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ChancenZeit – geMEINsam für Gesellschaft

Diskussionsforen zu Dienstpflicht und freiwilligem Gesellschaftsjahr

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ChancenZeit_Header Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Bei unserem Projekt ChancenZeit wollen wir mit Ihnen ins Gespräch kommen und darüber diskutieren, ob Sie ein zeitlich begrenztes, verpflichtendes Engagement als sinnvoll erachten oder sich daraus ein neuer Generationenkonflikt ergeben könnte.

Hintergrund

Bereits 2018 brachte Annegret Kramp-Karrenbauer die Einführung eines verpflichtenden Dienstjahres ins Gespräch, ab 2019 dann konkret unter dem Begriff des „Deutschlandjahres“. Der ursprüngliche Hintergrund des Vorschlags war, durch den Gesellschaftsdienst den sozialen Zusammenhalt in einer sich wandelnden und alternden Gesellschaft zu stärken.

Die völkerrechtswidrige russische Invasion der Ukraine hat die Diskussion um eine Dienstpflicht neu entfacht. Auch der Bundespräsident hat sich Anfang Juni des vergangenen Jahres für die Einführung einer sozialen Pflichtzeit ausgesprochen. In der allgemeinen Debatte werden zurzeit zwei Varianten eines Gesellschaftsjahres diskutiert. Unterschieden wird hierbei zwischen einer allgemeinen Dienstpflicht für Schulabgängerinnen und -abgänger und einem Rechtsanspruch auf ein freiwilliges Gesellschaftsjahr.


Hauptaussagen ChancenZeit-Kampagne

Fast 1.900 Teilnehmende, darunter 900 Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren, haben bei insgesamt 23 World-Café-Veranstaltungen und 13 Landeshauptstadtveranstaltungen aus verschiedenen Perspektiven diskutiert, ob und in welcher Form ein Dienst für die Gesellschaft – eine ChancenZeit – umgesetzt werden sollte. Die Veranstaltungen wurden deutschlandweit von den Büros der Politischen Bildung der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert und durchgeführt. Gegenstand der regen Diskussionen waren neben rechtlichen Aspekten, Möglichkeiten des Ausbaus bestehender Infrastrukturen sowie Anreize für die Dienstleistenden auch eine potenzielle Verpflichtung. Dabei wurde lebhaft diskutiert, an wen sich die ChancenZeit richtet, wie sie finanziert wird und welche Dauer dafür vorgesehen sein sollte. Die Teilnahme vieler motivierter Jugendlichen an den unterschiedlichen bundesweit umgesetzten Veranstaltungsformaten mit einer Vielzahl von Expertinnen und Experten aus Bundeswehr, Politik und Gesellschaft sowie diversen Freiwilligendienstsektoren hat eine einzigartige Bandbreite an Ergebnissen ermöglicht. Im Folgenden sind einige zentrale Ergebnisse zusammengefasst:

Schonmal was von FSJ gehört? Nein? Da bist Du nicht alleine.

Schon heute absolvieren viele Jugendliche keinen Freiwilligendienst, weil sie die Möglichkeiten nicht kennen oder die Vorzüge von Freiwilligendiensten für sich nicht erkennen. Dabei ist aus der Jugendforschung bekannt, dass es vielen jungen Menschen gerade nach Beendigung der Schullaufbahn an Orientierung fehlt und der Wunsch nach einer sinnstiftenden Tätigkeit in diesem Alter besonders stark ausgeprägt ist. Es mangelt an Zugängen zu Informationsangeboten während der Schulzeit, und vor allem sozial-finanziell schlechter gestellte Jugendliche werden oft nicht erreicht. Wiederholt wurde über die Notwendigkeit gesprochen, mehr an den Schulen zu werben. Informationen zu den Einsatzmöglichkeiten könnten z.B. im Rahmen von Projekttagen oder Workshops an Schulen vermittelt werden. Diskutiert wurde auch eine Integration der ChancenZeit in die Schullaufbahn.

