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Sind Trump 28 Telefonnummern lieber?

Wie führende amerikanische Think Tanks die Europapolitik der US-Administration einschätzen.

Wie nimmt die neue US-Regierung die EU wahr und wie stellt sie sich die Beziehungen zu Europa in den Kernbereichen Handel und Sicherheit vor? Welche Handlungsempfehlungen geben regierungsnahe Think Tanks und was sagen andere Politik-Experten zur künftigen Europapolitik der Trump-Administration? Diese Analyse gibt Antworten auf diese Fragen.

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Henry Kissingers Frage nach der Telefonnummer Europas ist berühmt und stammt aus einer Zeit, als die US-Regierung den Dialog mit den Europäern, insbesondere in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, für sehr wichtig hielt. Die unter dem Motto „America First“ beginnende Präsidentschaft von Donald Trump sorgt nun für Unklarheiten, wie sich die transatlantische Partnerschaft zukünftig entwickeln wird.

Wie nimmt die neue US-Regierung die EU wahr und wie stellt sie sich die Beziehungen zu Europa in den Kernbereichen Handel und Sicherheit vor? Welche Handlungsempfehlungen geben regierungsnahe Think Tanks und was sagen andere Politik-Experten zur künftigen Europapolitik der Trump-Administration? Diese Analyse gibt Antworten auf diese Fragen.

Wahrnehmung der EU

„Konsortium“

Während des Wahlkampfes sowie gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft hat der neue US-Präsident die Europäische Union mehrmals kritisiert. Seine negative Einstellung liegt zum Teil daran, dass er von multilateralen Organisationen generell nicht viel hält. So ist die EU für ihn in erster Linie ein ineffektives Bürokratiegebilde, das nicht in der Lage ist, für Arbeitsplätze und Wachstum in Europa zu sorgen, und das mit seiner Vorliebe für Überregulierungen das Leben für Unternehmer wie ihn selbst erschwert. Während einer Pressekonferenz mit der britischen Premierministerin Theresa May am 27. Januar 2017 nannte er die EU-Mitgliedstaaten ein „Konsortium“.

Außerdem sieht Donald Trump die EU als eine supranationale Instanz, die die Handlungsfreiheit der einzelnen Mitgliedstaaten – insbesondere im Immigrationsbereich – einschränkt und die versucht, alle Staaten zu vereinheitlichen. Aus diesem Grund zeigt er sich überzeugt, dass der Brexit sich letztlich als „eine großartige Sache“ herausstellen wird und dass weitere Mitgliedstaaten die EU verlassen werden, denn „Menschen, Länder wollen ihre eigene Identität”.

Für Steve Bannon, Trumps wichtigsten Berater und politischen Chefstrategen im Weißen Haus, gibt es keine Alternative zu nationaler Souveränität – in den Vereinigten Staaten und bei den traditionellen westeuropäischen Alliierten der USA. Auch er unterstützt den Brexit, damit die Briten ihre Souveränität wieder erlangen und fördert ähnliche Bewegungen in anderen EU-Ländern. Bereits 2014 äußerte er sich während einer Konferenz im Vatikan positiv über nationalistische Bewegungen in Europa. Laut Reuters soll Bannon dem deutschen Botschafter in den USA, Dr. Peter Wittig, Mitte Februar 2017 gesagt haben, dass er die EU als eine „fehlerhafte Konstruktion“ betrachte und Beziehungen mit Europa lieber auf einer bilateralen Basis führen möchte. Eine Reuters-Quelle bestätigte nach dem Treffen, dass die Europäer sich auf eine Politik der „Feindseligkeit gegenüber der EU“ vorbereiten sollen.

Der Geschäftsmann Ted Malloch, designierter EU-Botschafter der US-Regierung, ist ebenfalls ein Brexit-Befürworter, der mit einem zeitnahen Zusammenbruch des Euro rechnet. Nach einem BBC-Interview Ende Januar 2017 sorgte er u.a. wegen eines Vergleichs zwischen der Sowjetunion und der EU für Furore in Brüsseler Kreisen.

