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Länderberichte

Partei-Putsch gegen Mbeki

von Julia Steffenfauseweh (ehem. Weber)

Südafrikas Staatspräsident kündigt seinen Rücktritt an

Seinen größten außenpolitischen Erfolg hat Südafrikas Staatspräsident Thabo Mbeki gerade verbucht, da kommt aus dem eigenen Land das politische Aus: Nur eine Woche nach der von ihm vermittelten Unterzeichnung eines Vertrags zur Machtteilung im Nachbarland Simbabwe wird Südafrikas Staatspräsident von der eigenen Partei zum Rücktritt gezwungen. Damit unterliegt Thabo Mbeki nun endgültig seinem größten innerparteilichen Rivalen, Jacob Zuma.

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Neun Jahre nach Amtsantritt und rund sieben Monate vor den nächsten Wahlen hat Mbeki am Sonntag offiziell seinen Rücktrittsgesuch eingereicht. In einer anschließenden Fernsehansprache zog der 66-Jährige die Konsequenzen aus den Vorwürfen, er habe ein Korruptionsverfahren gegen Jacob Zuma initiiert und somit die Justiz des Landes für politische Zwecke missbraucht. Der monatelange Machtkampf innerhalb der Regierunsgpartei, dem African National Congress (ANC), hat somit seinen Höhepunkt erreicht – und Thabo Mbeki hat drei Jahre nach seiner Entscheidung, Jacob Zuma als Vizepräsidenten Südafrikas abzusetzen, die „Retourkutsche“ bekommen. Die erste Runde im persönlichen Machtkampf Mbeki gegen Zuma hatte der Präsident im Jahr 2005 noch gewonnen, die entscheidende Runde geht jetzt zugunsten seines größten Rivalen aus.

Bereits am Samstag hatte das National Executive Committee (NEC) der Partei den Präsidenten aufgefordert, sein Amt niederzulegen – diesem Wunsch wolle er nun nachkommen, sagte Mbeki dem Millionenpublikum vor den Fernsehern. Statt sich bei einem Uno-Auftritt in New York als Friedensstifter in Simbabwe feiern zu lassen, begann Mbeki in Pretoria damit, seinen Schreibtisch zu räumen.

Formell soll der Rücktritt am Donnerstag in Kraft treten. Mbekis Nachfolge steht noch nicht endgültig fest, der ANC scheint sich aber auf Kgalema Motlanthe als Übergangspräsidenten geeinigt zu haben. Die Partei-Vizepräsident soll jetzt Ruhe in den ANC bringen und einen Bruch in der Regierungspartei vermeiden. Bei den Wahlen im April 2009 soll dann erwartungsgemäß Zuma – der nicht Mitglied des Parlaments ist und demnach auch nicht als Übergangspräsident vereidigt werden kann – zum neuen Staatspräsidenten gewählt werden.

Auslöser

Auslöser für die Rücktrittsforderung des NEC war eine aufsehenerregende Gerichtsentscheidung, die Richter Chris Nicholson acht Tage zuvor in Pietermaritsburg verkündet hatte: Der Prozess gegen Mbekis erbittertsten Gegner Jacob Zuma sei wegen eines Verfahrensfehlers einzustellen. Die Anklage gegen Zuma wegen Korruption, Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung sei nicht zulässig. Zwar wolle er damit keine Aussage über Schuld oder Unschuld des Beklagten machen, so der Richter, doch Nicholsons Begründung war eindeutig: Staatspräsident Mbeki, heißt es in dem Urteil, habe die Justizbehörden massiv unter Druck gesetzt, um seinen Rivalen vor Gericht zu bringen und einen politischen Machtkampf für sich zu entscheiden. Schon 2005 war ein Prozess gegen Zuma wegen eines Verfahrensfehlers eingestellt worden. Zumas Anhänger, die jeden Gerichtsauftritts ihres Idols nicht nur auf den Straßen in Pietermaritsburg, sondern auch in Johannesburg und allen anderen Metropolen des Landes mit Demonstrationen begleitet hatten, jubelten – und sangen lauter denn je Zumas Kampflied „Bringt mir mein Maschinengewehr".

