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Country Reports

Drei gegen Ahmadinejad

by Michael Däumer, Sebastian Grundberger, Bärbel Reisinger

Im Iran bringen sich die wichtigsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen in Stellung

Am 12. Juni wählt der Iran einen neuen Präsidenten. Mit Sorge wird im Westen registriert, dass Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad die besten Aussichten auf einen Wahlsieg hat. Der mächtige religiöse Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, steht eindeutig hinter der Kandidatur des Präsidenten. Die Opposition ist in drei Kandidaten mit sehr unterschiedlichem Profil gespalten. Alle hoffen, von der Unzufriedenheit des Volks mit Ahmadinejads Politik zu profitieren, um diesen in einer möglichen Stichwahl zu bezwingen.

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Der Islamische Wächterrat hat gesprochen. Am 20. Mai entschied er über die zur Präsidentschaftswahlen zugelassenen Kandidaten. Während 471 Personen – darunter alle 42 Frauen - von der Liste gestrichen wurden, dürfen die drei wichtigsten Widersacher von Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad, Mohsen Rezai, Mir Hossein Moussavi und Mahdi Karroubi, antreten. Nur wenige Tage später machte das iranische Regime erneut von sich reden, in dem es die Internet-Kontaktseite „Facebook“ blockte. Diese war von Oppositionellen benutzt worden, um sich zu vernetzen und gegen die Regierung Ahmadinejad mobil zu machen.

Deutlich hatte Ayatollah Ali Khamenei, der Vorsitzende des islamischen Wächterrates und „Oberste Führer“ der Islamischen Revolution, vorher bei einem Auftritt in der westiranischen Provinz Kurdistan jedoch den Finger gehoben: „Seid vorsichtig bei Eurer Wahl. Lasst nicht diejenigen mit den Stimmen der Menschen ins Amt gelangen, die sich in die Hände unserer Feinde ergeben und so die Nation ihrer Würde berauben wollen.“ Die Iraner dürften nicht die Politiker wählen, die „dem Westen schmeicheln“ würden. Sollte ein pro-westlicher Politiker zum Präsident gewählt werden, wäre dies eine „Katastrophe“ für das Land.

Analysten verstehen die jüngsten Äußerungen als deutliche Unterstützung Khameneis für den als Hardliner bekannten Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, da alle anderen Kandidaten im laufenden Wahlkampf – zu unterschiedlichem Grad – einen Dialog mit dem Westen zu ihrem Ziel erklären.

Zwar ist Khamenei, der „Oberste Führer der iranischen Revolution“, der mächtigste Mann im Staate und kann de facto die Kandidatur eines ihm unliebsamen Kandidaten verhindern, doch hat der auch der Präsident in der Islamischen Republik eine wichtige Machtbasis. Er wird auf vier Jahre vom Volk direkt gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Sollte keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit von 50 Prozent der Stimmen bekommen, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten. Es erscheint durchaus möglich, dass es dazu kommen wird, da ein Sieg im ersten Wahlgang in der politischen Praxis des Iran eher ungewöhnlich ist. So erreichten bei der letzten iranischen Präsidentschaftswahl die beiden bestplatzierten Kandidaten Akbar Rafsandschani und Mahmoud Ahmadinejad nur 21,2 und 19,25 Prozent der Stimmen. Neben Amtsinhaber Ahmadinejad machen sich vor allem die Kandidaten Mohsen Rezai, Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi Hoffnungen, in eine Stichwahl einzuziehen. Bisher ist allerdings jeder Präsident ein zweites Mal wiedergewählt worden.

Mahmoud Ahmadinejad – Der Amtsinhaber

Nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung durch Ayatollah Ali Khamenei gilt Präsident Mahmoud Ahmadinejad als mit Abstand wahrscheinlichster Wahlsieger. Im Vergleich zu seinen drei wichtigsten Herausforderern lässt er sich am weitesten in der islamistischen Hardlinerecke einordnen.

