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Länderberichte

Eskalation im Himalaya?

von Peter Rimmele, Maurizio Paciello

Die Zusammenstöße entlang der „Line of Actual Control“, die regionale Perspektive und Auswirkungen für Europa

Anfang September erreichten die territorialen Auseinandersetzungen zwischen den Atommächten China und Indien im Himalaya einen erneuten unrühmlichen Höhepunkt: An den Ufern des Pangong Tso fielen dabei zum ersten Mal seit 1975 Schüsse. Wenngleich bisher keine Opfer dokumentiert sind, ist die Situation alarmierend. Aktuell ziehen sich Gespräche zwischen beiden Ländern hin, um die Situation zu deeskalieren. Die Scharmützel sind Teil eines zunehmenden Antagonismus zwischen China und großen Teilen der westlichen und demokratischen Welt und haben das Potential, zu einer Neuordnung des Kräftegleichgewichts in Asien beizutragen.

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Einleitung

Die Schüsse am Pangong Tso stellen eine weitere Eskalationsstufe im bereits seit Mai schwelenden Konflikt zwischen China und Indien dar. Erstmals seit einem bewaffneten Überfall 1975 wurde die geltende Konvention gebrochen, nach der beide Mächte an der gemeinsamen Grenze vom Gebrauch von Schusswaffen absehen, um das Eskalationspotential zu begrenzen.

Bereits Anfang Mai waren im Galwan-Tal indische und chinesische Einheiten aneinandergeraten, da China Territorium im Niemandsland zwischen beiden Staaten einseitig besetzt hatte. Bei diesen ohne moderne Waffen geführten Auseinandersetzungen starben zwanzig indische Soldaten. Chinesische Opfer sind nicht bekannt.

Auf der indischen Seite werden nun zunehmend auch militärische Reaktionen ausgelotet, um China zum Einlenken zu bewegen. So haben indische Truppen des Vikas (SFF) Battalions am 29. und 30. August den Hügel Black Top an der Südseite des umstrittenen Pangong Tso eingenommen. Dieser Schritt wurde von China als inakzeptable Feindseligkeit aufgefasst. Indien wiederum erklärte, dass nur durch die Besetzung von Black Top eine erneute chinesische Provokation verhindert worden sei.

In den vergangenen Monaten hatte Indiens Regierung die Besetzung des Galwan-Tals durch China hinnehmen und damit eine herbe PR-Schlappe erlebt. Das Land versuchte, durch Deeskalation um jeden Preis den Chinesen einen Gesichtswahrenden Ausweg aus der Situation zu ermöglichen.  Satellitenaufnahmen deuten allerdings eher darauf hin, dass China bereits neue physische Strukturen geschaffen hat. Die indische Regierung hat China wiederholt aufgefordert, seine gesamten Gebietsansprüche in der Region verbindlich zu dokumentieren, um deren Ausmaß zu begrenzen.

Da Peking diesen Forderungen nicht nachkommt, wird Chinas Vorrücken im Himalaya in Indien als Teil einer Salami-Taktik verstanden: Peking lote nicht nur aus, wie weit es gehen kann, es beabsichtige auch, Geländegewinne zu erhalten und mittelfristig weiter auszubauen.

Deeskalation hat sich noch längst nicht eingestellt. Anfänglichen Hoffnungen und Willensbekundungen steht nach wie vor ein beträchtlicher Unwille zum Rückzug entgegen. Es besteht die reale Gefahr, dass sich in Indiens hohem Norden auf Jahre ein Frozen Conflict etabliert, wenn die Situation nicht sogar gänzlich eskaliert.

Insbesondere im kommenden Winter fürchtet die indische Armee, dass ihre Fähigkeiten auf eine harte Probe gestellt werden. Nachdem Indiens Regierung sich zu Beginn auf militärische Deeskalation festlegte um einem Konflikt vorzubeugen, in der Hoffnung, dass Peking eine gesichtswahrende Rückkehr zum status quo hinnehmen werde, hat die indische Regierung ihre Position mittlerweile angepasst, wie die Besetzung von Black Top deutlich zeigt.

Auf Ebene der lokalen Militärs haben sich China und Indien seit Langem auf den Working Mechanism for Consultation and Coordination (WMCC) geeinigt, mit dem etwaigen Eskalationen vorgebeugt werden soll. Es fanden Gespräche zwischen beiden Militärs auf Ebene der Kommandeure und Brigadiers statt, die allerdings letztlich im Sande verliefen. Nun diskutieren Neu-Delhi und Peking das Thema auf verschiedenen Ebenen in der diplomatisch-politischen Sphäre. Seit Anfang September fanden und finden eine Reihe von Treffen hochrangiger Vertreter beider Länder statt um erneut diplomatische Auswege aus der Krise zu erörtern. So traf Verteidigungsminister Rajnath Singh seinen chinesischen Amtskollegen Wei Fenghe am Rande des Shanghai Corporation Organisation-Treffens (SCO) am 4. September in Moskau. Die Außenminister beider Staaten haben sich für den 10. September ebenfalls auf ein Treffen in Moskau verständigt.

Den gesamten Bericht können Sie als pdf herunterladen.

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