Das Frühstück basierte auf den Gastreden prominenter Experten aus dem Feld und konkludierte mit einer Frage- und Antwortrunde mit dem Publikum.
Christine Botha, Direktorin des Centre for Constitutional Rights, begrüßte die Zuschauer und leitete die Diskussion ein, indem sie die kritischen Fragen zur Zukunft der südafrikanischen Politik stellte, die im Panel behandelt werden sollten. Christiaan Endres, Projektmanager der Konrad-Adenauer-Stiftung, betonte in seiner Begrüßung mit dem Bezug zur deutschen Geschichte, wie wichtig es sei, die Demokratie zu fördern, um sie zu erhalten, und hob die Beiträge, die Diskussionen dieser Art leisten können hervor.
Die Bedeutung der Wahlergebnisse und die neue Machtstruktur
Der erste Sprecher des Vormittags, Dr. Theuns Eloff, der geschäftsführender Direktor der FW de Klerk Stiftung, begann seinen Diskurs mit einer Einschätzung der wichtigsten Ergebnisse der diesjährigen Wahlen. Obwohl der ANC einen Rückschlag erlitt, konnte Cyril Ramaphosa in eine Position gebracht werden, in der er eher sein Reformmandat erfüllen kann. Die DA war nicht in der Lage die ANC-Verluste zu kapern, sondern verzeichnete ihrerseits ebenfalls Verluste. Viele ihrer Afrikaaner-Wähler wandten sich zur FF+, die ihrer Meinung nach ihre Sprach- und kulturellen Interessen besser vertritt. Der Zulauf zur EFF erwies sich als geringer, als die Prognosen erwartet hatten. Die Gewinne der IFP begründete Dr. Eloff auf den Zulu-Traditionalismus in der Landfrage.
Anschließend ging Dr. Eloff auf die Frage ein, wie Südafrika zu einer konstitutionellen Demokratie zurückfinden kann. Er erwähnte unter anderem die Bedeutung wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die Arbeitsplätze schaffen und den Armen zugutekommen muss. Insgesamt müssen das Bildungs-, Gesundheits- und Sicherheitsniveau verbessert werden. Es liegt jedoch auch in der Verantwortung der Zivilgesellschaft, der Unternehmen und der Kirchen, die nationale Kohäsion zu stärken und die Rechte von Minderheiten anzuerkennen.
In seiner politischen Analyse stellte Dr. Eloff die Machtstruktur von Präsident Ramaphosa als wesentlichen Faktor für Südafrikas Weg zur konstitutionellen Demokratie dar. Während sich seine Regierungslegitimität von einem Interimspräsidenten zu einem demokratisch von 55,7 Prozent der Bevölkerung gewählten Präsidenten gewandelt hat, basiert seine Herrschaft letztendlich auf drei Machtgrundlagen: 1) Das ANC Hauptquartier, Luthuli House, auf welches der politische Widersacher Ace Magashule starken Einfluss hat, 2) die ANC-Fraktion im Parlament, die von Ramaphosa abhängen, und 3) die in der Verfassung verankerte Rechtsgrundlage, namentlich die Institutionen der NDPP, der Hawks, die Gerichte und die Chapter Nines.
Ramaphosas Handhabung dieser drei Machtbasen wird der entscheidende Faktor seines Vermächtnisses als Präsident sein. Dr. Eloff prognostiziert drei mögliche Zehnjahres-Szenarien für Südafrika: 1) Mit einer Wahrscheinlichkeit von 65 Prozent - Ramaphosa ist in der Lage, seine Machtbasis zu festigen, und seine Reformen haben die beabsichtigten Auswirkungen. Daher wird Ramaphosa für eine zweite Amtszeit wiedergewählt und Südafrika findet langfristig den Weg zurück zu einer konstitutionellen Demokratie. 2) Mit 10 Prozent viel weniger wahrscheinlich - Die Zuptoiden aus dem Luthuli House untergraben Ramaphosas Herrschaft, was zu seiner Abwahl führt. Südafrika verbleibt auf einem Abwärtstrend und der ANC verliert Stimmen, sodass letztendlich eine Oppositionskoalition nach den Wahlen im Jahr 2024 die Regierung übernimmt. 3) Mit 25 prozentiger Wahrscheinlichkeit - Ramaphosa wird von den Zuptoiden toleriert und bleibt im Amt,ihre korrupten Aktivitäten dauern an. Südafrika rückt dabei graduell fort von einer konstitutionellen Demokratie.
Was sagt uns die Wahlbeteiligung?
Die nächste Rednerin, die Senior Projektleiterin des South African Reconciliation Barometer (SARB) des IJR, war Elnari Potgieter. Sie präsentierte die Schlussfolgerungen, die aus der diesjährigen Wahlbeteiligung gezogen werden können. Sie fasste zunächst die Struktur zusammen: Von den 35,4 Millionen möglichen Wählern registrierten sich nur 26,9 Millionen - eine Registrierungsquote von 75 Prozent. Von diesen stimmten wiederum nur 17,7 Millionen tatsächlich an der Wahl ab. Diese 65 Prozent der registrierten Wähler sind aber nur 47 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung. Potgieter wies auch auf die interessant hohe Anzahl ungültiger Wahlzettel hin, die insgesamt fünf Sitze in der Nationalversammlung ausgemacht hätten, wenn sie an eine Partei gegeben wären. Die Mehrheit der Wählerschaft ist weiblich und es fehlte vor allem an jungen Wählern.
