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Länderberichte

Die ersten 100 Tage der Regierung Zuma

von Julia Steffenfauseweh (ehem. Weber)
Wären die Weltstars des Fußballs im Juni nicht zum Confederations-Cup nach Südafrika gereist, hätte die internationale Presse nicht viel aus dem Land am Kap der Guten Hoffnung zu berichten gehabt. Die Welle der Aufmerksamkeit, die im Frühjahr das Land überschwemmte, ist verebbt.

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Nach dem erneut überwältigenden Wahlsieg des African National Congress (ANC) am 22. April 2009 und der viel beachteten Vereidigung Jacob Zumas zum vierten Staatspräsidenten des „Neuen Südafrikas“ scheint es ruhiger geworden zu sein. Der Präsident selbst zeigt sich nur selten in der Öffentlichkeit. Über die Ausrichtung seiner neuen Regierung gibt es viele Fragezeichen. Doch der Alltag in Südafrika sieht alles andere als ruhig aus: Unter der Oberfläche brodelt es.

100 Tage sind seit dem Wahlsieg des ANC unter der Führung Jacob Zumas vergangen. Auf den Straßen des Landes macht sich der Unmut breit. Ein Streik in der Bauindustrie hat die Arbeiten an den WM-Stadien zeitweise zum Erliegen gebracht. Ärzte, Müllmänner, Minenarbeiter sowie Mitarbeiter der Kommunen streiken ebenfalls. Und in den Townships sind Proteste gegen die schlechte 'service delivery' der Regierung ausgebrochen. In manchen Gemeinden werden Fahrzeuge und öffentliche Gebäude angezündet, Lokalpolitiker beschimpft und im schlimmsten Falle angegriffen.

Es waren vor allem die ärmsten Teile der Bevölkerung, die Jacob Zuma am 22. April ins höchste Amt des Staates verholfen haben. Von ihm, dem Mann des Volkes, erhofften sie sich eine schnelle Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Jetzt erwarten sie von Zuma, dass er seine vielen Versprechen aus dem Wahlkampf auch einlöst. Doch die Freude über den Wahlsieg ist vorbei. Ernüchterung und Wut machen sich breit. Am vergangenen Sonntag, 26. Juli, zwei Wochen nach dem Ausbruch gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Township-Bewohnern und Poilzei, hat Zuma zum Ende der Anti-Armuts-Gewalt aufgerufen – und erklärt, er brauche mehr Zeit, um Korruption zu beenden und die Lebensbedingungen der Massen zu verbessern. Mehr Zeit wollen und können ihm die meisten Südafrikaner aber nicht geben.

Die Armut ist in Südafrika nach wie vor auf dem Vormarsch – auch 15 Jahre nach Ende der Apartheid.

Einer jüngsten Studie des South African Institute of Race Relations vom Juli 2009 zu Folge leben rund 70% der südafrikanischen Kinder in Armut. Die Zahl der Waisen in der schwarzen Bevölkerungsschicht ist in den vergangenen fünf Jahren um rund ein Viertel gestiegen, so dass die Zahl der von Kindern geführten Haushalte bei mittlerweile 148.000 liegt. Jacob Zuma ist erst seit drei Monaten an der Macht. Auf fließend Wasser, Strom und Häuser warten viele Südafrikaner aber schon seit den ersten demokratischen Wahlen vor 15 Jahren. 2,6 Millionen von den im Reconstruction and Development Plan versprochenen 4,7 Millionen Häusern hat die ANC-Regierung bislang geliefert. Das ist beachtlich – liegt aber unter dem Versprochenen.

