arbeitsrecht genannt. Bundeskanzlerin Merkel gab am Rande des Europäischen Rats bereits Hinweise auf mögliche Ansatzpunkte wie eine Angleichung der Rentensysteme in Europa. Grundsätzlich solle es darum gehen, zu vergleichen und von Erfolgsmodellen – wie der deutschen Schuldenbremse – wechselseitig zu lernen. Entsprechende Absprachen kündigte die Bundeskanzlerin für 2011 an.

2. Mehrjähriger Finanzrahmen wirft Schatten voraus

Der bereits im Oktober diskutierte mehrjährige Finanzrahmen kam auf Drängen des britischen Premiers David Cameron am Rande des Gipfels erneut zur Sprache.

So lotete Cameron die Unterstützung für eine gemeinsame Erklärung aus, die ein Einfrieren der EU-Haushalte von 2014-2020 auf dem Niveau von 2013 vorsieht. Für seinen ursprünglichen Plan, die Haushalte nach 2013 auf 0,85% des EU-BIPs festzusetzen (aktuell 1,1%), erhielt Cameron nicht genügend Unterstützung. Der am 18. Dezember an den Kommissionspräsidenten adressierte Brief hält nun fest, dass der EU-Haushalt nach 2013 maximal um die Inflationsrate steigen soll. Diese Erklärung steht im Einklang mit dem deutschen 1%-Ziel für den Finanzrahmen und wird somit auch von der Bundesregierung unterstützt. Frankreich – offenbar gegen die Zusicherung, dass die Agrarpolitik nicht gekürzt wird – sowie die Niederlande und Finnland gehören ebenfalls zu den Unterzeichnern. Diese Deckelung der Ausgaben wird vor allem die Empfänger der Strukturfonds treffen. Entsprechend trafen die Pläne auf Verärgerung und Widerstand. Insbesondere Polen und einige weitere mittelosteuropäische Länder sprachen sich strikt gegen eine solche Deckelung aus. Zudem bestanden sowohl die Kommission, der Ratspräsident wie auch eine Gruppe von Mitgliedstaaten darauf, keine neuen Details zum Finanzrahmen zu vereinbaren, um nicht dem Kommissionsvorschlag vorzugreifen und eine frühzeitige Verhärtung der Verhandlungspositionen zu riskieren. In den offiziellen Schlussfolgerungen verwiesen die Staats- und Regierungschefs deshalb lediglich auf den Kommissionsvorschlag zum Haushalt, der im Juni 2011 veröffentlicht werden soll. Offen ist noch, ob der Finanzrahmen sich auf die kommenden 7 oder 10 Jahre beziehen wird.

Die im Oktober entbrannten Diskussion zum EU-Haushalt für 2011 wurden nicht wieder aufgenommen, nachdem sich in der Zwischenzeit Rat und Parlament geeinigt hatten, wenngleich Entscheidungen über die Flexibilität des Haushalts und die Finanzierung des Kernfusionsreaktorprojekts ITER vertagt worden waren.

3. Fortsetzung der Diskussion zu den strategischen Partnern

Des Weiteren legte die Hohe Vertreterin Catherine Ashton einen Zwischenbericht zu den strategischen Partnern der EU vor. Ashton war vom Europäischen Rat im September beauftragt worden, eine Evaluation der bestehenden strategischen Partnerschaften vorzunehmen sowie für jedes Land konkrete Zielsetzungen und Instrumente zu erarbeiten.

Nach wie vor bleibt der Begriff der „strategischen Partnerschaft“ nebulös. Unklar ist weiterhin, welche Länder überhaupt als strategische Partner der EU zu gelten haben. Im Rahmen dieses Gipfels wurden zunächst die Beziehungen zu den USA, Russland und China diskutiert. Im März sollen Berichte zu weiteren Ländern folgen. Grundsätzlich sollen gegenüber allen Partnern die Synergien zwischen Außenpolitik sowie Handel, Energie- und Klimapolitik verstärkt werden. Daneben soll die Abstimmung mit den strategischen Partnern in internationalen Foren und regionalen Organisationen verbessert werden. Kritisiert wird im Fortschrittbericht die mangelnde Effizienz der gemeinsamen Treffen: So wird gefordert, die Gipfel mit den strategischen Partnern stärker resultatsorientiert zu gestalten und sich auf Kernziele zu konzentrieren.