Klingt Verpflichtung nicht irgendwie abschreckend?

Der Begriff „ChancenZeit“, unter dem die Kampagne der Konrad-Adenauer-Stiftung steht, wurde sowohl aus dem Bereich der Freiwilligendienst-Praxis und der Bundeswehr als auch von Seiten der Jugendvertreter häufig sehr positiv bewertet, da er den individuellen Mehrwert und Entwicklungsmöglichkeiten der Zeit im Dienst der Gesellschaft hervorhebt. Die Idee des verpflichtenden Gesellschaftsjahrs lautet, dass junge Erwachsene nach Beendigung ihrer Schulzeit verpflichtet werden, sich ein Jahr lang in einem Bereich ihrer freien Wahl, also nicht nur im sozialen Bereich, sondern z.B. in einer kulturellen, ökologischen oder karitativen Einrichtung oder aber bei der Bundeswehr für die Gesellschaft zu engagieren. Die ChancenZeit sollte hier als eine Win-Win Situation für beide Seiten verstanden werden: Denn nicht nur die Gesellschaft profitiert von dem Engagement junger Menschen, sie selbst bekommen ebenfalls einen Einblick in vielfältige Bereiche des Berufslebens.

Laut Teilnehmenden braucht die ChancenZeit ein besseres Image und die Vorzüge der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten müssten übersichtlich, verständlich und niedrigschwellig vermittelt werden. Dies könnte in etwa durch eine gemeinsame Website oder App unterstützt werden. Kern eines ansprechenden Images ist die Namensgebung. Vor allem die Begriffe „Verpflichtung“ und „Zwang“ wurden dagegen durchweg negativ aufgenommen. Auch deshalb bietet sich eine neue positiv-konnotierte Bezeichnung an.

Wieso muss es eigentlich Zwang sein?

Die Ansichten darüber, ob die ChancenZeit als Freiwilligendienst absolviert oder der Gesellschaftsdienst verpflichtend eingeführt werden sollte, gehen auseinander. Angeführt wird, dass nur eine Verpflichtung alle Jugendlichen eines entsprechenden Jahrgangs erreicht und dadurch alle gesellschaftlichen Gruppen einbezieht. Häufig wurde die zentrale Bedeutung des Dienstes für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie für die persönliche Entwicklung von jungen Menschen hervorgehoben, die ihren Horizont durch erste berufliche Erfahrungen und das Zusammentreffen mit Jugendlichen aus anderen sozialen Kontexten erweitern. Schließlich wurde auch diskutiert, dass die ChancenZeit der Bundeswehr sowie den Trägern von Freiwilligendiensten die Möglichkeit bieten würde, nachhaltiges Interesse bei den Dienstleistenden zu wecken und dadurch langfristig Auszubildende, Fachpersonal und ehrenamtlich Engagierte zu gewinnen. Anderseits wurde wiederholt argumentiert, dass sich Motivation und Nächstenliebe nicht erzwingen lassen könnten. Jungen Menschen würde aufgebürdet, ein Jahr ihres Lebens in den Dienst einer Sache zu stellen, mit der sie sich möglicherweise nicht identifizierten. In diesem Zusammenhang wurde die Befürchtung geäußert, dass eine Verpflichtung die intrinsische Motivation der Jugendlichen mit Auswirkungen auf Dritte schmälern würde. Darüber hinaus seien die Infrastrukturen bei den Freiwilligendiensten und bei der Bundeswehr nicht mehr auf eine Verpflichtung ausgerichtet. Bei der Online-Umfrage der World Cafés, an denen etwa 700 junge Menschen teilgenommen haben, sprachen sich 52 % ablehnend und 30 % zustimmend aus. Bemerkenswert ist der recht hohe Anteil an Unentschlossenheit von knapp einem Fünftel (18 Prozent). Dies geht mit der Erkenntnis aus den Veranstaltungen einher, dass ein weitreichendes Informationsdefizit besteht.