Positiv eingestellt gegenüber der EU scheint einzig Vizepräsident Mike Pence zu sein, der am 20. Februar 2017 in Brüssel die traditionelle Position der USA gegenüber Europa vertrat. Während einer Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident Donald Tusk bekräftigte er – im Auftrag von Präsident Trump – „die starke Verpflichtung der USA gegenüber weiterer Kooperation und Partnerschaft mit der Europäischen Union“. Trotz Differenzen teilen beide Kontinente dasselbe Erbe, dieselben Werte und vor allem dasselbe Ziel, Frieden und Wohlstand durch Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern, so Pence.

Integration vs. Solidarität

Die Heritage Foundation teilt Präsident Trumps negative Einstellung zur EU. In einem am 12. Januar 2017 veröffentlichten Report argumentiert sie, dass die europäische Integration steigende politische Unfreiheit, mehr ökonomische Anspannungen und eine Abschwächung der transatlantischen Partnerschaft im Sicherheitsbereich verursache. Gründe seien, dass die EU die nationale Souveränität antastet, die Gründung von echten transatlantischen Freihandelszonen verhindert, der transatlantischen Sicherheit schadet, die europäische Einwanderungspolitik verzerrt und Steuergelder verschwendet. Dementsprechend empfiehlt die Heritage Foundation der Trump-Administration, die US-Unterstützung für diese supranationale Organisation zu überprüfen und stattdessen engere Beziehungen mit den einzelnen europäischen Regierungen auszubauen. Der Nationale Sicherheitsrat (NSC) sollte ihrer Meinung nach eine Studie durchführen, die untersucht, wie die USA ihre dauerhaften Interessen in Europa besser voranbringen könnten.

In einer Anhörung Anfang Februar im Repräsentantenhaus beschrieb einer der Heritage-Direktoren, Nile Gardiner, die EU als eine nach innen ausgerichtete und schwächelnde Union mit protektionistischer Mentalität und rigoroser Ablehnung von ökonomischer Freiheit. Die Abgeordneten forderte er dementsprechend auf, sich von der EU abzuwenden und sich auf den Ausbau der bilateralen Beziehungen mit Großbritannien zu konzentrieren. Eine ähnliche Position vertritt John Bolton vom American Enterprise Institute (AEI), der eine Zeitlang als Kandidat für eine hohe Position in der Trump-Administration gehandelt wurde. Boltons Meinung nach sei es außerdem ein Fehler zu denken, dass Trump aktiv an der Zersetzung der EU arbeiten wird, denn die Europäer selber stellen die zahlreichen internen Schwächen der EU zur Schau.

Als regierungsnah kann auch das Hudson Institute betrachtet werden, u.a. weil die Denkfabrik gute Beziehungen zu Vizepräsident Mike Pence sowie mehreren republikanischen Kongressmitgliedern pflegt. Ebenso zeigen sich viele Experten des Institutes skeptisch gegenüber dem europäischen Projekt. Im Zentrum ihrer Kritik steht die Überzeugung, dass die EU die nationalen Identitäten beeinträchtige. Darüber hinaus betrachten sie die EU oft als eine illegitime Instanz. So fordert z.B. Peter Rough die US-Regierung dazu auf, Großbritannien im Brexit-Prozess zu unterstützen, und er hofft, dass diese Entwicklung zu einer „demokratischen Renaissance“ in Europa führen wird. Zusammen mit seinem Kollegen Michael Doran betont er, dass es zwei verschiedene Integrationsmodelle für westliche Kooperation gebe: Integration oder Solidarität. Im Solidaritätsmodell behalten die nationalen Regierungen – die sich vor Wählern verantworten müssen – ihre Unabhängigkeit und kooperieren punktuell miteinander. Trumps Präferenz für das Solidaritätsmodell sei die logische Konsequenz seiner nationalistischen Haltung, welche die Notwendigkeit demokratischer Legitimität betont.