Die jüngsten Ausschreitungen in den Townships lediglich auf die fehlende 'service delivery' des Staates zurückzuführen, greift für Frans Cronje vom Institute for Race Relations allerdings zu kurz. Für ihn gibt es fünf weitere Gründe dafür, warum die Menschen knapp drei Monate nach den Wahlen mit ihrer Geduld am Ende sind: Ungleichverteilung, Arbeitslosigkeit, ein nicht funktionierendes öffentliches Schulsystem, fehlgeschlagene affirmative action und eine schwache Strafverfolgung. Damit spricht Cronje in seinem Bericht genau die Bereiche an, die Südafrika seit Jahren am meisten zu schaffen machen und über Erfolg oder Misserfolg der Ära Zuma entscheiden werden.

Arbeitslosigkeit und Armut bilden nach wie vor wichtige wirtschafts- und sozialpolitische Herausforderungen. Die extrem ungleiche Einkommensverteilung hat sich seit dem Ende der Apartheid vertieft. Mit einem Gini-Index von 57,8 in 2007/2008 nimmt Südafrika im weltweiten Vergleich einen der letzten Plätze ein. Nur wenige andere Länder in Afrika (z.B. Namibia) und Südamerika (z.B. Brasilien) weisen eine ähnlich hohe Ungleichverteilung auf.

Schlimmste Rezession seit 30 Jahren

Zur ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Lage kommt die globale Finanzkrise, die Südafrika mit einiger Verzögerung nun ebenfalls getroffen hat. Zum ersten Mal seit 17 Jahren befindet sich das Land in einer Rezession – mit 6,4 Prozent Minuswachstum im 1. Quartal 2009 ist es die schlimmste seit knapp 30 Jahren. Ohne die rund 70 Milliarden Euro schweren Programme zur Verbesserung der Infrastruktur im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft in 2010 würde die Bilanz noch ernüchternder ausfallen.

Die offizielle Arbeitslosenquote liegt im 2. Quartal 2009 bei 23,6% (23,5% im 1. Quartal), doch die tatsächliche Zahl wird auf 40% geschätzt. Einem Bericht von Statistics SA vom 28. Juli zu Folge wurden in den Monaten April bis Juni 2009 insgesamt 267.000 Arbeitsplätze abgebaut. Der Arbeitsmarkt ist so von 17,8 Millionen Arbeitsplätzen auf 17,5 Millionen geschrumpft. Besonders besorgniserregend, schreibt der Business Day am 29. Juli 2009, sei die hohe Zahl an „entmutigten“ Arbeitslosen. 302.000 weitere Arbeitslose haben es demnach aufgegeben, sich offiziell als arbeitsuchend zu melden. Viele von ihnen versuchen nun, im informellen Sektor ihren Lebensunterhalt zu sichern. Nimmt man diese Zahl in die Statistik mit auf, steigt die Arbeitslosenquote gleich auf 32,5%.

Bislang liegt seitens der Regierung kein Vorschlag zur Krisenbewältigung vor. Die im Vorfeld der Wahl von Zuma versprochenen Maßnahmen, die die Auswirkungen der Rezession dämpfen sollen, lassen weiterhin auf sich warten.

Neues Kabinett um sechs Ministerien erweitert

Als erste Amtshandlung hat Zuma im Mai sein Kabinett vorgestellt: Sechs neue Ministerien und insgesamt 34 Minister gehören ihm an. Die im Ausland mit Erleichterung zur Kenntnis genommene erneute Berufung des ehemaligen Finanzministers Trevor Manuel als Chefstratege ins Kabinett Zuma ist zwar Ausdruck dafür, dass der als Linkspopulist geltende Zuma sich nicht ausschließlich mit Kommunisten und Gewerkschaftern in seinem engsten Stab umgibt. Doch welche Aufgaben Trevor Manual in seinem neuen Amt als Superminister genau erledigen soll, ist auch 100 Tage nach der Wahl unklar. Bekannt ist nur, dass der neue Planungsstab im Präsidialamt unter Leitung Manuels die Strategie der Administration Zuma ausarbeiten soll. Die Gefahr der Zentralisierung von Macht bleibt.