Um die Statistik besser zu verstehen, beschrieb Potgieter Determinanten des Wahlverhaltens. Sie identifizierte drei Hauptpunkte: 1) Die individuelle Fähigkeit, in Bezug auf Ressourcen, wählen zu gehen. 2) Der Wille und die Motivation zu wählen, geprägt durch Sozialisierung und Kenntnis des demokratischen Systems. 3) Das Vertrauen in das System und seine Institutionen und damit die politische Wirksamkeit. Potgieter enthüllte zusätzlich weitere Zahlen aus dem Barometer. 51 Prozent der Befragten glauben nicht, dass ihre Stimme etwas bewirken kann und 25 Prozent konnten sich politisch mit keiner Partei identifizieren. Die Ergebnisse lassen eine Distanzierung der Bevölkerung vom Wahlprozess erkennen, dabei sprechen sich zwei Drittel der Befragten jedoch nach wie vor allgemein für die Demokratie und die Einhaltung der Verfassung aus. Potgieter glaubt, dass das Wählerverhalten eher ein Beweis für eine Veränderung der politischen Partizipationsmittel als für eine Entpolitisierung oder Politikverdrossenheit ist. Weitere angeführte Umfragen besagen, dass soziale Medien nach wie vor eine untergeordnete Rolle spielen, die Medien jedoch insgesamt als Überwachungsinstrument und als vertrauenswürdigste Institution für politische Informationen gelten. Potgieter kam zu dem Schluss, dass die Integrität der Medien für eine konstitutionelle Demokratie und den Aufbau eines Forums, welches einer Vielzahl von Stimmen eine Plattform bietet, deshalb unabdingbar ist.
Der Verlust der Verantwortlichkeit und Effekt von Korruption
Der letzte Sprecher des Trios, Wayne Duvenage, der Geschäftsführer der Organisation Undoing Tax Abuse (OUTA), stellte seine Sicht auf die Auswirkungen der Korruption auf Südafrika vor. Das Land verlor mindestens 550 Milliarden Rand durch eine Korruptionskultur, in der Plünderungen von Geldern sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich zum Status Quo geworden sind. Wenn die Nichtlieferung versprochene Leistungen wie sanitäre Infrastruktur oder Bildungsressourcen akzeptiert werden, sind die Armen die am meisten Geschädigten. Duvenage verdeutlichte, dass der Bau eines Kraftwerks in Südafrika aufgrund korrupter Tätigkeiten dreimal so teuer ist wie in vergleichbaren Ländern. Die Regierung finanziert diese Projekte jedoch weiterhin, weil Parlamentarier bereit sind „wegzuschauen“. Duvenage glaubt jedoch auch, dass das Land noch nicht einen Punkt erreicht hat an dem es kein Zurück mehr gibt. Die Wahl von Ramaphosa schöpft neue Hoffnung für die Umsetzung von Antikorruptionsstrategien. Diese Strategien müssen nicht nur eine Reduzierung des Kabinetts beinhalten, sondern auch einen Kulturwandel, in dem Transparenz normalisiert wird und öffentliche Dienstleister zur Verantwortung gezogen werden. Das Narrativ von Mechanismen, die „Whistleblowing sexy machen“, muss gefördert und die Rechtsstaatlichkeit gestärkt werden. Ebenso sollte die Wirtschaftspolitik West-freundlich ausgerichtet bleiben, um damit mehr Arbeitsplätze und Steuerzahler zu schaffen und dabei gleichzeitig die Steuerhöhe zu senken. Rettungsfonds durch staatliche Institutionen müssen gestoppt und eine Wachstumsrate von fünf Prozent sollte angestrebt werden. Duvenage endete mit der Feststellung, dass Ramaphosas Führung und seine Fähigkeit, die Nation in dieser Angelegenheit hinter sich zu bringen, die entscheidende Kraft für Fortschritt in der Antikorruptionskampagne sein wird.
Eine engagierte Diskussion mit dem Publikum folgte den Beiträgen und beinhaltete auch interessante Bemerkungen und Fragen. Themen wie die Rolle der sozialen Medien, Minderheiten in Südafrika, die Schaffung einer „Keine der oben genannten“-Wahlkategorie und der Kontextrahmen von Demokratie in Südafrika wurden unter der Moderation von Rebecca Sibanda vom Centre for Constitutional Rights untersucht. Zum Abschluss der Veranstaltung fasste Christine Botha die wichtigsten Punkte des Vormittags zusammen und dankte dem Publikum, den Partnern, den Delegierten und den Referenten.