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Länderberichte

Zu viel Politik und zu wenig Kompetenz

von Christina Teichmann

Südafrikas Kommunen in der Krise

Terence Nombembe, Präsident des südafrikanischen Rechnungshofes (Auditor General of South Africa „AGSA“), lässt in seinem am 23. Juli 2012 dem Parlament vorgelegten Bericht zur kommunalen Finanzwirtschaft für das Haushaltsjahr 2010/2011 keinen Zweifel daran, dass sich Südafrikas Kommunen in einer schweren Krise befinden. Die Ergebnisse des Berichts sind vernichtend und fordern nicht nur Kommunen, sondern auch Provinzen und die Nationalregierung zum Handeln auf.

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„Operation Clean Audit“ wurde vom AGSA im Jahr 2009 ins Leben gerufen, um südafrikanische Munizipien und kommunale Unternehmen bei der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und Abrechnung ihrer Haushalte zu unterstützen. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2014 allen Kommunen eine „clean audit“, ein uneingeschränktes Audit ohne Mängel, ausstellen zu können.

Rechnungshof legt Bericht zum Haushaltsjahr 2010/2011 vor

Die Ergebnisse des aktuellen Berichts machen jedoch deutlich, dass die „Operation Clean Audit“ noch weit vom Erreichen dieses ambitionierten Ziels entfernt ist und bei den insgesamt 343 geprüften Stellen (283 Munizipien und 60 kommunale Unternehmen) bislang noch wenig bewirkt hat. Laut Prüfungsbericht gelang es nur fünf Prozent der Beteiligten, sich im Haushaltsjahr 2010/2011 für eine „clean audit“ zu qualifizieren. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 95 Prozent aller südafrikanischen Munizipien und kommunalen Unternehmen nicht in der Lage waren, ihren Haushalt wirtschaftlich und ordnungsgemäß zu führen.

Die Beanstandungen des AGSA sind differenziert zu betrachten und reichen von eher harmlosen Formfehlern über mangelnde interne Finanzkontrolle bis hin zu kommunalen Ausgaben, die als ordnungswidrig, unnütz oder verschwenderisch eingestuft werden.

Audit der Kommunen stellt auch die Provinzen auf die Probe

Manchen Leser des Berichts mag es überraschen, dass es keiner der acht Metropolen im Land gelang, sich für eine „clean audit“ zu qualifizieren, obwohl die Metros im Vergleich zu den Gemeinden personell und finanziell besser ausgestattet sind. Dieses Resultat werfe auch ein schlechtes Licht auf die betreffenden Provinzregierungen, insbesondere deren politische Führung, argumentiert der südafrikanische Journalist Setumo Stone und ist mit dieser Einschätzung nicht allein.

Gerade für die Oppositionspartei Democratic Alliance (DA), die die Metropole Kapstadt sowie die Westkap-Provinz regiert, ist das unbefriedigende Abschneiden Kapstadts ein politischer Rückschritt, um so mehr als es der Metropole in den zwei vorangegangenen Jahren gelungen war, sich für eine „clean audit“ zu qualifizieren. Darüber hinaus verstand es die DA unter Führung von Helen Zille im Vorfeld der Kommunalwahlen 2011 mit der eindrucksvollen Erfolgsbilanz ihrer DA-regierten Kommunen im Wahlkampf zu punkten und damit neue Wähler für sich zu gewinnen. Helen Zille, die nicht nur Oppositionsführerin sondern auch Premierministerin der Westkap Provinz ist, bemüht sich deshalb um Schadensbegrenzung wenn sie erklärt, dass ihre Provinzregierung allen Kommunen im Westkap mit Rat und Tat bei der nachhaltigen Behebung der im Report aufgeführten Mängel unterstützen werde.

Ein Blick auf die Verteilung der 13 Musterkommunen im Land zeigt, dass sich davon vier in KwaZulu Natal, fünf in Limpopo, zwei in Mpumalanga und zwei im Western Cape befinden. In den Provinzen Eastern Cape, Northern Cape, Gauteng, Free State und North West konnten die Rechnungsprüfer keine einzige „clean audit“ vergeben. In 13 Prozent dieser Problemfälle waren Kommunen nicht in der Lage, die zur Prüfung notwendigen Unterlagen fristgerecht oder vollständig vorzulegen. Kommunale Ausgaben in Höhe von insgesamt 3,5 Milliarden Rand konnten aus diesem Grund nicht auditiert werden.