Dafür spricht auch die Aussage des neuen Ministers für „Cooperative Governance and Traditional Affairs“ (ehemals „Department of Provincial and Local Government“), Sicelo Shiceka, die Notwendigkeit der Provinzen zu überprüfen. Die Forderung, die derzeit neun Provinzen zu reduzieren oder gar ganz abzuschaffen, ist nicht neu. In der Resolution von Polokwane aus dem Dezember 2007 ist dieses Vorhaben bereits festgehalten. Erstmals hat aber mit Shiceka Anfang Juli ein Minister entsprechende Pläne öffentlich angedeutet. Eine solche Entwickung, die den in der Verfassung festgelegten dezentralen Staatsaufbau in Frage stellen und auf einen Zentralstaat hinauslaufen könnte, würde den Einfluss des dominanten ANC festigen und die unteren Ebenen des Staates entmachten. Das „Problem“ des von der Opposition geführten Westkaps würde sich durch eine Reform der Provinzen von selbst erledigen, der ANC könnte mit einer Neutrukturierung eine strukturelle Mehrheit sichern und seinen Einfluss zurück erobern.

Korruption lähmt die Regierung

Dass es die Regierung seit 1994 geschafft hat, 2,6 Millionen RDP-Häuser zu bauen, hält Cronje angesichts der weit verbreiteten Korruption für eine erstaunliche Leistung. In der Tat hat die Korruption in Südafrika eine lähmende Wirkung auf das Funktionieren von Wirtschaft und Regierung. Die wenigsten der 34 Mitglieder des neuen Kabinetts Zuma haben in den ersten Wochen ihrer Amtsperiode anders auf sich aufmerksam gemacht, als mit der Zurschaustellung ihrer neuen Luxuslimosinen. Zumas Reaktion auf die zweifelhaften Geschenke der Wirtschaft an seine Minister ließ einige Tage auf sich warten: Die Annahme solch wertvoller Geschenke sei „nicht empfehlenswert“, ließ der Präsident, der in den vergangenen drei Monaten ungewöhnlich still geworden ist, verlauten. Kurze Zeit später machte das “Department of Communications” allerdings ebenfalls mit einem Limosinen-Skandal auf sich aufmerksam: Für den neuen Minister wurden gleich zwei neue Fahrzeuge, zwei BMW 750i, im Wert von je rund 1,1 Millionen Rand gekauft. Helen Zille, Parteivorsitzende der Democratic Alliance (DA) und neue Premier des Western Cape, kritisierte die Anschaffung als nur eins von vielen Beispielen des verschwenderischen Verhaltens der ANC-Regierung. Missbräuchliche Einflussnahme, Bestechung und Gefälligkeiten gäben erheblichen Anlass zur Besorgnis und würden einer effizient funktionierenden Regierung im Wege stehen, so Zille. Für das eigene Kabinett im Western Cape hat Zille strenge Sparsamkeit verordnet. Den Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der selbst verordneten Sparsamkeit hat sie auch der nationalen Regierung übergeben – bislang kam dazu keine Reaktion.

Zille, die mit der DA das Western Cape gewonnen hat und somit die einzige von der Opposition geführte Provinzregierung stellt, scheint mit ihrem Wahlprogramm Ernst machen zu wollen. Korruptionsbekämpfung, Service Delivery und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien stehen für die DA im Mittelpunkt. Die Offizielle Opposition will den Südafrikanern zeigen, dass eine effektive Regierungspolitik möglich ist – und hat in den vergangenen drei Monaten mit der inhaltliche Arbeit am Kap begonnen. Sehr zum Ärger des ANC, dem die DA-geführte Regierung in Kapstadt natürlich ein Dorn im Auge ist. Während Zilles ersten Monate im Amt durchaus Anlass zur Hoffnung geben, ist es um die restlichen Oppositionsparteien im Land ebenfalls still geworden. Lediglich COPE, der vor wenigen Monaten noch so enthusiastisch gefeierte Congress of the People, schafft es in die Schlagzeilen – mit innerparteilichen Streitigkeiten. Lynda Odendaal, stellvertretende Vorsitzende der neu gegründeten Opposition, trat im Juli vom Amt zurück mit der Begründung, COPE sei nicht mehr die Partei, in der sie wenige Monate zuvor eingetreten sei. Von einem angeblichen Machtkampf zwischen Parteivorsitzendem Mosiuoa „Terror“ Lekota und dem ersten Stellvertreter, Mbhazima Shilowa, hatten schon vor der Wahl die Medienspekulationen um COPEs Zukunftsfähigkeit angeheitzt.