Als viertes von sieben Kindern am 28. Oktober 1956 im Dorf Ardan (80 Kilometer nördlich von Teheran) geboren, wuchs Ahmadinejad in einem Armenviertel von Teheran auf. Früh musste er bereits seinen Beitrag zum Unterhalt der Familie leisten. Sein Vater, ein Schmied, ermöglichte seinem Sohn aber dennoch den Besuch einer guten Schule, die er unter den Besten seines Jahrganges abschloss.

Während seines Studiums der Bauingenieurwissenschaften und des Verkehrswesens kam Ahmadinejad mit Anhängern der islamischen Opposition unter Ayatollah Khomeini in Kontakt und beteiligte sich am islamischen Widerstand gegen den Schah. Nach der Islamischen Revolution schloss sich Ahmadinejad als Freiwilliger (sog. „Basiji”) den Revolutionären Garde an. Als gesichert gilt seine Teilnahme an verdeckten Operationen während des iranisch-irakischen Krieges in den achtziger Jahren. Im Zuge der so genannten iranischen Kulturrevolution 1980 bis 1983 wirkte Ahmadinejad mutmaßlich an der Verfolgung und Hinrichtung politischer Dissidenten und bei politischen Säuberungen mit.

Im Laufe der achtziger Jahre wurde der heutige Präsident Bürgermeister zweier Städte im Westiran und später Berater des Gouverneurs der Provinz Kurdistan. 1993 wurde Ahmadinejad dann selbst zum Generalgouverneur der Provinz Ardabil (Nordwest-Iran) ernannt.

Ende der neunziger Jahre machte sich Ahmadinejad als führender Aktivist in der Bewegung "Gemeinschaft der Opferbereiten für die Revolution" einen Namen, die sich vor den Kommunalwahlen im März 2003 mit Gleichgesinnten zum „Bündnis der Erbauer des Islamischen Iran“, kurz "Abadgaran" genannt, zusammenschloss, für das Ahmadinejad schließlich als Spitzenkandidat bei den Bürgermeisterwahlen in Teheran antrat. Nicht zuletzt auf Grund des Wahlboykotts der Reformer und einer sehr geringen Wahlbeteiligung, setzte sich der bis dahin politisch kaum bekannte Ahmadinejad durch und wurde 2003 Bürgermeister von Teheran. In seinem neuen Amt verfolgte er eine klare Islamisierungspolitik, die etwa das Einführen von nach Geschlechtern getrennten Aufzügen in öffentlichen Gebäuden oder das Schließen von Fast-Food-Restaurants nach sich zog.

Zwei Jahre später ebnete ihm sein Amt den Weg zur Präsidentschaftskandidatur. Auch wenn die Kampagne Ahmadinejads 2005 kaum Geld investierte, gelang es ihm durch populistische Slogans, die Unterstützung einflussreicher islamistischer Kreise sowie seiner Beliebtheit beim einfachen Volk, in einer Stichwahl gegen den moderaten Kleriker und vormaligen Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani (1989 bis 1997) zum erstmals nicht-klerikalen Präsidenten gewählt zu werden. Der armen Bevölkerung versprach der neue Präsident eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation, machte sich aber schnell vor allem durch das Zurücknehmen früher erlassener Reformen sowie die Schließung zahlreicher Kulturstätten einen Namen als islamischer Hardliner. Seine als Bürgermeister eingeschlagene politische Richtung führte er fort, indem er westliche und „anstößige“ Musik in den staatlichen Medien verbot und die Zensur für Kinofilme verschärfte. Zudem wechselte der Präsident oppositionelle und unliebsame Redakteure aus, ließ sie gefangen nehmen und schloss ihm unbequeme Zeitungen gleich ganz. Auch nahmen nach Angaben von Menschenrechtlern Repression gegenüber religiösen Minderheiten (etwa Christen oder Bahai´i) dramatisch zu.

Trotz seiner Unerfahrenheit in außenpolitischen Fragen gelangte Ahmadinejad schnell weltweit zu großer Bekanntheit, indem er wiederholt offen die Auslöschung Israels forderte, den Holocaust leugnete und an seinem im Westen sehr umstrittenen Atomprogramm festhielt.