Gefährlicher Bruch mit der Tradition

Mehrere Experten – nicht zuletzt aus links-liberalen Think Tanks – unterstreichen, dass Donald Trump der erste US-Präsident ist, der die traditionelle pro-europäische Haltung seiner Vorgänger im Weißen Haus nicht vertritt. Mit Sorge stellen sie fest, dass das Schicksal der Europäischen Union Trump bestenfalls gleichgültig zu sein scheint und dass der US-Präsident die Idee, dass ein stabiles und vereintes Europa im wirtschafts- und sicherheitspolitischem Interesse der USA ist, nicht artikuliert. In den US-Think Tanks mit außenpolitischem Schwerpunkt herrscht dagegen eher Konsens über die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von einer starken EU nur profitieren können.

Diese negative Haltung der neuen Administration gegenüber der EU könnte laut Hans Kundnani vom German Marshall Fund (GMF) die Kooperation mit den EU-Institutionen beeinträchtigen. Schwierige Beziehungen zwischen Washington und Brüssel seien aber nicht ganz untypisch. Außerdem könnte diese Haltung Europaskeptiker in der EU aktiv unterstützen. Durch Trumps Sieg haben nationalistische Bewegungen in der EU bereits frischen Wind in die Segel bekommen. Die offiziellen Besuche in Washington von Nigel Farage, dem Wortführer des Brexit, sowie die von Steve Bannon abgesegnete Expansion von Breitbart News in verschiedenen EU-Ländern (u.a. in Deutschland und Frankreich) werden von einzelnen Kommentatoren als Zeichen dieser indirekten Unterstützung gesehen.

In diesem Zusammenhang ist James Kirchick, Fellow beim Think Tank Foreign Policy Initiative, der Meinung, dass „[Merkel sich] angesichts der Bundestagswahlen im Herbst nicht nur Sorgen wegen russischer, sondern auch wegen amerikanischer Einmischungsversuche machen [sollte]“ . Harold James, Professor an der Princeton Universität, vertritt eine ähnliche Position: Die amerikanischen Attacken in Bezug auf Deutschlands Handelsüberschuss beeinflussen die deutsche Innenpolitik und stärken Merkels Kritiker, so dass die US-Regierung während des Bundestagswahlkampfes in der Opposition eine Rolle spielen werde.

Handelsbeziehungen mit Europa

„Fair trade“

Donald Trump betont, er sei nicht gegen Freihandel, dieser solle aber „fair“ sein. Internationale Wettbewerbsverzerrungen haben seiner Meinung nach das heftige Außenhandelsdefizit der USA verursacht. Um die US-Arbeiter vor diesen ungerechten Verhältnissen zu schützen, beabsichtigt er daher, protektionistische Maßnahmen einzuführen.

Wettbewerbsverzerrungen sieht Trump vor allem in Bezug auf China, aber auch Europa, insbesondere Deutschland. Die EU sei „Mittel zum Zweck für Deutschland“ und zum Teil gegründet worden, „um die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen“, so Trump Mitte Januar 2017. Die Gespräche über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) seien tot, verkündete Peter Navarro, Leiter des neuen Nationalen Handelsrats, Ende Januar. Der Schwerpunkt der neuen Administration soll nun auf der Verhandlung bilateraler Abkommen liegen. Eine Priorität für den US-Präsidenten ist der schnelle Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Großbritannien.

Bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) am 23. Februar 2017 nannte Steve Bannon die Grundprinzipien, die unter Trump die Entscheidungen in globalen Wirtschaftsfragen bestimmen sollen: „Ökonomischer Nationalismus“ (was protektionistische Maßnahmen impliziert) und „Souveränität“ (d.h. die aggressive Verteidigung nationaler Interessen).