Den Vorwurf, er habe eine politische Verschwörung angezettelt, um seinen Konkurrenten loszuwerden, hat Mbeki selbst immer wieder von sich gewiesen. Auch am Sonntagabend ließ er sein Publikum wissen, dass er sich zu keiner Zeit in die Arbeit der National Prosecuting Authority (NPA) eingemischt habe. „Ich möchte noch einmal betonen, dass ich dies niemals getan habe. Ich habe nie das Recht der National Prosecuting Authority zu entscheiden, wen sie strafrechtlich verfolgen will oder nicht, beeinträchtigt“, so Mbeki. Bereits am Montag reichte er eine Beschwerde beim Verfassungsgericht ein. Die Gerichtsschlacht Zuma gegen Mbeki könnte also eine weitere Fortsetzung finden.

Rückblick

Nach dem Ende der Ära Nelson Mandelas, der im Post-Apartheid Südafrika vor allem für Versöhnung und Wiedergutmachung stand, galt Thabo Mbeki als Hoffnungsträger eines neuen Südafrikas. Er sollte nicht nur die Wirtschaft voranbringen, sondern gleichzeitig das ehemals isolierte Südafrika als Motor der „African Renaissance“ auf dem Kontinent etablieren. Bei den Wahlen 2004 eroberte der ANC unter Mbekis Führung fast 70 Prozent der Stimmen. Doch sein von vielen Südafrikanern als kühl und arrogant empfundener Regierungsstil hatte Mbeki immer wieder Kritik auch innerhalb der Partei eingebracht. In seiner „Abschiedsrede“ am Sonntag verwies Mbeki zwar einerseits auf die wirtschaftlichen Erfolge seiner Amtszeit, gestand aber gleichzeitig ein, dass der Großteil der Südafrikaner von diesen Erfolgen bislang nicht profitiert habe.

Und genau diesen Aspekt hatte Zuma in den vergangenen Monaten für sich nutzen können. Für seine Anhänger verkörpert der linkspopulistische Zuma, der vor allem der armen Bevölkerung immer wieder große Versprechungen macht, die Hoffnung auf eine sozialere Politik im Gegensatz zur empfundenen Wirtschaftsnähe Mbekis.

Eine schwere Niederlage im innerparteilichen Kampf gegen Zuma hatte Mbeki dann im November 2007 erlitten. Beim Parteitag in Polokwane konnte sein Konkurrent den Parteivorsitz übernehmen – und Mbeki stand zum ersten Mal als Verlierer da. Seitdem sind zwei Machtzentren in Südafrika entstanden, die den politischen Prozess des Landes lähmen: Im Luthuli Haus in Johannesburg, der Parteizentrale des ANC, wurde der Sturz des Präsidenten vorbereitet, während in den Union Buildings in Pretoria die letzte politische Stunde des Thabo Mbeki schlug. In dem Vorgehen des NEC hat sich nun abermals gezeigt, dass sich die Partei als das strategisch-politische Zentrum versteht, das berechtigt ist, Regierungsmitgliedern Weisungen zu erteilen und die politische Zukunft des Landes zu bestimmen.

Probleme

Die Geschehnisse vom vergangenen Sonntag sind demnach nicht als geordnete Ablösung eines demokratisch gewählten Präsidenten zu verstehen, sondern eher als eine Palastrevolution innerhalb des ANC. Weniger politische Inhalte, sondern der Machtkampf zwischen dem Präsidenten und seinem ärgsten Widersacher standen seit 2005 im Mittelpunkt der südafrikanischen Politik. Der Vorsitzende der Inkatha Freedom Party (IFP), Prinz Mangosuthu Buthelezi, sprach daher nach der NEC-Entscheidung am Samstag von Südafrikas größter Herausforderung seit dem Ende der Apartheid. „Die Entscheidung des ANC hat ernsthafte Konsequenzen für die politische und ökonomische Stabilität des Landes“, so Buthelezi. Auch Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu zeigte sich „zutiefst beunruhigt“ über die Entscheidung des NEC, die er als politische Abrechnung bezeichnete. Der Weg der Vergeltung führe zu einer „Bananenrepublik“, so Tutu.

Die alles entscheidende Frage ist nun, wer mit Mbeki zurücktreten wird und wer bleibt. Bereits kurz nach der Fernsehansprache des Präsidenten kamen Spekulationen auf, dass einige Minister Mbekis Beispiel folgen und zurücktreten würden. Minister im Präsidialamt Essop Pahad kündigte bereits am Montag seinen eigenen Rücktritt an, ebenso der Minister für Wissenschaft und Technologie, Mosibudi Mangena. Ob andere einflussreiche ANC-Politiker dem Beispiel folgen, ist noch unklar. Finanzminister Trevor Manuel beispielsweise, der wie kein anderer für Südafrikas wirtschaftlichen Aufschwung steht, soll ersten Angaben zufolge auch unter einem neuen Präsidenten die ökonomischen Geschicke des Landes weiter führen.

