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Länderberichte

Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise in Frankreich

Konkrete staatliche Maßnahmen der französischen Regierung

Seit seiner viel beachteten Grundsatzrede zur „Neubegründung des Kapitalismus“ vom 25. September 2008 in Toulon bekräftigte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy – bis Ende des Jahres auch EU-Ratspräsident – mehrmals seinen Willen, durch die Unterstützung eines internationalen und eines europäischen sowie durch die Entwicklung eines nationalen Aktionsplans zur Überwindung der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise beizutragen.

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Auf nationaler Ebene hat die französische Regierung ihren Sparkurs zugunsten einer wirtschaftlichen Wiederbelebungspolitik aufgegeben. Es wurden bislang drei Mechanismen zur Rettung der Wirtschaft eingesetzt.

  • Zunächst hat die französische Regierung beschlossen, alle Investitionen, die zwischen dem 23. Oktober 2008 und dem 31. Dezember 2009 getätigt werden, von der Gewerbesteuer zu befreien. Diese Maßnahme soll allen Unternehmern einen Anreiz zu verstärkten Investitionen bieten. Die in diesem Zeitraum getätigten Investitionen werden nicht in die Berechnung der Gewerbesteuer einfließen. Der den Gebietskörperschaften daraus entstehende Verlust wird vom Staat getragen.
  • Am 20. November präsentierte Nicolas Sarkozy seinen Plan für einen strategischen Investitionsfonds, der gegründet wurde, um durch die Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten geratene Unternehmen zu unterstützen. Er ist mit einem Budget von 20 Mrd. Euro ausgestattet, das zur Hälfte vom Staat und zur Hälfte von der Caisse des Dépôts et Consignation aufgebracht wurde. Der Fonds wird von einem Verwaltungsrat geführt, an dessen Spitze der Generaldirektor der Caisse des Dépôts, Augustin de Romanet, steht. Das Geld soll in erster Linie in wachstumsstarke KMU und strategisch wichtige Großunternehmen, deren Kapitaldecke schwach ist, investiert werden. Wie Premierminister Fillon am 9. Dezember ankündigte, sollen Unternehmen im Falle einer drohenden Insolvenz zukünftig von einer verlängerten Frist profitieren, um diese bei den zuständigen Stellen anzumelden.
  • Das insgesamt 26 Milliarden Euro umfassende und auf zwei Jahre angelegte Konjunkturprogramm der französischen Regierung, das Nicolas Sarkozy am 4. Dezember vorgestellt hat, beinhaltet mehrere Bausteine. Zum einen werden Unternehmen mit einem Betrag von ca. 11 Milliarden Euro in Form von vorgezogenen Steuerrückzahlungen, bzw. dem Erlassen von Steuerschulden, unterstützt. Zum anderen sollen ca. 10 Milliarden Euro direkt vom Staat und von großen staatlichen Unternehmen, wie den Energiekonzernen EDF und GDF Suez, der Post oder der französischen Bahn (SNCF), zur Ankurbelung der Konjunktur in strategische Bereiche (z. B. nachhaltige Entwicklung, Universitäten, Forschung, Verteidigungsindustrie, Kulturerbe) sowie in den Ausbau der Infrastruktur des Landes investiert werden. Weitere 5 Milliarden Euro sind für die Unterstützung des Immobiliensektors sowie der Automobilindustrie, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für die Unterstützung der von der Finanzkrise am stärksten betroffenen Privathaushalte vorgesehen. Der Wohnungsbau wird im Zeitraum 2009-2010 mit insgesamt 1,8 Milliarden Euro subventioniert werden, mit denen u. a. der Bau von 70.000 zusätzlichen Wohnungen, davon die Hälfte Sozialwohnungen, finanziert werden soll. Diese Maßnahme ergänzt das Programm über den garantierten Verkauf von 30.000 noch nicht fertig gestellten Wohnungen, so dass insgesamt 100.000 neue Wohnungen entstehen werden. Darüber hinaus werden die zinsfreien Kredite für den Kauf und Bau von Wohneigentum verdoppelt. Die Automobilindustrie soll u. a. von verstärkten Kaufanreizen profitieren, die die Regierung in Form einer Verschrottungsprämie von 1.000 Euro für alle Käufer eines Neuwagens, der weniger als 160 g CO2 ausstößt, ausschüttet, falls zuvor ein mindestens zehn Jahre altes Auto entsorgt wurde. 3,8 Millionen sozial schwache Haushalte sollen durch eine einmalige Zahlung von 200 Euro vom Staat unterstützt werden.
Die im Rahmen dieses Konjunkturprogrammes avisierten Maßnahmen ergänzen die bereits auf den Weg gebrachten Reformen der Regierung zugunsten der Arbeitnehmer. Diese bestehen aus einer Reform der beruflichen Bildung, einer gerechteren Verteilung des Arbeitslosengeldes, einer Umstrukturierung des Arbeitsamtes sowie einer Erhöhung der staatlich geförderten Arbeitsverträge um 100.000 auf insgesamt 330.000.