„Special relationship“

Über das zukünftige Freihandelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien wird in den amerikanischen Think Tanks bereits viel diskutiert. Für die Heritage Foundation sollte London (in Anspielung auf Barack Obamas „back of the queue“) an erster Stelle in der Reihe stehen, um mit Washington zu verhandeln. Beide Partner sollten versuchen, sich schnell auf den bestmöglichen Deal zu einigen, auch wenn dieser nicht perfekt ist. Dafür empfiehlt die Denkfabrik sich auf folgende Punkte zu konzentrieren: Die Beseitigung der Zölle und Quoten für den sichtbaren Handel, die weitere Förderung der Investitionsfreiheit und die Entwicklung von einem System gegenseitiger Anerkennung für Standards in einigen hochwertigen Bereichen. So ein Deal, argumentiert die Heritage Foundation, wäre gut für beide Nationen und für den Rest der Welt ein gutes Beispiel von Liberalisierung. John Bolton (AEI) wünscht sich ebenfalls einen schnellen Deal mit Großbritannien, dem auch Kanada oder eventuell später andere europäische Nicht-EU-Staaten beitreten könnten.

Bei seiner Kongress-Anhörung am 1. Februar sagte Nile Gardiner (Heritage Foundation) außerdem, eine solche Handelszone würde als Symbol und richtiger Beitrag für die anglo-amerikanische Ablehnung supranationaler Kontrolle dienen und die gemeinsame Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass Regieren auf Souveränität und Freiheit basieren muss. Das Abkommen sollte seiner Meinung nach innerhalb von 90 Tagen nach Großbritanniens EU-Austritt, sprich im ersten Halbjahr 2019, implementiert werden.

Für Peter Rough (Hudson Institute) würde ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien das Vereinigte Königreich in Nordamerika verankern und Trumps Einsatz für fairen Handel beweisen. Zudem würde es nicht nur die „special relationship“ zwischen beiden Ländern stärken, sondern auch die EU dazu motivieren, ein Abkommen mit London abzuschließen, um keine Marktanteile in Schlüsselsektoren zu verlieren.

TTIP wiederum ist für Gardiner keine Option: Das Projekt sei „sehr mangelhaft“, u.a. weil es Regulierungen importiere und „big government“ erweitere. Für seinen Heritage-Kollegen Ted Bromund sei TTIP einfach tot. Irvin Stelzer vom Hudson Institute ist auch der Meinung, dass das transatlantische Freihandelsabkommen im heutigen Kontext wenig Überlebenschancen hat: „Our negotiator-in-chief wants to practice the art of the deal one-on-one“.

Wichtigster Handelspartner

In Kreisen von US-Ökonomen wird in Bezug auf Trumps Engagement für fairen Handel oft darauf hingewiesen, dass der internationale Handel in sich nicht für den Verlust von Arbeitsplätzen in den USA verantwortlich sei, sondern eher neue Technologien, die Modernisierung der Produktionsanlagen und mangelnde Ausbildung unter den Arbeitern. Protektionistische Maßnahmen sowie die (Rück)versetzung von Fabriken in die USA würden daher wenig dazu beitragen, das Leben der amerikanischen Arbeiterklasse zu verbessern. Offen ist zurzeit die Frage, ob die Gefahr von Handelskriegen die US-Regierung davon abhalten könnte, eine aggressive Außenhandelspolitik, u.a. gegenüber Europa, zu verfolgen.

Peter Sparding und Philipp Liesenhoff vom German Marshall Fund merken an, dass auch wenn das Kabinett Trump mehrere Unterstützer von Freihandelsabkommen zählt, die künftige Handelspolitik der Regierung eher von Ministern und Beratern entwickelt werden könnte, die stärker die Positionen des Präsidenten teilen: Wilbur Ross (Handelsminister), Robert Lighthizer (designierter Handelsbeauftragter der Vereinigten Staaten) und Peter Navarro. Was die Anpassungspläne der Regierung für Zollgebühren betrifft, argumentieren sie, dass diese gegen WTO-Gesetze verstoßen könnten und dass eine solche Politik wenig hilfreich wäre, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern. Die neue Wirtschaftspolitik der Trump-Administration – mit höheren Staatsausgaben und Steuersenkungen – könnte ihrer Meinung nach die Nachfrage in den USA erhöhen und somit für mehr Importe aus Europa sorgen. Sie argumentieren allerdings, dass bei einer solchen US-Politik die Nachteile für Europa langfristig überwiegen würden, u.a. wenn US-Entscheidungen das multilaterale System der WTO beeinträchtigen, transatlantische Streitereien verursachen und die Europäer aufspalten.

