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Event Reports

Mehr Rechtsstaatlichkeit und politische Beteiligung von Frauen als Wege aus der politischen Krise?

by Alexandra Paulus

Elisabeth Winkelmeier-Becker MdB zu Gast in Brasilien

Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) besuchte Brasilien, um sich über rechtsstaatliche Strukturen, die Rolle der Justiz und Möglichkeiten der politischen Beteiligung von Frauen zu informieren. Bei der Alumni-Tagung 2016 sprach sie über Wahlgesetzgebung als wichtige Stellschraube jedes politischen Systems. Um die gesamte brasilianische Bevölkerung in die Überwindung der Krise miteinzubeziehen, ist die politische Beteiligung von Frauen ausschlaggebend - darüber kam Winkelmeier-Becker mit brasilianischen Kommunalpolitikerinnen ins Gespräch.

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Als die Vorbereitungen des Besuchs von Elisabeth Winkelmeier-Becker MdB (CDU) begannen, war noch nicht abzusehen, wie aktuell die Hauptthemen ihrer Reise im Mai 2016 werden würden. Die Abgeordnete, seit 2005 für die CDU im Bundestag, ist rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Rolle der Justiz und Rechtsstaatlichkeit standen dementsprechend im Zentrum ihres Besuchs in Brasilien, den das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung vor Ort organisierte. Vom 16. bis 18. Mai nahm die Abgeordnete an Veranstaltungen der Konrad-Adenauer-Stiftung teil und sprach mit Expertinnen und Experten aus Politik, Justiz, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Erst in der Woche zuvor hatte das Amtsenthebungsverfahren von Staatspräsidentin Dilma Rousseff (PT) seinen bis dato Höhepunkt in ihrer vorübergehenden Suspendierung gefunden, sodass die Reise der Bundestagsabgeordneten von Spekulationen und Ankündigungen über die neue Regierung des Interimspräsidenten Michel Temer (PSDB), Rousseffs einstiger "Vizepräsident", gekennzeichnet war. Ausserdem zeigten vor kurzem veröffentlichte Schätzungen, dass die brasilianische Wirtschaft im Jahr 2016 schätzungsweise um 4% schrumpfen wird, nachdem sie im Vorjahr bereits stagnierte. Inmitten dieser turbulenten Zeiten von wirtschaftlicher und politischer Krise erhielt die Abgeordnete einen tiefgehenden Einblick in die Politik eines selbstbewussten, aber auch selbstkritischen Schwellenlands im Umbruch.

Im Zentrum der politischen Hintergrundgespräche stand die Frage, wie die brasilianische Staatskrise überwunden werden kann und welche Rolle dabei der Übergangsregierung unter Temer zukommen wird. Im Gespräch mit Rechtsexpertinnen und -experten betonte Winkelmeier-Becker, die selbst lange als Richterin tätig war, welch fundamentale Wirkungen von Wahlgesetzgebungen ausgehen. Mit Blick auf die Aufdeckung des grössten Korruptionsnetzwerks der Geschichte Brasiliens ("Lava Jato") wurde diskutiert, wie Möglichkeiten für Korruption in öffentlicher Verwaltung und Politik strukturell beseitigt werden können. Im Gespräch mit einem hochrangigen Mitarbeiter der Obersten Wahlgerichts informierte sich die CDU-Politikerin über den aktuellen Stand des Verfahrens einer möglichen Annullierung der Präsidentschaftswahlen von 2014, das nicht nur Dilma Rousseff definitiv des Amtes entheben würde, sondern mit ihr auch ihren Vize und aktuellen Interimspräsidenten Temer.

Weiterhin diskutierte die Abgeordnete mit einem langjährigen Partner der KAS die Bedeutung politischer Bildung für Jugendliche in einem Land, in dem keinerlei Kenntnisse zu diesen Themen in der Schule vermittelt werden. Die Abgeordnete tauschte sich auch mit ihren Parlamentarierkollegen Senator José Agripino, Parteivorsitzender der Democratas, Felipe Maia, Mitglied in den Ausschüssen für Verfassung, Justiz und Bürgerrechte und für Verbraucherschutz des Abgeordnetenhauses, und Pauderney Avelino, Fraktionvorsitzender der Democratas im Abgeordnetenhaus, über die Chancen und Herausforderungen der neuen Regierung aus.

In Rio de Janeiro hielt Winkelmeier-Becker die Keynote Speech auf der KAS Alumni-Tagung 2016 vor 40 Altstipendiatinnen und -stipendiaten aus 11 Städten Brasiliens, die mit einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung in Deutschland oder in der Region studiert oder an einem Dialogprogramm in Deutschland teilgenommen hatten. Die Juristin sprach über Wahlsystem, Wahlbeteiligung und Politikverdrossenheit - Themen, die sowohl in Deutschland als auch in Brasilien hochaktuell sind, sei es dank einer aufstrebenden populistischen Partei oder Amtsenthebungsverfahren und politischer Krise. Auch wenn das politische System Deutschlands nicht einfach auf Brasilien übertragbar sei, könnten doch einzelne Aspekte Denkanstösse geben - darunter die 5%-Hürde bei Parlamentswahlen, kleine Wahlkreise und transparente Wahlkampffinanzierung.

In Brasília nahm die Abgeordnete an einem Workshop zur politischen Beteiligung von Frauen teil, der von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit PSDB-Mulher, der Frauenorganisation des Partido da Social Democracia Brasileirar (Partei der brasilianischen sozialen Demokratie, PSDB) organisiert wurde. Vor 120 Kommunalpolitikerinnen sprach die Abgeordnete, selbst stellvertretende Vorsitzende der Frauenunion, der Frauenorganisation der CDU, über die Entwicklung der politischen Beteiligung von Frauen in Deutschland. Gegenseitige Unterstützung - stellenweise auch über Parteigrenzen hinweg - sei notwendig, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Erst mit breiter gesellschaftlicher und politischer Teilhabe von Frauen sei eine Demokratie wirklich repräsentativ, so Winkelmeier-Becker. Das Thema war hoch aktuell, hatte doch erst vier Tage zuvor Interimspräsident Temer sein Kabinett bekannt gegeben, das ausschliesslich aus älteren, weissen Männern besteht, und so international für höchstes Erstaunen gesorgt. Über Parallelen auf dem Weg zu mehr politischer Gleichberechtigung in Deutschland und Brasilien tauschte sie sich mit der Gründerin von PSDB-Mulher und der Leitung der Frauenorganisation aus.

Der Dialog zwischen Deutschland und Brasilien kann besonders in Krisenzeiten wertvolle Anknüpfungspunkte aufzeigen. Inwiefern die angesprochenen Themen bei einer möglichen bevorstehenden politischen Reform Brasiliens berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten.

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