Im Wahlkampf 2009 setzt Mahmoud Ahmadinejad als einziger Kandidat darauf, westliche Nationen der vorsätzlichen Blockade der iranischen Wirtschaft und der technologischen Entwicklungen zu bezichtigen.

Mahmoud Ahmadinejad hat nach wie vor den größten Rückhalt bei der armen Landbevölkerung, nicht zuletzt weil er gerne seinen einfachen Lebensstil zur Schau stellt und damit sein Image als „Freund des Volkes“ pflegt. Zudem unterstützt er ärmere Bevölkerungsschichten mit punktuellen Finanz- und Lebensmittelhilfen, während er gleichzeitig die dringend notwendigen Wirtschaftsreformen vernachlässigte. Die daraus resultierende Inflation trifft die unteren Bevölkerungsschichten besonders hart, was letzten Endes zu einer Abnahme der Unterstützung des Präsidenten führen könnte.

Neben Ayatollah Khamenei bekennen sich 200 der 290 Mitglieder des iranischen Parlaments zu Ahmadinejad.

Dieser ist mit einer der Öffentlichkeit nicht namentlich bekannten Frau verheiratet und hat 2 Söhne und eine Tochter.

Mohsen Rezai – Der Konservative

Unerwartet ist Ahmadinejad nicht nur unter den Reformern, sondern auch im konservativen Lager mit Mohsen Rezai ein Konkurrent erwachsen. Der 1954 geborene studierte Maschinenbauer und Wirtschaftswissenschaftler war von 1981 bis 1997 Oberkommandant der Revolutionsgarden und gilt als einer der Gründungsväter der libanesisch-islamistischen Hizbollah-Miliz.

Momentan darf Rezai weder in die USA noch in die EU einreisen, da er von Interpol wegen Verbrechen gegen „Leben und Gesundheit“ im Zusammenhang mit Terroranschlägen gegen jüdische Einrichtungen Mitte der 1990er Jahre gesucht wird.

Trotz dieser den Westen wenig beruhigenden Vita gilt Mohsen Rezai, der momentan einen Sitz im Schlichtungsrat innehat, nach innen als konservativer Pragmatiker, der einen „Weg der nationalen Entwicklung“ beschreiten und „Perspektiven für ein Iran des Jahres 2025“ entwerfen will.

Seine Reformvorhaben möchte Rezai mithilfe einer Koalition aus Konservativen und Reformern durchsetzen und sich insbesondere hinsichtlich der Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik von Ahmadinejad distanzieren. Ein besonderes Anliegen ist ihm dabei auch die Überwindung des Grabens zwischen der Regierung und den verschiedenen ethnischen Gruppen, sowie zwischen Schiiten and Sunniten.

Rezai schließt grundsätzlich eine Beendigung der Unterstützung der palästinensischen Hamas zwar aus, betont aber die Wichtigkeit eines humanitären und demokratischen Dialogs aller in Nahostkonflikt verwickelten Parteien. Auch den USA gegenüber will er kooperationsbereit sein, sofern diese ihre Politik gegenüber Iran ändern. Die von Obama eingeschlagenen Kurswechsel bezeichnet er in diesem Zusammenhang als glaubwürdig.

Der Wirtschaftswissenschaftler spricht sich klar gegen die von Ahmadinejad praktizierte „abenteuerliche Politik der Provokation“ aus, indem er deutlich macht, dass ein Angriff Israels für ihn ausgeschlossen ist. Ahmadinejad wird er vor, das Land wirtschaftlich und außenpolitisch an den Rand des Ruins geführt zu haben. Gleichzeitig will er aber am Atomprogramm des Landes festhalten, dessen friedliche Nutzung er beweisen will, indem er die Urananreicherung auf iranischem Boden einer internationalen Überwachung durch die USA, Europa und Russland öffnen würde.