Was das Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien betrifft, argumentierte Simon Lester vom Cato Institute am 1. Februar 2017 im US-Kongress, dass London nicht in der Lage sein wird, an einem Deal mit Washington zu arbeiten, ohne Rücksicht auf die EU zu nehmen. Für die amerikanische Seite wäre es seiner Meinung nach besser, das Abkommen zwischen der EU und Großbritannien abzuwarten, um eine n Deal mit London zu verhandeln, denn die zukünftige Natur der Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU werde Konsequenzen für amerikanische Produkte haben. In der libertären Tradition argumentiert er für ein „leichtes“ Abkommen zwischen den USA und Großbritannien, das nicht alle Kooperationsbereiche reguliert, u.a. um Konflikte mit WTO-Regelungen zu vermeiden.

Während derselben Kongress-Anhörung am 1. Februar zeigte sich Dan Hamilton (Johns Hopkins Universität SAIS) mit Simon Lester einverstanden, was die Reihenfolge der Verträge betrifft: Die USA sollten das Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien abwarten, bevor sie einen Deal mit London abschließen. Hamilton brachte zudem weitere Argumente vor, um die Erwartungen der amerikanischen Abgeordneten bezüglich eines schnellen Freihandelsabkommens zwischen den USA und Großbritannien zu dämpfen. Er rechnet z.B. nicht mit einem Vertragsabschluss zwischen London und der EU vor ca. 2025, was ein darauffolgendes Abkommen zwischen Washington und London zeitlich weit in die Zukunft verschieben würde. Im Zentrum seiner Analyse steht die Beobachtung, dass sowohl für die USA als auch für Großbritannien die EU (auch nur mit 27 Mitgliedstaaten) der wichtigste Handelspartner ist und dass London und Washington beide am meisten von einem guten Abkommen mit der EU profitieren werden. Für amerikanische Firmen und Banken sei Großbritannien außerdem vor allem ein strategisches Gateway zum europäischen Binnenmarkt. Hamilton schlägt daher vor, das Abkommen zwischen den USA und Großbritannien in eine breitere trilaterale „North Atlantic Initiative for Jobs and Growth“ zu integrieren, in der alle drei Pole des Dreiecks (USA, Großbritannien, EU) sich gegenseitig stärken würden. Zu diesem Zweck sollten die USA, parallel zu den Diskussionen mit London auch weiterhin an einer Einigung mit der EU arbeiten.

Wie Peter Sparding und Philipp Liesenhoff (GMF) ist Hamilton der Meinung, dass das Zustandekommen von TTIP zum jetzigen Zeitpunkt nicht sehr wahrscheinlich ist. Die Verhandlungen zwischen den USA und der EU könnten aber im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats weitergeführt werden. Gemeinsam mit seinem SAIS-Kollegen Niklas Helwig plädiert er zudem für Abkommen zwischen der EU und den USA in einzelnen Wirtschaftssektoren, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer und amerikanischer Firmen – nicht zuletzt mit Blick auf Chinas Außenhandelspolitik – auszubauen. Dalibor Rohac (AEI) plädiert seinerseits dafür, bereits 2017 TTIP wieder zu einer Priorität zu machen, denn diese Partnerschaft könnte der Eurozone dabei helfen, ihre Krise zu überwinden – was im Interesse der USA ist – und einen integrierten atlantischen Markt schaffen.

Gemeinsame Sicherheit

Ist doch alles gut?