Wie könnte das alles realisiert werden?

Hinsichtlich der Einführung einer verpflichtenden ChancenZeit gibt es zurzeit noch rechtliche Hürden, weshalb zunächst entsprechende gesetzgeberische Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Ein weiterer wichtiger Aspekt mit Blick auf die Umsetzbarkeit ist die momentan fehlende Infrastruktur bei den Trägern und der Bundeswehr. Die meisten Expertinnen und Expertinnen waren sich jedoch einig, dass ein verpflichtender Einsatz für die Gesellschaft aufgrund aktuell fehlender Strukturen kurzfristig nicht umsetzbar sei, sondern mittelfristig (mit einer Dauer von zumindest 10 Jahren) vorbereitet werden müsse.

Welche Vorteile könnte das Ganze mit sich bringen?

Der Sanktionierungsfall bei Nicht-Antritt einer verpflichtenden ChancenZeit war ebenfalls eine häufig diskutierte Frage bei den ChancenZeit-Veranstaltungen. Dabei herrschte weitgehend Einigkeit, dass sich eine Sanktionierung schwierig gestalten würde. Stattdessen sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es besonders attraktiv machen, eine ChancenZeit nicht missen zu wollen. Laut den jungen Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmern sollten die Anreize ausgebaut werden und gleiche Bedingungen für alle geschaffen werden, bspw. in Form von besseren Anrechenbarkeiten auf Studium bzw. Ausbildung und kostenlosen ÖPNV-Fahrkarten. Zudem wurde vorgeschlagen, die Erfahrung von Ehemaligen durch Mentorenprogramme  zu nutzen und einen Dienst im Rahmen einer Probewoche auszuprobieren.

Quanta Costa?

Des Weiteren wurde die Finanzierung der ChancenZeit breit diskutiert. Die Aufwandsentschädigung fällt aktuell so gering aus, dass es vielen Jugendlichen ohne finanzielle Unterstützung der Familie nicht möglich ist, einen Freiwilligendienst, vor allem fernab von der Heimat, zu absolvieren. Deshalb war ein Diskussionspunkt eine bessere Vergütung. Ein mehrfach genannter Vorschlag ist die Anlehnung der Finanzierung an das ehemalige Zivildienstmodell. Dies würde eine höhere Grundvergütung und zusätzliche Unterstützung in besonderen Lebenslagen, wie z.B. die Übernahme von Fahrtkosten und Zuschüsse zur Unterkunft, beinhalten.

Gibt es noch Alternativen?

Rege debattiert wurde ebenfalls der Zeitrahmen, in welchem die ChancenZeit absolviert werden soll. Vorstellbar wäre, alternativ zu einer Dauer von einem Jahr, ein Dreivierteljahr, Anderthalbjahre, einige Monate oder aber flexible Modelle, wobei die ChancenZeit gestückelt absolviert wird. Während eine Mehrheit der teilnehmenden Jugendlichen einen Zeitraum von ca. 6-9 Monaten (29 Prozent) favorisiert, geben Träger von Freiwilligendiensten zu bedenken, dass allein die Anlernphase bis zu einem halben Jahr dauern kann. Die nächstgrößten Stimmenanteile entfielen auf die Kinder- und Jugendarbeit (16 Prozent), auf Sportvereine (13 Prozent), den politischen Bereich (12 Prozent) und die Gesundheits- und Altenpflege (10 Prozent).  Ein Drittel (33 Prozent) der Umfrageteilnehmenden fänden sowohl den Dienst in Deutschland als auch im Ausland spannend. Einige Diskussionen im Rahmen der Veranstaltungen lassen zudem auf Interesse an einer Kombination von Einsatzbereichen unter den jungen Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmern schließen.

 

Wir haben nachgefragt, was Jugendliche von einer ChancenZeit halten. Welche Gedanken sie rund um das Thema Gesellschaftsjahr umtreiben und warum es relevant ist, darüber nachzudenken, haben sie uns im Video beantwortet.

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