Digitale Kommunikation wird immer komplexer und fragmentierter. Von TikTok über Telegram bis hin zu BeReal, die Fülle an Möglichkeiten überfordert Organisationen. Um uns für 2023 einen guten Überblick zu verschaffen, müssen wir zuerst die aktuellen Nutzer:innenzahlen durchleuchten und eine Diskussionsgrundlage schaffen. Über 70 Millionen Menschen in Deutschland verwenden täglich aktiv Soziale Medien. Die tägliche Nutzungsdauer liegt bei 1 Stunde und 41 Minuten. Im Schnitt hören die Deutschen täglich 46 Minuten Podcasts, ein Plus von über 35% im Vergleich zum Vorjahr. WhatsApp ist die beliebteste und meistgenutzte Social Media Plattform in Deutschland. Bei der Nutzung liegt Facebook immer noch auf Platz 2, gefolgt von Instagram, Facebook Messenger und TikTok. Beim Beliebtheitsranking liegt TikTok mittlerweile aber schon auf dem vierten Platz.
Suchmaschinen (wie Google) sind weiterhin die erste Anlaufstelle für „Brand Research”. Wenn wir uns über Marken und Personen informieren, wird also zuallererst gegoogelt. Direkt danach kommen Preisvergleiche bei Produkten, gefolgt von Sozialen Medien. Besonders bei jungen Menschen sehen wir einen starken Anstieg im Bereich Instagram und TikTok SEO. Das zeigt deutlich, dass junge Menschen Instagram und TikTok bereits als Suchmaschinen nutzen. TikTok führt bei der Nutzungszeit mit über 23 Stunden pro Monat, gefolgt von WhatsApp. Auf Basis der Zahlen und Erkenntnisse lassen sich für Deutschland aus unserer Sicht ein paar Trends ableiten.
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Man kann schwachen Content nicht durch Werbebudget ausgleichen, sondern muss Liebe und Hingabe in die Erstellung des Contents legen.
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Stefan Wacker
1. Direktkommunikation über WhatsApp, Telegram und Co.
Alleine im Jahr 2022 hat Telegram über 200 Millionen User:innen dazugewonnen. Das ergibt ein prozentuales Wachstum von über 40%. Diesen Trend beobachten wir bereits seit 2015. Seitdem steigt die Anzahl der Social Media User:innen mit Messaging-Fokus stärker als die Anzahl der User:innen anderer Social Media Apps ohne Messaging-Fokus. Insgesamt haben die vier größten Messenger-Plattformen 2023 etwa 4,9 Milliarden aktive User:innen - wobei man Überlappungen durchaus annehmen kann (z.B. User:innen, die WhatsApp und Telegram nutzen). Es gibt eine stärkere Ausprägung des Teilens von Social Media Inhalten über „private Wege“ wie zum Beispiel über Textnachrichten. Meta hat bereits letztes Jahr angekündigt, neue Werbeformate einzuführen wie etwa Click-to-Messaging Ads (Direkte Weiterleitung zu FB Messenger, IG Messages oder WhatsApp). Auch Instagram hat vor Kurzem ein neues Update veröffentlicht: Broadcast Channels. Generell merken Social Media User:innen vermehrt, dass Updates insbesondere den Messaging-Bereich betreffen.
2. Das Kreative bestimmt die Performance und die KPIs.
Targeting und Tracking gehören der Vergangenheit an. Politische Werbung wurde stark reguliert und wird bald ganz von der Bildfläche in Europa verschwinden. Seit Apples Update auf iOS 14 wurden viele Tracking-Möglichkeiten eingeschränkt. So hat der Facebook-Pixel an Aussagekraft verloren. Bislang drehte sich in der Optimierung alles um ROAS, CPA und die Conversion Rate – also KPIs im unteren Teil des Marketing Funnels. Durch die Einschränkungen wird die Relevanz dieser KPIs geringer und ins Zentrum rücken neue KPIs wie die Scroll-Stop Rate (SSR), Cost per Click (CPC) und die Click-Through Rate (CTR) im oberen Bereich des Funnels – also dort, wo es um Kreatives geht. Man kann also schwachen Content nicht mehr durch mehr Werbebudget ausgleichen, sondern muss mehr Liebe und Hingabe in die Erstellung des Contents legen. Wie das geht, kann man sich bei beliebten Creater:innen anschauen.
3. Europa schreit nach einer eigenen Social-Media-Lösung.
Die Top-15 der weltweit am meisten genutzten Social Media Apps wurden in 3 Ländern entwickelt: USA (8), China (6), Russland (1). Das Verlangen nach einer europäischen App wird immer größer – und realistischer.
4. Durchbruch des auf Interesse basierten AI-Algorithmus.
Mit TikTok kam nicht nur der Durchbruch des Vertical Video Formats, sondern auch eine neue Art des Algorithmus. Der auf Interesse basierte AI-Algorithmus wird 2023 weiter an Bedeutung gewinnen. Deswegen sind Content-Formate so wichtig. Denn auf die Interessen der Zielgruppe zugeschnittene Formate werden den passenden User:innen vom AI-Algorithmus auch ausgespielt.
Content-Formate und eigene Shows in Sozialen Medien gewinnen mehr an Bedeutung. Dabei ist es essentiell, so authentisch wie möglich zu sein und auch einen gewissen Humor in den Content zu bringen. Kreativität, Unterhaltung und Mehrwert sollen in jedem Content Piece enthalten sein – alles in 9:16.
5. Von Entertainer:innen und Influencer:innen lernen
Die Werbeblindheit der User:innen hat dazu geführt, dass User Generated Content (UGC) deutlich besser performt als klassische Werbung auf Social Media. Bei unteren Funnelstufen (wie z.B. Optimierung auf Klicks oder auf Käufe) lieferten UGC-Ads bessere Ergebnisse. Kurz gesagt: Werbung darf nicht wie Werbung wirken - auch wenn klar ist, dass eine werbliche Botschaft enthalten ist. Es geht vielmehr darum, eine Beziehung zur Community aufzubauen, als ständig mit Werbung zu belästigen.
Über den Autor
Stefan Wacker ist Gründer und Managing Director von Digiknall, einer Beratungsagentur für Digitale Kampagnen. Seit vielen Jahren berät er Personen und Unternehmen in ganz Europa zu Digitalem Marketing und Kommunikation.
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Über diese Reihe
Rund um die Themen Kommunikation, Kampagnenmanagement und Digitale Strategie gibt der Blog Einblicke in aktuelle Trends der Politischen Kommunikation. Kommunikationsexpertinnen und -experten geben innovative, praktische Tipps für die politische Kampagne und für die Umsetzung.