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Country Reports

Jordaniens Rolle in der Anti-IS-Koalition

by Dr. Otmar Oehring, Dr. Otmar Oehring

Pilot seit einem Monat in Gefangenschaft des "Islamischen Staats"

Am 24.12.2014 ist ein F-16-Kampfbomber der jordanischen Luftwaffe im Großraum von Raqqa niedergegangen. Der 27-jährige Pilot, Leutnant Muath Kasasbeh, konnte sich mit dem Schleudersitz retten. Er wurde von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staats gefangen genommen. In ersten Berichten war davon die Rede, die Maschine sei vom IS abgeschossen worden.

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Unglück oder Abschuss?

Nach jordanischen und amerikanischen Angaben ist die F-16 nicht vom IS abgeschossen worden. General Lloyd J. Austin III, Kommandeur des US Central Command erklärte, man könne das Wrack der Maschine zwangsläufig nicht untersuchen und der Pilot sei auch nicht verfügbar, weshalb es schwierig sei die Hintergründe des Unfalls der Maschine zu klären. Die Jordanier seien aber sehr geachtete Partner und ihre Piloten hätten sich bislang außerordentlich gut geschlagen. Augenzeugen aus der Absturzregion berichteten, dass die Maschine zunächst in großer Höhe geflogen sei, eine Ziegelfabrik angegriffen und getroffen habe und dann bei Hamra Ghannam östlich von Raqqa abgestürzt sei. Nach Informationen der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte ist die F-16 vom IS erst im Verlauf des Absturzes mit schweren Maschinengewehren beschossen worden. In einem Interview mit der IS-Zeitschrift DABIQ spricht der Unglückspilot selbst allerdings davon, dass seine Maschine von einer hitzesensiblen Rakete getrofen worden sei. Die Sorge, der IS könnte bei seinem Eroberungsfeldzug im Nordirak im Juni und Juli 2014 auch in den Besitz von Flugabwehrraketen gekommen sein, hat bei den Fluggesellschaften, die den Irak anfliegen bzw. überfliegen bereits im Sommer 2014 zu Unruhe geführt.

Nach dem Abschuss eines malaysischen Passagierjets über der Ukraine kündigten Emirates und andere Fluglinien aus Golfstaaten noch im Juli an, dass sie den Irak nicht mehr überfliegen würden. Die US-Luftfahrtbehörde empfahl US-Fluglinien beim Überfliegen des Irak eine Flughöhe von mindestens 30.000 Fuß einzuhalten. In der Folgezeit wurde regelmäßig berichtet, der IS habe Flugabwehrraketen erbeutet – etwa bei der Einnahme des syrischen Luftwaffenstützpunkts Tabqa bei Raqqa in Nordsyrien – oder sei auf anderem Weg in ihren Besitz gekommen. Berichte aus den letzten Tagen legen nahe, dass der IS nunmehr auch im Irak Flugabwehrraketen gegen Kampfflugzeuge der US-Luftwaffe einsetzt. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus nicht abwegig, dass die jordanische F-16 doch vom IS abgeschossen worden sein könnte.

Anstrengungen zur Befreiung des Piloten

In den Tagen unmittelbar nach dem Vorfall bemühten sich die USA gemeinsam mit der jordanischen Regierung um eine Lösung im Fall Kasasbeh. Am 1.1.2015 sollen US-Spezialeinheiten versucht haben den jordanischen Pilot aus der Gefangenschaft durch den IS zu befreien, wie die geheime Anti-IS-Kampagne Raqqa is Being Slaughtered Silently berichtet. Beide Aktionen seien gescheitert. Im Verlauf der ersten Aktion sollen fünf Flugzeuge der Koalition langsam über Raqqa geflogen sein. Zeitgleich habe es zwölf Luftangriffe auf Außenbezirke der Stadt gegeben. Währenddessen sei der Versuch unternommen worden am anderen Ende der Stadt Spezialeinheiten aus Kampfhubschraubern abzusetzen. Die Hubschrauber seien allerdings unter heftigen Beschuss von IS-Kämpfern aus dem Bereich von Rumelia, nordöstlich von Raqqa geraten und hätten deshalb abgedreht. Bei einer zweiten Aktion hätten die Hubschrauber versucht östlich von Raqqa in der Region von Alekershi zu landen. Auch diese Aktion habe wegen Beschuss abgebrochen werden müssen. Das Pentagon und US-Militärvertreter in der Region dementierten allerdings, dass es überhaupt eine entsprechende Aktion gegeben habe.

