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Länderberichte

Bulgarien bereit für die Eurozone

von Norbert Beckmann-Dierkes, Borislaw Wankow

Europäische Kommission und Europäische Zentralbank mit positivem Konvergenzbericht

18 Jahre nach dem Beitritt zur EU ist Bulgarien bereit, am 1. Januar 2026 die gemeinsame europäische Währung einzuführen. Die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) haben am 4. Juni in ihrem außerordentlichen Konvergenzbericht eine positive Bewertung für das Land abgegeben. Demnach erfüllt Bulgarien jetzt alle Kriterien für den Beitritt zum Euroraum. Damit ist die wichtigste Bedingung für die Einführung des Euro erfüllt. Die endgültige politische Entscheidung muss noch vom EU-Rat im Format der Finanzminister (ECOFIN) am 8. Juli getroffen werden. Dafür ist eine qualifizierte Mehrheit ausreichend und kein Konsens erforderlich.

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Das für Bulgarien in den letzten Jahren schwierigste Kriterium – die Inflation – wurde erfolgreich erfüllt, wie aus dem EZB-Bericht hervorgeht. Sie sollte nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate des harmonisierten Index der drei in dieser Hinsicht leistungsstärksten Länder liegen. Für den Zeitraum Mai 2024 - April 2025 sind die Länder mit der niedrigsten Inflation Irland (1,2%), Finnland (1,3%) und Italien (1,4%), so dass die Inflations-Benchmark bei 2,8% liegt. Bulgarien erfüllt der Bewertung zufolge mit einer gemessenen Inflationsrate von 2,7% für diesen Zeitraum die Auflagen.

Anders als bei der Bewertung für Kroatien seinerzeit, wo die leistungsstärksten Länder aufgrund besonderer Umstände, die zu einer niedrigen Inflation führten, von den Berechnungen ausgeschlossen wurden, wurde beim Verfahren für Bulgarien keine solche Ausnahme gemacht, so dass das Land allen Kriterien gerecht wird und keine „Nachsicht“ und Zugeständnisse erforderlich waren.

Bulgarien erfüllt erfolgreich das andere wichtige Maastricht-Kriterium der soliden öffentlichen Finanzen. Das gemeldete Haushaltsdefizit für 2024 liegt genau an der Referenzgrenze von 3%.

Als das Land mit dem zweitniedrigsten Schuldenstand zum BIP in der EU (24,1%) hatte Bulgarien nie ein Problem damit, die Bedingung zu erfüllen, dass die Staatsverschuldung 60% des BIP nicht überschreiten darf.

Sofia erfüllt auch das Kriterium für die langfristigen Zinssätze mit einem Niveau von 3,9%, das deutlich unter der Benchmark von 5,1% liegt.

 

Abgelehntes Referendum über den Euro

Die nationalistische Partei „Wasraschdane“ sowie zuletzt auch etwas überraschend Staatspräsident Rumen Radew fordern ein Referendum über den Euro. Einen entsprechenden Antrag Radews sah Parlamentspräsidentin Natalja Kisselowa als verfassungswidrig an und hat ihn daher nicht zur Aussprache zugelassen. Radew versuchte dagegen vorzugehen und wandte sich in dieser Sache an das Verfassungsgericht. Der Antrag von „Wasraschdane“ auf Durchführung eines landesweiten Referendums wurde mit großer Mehrheit vom Parlament abgelehnt. Seitens „Wasraschdane“ werden allerdings nach wie vor Demonstrationen gegen den Euro organisiert und Ängste geschürt.

Die EU-Institutionen betonten ihrerseits, dass das EU-Recht Bulgarien nicht erlaubt, ein Referendum über die Einführung des Euro abzuhalten. Die Einführung des Euro resultiert vielmehr aus den von Bulgarien eingegangenen EU-Verträgen, verlautete Medienberichten zufolge informell aus EU-Kreisen.

 

Die nächsten Schritte

19. Juni 2025

Die Eurogruppe, die sich aus den Finanzministern der Länder des Euroraums zusammensetzt, wird die Konvergenzberichte der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission prüfen. Sie wird auch nochmal bewerten, ob Bulgarien alle Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Euroraum erfüllt. Nach der Diskussion wird die Eurogruppe eine entsprechende Empfehlung an den EU-Rat abgeben.

 

20. Juni 2025

An diesem Tag wird der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN) die Konvergenzberichte und die Empfehlung der Eurogruppe erörtern. Die Wirtschafts- und Finanzminister aller EU-Länder werden schließlich über die Empfehlung der Eurogruppe abstimmen und ein förmliches Schreiben an den Europäischen Rat versenden, in dem die Aufnahme Bulgariens in die Eurozone zum 1. Januar 2026 vorgeschlagen werden soll.

 

26.-27. Juni 2025

Auf seiner Tagung wird der Europäische Rat, an dem die Staats- und Regierungschefs der EU teilnehmen, über die Konvergenzberichte beraten.

 

8. Juli 2025

ECOFIN wird die endgültige Entscheidung über den Beitritt Bulgariens zur Eurozone treffen. Gleichzeitig wird das Europäische Parlament seine Stellungnahme zu diesem Thema abgeben – ein Akt mit beratendem Charakter, jedoch von großer politischer Bedeutung. Der feste Wechselkurs des Lew zum Euro, der per Gesetz bei 1 Euro = 1,95583 Lew liegt, soll ebenfalls offiziell bekannt gegeben werden.

 

Fazit

Bulgarien befindet sich in den letzten 28 Jahren in einem Regime des sogenannten „Währungsrates“ (Currency Board), bei dem der bulgarische Lew zu einem festen Wechselkurs zunächst an die Deutsche Mark und später an den Euro gekoppelt ist. Daher ist die bevorstehende Umstellung auf den Euro im Grunde eine eher technische Maßnahme, jedoch von hohem Symbolgehalt für die Bürgerinnen und Bürger und von großer praktischer Bedeutung im alltäglichen Leben. Die Regierung hat damit ein wichtiges Wahlversprechen erfüllt. Ministerpräsident Rossen Scheljaskow (GERB) betonte, dass der Beitritt zur Eurozone Auswirkungen auf die nächsten Jahrzehnte haben werde. Langfristige Vorteile seien eine höhere Kreditwürdigkeit, mehr Investitionen, die Förderung von Handel und Tourismus sowie ein stärkeres Vertrauen in die bulgarische Wirtschaft.

Der positive Konvergenzbericht ist ein großer Erfolg für die gegenwärtige bulgarische Regierung und das gesamte bulgarische Volk und die Zeichen für die Einführung des Euro voraussichtlich zum 1. Januar 2026 stehen derzeit sehr gut.

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Kontakt

Norbert Beckmann-Dierkes

Portrait von Norbert Beckmann-Dierkes

Leiter des Auslandsbüros Bulgarien

norbert.beckmann@kas.de +359 2 943-4388 | +359 2 943-4390 +359 2 943-3459

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