Donald Trumps Aussagen zur Nato haben in den USA und in Europa für viel Aufregung gesorgt. Nach seinem Interview mit der Bild-Zeitung am 15. Januar haben sich die meisten Kommentatoren auf seine Bemerkung konzentriert, die transatlantische Allianz sei „obsolet“. Im Rahmen seiner ersten Kongress-Ansprache am 28. Februar 2017 äußerte sich der US-Präsident erstmals mit klareren Worten zur transatlantischen Allianz: „We strongly support Nato, an alliance forged through the bonds of two World Wars that dethroned fascism, and a Cold War that defeated communism.“

Trumps Nato-Kritik bezieht sich in erster Linie auf die Tatsache, dass die meisten europäischen Staaten der Nato-Verpflichtung, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, nicht nachkommen. Mit unmissverständlichen Worten forderte Verteidigungsminister Jim Mattis seine europäischen Kollegen im Februar in Brüssel dazu auf, das Zwei-Prozent-Ziel endlich einzuhalten – anderenfalls würden die USA ihr Engagement in Europa zurückfahren. Er bat alle Länder darum, diesbezüglich bis zum Ende des Jahres einen Plan vorzulegen.

Angespannte Lage

Breiter Konsens herrscht in den amerikanischen Think Tanks über die Tatsache, dass die Nato und die transatlantische Partnerschaft nach wie vor entscheidend für die Sicherheit der USA und die Verteidigung der amerikanischen Interessen sind, nicht zuletzt in Anbetracht Russlands aggressiver Außenpolitik. Viele Beobachter, wie z.B. Mark Cancian vom Center for Strategic and International Studies (CSIS), unterstreichen, wie sehr der neue Verteidigungsminister General Mattis ein überzeugter Unterstützer des transatlantischen Bündnisses ist. Mehrere Experten (wie z.B. Peter Rough vom Hudson Institute, Damon Wilson vom Atlantic Council oder der Harvard-Professor Nicholas Burns ) hatten nach der US-Wahl deutliche Worte von Trump verlangt. Dies ist am 28. Februar 2017 im Kongress erfolgt. Davor waren diejenigen in der Washingtoner Sicherheits-Community, die – wie Kurt Volker (McCain Institute) oder Strobe Talbott (Brookings) – Pences und Mattis Rückversicherung für effizient und beruhigend fanden, deutlich in der Minderheit. Es bleibt nun abzuwarten, ob Trumps Kongress-Rede die anderen mit der Zeit überzeugen wird. Mehrere Experten, z.B. beim Center for a New American Security (CNAS), CSIS, Brookings oder dem Atlantic Council, weisen zurzeit nach wie vor darauf hin, dass Steve Bannon oder andere Berater von Trump offene Nato-Skeptiker sind und dass es noch zu früh ist, um zu wissen, welche Strömung der Administration sich diesbezüglich durchsetzen wird.

Unter den Experten (CSIS, Brookings u.a.) herrscht jedenfalls Einigkeit über die Tatsache, dass die Europäer zukünftig mehr für ihre eigene Verteidigung werden tun müssen – sowohl finanziell als auch strategisch . Die neue Nato-Politik der US-Regierung könnte demnach eine gute Gelegenheit für die Europäer darstellen, eine größere Leadership-Rolle innerhalb der Allianz zu übernehmen. Was den finanziellen Beitrag betrifft, wird es manchmal als sehr ironisch wahrgenommen, dass ein in der EU äußerst populärer Präsident wie Barack Obama seine europäischen Partner nicht dazu motivieren konnte, mehr auszugeben, während ein unpopulärer und drohender Präsident wie Donald Trump die Europäer zur Räson zu bringen scheint. Richard Sokolsky (Carnegie) unterstreicht allerdings, dass die Trump-Administration den bisherigen europäischen Beitrag zur Nato stark unterschätzt.

Wie mehrere CSIS- und Brookings-Experten betont er, dass das Zwei-Prozent-Ziel keinesfalls garantiert, dass die Nato-Mitglieder zukünftig eine effektive militärische Struktur haben werden („Output-Garantie“). Für Anthony Cordesman (CSIS) sollte die US-Regierung daher aufhören, ihre europäischen Partner unter Druck zu setzten, ihren militärischen Etat drastisch zu erhöhen, denn dies sei sowohl unrealistisch als auch ohne klares strategisches Ziel. So sinnlos es auch sei, werde dieses Zwei-Prozent-Ziel allerdings sicherlich der Maßstab der US-Regierung sein, um Europas guten Willen zu messen, meinen hingegen Constanze Stelzenmüller und Bruce Jones (Brookings).

