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Die Linke dominiert alle politischen Ebenen

von Dr. Norbert Wagner

Parlamentswahlen in Frankreich

Nach dem Sieg von François Hollande bei den Präsidentenwahlen hat die Linke nun auch in der 2. Runde der Parlamentswahlen (am Sonntag, 17. Juni 2012) einen eindeutigen Sieg errungen.

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Der Parti Socialiste verfügt zusammen mit seinen Allianzpartnern Parti Radical de Gauche und Divers Gauche mit 314 (von 577) Sitzen sogar über eine komfortable absolute Mehrheit in der neuen Assemblée Nationale. Die Grünen und die Kommunisten werden zur Mehrheitsbildung nicht benötigt. Das ist zumindest ein positiver Aspekt dieses Wahlergebnisses. Wären die Kommunisten und/oder die Grünen zur Mehrheitsbildung erforderlich, hätten sie sich ihre Zustimmung sicher immer wieder teuer abkaufen lassen.

Nach dem sehr schwachen Abschneiden der Kandidatin der Grünen bei den Präsidentenwahlen können die Grünen nun zumindest eine eigene Fraktion (Limit 15 Sitze) in der neuen Assemblée bilden.

Deutlich an Sitzen eingebüßt haben die Kommunisten (Front de Gauche), die von bisher 20 auf 10 Sitze geschrumpft sind und damit keine eigene Fraktion bilden können (wenn nicht die neue Mehrheit eine Änderung der Geschäftsordnung beschließt). Damit zählen im linken Lager die Kommunisten bei den Präsidenten- und den Parlamentswahlen zu den großen Verlierern.

Die UMP und ihre Allianzpartner verlieren gegenüber 2007 91 Sitze und erleiden damit eine deutliche Niederlage.

Nur noch mit zwei Abgeordneten wird das Mouvement Démocrate (MoDem) von François Bayrou im neuen Parlament vertreten sein.

Und der Front National entsendet zukünftig zwei Députés in die Assemblée Nationale. Zur extremen Rechten zählt ein weiterer Abgeordneter, der als Kandidat der „Liga des Südens“ einen Sitz gewonnen hat und früher für den FN kandidierte.

Wenn auch mit einem deutlichen Sieg der Linken bei diesen Wahlen gerechnet werden musste, so waren einzelne Ergebnisse doch voller Drama:

Mit größter Spannung war insbesondere das Ergebnis für Ségolène Royal in La Rochelle erwartet worden. Nachdem Präsident Hollande seine ehemalige Lebensgefährtin in einer Erklärung (wenn auch in sehr dürren Worten) kurz vor dem Wahltag seiner Unterstützung versichert hatte, „twitterte“ seine neue Lebensgefährtin ihre Unterstützung für den sozialistischen Dissidenten-Kandidaten. Dieser äußerst peinliche Dissens im Hause Hollande/Trierweiler hatte kurz vor dem Wahltag einen Mediensturm ausgelöst und den PS in Erklärungsnöte gebracht. Offenbar blieb die Affäre aber auf La Rochelle beschränkt. Die große Verliererin ist allerdings Ségolène Royal, die noch Tage vor der Wahl ihre Kandidatur für die Présidence der Assemblée Nationale angekündigt hatte.

Der zweite große Verlierer des Wahlabends ist François Bayrou. Er hatte sich vor der zweiten Runde der Präsidentenwahlen dazu bekannt, Hollande zu wählen. Trotzdem machte der PS ihm nicht das Geschenk, im Wahlkreis von Bayrou (Pyrénées Atlantiques) seine Kandidatin zurückzuziehen. Und auch die UMP hielt an der Kandidatur ihres Kandidaten fest. Und Bayrou verlor mit rund 30% der Stimmen seinen Wahlkreis, den er seit 1986 gewonnen hatte.