Unabhängige Justiz? Freie Medien?

Neben der „Service Delivery“ und Korruption sind Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der südafrikanischen Justiz entscheidende Themen, die von den Oppositionsparteien aufgegriffen werden und von den Medien kritisch begleitet werden müssen. Zwar hat der ANC seine verfassungsändernde Mehrheit am 22. April 2009 verloren, doch sind subtilere Eingriffe in die Justiz zu beobachten. Die Diskussion um eine mögliche Ernennung John Hlophes zum Verfassungsrichter ist nur ein Beispiel dafür: Hlophe, Präsident des Obersten Gerichtshofs im Western Cape, wird des Versuchs beschuldigt, zwei Richter des Verfassungsgerichts zu beeinflussen, damit sie in den Gerichtsverfahren gegen Jacob Zuma zugunsten des Parteipräsidenten entscheiden. Nun, nachdem alle Verfahren gegen Zuma eingestellt worden sind, steht zur Debatte, dass Hlophe von Zuma zum Verfassungsrichter, wenn nicht gar zum Präsidenten des Verfassungsgerichts ernannt wird.

Eine vorbereitende Anhörung gegen Hlophe soll nach einer jüngsten Entscheidung der Judicial Service Commission (JSC) nun hinter verschlossenen Türen stattfinden. Kate Hofmeyr, Anwältin der angesehen Wochenzeitung Mail & Guardian, reichte daraufhin einen dringenden Antrag beim South Gauteng High Court ein, um die Öffentlichkeit zu der Anhörung zuzulassen. Schon im vergangenen Jahr hatte dasselbe Gericht entschieden, die Medien zur ersten Anhörung Hlophes im Interesse der Transparenz zuzulassen. Wie das Verfahren diesmal ausgeht ist unklar. Jüngste Stellungnahmen aus der JSC geben Anlass zur Sorge darüber, wie es um die Gewaltenteilung und Medienfreiheit in Südafrika bestellt ist: „Where do they acquire such a right, my lord“, wird JSC-Anwalt Bashir Valli am 29. Juli vom Sowetan zitiert. Die Medien hätten absolut keinerlei Rechte, an den Verhandlungen und den Anhörungen des Gerichts teilzunehmen, so Valli, der damit wohl auf Zustimmung in höchsten ANC-Kreisen stoßen dürfte.

Der laxe Umgang führender ANC-Politiker mit der Justiz, der sich schon im eingestellten Verfahren gegen Zuma gezeigt hat, der zunehmende Parteieinfluss auf staatliche Institutionen sowie die parteipolitisch bestimmte Personalpolitik im öffentlichen Sektor hat nicht nur einen Vertrauensverlust in Demokratie und Rechtssystem zur Folge, sondern bedroht das gesamte System der Checks-and-Balances. Um dem entgegen zu wirken hat – wiederum – die DA bekannt gegeben, dass sie alle rechtlichen Schritte einleiten werde, um Jacob Zuma doch noch vor Gericht zu bringen. Bereits im April hatte die DA einen Antrag gestellt, die Entscheidung der National Prosecuting Authority (NPA) zu überprüfen. Die NPA hatte am 6. April, also kurz vor den Wahlen, entschieden, die diversen Verfahren gegen Zuma (u.a. wegen Korruption, Bestechung und Betrug) einzustellen.

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Die Politische Meinung
1. Juli 2009
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