In der fünften Ausgabe der Reihe DemocrAIcy stand die Frage im Mittelpunkt, wie die rasante Entwicklung Künstlicher Intelligenz die Arbeitswelt transformiert und welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen damit verbunden sind. Die Referenten diskutierten, wie Arbeit, Kapital und Technologie im 21. Jahrhundert zusammenspielen und welche Weichenstellungen nötig sind, um die Transformation inklusiv und demokratiestärkend zu gestalten.
Impulse aus der Volkswirtschaft: Prof. Dr. Rainer Klump
Prof. Dr. Rainer Klump gab einen umfassenden Überblick über volkswirtschaftliche Entwicklungen und empirische Erkenntnisse aus der Robotik- und KI-Forschung. Seit 2019 untersucht er insbesondere den Einsatz von Industrierobotern, deren Daten häufig als Proxy für die KI-Durchdringung genutzt werden – obwohl längst nicht alle Roboter tatsächlich KI-basiert arbeiten. Aus seinen Ausführungen wurde deutlich, dass der Produktivitätszuwachs durch KI bislang eher moderat ausfällt. Internationale Studien, darunter Forschung von Nobelpreisträger Daron Acemoğlu, zeigen derzeit nur einen positiven Effekt von 0,05 bis 0,1 Prozent auf das BIP-Wachstum. Klump führte dies vor allem darauf zurück, dass bislang lediglich 20 bis 30 Prozent der Unternehmen planen, KI in den kommenden Jahren strukturiert einzusetzen. Vor diesem Hintergrund warnte er auch vor einer möglichen KI-Blase, die durch hohe Erwartungen und massiven Investitionsdruck im Finanzsektor weiter angeheizt werden könnte, obwohl die tatsächliche Durchdringung der Volkswirtschaft noch auf sich warten lässt.
Ein zentrales Anliegen Klumps war die Frage, wie Arbeitskräfte im Verhältnis zur KI positioniert werden sollten. Er plädierte klar dafür, Menschen nicht zu ersetzen, sondern sie komplementär zu KI-Systemen einzusetzen. Analog zu früheren Automatisierungswellen werde dieser Anpassungsprozess Zeit brauchen. Risiken sieht Klump vor allem dann, wenn Beschäftigte freigesetzt werden, ohne dass reale Produktivitätsgewinne erzielt werden – ein Szenario, das in Teilen der Wirtschaft bereits beobachtbar sei. Zugleich verwies er auf notwendige strukturelle Voraussetzungen, etwa eine verlässliche Energieversorgung sowie Reformen im Bildungsbereich. Hochschulen sollten stärker auf persönliche Betreuung setzen und weg von anonymen Massenstudiengängen kommen, um sicherzustellen, dass Studierende nicht ausschließlich mithilfe von KI arbeiten und zentrale Kompetenzen verlieren.
Organisations- und Unternehmensperspektive: Prof. Dr. Andranik Tumasjan
Prof. Dr. Andranik Tumasjan richtete den Blick stärker auf die betriebliche Ebene und die Auswirkungen der digitalen Transformation auf Management und Organisationsstrukturen. Schon heute arbeiten etwa 20 Prozent der Unternehmen aktiv mit KI-Anwendungen. Viele Mitarbeitende nutzten KI jedoch darüber hinaus informell im Arbeitsalltag. Analysen, beispielsweise der Chatnutzung von Claude, zeigen, dass KI zunehmend auch für kreative Denkprozesse, für das Textverständnis und häufig auch für Programmieraufgaben eingesetzt wird.
Besonders eindrücklich waren die Ergebnisse aus Studien zum KI-Einsatz in der betrieblichen Praxis: KI kann die Arbeitszeit für bestimmte Aufgaben um bis zu 40 Prozent reduzieren, gleichzeitig die Qualität der Ergebnisse um durchschnittlich 18 Prozent steigern und damit nachweislich zur Zufriedenheit der Beschäftigten beitragen. In seiner Analyse der Kreativität betonte Tumasjan, dass KI bessere Ergebnisse als Laien erzielt und auf einem ähnlichen Niveau liegt wie durchschnittliche Mitarbeitende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch weiterhin überlegen bleiben. In gemeinsamen Arbeitsprozessen profitieren vor allem Laien stark von der Kollaboration mit KI, während bei Expertinnen und Experten die positiven Effekte geringer ausfallen. Tumasjan verwies auf ein wichtiges Risiko: In wissenschaftlichen Kontexten könne KI zu einer Homogenisierung von Ideen führen, was langfristig die Vielfalt im Innovationsprozess beeinträchtigen könne.
Aus diesen Beobachtungen entwickelte er mehrere Thesen. KI sei zwar wertvoll für Unternehmen, der Einsatz alleine stelle aber keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil dar. Erfolgsentscheidend werde vielmehr die effektive Integration von Mensch und KI sein. Da KI Ideenfindungsprozesse beschleunige, zugleich aber zur Homogenität beitrage, würden differenzierende Ressourcen und Fähigkeiten noch stärker an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig werde es für Unternehmen schwieriger, diese Distinktivität aufrechtzuerhalten, wenn KI breit eingesetzt wird.
Diskussion: Bildung, Regulierung und gesellschaftliche Weichenstellungen
In der anschließenden Diskussion unter der Moderation von Prof. Frank Pisch wurde insbesondere die Bedeutung pluraler Perspektiven hervorgehoben. Vielfalt an Meinungen sei essenziell für eine demokratische Gesellschaft und werde umso wichtiger, wenn KI zur Vereinheitlichung von Ideen beitrage. Gerade junge Menschen sollten darin bestärkt werden, kritisch gegen Mehrheitsmeinungen zu argumentieren und etablierte Auffassungen zu hinterfragen, da Fortschritt nur durch aktives „Challengen“ entstehen könne.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Bildungspolitik. Die Experten plädierten dafür, bereits in Schulen systematisch Kompetenzen zu Funktionsweisen und Risiken von KI zu vermitteln. Beispiele aus China, wo KI-Kurse inzwischen selbstverständlich seien, könnten hier Anregungen geben. Zudem sei angesichts eines absehbaren Arbeitskräftemangels wichtig, das Potenzial von KI verantwortungsvoll auszuschöpfen.
Regulatorisch wurde die Forderung nach einer modernen Ordnungspolitik laut, die rein substitutive Einsatzformen vermeidet, Innovation ermöglicht und gleichzeitig Risiken durch spekulative Übertreibungen an den Finanzmärkten begrenzt. In diesem Zusammenhang wurde auch über mögliche Steuern auf Robotik oder KI diskutiert, wenn es zu massiver Substitution menschlicher Arbeit kommt. Tumasjan ergänzte, dass die Verbindung von Software und Hardware künftig eine noch größere Rolle spielen werde, insbesondere in der Pflege, wo Serviceroboter bereits heute überraschend hohe Werte bei der wahrgenommenen Empathie erzielen.
Insgesamt zeigte die Veranstaltung eindrücklich, dass die Gestaltung der KI-Transformation eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nur dann gelingt, wenn Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Bildung gemeinsam dafür sorgen, dass technologische Innovationen mit sozialer Verantwortung und demokratischer Teilhabe verbunden werden.
Über diese Reihe
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