Die allermeisten Experten sind bezüglich des Erreichens der Zwei-Prozent-Marke nicht optimistisch, was die bereits angespannte transatlantische Stimmung nicht verbessern sollte. Christopher Chivvis von RAND Corporation rät den Europäern aber davon ab, sich in Anbetracht der aktuellen Konfusion in den USA von ihrem traditionellen Partner abzuwenden und sich nach innen zu orientieren. Kritische Töne und Drohungen seien unter Nato-Partnern generell nicht hilfreich, merkt Ted Bromund (Heritage Foundation) seinerseits an.

Bezüglich Trumps Wünschen nach neuen Schwerpunkten für die Nato – allen voran die Terrorismusbekämpfung – sind nicht alle amerikanischen Nato-Kenner überzeugt, dass dies praktikabel ist. Das Bündnis sei nicht ausgestattet, um „Fake News“ aus Russland, Flüchtlingskrisen oder einheimische Radikalisierung in Europa zu bekämpfen, so Bruce Jones (Brookings). Es sei vor allem ein Instrument für territoriale Verteidigung. Die Heritage Foundation ist ebenfalls dieser Meinung und empfiehlt daher, die Nato solle sich auf die Einschränkung Russlands und die USA sich auf den Ausbau ihrer militärischen Präsenz in Europa konzentrieren. Um eine möglichst starke Allianz zu haben, rät sie der US-Regierung zudem, die EU-Integration im Sicherheitsbereich nicht mehr zu unterstützen. Für Anthony Cordesman (CSIS) sollte die Allianz beides tun: mit Blick auf Russland ihre Abschreckung stärken und ihre limitierten Kapazitäten zur Bekämpfung des islamistischen Extremismus und des Terrorismus in den Vordergrund stellen.

Schließlich könnten die Erwartungen der Trump-Administration im Nato-Bereich auch direkte Konsequenzen für die Zukunft der EU haben. Denn in Anbetracht der vom Kabinett Trump klar formulieren Bedingungen für das weitere Engagement der USA in Europa sind nicht alle Unsicherheiten in Bezug auf die US-Sicherheitsgarantie beseitigt. Wenn es den Europäern nicht gelingt, ihre eigene Verteidigungsunion zu entwickeln, könnte diese Unsicherheit die innereuropäischen Spannungen verschärfen, argumentiert Hans Kundnani (GMF). Dies könnte u.a. die Machverhältnisse in Europa zwischen Deutschland als Wirtschaftsmacht und Frankreich und Großbritannien als Nuklearmächte verschieben. Unter anderem das aktuelle Krisenmanagement in der Eurozone sowie die Brexit-Verhandlungen könnten potentiell davon beeinflusst werden.

Fazit

Die Europapolitik der neuen US-Regierung ist zurzeit noch nicht klar definiert. Nicht die aktuellen, zum Teil widersprüchlichen Aussagen sondern vielmehr Washingtons konkrete Entscheidungen in den nächsten Monaten werden für beide Seiten des Atlantiks entscheidend sein. Auch bleibt abzuwarten, wie die US-Regierung sich bei den anstehenden Nato-, G7- und G20-Gipfeln positionieren wird. Aus dieser Analyse geht jedenfalls hervor, dass es durchaus US-Think Tanks gibt, die Trumps EU-skeptischen und bilateralen Ansatz, insbesondere im Handelsbereich, ganz oder zumindest teilweise unterstützen. In Sicherheitsfragen wiederum herrscht unter den US-Experten durchaus Einigkeit über die Relevanz der transatlantischen Allianz.