Auch das Ergebnis in Hénin-Beaumont (Nord-Pas-de-Calais) war mit großer Spannung erwartet worden. Denn dort hatte die Vorsitzende des Front National Marine Chancen den Wahlkreis zu gewinnen. Schließlich wurde sie mit 118 Stimmen Differenz vom sozialistischen Kandidaten geschlagen.

Nadine Morano, bisherige Arbeitsministerin, verlor ihren Wahlkreis im Département Meurthe-et-Moselle. Claude Guéant, bisheriger Innenminister, verlor in Boulogne-Billancourt (Vorort von Paris). Und auch die ehemalige Vorsitzende des RPR, langjährige Verteidigungsministerin und kurzzeitige Außenministerin Michèle Alliot-Marie verlor ihren Wahlkreis in den Pyrénées-Atlantiques.

Auch Hervé Novelli, ehemaliger Minister für Klein- und Mittelunternehmen sowie stellvertretender Generalsekretär und Exponent des liberalen Flügels der UMP, wurde in seinem Wahlkreis bei Tours (Indre et Loire) geschlagen. Ebenso Louis Giscard-d‘Estaing im Puy-de-Dôme.

Auf der Linken gab es naturgemäß weniger Drama. Erwähnenswert ist aber die Niederlage von Jack Lang in den Vogesen.

Linke Mehrheit auf allen politischen Ebenen

Mit diesem Ergebnis verfügen Präsident François Hollande und Permierminister Jean-Marc Ayrault über eine komfortable Mehrheit in der Assemblée Nationale. Es steht ihnen nichts im Wege, ihre Reformvorhaben und Wahlkampfversprechen umzusetzen. Auch im Senat, in 21 von 22 Regionen (Ausnahme Elsaß), in 56 von 96 Départements und in 27 von 39 großen Städte (über 100.000 Einwohner) verfügt die Linke über eine Mehrheit.

Damit ist die Linke allerdings zukünftig auch auf allen Ebenen für die Ergebnisse ihrer Politik verantwortlich. Noch besteht die Hoffnung, dass Hollande und Ayrault das erwartete Ergebnis des Kassensturzes, den der Rechnungshof demnächst veröffentlichen wird, zum Anlass nehmen, das Ruder herumzureißen und strukturelle Reformen und Sparmaßnahmen zu ergreifen.

Die ersten Wochen seit dem Amtsantritt von Präsident Hollande gingen allerdings in die genau entgegen gesetzte Richtung. Allein der Beschluss, die Erhöhung des Rentenalters rückgängig zu machen, wird die Staatskasse jährlich zusätzlich mit 5 Mrd. Euro belasten. Die Politik, welche Präsident Hollande gegenwärtig auf europäischer Ebene propagiert geht ebenfalls in die falsche Richtung. Sie gewinnt aber in Frankreich an Popularität, weil die Bürger auf eine „einfache“ und wenig schmerzhafte Kur für die aktuellen Probleme hoffen. Kritiker der Politik Hollandes haben es gegenwärtig schwer, sich Gehör zu verschaffen. Zwar möchte man nicht zu den Krisenländern Südeuropas gehören. Ohne einschneidende Reformen führt Frankreichs Weg aber unweigerlich in diese Richtung.

UMP vor Neuanfang

Die UMP indes steht vor einem Neuanfang, inhaltlich und personell. Bis zur Sommerpause muss sie versuchen, in ihre neue Rolle als Oppositionspartei hineinzufinden.

Oberstes Ziel der Partei muss sein, nicht auseinander zu fallen. Darauf hofft zumindest u.a. auch Marine Le Pen, die auf den Trümmern der UMP gerne eine neue Partei errichten würde.

Die UMP wird sich inhaltlich neu positionieren und klären müssen, wie sie wieder die Wähler des Zentrums und des Front National zurückgewinnen kann.

In einem dritten Schritt wird sich die UMP eine neue Führung geben. Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten sind François Fillon und Jean-François Copé. Aber auch Alain Juppé ist (als Kompromisskandidat) noch nicht aus dem Spiel.

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5. Juni 2012
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