Rezai könnte Ahmadinejad besonders dann gefährlich werden, wenn es ihm gelingen sollte, konservative Stammwähler und einfache Regierungsangestellte, die mit der Leistung der momentanen Administration unzufrieden sind, auf seine Seite zu ziehen.

Bereits 2005 war Rezai als Präsidentschaftskandidat angetreten, hatte seine Kandidatur jedoch überraschend zwei Tage vor den Urnengängen zurückgezogen.

Der konservative Konkurrent Ahmadinejads ist verheiratet und hat fünf Kinder. Einer seiner Söhne, Ahmed, setzte sich 1998 in die USA ab und erhob dort schwere Anschuldigungen gegen das iranische Regime.

Mir Hossein Moussavi – Der Herausforderer

Die meiste Unterstützung unter den iranischen Reformern hat der ehemalige Ministerpräsident Mir Hossein Moussavi, der nach 20 Jahren ohne politische Ämter am 9. März 2009 überraschend seine Kandidatur für die Wahl zum iranischen Präsidenten ankündigte.

Nur kurz nach der Bekanntgabe zog der ehemalige Präsident Mohammed Chatami seine Kandidatur zurück und versprach dem studierten Architekten und Hobbymaler Moussavi seine Unterstützung.

Der nun 67-Jährige Moussavi wurde am 29. September 1941 in Khamene geboren und ist gegenwärtig Präsident der Iranischen Akademie der Künste sowie Mitglied im Schlichtungsrat. Zudem steht Moussavi verschiedenen Gewerkschaften nahe und ist für sein gutes Krisenmanagement bekannt.

Nach der Revolution 1979 galt Moussavi als treuer Gefolgsmann Ayatollah Khomeinis und hatte das Amt des Außenministers inne. Von 1981 bis 1989 war er unter Khomeini und dem damaligen Staatspräsidenten Khamenei Ministerpräsident. Während des iranisch-irakischen Krieges gelang es Moussavi, Irans Wirtschaft einigermaßen zu stabilisieren.

Mir Hossein Moussavi spricht sich in seinem Wahlkampf einerseits für demokratische Reformen aus, macht jedoch gleichzeitig deutlich, dass er auch den islamischen Werten des Landes und den Idealen der Revolution treu bleiben will. Eine wirtschaftliche und politische Ordnung, die sich am Westen ausrichtet, wird von ihm abgelehnt, während ihm aber Presse- sowie persönliche Freiheiten wichtig sind. Gleichzeitig kritisiert er die grassierende Korruption im Lande. So stellt er deutlich die Frage nach dem Verbleib der Milliardengewinne aus der Ölförderung der vergangenen Jahre.

Durch einen verbesserten Dialog innerhalb der Bevölkerung möchte Moussavi eine Stärkung der Zivilgesellschaft ereichen. Iran solle wieder lebenswert sein, so Moussavi, der die zunehmende Verschlechterung der Lebensverhältnisse im Land beklagt. Öffentlich wendet er sich gegen seiner Meinung nach falsche Auslegungen islamischer Lehren, nicht zuletzt, um Frauen eine verbesserte Rolle im öffentlichen Leben zu ermöglichen.

Mir Hossein Moussavi erklärt, seine Standpunkte stimmten weitestgehend mit denen von Ayatollah Ali Khamenei überein. Das Land bewege sich in Richtung eines gesamtgesellschaftlichen Konsensus. In der Außenpolitik fordert er „bessere Beziehungen“ zum Westen und beklagt die „konfrontative Außenpolitik“ Ahmadinejads.

Obwohl ihm in wirtschaftlichen Fragen oft eine eher linke Grundeinstellung nachgesagt wird, glaubt er „an eine starke Rolle des Privatsektors“. Zudem käme dem Staat die Aufgabe zu, die Wirtschaft zu „führen“, zu einem „gewissen Maße“ auch durch Subventionspolitik, sofern diese „zielgerichtet“ seien. Im Streit um das iranisches Atomprogramm hält er klar an der Anreicherung von Uran fest und lobt Ahmadinejad sogar für seine technologischen Fortschritte. Der ehemalige Ministerpräsident fordert eine Abschaffung der „Sittenpolizei“ und verurteilt den Holocaust.