Chancen und Ausblick

Die Reaktionen auf Mbekis Rücktritt sind derweil geteilt: Während einige Parteimitglieder des ANC die Entscheidung, Mbeki zum Rücktritt zu zwingen, als historische Chance für einen Neuanfang sehen, fürchten andere eine nationale Krise. Thabo Mbekis Bruder Moeletsi Mbeki, sonst selbst scharfer Kritiker der Politik seines Bruders, stellte sich gegen die Entscheidung des NEC: Sie liefere das beste „Rezept für einen Bürgerkrieg“ in Südafrika. Und tatsächlich scheint die ohnehin schon gewalttätige Stimmung im Land durch die jüngsten Entwicklungen noch brisanter zu werden.

Seit Monaten ist die politische Sprache in Südafrika von extremer Brutalität geprägt. Drohungen der Youth League, wenn nötig für Jacob Zuma „zu töten“, oder Zumas eigene Aussage, Mbekis Regierung sei wie eine „tote Schlange“, tragen zur explosiven Stimmung bei. Erinnerungen an die gewalttätigen 90er Jahre, in denen in Südafrika teils bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, wurden schon im Mai wach: Die Übergriffe auf Ausländer in den Townships forderten mehr als 60 Tote und lösten eine Flüchtlingwelle aus.

Das Ende des Machtkampfes innerhalb des ANC könnte daher einerseits Ruhe in die Partei bringen und für einen gemäßigteren Ton in der Politik sorgen. Auch die Bewegungslosigkeit der vergangenen Monate in Bezug auf die dringendsten Probleme des Landes – Kriminalität, Armut und steigende Inflationsrate – könnte überwunden werden.

Andererseits ist auch eine Spaltung des ANC nach den jüngsten Entwicklungen möglich. Obwohl Mbeki in seiner Ansprache am Sonntag darauf hinwies, dass er bereits seit 52 Jahren Mitglied des ANC sei und sich an seiner Mitgliedschaft in der ehemaligen Befreiungsbewegung nichts ändern würde, ist ein Bruch innerhalb der Regierungspartei nicht mehr auszuschließen. Die grundsätzliche Bereitschaft des Mbeki-Flügels, den allmächtigen ANC zu verlassen und eine neue Partei zu gründen, birgt ganz neue Perspektiven für Südafrika.

Der ANC hat seinen Parteibildungsprozess bislang immer nur zaghaft vorangetrieben und ist eher eine Befreiungsbewegung mit einer „catch all“-Strategie. Gemeinsam mit der South African Communist Party (SACP) und dem dominanten Gewerkschaftsverband Congress of South African Trade Unions (COSATU) bildet der ANC die Tripartite Alliance. Diese Zusammensetzung der Regierungspartei prägt das Verständnis von der politischen Gestaltungsaufgabe des ANC maßgeblich. Während Mbekis Regierung für Realpolitik stand, hat der pragmatisch linke und populistische Flügel der Partei die Rolle der Opposition übernommen.

Die Entstehung eines neuen Akteurs hätte daher nicht nur weitreichende Folgen für das südafrikanische Parteiensystem, sondern auch für die weitere Entwicklung des Outreach-Landes. Sollte die realpolitische Mbeki-Fraktion tatsächlich den ANC verlassen, könnte eine neue Opposition außerhalb des ANC entstehen. Den bisherigen Oppositionsparteien ist es bisher nicht gelungen, enttäuschte ANC-Wähler auf ihre Seite zu ziehen und an sich zu binden.

Eine Abspaltung des Mbeki-Flügels will der ANC daher auch unbedingt verhindern. Dringendste Aufgabe sei es nun, so betonte ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe, die „tiefen Gräben in der Partei“ wieder zu schließen. Nach den erbitterten Kämpfen der vergangenen Monate wird es aber eine schwierige Aufgabe, die Partei zu einen. Die langfristigen Folgen der Entscheidung des NEC, Mbeki zum Rücktritt zu zwingen, sind daher noch nicht engültig abzusehen. Zumindest zwei Optionen bleiben offen: Eine neue Oppositionspartei ist nicht mehr unwahrscheinlich – eine neue Welle der Gewalt ist allerdings ebenfalls nicht auszuschließen.

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