Der aktuelle Aktionsplan Frankreichs legt den Akzent auf die Wiederbelebung der Wirtschaft in erster Linie durch Investitionen und nicht durch die Ankurbelung des privaten Konsums. Es ist dementsprechend keine Senkung der Mehrwertsteuer in Frankreich geplant – eine Maßnahme, die von Sarkozy als teuer und wenig effektiv bewertet wird, da sie vornehmlich dem Import zugute kommt. Premierminister François Fillon hat eingeräumt, dass die Finanzierung des mit 26 Milliarden ausgestatteten Programms das Staatsdefizit um ca. 15 Milliarden Euro erhöhen wird. Letzteres könnte Ende 2009 76 Milliarden Euro – fast 4% des BIP – erreichen, was im absoluten Wert eine Verdopplung in zwei Jahren darstellt. Das Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wurde von der Regierung dementsprechend auf 2014 verschoben. „Wir haben keine Wahl“ erwidern Sarkozy und Fillon ihren Kritikern. Hauptziel dieser Investitionspolitik sei es, Arbeitslosigkeit vorzubeugen, die Modernisierung und Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs zu beschleunigen und eine schnelle Ankurbelung der Konjunktur zu erreichen. Die Gesamtsumme der für die nächsten Jahre geplanten staatlichen Ausgaben werde nicht erhöht, sondern schneller ausgegeben, unterstrich Sarkozy in seiner Rede vom 4. Dezember. Von diesen „Beschleunigungsmaßnahmen“ verspricht der Staatspräsident sich gleichzeitig, Frankreichs Rückstand in Sachen Investition und Wettbewerbsfähigkeit der vergangenen 30 Jahre aufzuholen und gibt sich überzeugt, dass die „bestmögliche Konjunkturpolitik eine Politik ist, die heute Wirtschaftstätigkeit unterstützt und die Wettbewerbsfähigkeit von morgen vorbereitet.“ Angesichts der außergewöhnlichen Umstände sei es eine „historische Pflicht, dafür zu sorgen, dass unsere Unternehmen (…) die Krise, den Wandel bewältigen, indem sie investieren, um sich zu modernisieren, um wettbewerbsfähiger, innovativer, reaktionsfähiger und stärker zu sein in der Welt von morgen (…).“

Zur Umsetzung des Konjunkturprogrammes wurde am 8. Dezember ein neues Ministerium für den „wirtschaftlichen Aufschwung“ (ministère de la relance économique) geschaffen. Der zuständige Minister für dieses Sonderressort wird Patrick Devedjian (bisheriger Generalsekretär der UMP und ehemaliger Industrieminister). Der neue Minister wird direkt Premierminister Fillon beigeordnet; seine Kompetenzen – vor allem in Abgrenzung zur Finanzministerin Christine Lagarde und zum Budgetminister Eric Woerth – sind noch nicht klar geregelt.

Diese Publikation ist auch Teil des Titels „Die Soziale Marktwirtschaft als guter Ratgeber im Krisenmanagement der Bundesregierung“.

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Analysen und Argumente
19. Dezember 2008
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