Dabei möchte Moussavi keinem politischen oder ideologischen Lager zugerechnet werden, sondern gute Regierungsarbeit leisten und so für die Iraner mehr soziale Freiheiten durchsetzen. Viele glauben, dass es ihm gelingen könnte, auch moderate Konservative anzuziehen. Nach einer gewonnen Wahl könnte Moussavis jahrelange Zusammenarbeit mit Khamenei in den 1980er Jahren nützen, Reformen durchzusetzen, da der Oberste Rechtsgelehrte wie auch der Wächterrat zur Kooperation bereit sein dürften.

Mahdi Karroubi – Der Unbequeme

Der als gemäßigt geltende schiitische Kleriker Karroubi, der 1937 in Aligoudarz in Lorestan im Westen Irans am Zagrosgebirge geboren wurde und damit der ethnischen Gruppe der Lur anhört, ist Gründungsmitglied der reformorientierten „Association of Combatant Clerics“-Partei sowie Vorsitzender der Nationalen Vertrauenspartei.

Er war von 1989 - 1996 sowie 2000 - 2004 Sprecher des iranischen Parlaments. 2004 bewarb er sich erfolglos erneut um einen Sitz im Parlament. 2005 kandidierte er in der Präsidentschaftswahl und belegte im ersten Durchgang der Wahlen mit 17,4 Prozent der Stimmen den dritten Platz nach Rafsanjani und Ahmadinejad. Er klagte seine Konkurrenten des Wahlbetruges an und trat konsequenterweise von allen politischen Ämtern, darunter als Mitglied des prestigereichen Schlichtungsrats, zurück. Unmittelbar danach kündigte Karroubi der „Association of C ombatant Clerics“-Partei die Gefolgschaft, der er mangelnde Unterstützung bei seiner Präsidentschaftskandidatur vorwarf, und gründete im August 2005 die „Etemad-e-Melli“- Partei (Partei des Nationalen Vertrauens). Als Begründung gab er seinerzeit an, das Land brauche „starke, mächtige und all einbeziehende Parteien, um Institutionen zu überwachen“. Seine basis-orientierte „Volkspartei“ sei nicht nur für die Eliten, sondern für das gesamte Volk da. Gleichzeitig gründete er eine Tageszeitung gleichen Namens, die vor allem für ihre fundierte Berichterstattung in wirtschaftlichen Fragen bekannt ist und sich häufig zwischen den Lagern positioniert. Karroubi leitet die Chefredaktion.

Mahdi Karroubi bezeichnet sich gerne als moderaten, pragmatischen Reformer. Er ist ein Kritiker des islamischen Wächterrats, unterstützt aber den „Obersten Führer“ und ist ein Anhänger Ayatollah Khomeinis. So richtet sich seine Kritik als Linientreuer nicht gegen das System der Islamischen Republik, sondern vornehmlich gegen die sich herausgebildeten elitären Strukturen, die dazu geführt haben, die Mehrheit des Volkes aus den politischen Entscheidungsprozessen auszuschließen. In einem Interview gegenüber der Financial Times London äußerte Karroubi im Februar 2008, er sei „ein Mitglied des Systems, das Kind des Systems und mein Schicksal ist eng mit dem System verknüpft.“

Wirtschaftspolitisch sprach er sich mehrfach in der Vergangenheit gegen Investition ausländischer Firmen sowie gegen Marktreformen aus und befürwortete eine staatliche Wirtschaftskontrolle. Zudem versprach er bereits im Wahlkampf 2005 eine monatliche Auszahlung von 50 Dollar an jeden Iraner. Nun kündigte er an, die Bürger an den Öl- und Gaseinkommen teilhaben lassen zu wollen. Das iranische Atomprogramm will der Reformer hingegen nicht einstellen. Dabei lässt er sich weniger von außenpolitischen, sondern vielmehr von wirtschaftlichen und technologischen Motiven leiten.