Darüber hinaus wird auf die Konsequenzen einer fehlenden Abstimmung auf außenpolitischer Ebene hingewiesen: So warnt der Bericht zu den EU-US-Beziehungen beispielsweise vor der zunehmenden Hinwendung der Vereinigten Staaten zu anderen Partnern, sollte die EU nicht zu einer kohärenten Außenpolitik imstande sein. Ferner müsse die EU ihre Beziehungen zu anderen wichtigen Akteuren wie Russland, Brasilien, China oder Japan stärken, um auch von den USA weiterhin als relevanter Partner angesehen zu werden. Die transatlantischen Beziehungen werden auch im Hinblick auf die Ergebnisse der Kongresswahlen analysiert: Angesichts der stärkeren Fokussierung der USA auf innenpolitische Herausforderungen werde die EU gerade in ihrer eigenen Nachbarschaft zunehmend in die Pflicht genommen. Die Beziehungen mit Russland sollen sich auch weiterhin auf die wirtschaftliche Modernisierung, auf Energie-Zusammenarbeit sowie die verstärkte Einbeziehung Russlands in internationalen Foren (etwa der WTO) konzentrieren. Daneben will die EU offenbar aber stärker zu Fortschritten im Bereich der Menschenrechte und im Kampf gegen organisierte Kriminalität drängen.

Gegenüber China soll gemäß Ashtons Bericht ein pragmatischerer Kurs gefahren werden, der sich vor allem auf wirtschaftliche Zusammenarbeit, Handel und Sicherheit fokussiert. Zudem sollen auch die Instrumente der Partnerschaft der Stellung Chinas in der Welt angepasst werden. Überlegt werden auch trilaterale Treffen zwischen der EU, China und den USA vor globalen Gipfeln. Von zentraler Bedeutung wird eine verbesserte Koordinierung der EU-Mitgliedstaaten untereinander auf außenpolitischer Ebene sein, eine Schlüsselrolle soll dabei der Europäische Auswärtige Dienst einnehmen. In den kommenden Monaten will Ashton konkretere Vorschläge für die Ausgestaltung der Beziehungen der EU mit China, Russland und den USA vorlegen, eine erste Debatte zu den EU-Russland-Beziehungen wird voraussichtlich im Januar stattfinden.

4. Kandidatenstatus für Montenegro

Zudem beschlossen die Staats- und Regierungschefs, Montenegro den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen. Damit folgten sie der Kommission, die im November in ihrem Erweiterungsbericht diesen Schritt empfohlen hatte. Die Außenminister hatten im Rahmen des Rates für Allgemeine Angelegenheiten keine eindeutige Weisung ausgesprochen. Damit ist Montenegro der fünfte offizielle EU-Beitrittskandidat. Ausschlaggebend für die Verleihung des Status waren offenbar Fortschritte bei den wirtschaftlichen Reformen des Landes, seine konstruktive Rolle bei der regionalen Zusammenarbeit, der politischen Stabilität des Landes und die weitgehend komplikationsfreien bilateralen Beziehungen mit seinen Nachbarn. Schwere Mängel bestehen aber weiterhin in den Bereichen Justiz und Inneres sowie Umwelt ebenso wie bei der Erfüllung der politischen Kriterien. Ein bedeutendes Hindernis sind auch die mangelnden administrativen Kapazitäten.

Die Anerkennung des Kandidatenstatus Montenegros wird gleichwohl nicht automatisch zur Eröffnung von Beitrittsverhandlungen führen. So fordert die Kommission erhebliche Fortschritte in sieben Bereichen, ehe Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollen: Konkret handelt es sich um Korruptionsbekämpfung und den Kampf gegen organisierte Kriminalität, Reformen zur Stärkung der öffentlichen Verwaltung und der Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenrechte und der Pressefreiheit. Zudem werden eine engere Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und eine Wahlrechtsreform angemahnt.

Die tatsächliche Eröffnung der Beitrittsverhandlungen wird von Fortschritten in diesen Bereichen abhängen, die beim Erweiterungsbericht der Kommission im November 2011 evaluiert werden sollen. Somit ist mit grünem Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen frühestens Ende des kommenden Jahres zu rechnen. Angesichts des Nachholbedarfs Montenegros in diesen Problemfeldern scheint aber ein Beginn der Verhandlungen 2012 wahrscheinlicher. Diese Entkopplung von Beitrittsstatus und Beitrittsverhandlungen entspricht der deutschen Position und war für einige Mitgliedstaaten wie etwa die Niederlande Vorbedingung für eine Verleihung des Kandidatenstatus. Das Europäische Parlament hatte hingegen in einer auch von der EVP unterstützten Resolution die Verzögerung des Beginns der Beitrittsverhandlungen kritisiert und drängt auf einen Beginn der Verhandlungen spätestens Ende 2011.

5. Erklärung zur Côte d’Ivoire

Mit Hinblick auf die Unruhen in der Côte d’Ivoire nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen riefen die Staats- und Regierungschefs zivile wie militärische Führer des Landes zur Anerkennung des Wahlsiegers Alassane Ouattara auf und drohten andernfalls mit Sanktionen in Form von Einreiseverboten und dem Einfrieren von Bankkonten.

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