Nach der Eröffnung durch Kevin Chaplin, Geschäftsführer der Ubuntu und Amy Foundation, folgte eine kurze Begrüßung durch die verschiedenen Sponsoren. Christina Teichmann, KAS-Programmbeauftrage, begrüßte die Teilnehmer im Namen der Stiftung und wies darauf hin, dass der Titel der Rede von Aubrey Matshiqi zwei entscheidende Komponenten enthalte: Einerseits beziehe er sich auf die mit der Wahl des neuen Präsidenten Cyril Ramaphosas verbundenen Hoffnungen und Erwartungen vieler Südafrikaner, darunter die Bekämpfung von Korruption und hoher Arbeitslosigkeit und die Stärkung guter Ethik und Werte im öffentlichen Dienst. Andererseits impliziere der Titel die Frage, wie Südafrika in 20 bis 30 Jahren aussehen soll.
In diesem Kontext stellt die Politikanalyse eine Schlüsselkomponente dar, da sie nicht nur zu einem besseren Verständnis aktueller gesellschaftlicher Gegebenheiten beiträgt, sondern zudem erlaubt, zukünftige Trends zu erkennen.
Systemische Korruption
Zu Beginn seiner Rede erinnerte Aubrey Matshiqi an Ramaphosas Versprechen, eine neue politische Ära einleiten zu wollen, welches er im Rahmen seines Amtsantritts im Februar 2018 gegeben hatte. Laut Matshiqi sei Korruption zu diesem Zeitpunkt nicht mehr endemisch, sondern bereits systemisch gewesen und damit die dominante Kultur des Staates geworden, die sowohl den privaten als auch den öffentlichen Sektor umfasse. Aufgrund dieser Entwicklung, so Matshiqi, ergebe sich die Frage, wie Südafrika so schnell an einen derartig kritischen Punkt gelangen konnte. Seiner Ansicht nach liegt die Antwort darauf im politischen System Südafrikas. Dieses sei zu lange wettbewerbslos gewesen und habe dadurch die Einparteiendominanz des ANC als Regierungspartei und der Demokratischen Allianz als offizielle Opposition hervorgebracht. Wenn eine Partei zu lange regiert, werde diese, wie es laut Matshiqi in Südafrika der Fall sei, für die Interessen und Bedürfnisse der Bürger desensibilisiert.
Der Echokammer-Effekt
Im Folgenden verwies Matshiqi auf verschiedene Institutionen, die innerhalb dieses Systems tätig sind, wie beispielsweise die Nationale Strafverfolgungsbehörde NPA. Matshiqi zufolge hätten sich diese Institutionen unter Ramaphosa nicht verändert und bedienen - wie bereits unter dem ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma – noch immer die Interessen der führenden Politiker und Machthaber, anstatt dem Volk zu dienen. Das hohe Maß an Euphorie und Hoffnung, das nach der Wahl von Ramaphosa zum neuen Präsidenten Südafrikas entstand, lässt sich nach Auffassung von Matshiqi durch den sogenannten „Echokammer-Effekt“ erklären. Eine Echokammer beschreibt Situationen, in denen Überzeugungen durch Kommunikation und Wiederholung innerhalb eines geschlossenen Systems gefestigt werden. Matshiqi ist der Auffassung, dass die Südafrikaner in einem derartigen, geschlossenen System leben und die vorgelegten Ideen derjenigen an der Spitze der Kammer unüberlegt übernehmen.
Soziale Ungleichheit – die größte Herausforderung
Anschließend wies Matshiqi darauf hin, dass Südafrika neben dem korrumpierten System vor einer noch größeren Herausforderung stehe, nämlich der sozialen Ungleichheit. Solange die enorme Kluft zwischen Arm und Reich weiterhin ignoriert und von der herrschenden Elite nicht entschlossen angegangen wird, werde Südafrika keinen wahren Frieden haben können. Er betonte, dass dieses Problem zudem in der Öffentlichkeit, beispielsweise durch die Medien, verharmlost werde. Gewalttätige Proteste der von den weitreichenden Folgen der Ungleichheit Betroffenen spiegele, so Matshiqi weiter, deren Verzweiflung wider und sei ein letztes Mittel, um sich Gehör zu verschaffen.
Adäquate Regierungsführung
Matshiqi kommt zu dem Schluss, dass man sich zunächst mit der Frage befassen müsse, wie man eine angemessene soziale, politische und wirtschaftliche Ordnung aufbauen kann, um den kritischen Entwicklungen einer wachsenden Kultur der Korruption und eines anhaltend hohen Niveaus an Ungleichheit entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang warnte Matshiqi davor, dass diejenigen, die glaubten, die Lösung Südafrikas Probleme läge in der Hand eines mächtigen und charismatischen Mannes, lange auf eine politische Wende und eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse werden warten müssen. Eine neue Ära hänge nicht von einer einzigen Person ab. Anstatt zu fragen, welche Art von Staatsoberhaupt Südafrika braucht, sollte man sich eher fragen, welche Art von sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ordnung das Land benötigt. Matshiqi äußerte diesbezüglich seine Zweifel an den Führungskompetenzen des ANC zur Lösung der akuten Probleme und ermutigte das Publikum, über die derzeit dominierenden politischen Parteien hinauszudenken, da diese eventuell nicht mehr tragender Bestandteil der zukünftigen politischen Dispensation sein könnten.
Am Ende seiner Rede betonte Matshiqi erneut, dass eine neue Ordnung nur erreicht werden könne, wenn die Stärkung der Justiz, die Transformation der Wirtschaftsstruktur, die Bekämpfung von Korruption und Ungleichheit sowie offene Fragen zur Landstruktur aktiv und ernsthaft thematisiert und angegangen werden – dies sei bisher nicht passiert. Eine politische Wende und damit die Einleitung einer neuen Ära hänge, so Matshiqi abschließend, letztlich von der Qualität der Entscheidungen ab, die Südafrika, seine Bürger und seine Regierung heute treffen.