Mehdi Karrounbi wirbt für sich mit dem Slogan „Change“. Diesen bezieht er vor allem auf den für ihn notwendigen Wandel innerhalb Irans Gesellschaft, der durch die politische Mobilisierung aller Bevölkerungsschichten begonnen werden müsse.

Karroubi, dessen Anhänger hauptsächlich in ländlichen Gegenden zu finden sind, setzt sich von Ahmadinejads konservativem Lager in den meisten Sachfragen klar ab. So hat er beispielsweise bereits angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs die „Moralpolizei“ abzuschaffen und politische Gefangene freizulassen.

Auch will sich Karroubi für eine verbesserte Gleichberechtigung von Frauen einzusetzen, indem er u.a. das Verbot, weibliche Minister zu ernennen, aufheben und selbst Frauen in sein Kabinett berufen möchte.

Mahdi Karroubi ist mit Fatermeh Karroubi, der Generalsekretärin der „Internationalen Moslemischen Frauenunion“ verheiratet und hat vier Kinder. Unterstützt wird er unter anderem von Mohammed Ali Abtahi, dem ehemaligen Vizepräsidenten unter Mohammed Chatami und Direktor des „Institutes für Interreligiösen Dialog“ (IID) in Teheran. Abtahi stellte sich auch an die Spitze derer, die das Sperren der Internet-Seite „Facebook“ kritisierten: „Die Menschen haben diese Seite benutzt, um frei zu diskutieren – etwas, was leider in unseren nationalen Medien nicht möglich ist“ erklärte er.

Ausblick

Auch wenn man die Wahlen im Iran nicht als vollständig demokratisch begreifen kann, da säkulare oder nationalreligiösen Organisationen und Parteien nicht zugelassen sind, sind sie dennoch ein Ausdruck eines gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses.

In den letzten Wochen und Monaten konnte Mahmoud Ahmadinejad trotz seiner aggressiven Rhetorik gegenüber dem Ausland innenpolitisch immer weniger sein schlechtes Wirtschaftsmanagement verstecken. Die oppositionellen Kandidaten haben dies als ihre Chance erkannt und kritisieren den Präsidenten vor allem für seine populistische Wirtschafts- und Außenpolitik. Im Gegenzug versucht das islamische Establishment nun, ihn ihrerseits durch das Auffahren schwerer Geschütze über den Wahltag zu retten.

Die Reformer hoffen nun auf einen „Alle gegen Ahmadinejad“-Effekt in einem möglichen zweiten Wahlgang. Kommentatoren geben neben dem Amtsinhaber Mir Hossein Moussavi die größten Chancen, in einen solchen einzuziehen, nicht zuletzt aufgrund dessen Unterstützung durch den ehemaligen Präsidenten Mohammed Chatami. Moussavi gilt dabei weniger als Herausforderung für das Establishment als der unbequemere Karroubi.

In iranischen Wahlkämpfen ist es üblich, dass die Kandidaten sich grundsätzlich zum Establishment bekennen und sich mit scharfer Kritik zurückhalten, da sie ansonsten Gefahr laufen, für die Wahlen erst gar nicht zugelassen zu werden. Auch deswegen sind von keinem der drei Herausforderer sehr weitgehende Reformen in Sachen Demokratie oder Bürgerrechte zu erwarten, wenn auch alle drei ein Ende des Isolationskurses Ahmadinejads versprechen. Alleine eine solche Neuausrichtung der Außenpolitik könnte zu einer veränderten Dynamik in den Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen führen und so auch nach innen wirken.

Dass es jedoch der Opposition gelingen könnte, einen der Ihren ins Präsidentenamt zu hieven, gilt als unwahrscheinlich. Eine Niederlage Ahmadinejads trotz der expliziten Unterstützung des „Obersten Führers“ käme einer Sensation gleich. Allerdings ist das Regime seiner Sache scheinbar nicht ganz sicher. Dies beweist nicht zuletzt die Sperrung der Internet-Seite „Facebook“. Gänzlich auszuschließen ist ein Wahlsieg der Opposition deshalb nicht.

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