„Be yourself!“
Politiker, insbesondere Spitzenpolitiker, stehen unter Dauerbeobachtung. Ihre Persönlichkeit und ihr Erscheinungsbild stehen zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit. Wissenschaftliche Studien im Feld der Politischen Kommunikation beschäftigen sich schon lange mit dem Einfluss der wahrgenommenen Charaktereigenschaften von Politikern auf deren Beliebtheit oder Wahlerfolg. Diese sogenannten „character traits“ wie (wahrgenommene) Kompetenz, Führungsstärke oder Empathie werden häufig im Zusammenhang mit theoretischen Überlegungen zur Personalisierung oder auch äußeren Merkmalen von Politikern erforscht. Seit wenigen Jahren beschäftigen sich Kommunikations- und Medienwissenschaftler darüber hinaus mit der Frage: Welchen Unterschied macht es, wenn ein Politiker als authentisch wahrgenommen wird? Politische Authentizität scheint nicht nur in der Empirie, sondern auch in der Praxis ein Erfolgskonzept zu sein. Politiker müssen also nicht zwangsläufig sympathisch, gutaussehend, kompetent und dazu auch noch führungsstark sein – sondern einfach authentisch. Was im ersten Moment wie eine Erleichterung klingt, wirft im nächsten Moment noch viel mehr Fragen auf. Was bedeutet es überhaupt, authentisch zu sein? Wie kann man politische Authentizität in eine Strategie einbinden? Bis zu welchem Maß soll ich einfach so sein, wie ich bin?
Was macht einen Politiker authentisch?
Ob Menschen einen Politiker als authentisch wahrnehmen, hängt – wenn man es in der Theorie betrachtet – von verschiedenen, teils beeinflussbaren, Faktoren ab. Simon Luebke (2021) hat hierfür vier Dimensionen politischer Authentizität definiert: Gewöhnlichkeit, Konsistenz, Intimität und Unmittelbarkeit. In einer gemeinsam mit Ines Engelmann angelegten Studie (2022) konnten alle Dimensionen, mit Ausnahme der Intimität, als empirisch belastbare Konstrukte bestätigt werden. Der Grad an Gewöhnlichkeit misst hierbei, in welchem Ausmaß Politiker als unvollkommen, bodenständig und amateurhaft auftreten. Konsistenz entsteht dadurch, dass geäußerte Prinzipien und Werte über einen bestimmten Zeitraum beibehalten werden, aber auch, dass politische Botschaften mit eigenen Verhaltensweisen übereinstimmen. Unmittelbarkeit entsteht durch den Eindruck, dass das Handeln von Politikern durch Emotionen und deren echten Überzeugungen geleitet wird.
Und in der Praxis?
Zusammengefasst kann man sagen, DER authentische Politiker ist einer aus der Mitte - ein bodenständiger Typ, der sich selbst treu bleibt, seine Werte verficht und dabei auch mal laut wird. Wie setzt man das in eine gute Kommunikationsstrategie um? Dafür gibt es nicht die eine Lösung, da es ja darum geht, authentisch und einzigartig zu sein. Daher ist es hilfreich, sich folgende Fragen zu beantworten:
- Was macht mich als Politiker aus? Zunächst sollte man definieren, auf welcher Ebene man aktiv ist = Bin ich bereits Mandatsträger? Wo findet mein Engagement statt (Kommunalpolitik, Landespolitik, Bundespolitik)? In welchem Themenfeld agiere ich? Welchen Hintergrund habe ich (z.B. auf dem Land aufgewachsen)? Was sind meine persönlichen Überzeugungen und die Prinzipien meiner Partei?
- In welchem Lebensabschnitt befinde ich mich? Authentisch zu sein, bedeutet auch, sich selbst nicht jünger oder älter zu machen als man ist. Vorsicht: Nicht verwechseln mit Konservatismus und Progressivismus! Ein Politiker mittleren oder fortgeschrittenen Alters, der „cringe“ oder „slay“ sagt, ist mindestens genauso unauthentisch wie ein 18-jähriger Kommunalpolitiker, der immer mit Anzug und Aktentasche zum Stammtisch kommt. Am Ende gilt jedoch: Machen, womit man sich wohl fühlt!
- Welche „character traits“ beschreiben mich? Nicht jeder Politiker muss das Herz auf der Zunge tragen. Zurückhaltung und ein wohlüberlegtes Statement können ebenso zur Wahrnehmung von Authentizität beitragen. Auch private Interessen und Hobbys sind eine Überlegung wert, wenn es darum geht, welche persönlichen Details man mit der Öffentlichkeit teilen möchte.
Sind diese Fragen erst einmal beantwortet, gilt es, diese Erkenntnisse in eine langfristige Kommunikationsstrategie zu formulieren. Diese Strategie geht einher mit der Entscheidung für geeignete Plattformen und Formate. Eine gut gepflegte Website ist schon einmal die halbe Miete. Es gibt ansonsten keine festen Regeln, ob es dann am Ende die Performance in TikTok-Videos, die monatliche Fahrradtour durch den Wahlkreis oder vielleicht sogar beides sein soll. Hauptsache authentisch.
Quellen:
Luebke, S. M. (2021). Political Authenticity: Conceptualization of a Popular Term. The International Journal of Press/Politics, 26(3), 635-653.
https://doi.org/10.1177/1940161220948013
Luebke, S. M., & Engelmann, I. (2022). Do We Know Politicians' True Selves From the Media? Exploring the Relationship Between Political Media Exposure and Perceived Political Authenticity. Social Media + Society, 8(1), 20
https://doi.org/10.1177/20563051221077030
Zur Autorin:
Gloria Holfert kommt aus Erfurt und hat ann der Uni Jena ihren Bachelor in Soziologie und Kommunikationswissenschaft sowie Master im Fach Politische Kommunikation absolviert. Von 2021 bis 2024 war sie für den Landesverband der CDU Thüringen im Bereich Social Media und Kampagne tätig. Seit Oktober 2024 leitet sie das Wahlkreisbüro des Landtagsabgeordneten und JU-Landesvorsitzenden Lennart Geibert.
Über diese Reihe
Rund um die Themen Kommunikation, Kampagnenmanagement und Digitale Strategie gibt der Blog Einblicke in aktuelle Trends der Politischen Kommunikation. Kommunikationsexpertinnen und -experten geben innovative, praktische Tipps für die politische Kampagne und für die Umsetzung.