Aktuell scheint die US-Regierung aus zwei sehr unterschiedlichen Lagern zu bestehen, die eine Art „Kohabitation“ oder „große Koalition“ bilden. Die außenpolitischen Positionen klassischer Republikaner und Transatlantiker wie Mike Pence oder Jim Mattis stehen oft im Widerspruch zu Aussagen von Steve Bannon und anderen Beratern des US-Präsidenten, wie Stephen Miller oder Sebastian Gorka, die einen direkteren Zugang zum Oval Office haben. Für die US-Think Tanks bleibt es momentan offen, welches Lager sich in transatlantischen Fragen durchsetzen wird.

In diesem Kontext sind die Europäer gut beraten, den Dialog mit Washington zu suchen. Sie sollten diese Zeit großer Unklarheiten in den USA nutzen, um Washington mitzuteilen, was Europas Wünsche und Vorstellungen im Außen-, Sicherheits- und Handelsbereich sind. Denn es liegt auch an der EU, die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft mitzugestalten. Die Europäer müssten allerdings mit einer Stimme sprechen, wenn sie in den USA gehört werden möchten – auch dies geht aus den Think Tank-Diskussionen hervor.

Die Äußerungen des US-Präsidenten während des Besuches der Kanzlerin verdeutlichen erneut, wie sehr aktives Werben für die EU seitens der europäischen Entscheidungsträger gefragt ist. Wie zuletzt Angela Merkel sollten Vertreter von EU-Staaten im Dialog mit Washington daher immer wieder die EU in die Diskussion mit einbringen und nicht bei nationalen Themen verharren. Dies ist umso wichtiger, als die US-Administration sich derzeit Optionen offenzuhalten scheint, um möglicherweise Spannungen mit Deutschland und der EU in Handels- und Sicherheitsfragen für sich zu nutzen. In Washingtons Think-Tank-Kreisen machen derartige Gedankenspiele derzeit die Runde.

Schließlich sind die aktuellen politischen Entwicklungen in den USA für die EU-Mitgliedstaaten ein weiterer guter Grund, zusammenzuhalten und am selben Strang zu ziehen sowie das europäische Projekt zu stärken. Die Telefonnummer Europas, auf deren Suche Kissinger bereits vor Jahrzehnten war, sollten sie vorsichtshalber auch gleich übermitteln.

Leseempfehlungen

Heritage Foundation

„Recommitting the United States to European Security and Prosperity: Five Steps for the Incoming Administration“

Report Europe von Ted Bromund PhD, Luke Coffey und Daniel Kochis

12. Januar 2017

http://www.heritage.org/europe/report/recommitting-the-united-states-european-security-and-prosperity-five-steps-the

Johns Hopkins University SAIS

Foreign Affairs Committee, Next Steps in the “Special Relationship”: Impact of a U.S.-U.K. Free Trade Agreement.

Testimony before House Committee on Foreign Affairs Joint Subcommittee Hearing: Subcommittee on Terrorism, Nonproliferation, and Trade; Subcommittee on Europe, Eurasia, and Emerging Threats.

Von Dr. Daniel S. Hamilton, Austrian Marshall Plan Foundation Professor, Executive Director, Center for Transatlantic Relations.

1. Februar 2017.

http://docs.house.gov/meetings/FA/FA18/20170201/105501/HMTG-115-FA18-Wstate-HamiltonPhDD-20170201.pdf

Center for Strategic and International Studies (CSIS)

„NATO and the Delicate Balance of Deterrence: Strategy versus Burden Sharing“

Report von Anthony Cordesman

7. Februar 2017

https://www.csis.org/analysis/nato-and-delicate-balance-deterrence-strategy-versus-burden-sharing

Zur Autorin:

Dr. Céline-Agathe Caro ist Senior Policy Analyst im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington D.C.

celine.caro@kas.de / @CelineACaro

Referenzen/Fußnoten: Siehe Pdf-Datei

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Paul Linnarz

Paul Linnarz bild

Leiter des Länderprogramms Japan und des Regionalprogramms Soziale Ordnungspolitik in Asien (SOPAS)

paul.linnarz@kas.de +81 3 6426 5041
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22. März 2017
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