Zunahme an „service delivery“ Protesten nachvollziehbar

Die Rechnungsprüfer kommen in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, dass südafrikanische Kommunen und kommunale Unternehmen im Haushaltsjahr 2010/2011 insgesamt 11 Milliarden Rand entweder ordnungswidrig, ohne erkennbaren Nutzen oder in verschwenderischer Weise ausgaben. Dabei machen ordnungswidrige Ausgaben („irre-gular expenditure“) in Höhe von 10 Milliarden Rand den Löwenanteil aus. Im Vergleich dazu waren es im Haushaltsjahr 2009/2010 noch 6 Milliarden Rand, die in diese Kategorie fielen.

Insgesamt werden Ausgaben der Kommunen in Höhe von 260 Millionen Rand vom AGSA als unnütz und verschwenderisch („fruitless and wasteful expenditure“) eingestuft. Damit sind beispielsweise Zahlungen für Güter gemeint, die nie geliefert wurden, oder Strafzinsen aufgrund der verspäteten Begleichung ausstehender Rechnungen.

Für öffentliche Empörung sorgen vor allem die Haushaltsmittel in Höhe von 3,7 Milliarden Rand, die nicht von den Kommunen ausgegeben wurden. Insbesondere der Gewerkschaftsverband COSATU kritisiert die Unfähigkeit der Kommunen, ihre zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auszuschöpfen, um damit die Versorgung der armen Bevölkerung mit Trinkwasser, Unterkünften, Straßen, Schulen und Krankenhäusern zu finanzieren. COSATU hält es unter den gegeben Umständen für nicht verwunderlich, dass vor allem Bewohner von Townships und informellen Siedlungen ihrer Frustration mit kommunalen Dienstleistungen immer häufiger in Form von gewalttätigen Protesten Ausdruck verliehen.

Entpolitisierung und Professionalisierung gefordert

In seiner Problemanalyse nennt Terence Nombembe drei Hauptursachen für die Krise der Kommunen:

  1. Bei 70 Prozent aller Kommunen sind Schlüsselpositionen von Personen besetzt, die aufgrund mangelnder Qualifikation und Kompetenz ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind.
  2. 73 Prozent aller Kommunen weisen eine generelle Tendenz auf, schlechte Leistungen von Angestellten zu tolerieren und Ordnungswidrigkeiten nicht konsequent zu verfolgen.
  3. Die politische Führung der Kommune nimmt ihre interne Kontrollfunktion in der kommunalen Finanz- und Haushaltswirtschaft nicht oder nur unzureichend wahr.
Der Auditor General macht in seinem Bericht keinen Hehl daraus, dass eine politisch motivierte Personalpolitik, das so genannte “Cadre Deployment“, nicht nur für die mangelnde Kompetenz in den Kommunen verantwortlich ist, sondern auch verhindert, dass Kommunalbeauftragte bei Misswirtschaft, Ordnungswidrigkeiten oder Korruption zur Rechenschaft gezogen und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden. Obwohl Terence Nombembe in diesem Zusammenhang keine Partei beim Namen nennt, richtet sich seine Kritik doch in erster Linie an den African National Congress (ANC), der als Regierungspartei alle drei Regierungsebenen dominiert und kontrolliert. Eine Professionalisierung der Kommunalverwaltung, die Hand in Hand geht mit einer Entpolitisierung des Sektors, scheint deshalb dringend geboten.

„Operation Clean Audit“ mangelt es an politischem Willen

Als eine in der Verfassung verankerte Chapter 9 Institution arbeitet der Auditor General unabhängig, selbstständig und weisungsfrei. Die Regierung hat die Pflicht, die Institution in ihrer Arbeit zu unterstützen. Gebunden ist die Institution in ihrer Arbeitsweise nur an bestehendes Recht und an die Verfassung.

Diese institutionelle Struktur soll es Terence Nombembe und seinem Team ermöglichen, Probleme aufzuzeigen und ohne Angst vor Repressalien beim Namen zu nennen. Die regelmäßige Veröffentlichung von Prüfungsberichten, die nicht nur Ergebnisse und Problemanalysen enthalten, sondern auch konstruktive Empfehlungen aussprechen, hat einen gesellschaftlichen Diskurs zur Folge und trägt dazu bei, den politischen Druck zum Handeln zu erhöhen.

Damit ist das Mandat des Auditor Generals jedoch erschöpft. Das Recht zur strafrechtlichen Verfolgung hat er nicht. Auch die Umsetzung der im Prüfungsbericht aufgeführten Verbesserungsvorschläge kann er nicht einfordern. Dazu ist politischer Wille notwendig, welcher der Initiative „Operation Clean Audit“ bislang kaum zuteil wurde.

Alle Fußnotenangaben zum zitierten AGSA-Bericht können Sie im oben verlinkten pdf-Dokument nachlesen.

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