Die Gefangennahme Kasasbehs durch den IS ist natürlich in Jordanien nicht ohne Reaktion geblieben. Während es einerseits eine Woge der Sympathie für den unglücklichen Piloten und für die Position Jordaniens im Kampf gegen den IS gab, kamen anderseits auch jene zu Wort, die von vorne herein jede Beteiligung Jordaniens am Kampf gegen den IS und insbesondere eine Beteiligung an einer von den USA geführten Koalition abgelehnt hatten. Und schließlich waren auch Stimmen zu vernehmen, die offen Position für den IS bezogen.

Safi Kasasbeh, Muath’s Vater, rief den IS auf, seinen Sohn wie einen Gast zu behandeln. Sie sollten ihn freilassen. Er sei ein Militärangehöriger und habe nur Befehle ausgeführt. Er beschrieb seinen Sohn als anständigen und religiösen Menschen, der den Koran auswendig lerne und niemandem je etwas angetan habe. “Ich rufe die Brüder vom IS am heutigen Tag, dem Geburtstag des Propheten Mohammed auf, ihn als ihren Sohn und ihren Weggefährten im Gebet zu sehen und ihn gut und als Gast zu behandeln.”

Solidarität mit dem Piloten

Königin Rania drückte auf Instagram ihre Sympathie mit dem Piloten aus. Informationsminister Mohammad Momani nannte den Piloten einen Helden und versicherte seiner Familie die Solidarität der Regierung. Alle Jordanier unterstützten die jordanische Armee bei deren Bemühen das Heimatland zu schützen und die Nation zu verteidigen. Der Krieg gegen den Terror gehe weiter, bei der Schlacht gegen den Terror gehe es um die Verteidigung des moderaten Islam. Marwan al-Muasher, ein früherer jordanischer Außenminister und Ministerpräsident ergänzte, die Regierung werde alle nötigen Maßnahmen zur Befreiung des gefangenen Piloten ergreifen.

Abgeordnete mehrerer Parteien und Fraktionen im jordanischen Parlament äußerten ihre Solidarität mit Muath Kasasbeh und verurteilten gleichzeitig den IS. Die Islamisch Zentristische Partei versicherte die Jordanische Armee und die arabischen Armeen ihrer Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus.

In den sozialen Netzwerke brachten viele Jordanier ihre Solidarität mit dem Piloten und seiner Familie zum Ausdruck. Innerhalb weniger Stunden entstand der Hashtag #WeAreAllMoaz und auf Facebook zeigten Jordanier ihre Solidarität durch den Wechsel des Profilbildes und durch die Erstellung ganzer Facebook „Gefällt mir“ Seiten.

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, stattete gemeinsam mit mehreren Geistlichen aus der Region Kerak am 1.1.2015 – dem Geburtstag des Propheten Mohammed, wie der Patriarch betonte - dem Vater des gefangenen Piloten im Dorf Aai nahe Kerak einen Besuch ab um ihn der Solidarität der jordanischen Christen zu versichern. Schon unmittelbar nach der Gefangennahme Kasasbehs hatten die Christen in Jordanien als Zeichen der Solidarität mit Kasasbeh und seiner Familie Weihnachtsfeierlichkeiten abgesagt. Und in vielen Kirchen Jordaniens wurde in der Weihnachtswoche für eine sichere Heimkehr des Piloten gebetet.

Das konnte durchaus den Eindruck vermitteln, die Gefangennahme des jordanischen Piloten durch den IS habe die Jordanier geeint und ihre Solidarität beflügelt. Auf der Web-Plattform Ammonnews war zu lesen, „Alle Jordanier, ob sie im Süden oder im Norden leben, im Osten oder Westen, ob Kind oder Erwachsener, für oder gegen den Staat, jordanischer oder palästinensischer Abkunft, irakischer oder syrischer Sozialist, Muslim oder Christ, sind heute Eins in der Unterstützung von Muath und seiner Familie.“

IS als nationaler Feind

Laut einer Umfrage des Jordan Centre for Strategic Studies (CSS) der University of Jordan sehen 80% der Bevölkerung die IS-Miliz als nationalen Feind. CSS-Direktor Musa Shteiwi erläuterte dazu, dass zwar ein Gefühl der Solidarität mit dem Königshaus überwiege, jedoch hinsichtlich der Art und Weise, wie das Land regiert wird, sehr unterschiedliche Meinungen herrschen.

Die Position des Königs

König Abdullah II. hatte bereits in seiner Rede aus Anlass der Eröffnung der Sitzungsperiode der beiden Häuser des jordanischen Parlaments am 1.11.2014 wie folgt zur Notwendigkeit des Kampfes gegen radikal-islamistische Gruppen in der Region Stellung bezogen: „Unsere Region leidet unter einer Zahl von Organisationen, die einer extremistisch takfiristischen Ideologie anhängen. Sie ermorden Muslime sowie unschuldige Frauen und Kinder im Namen des Islam. Der Islam hat damit aber nichts zu tun. Der Islam ist eine Religion des Friedens, der Toleranz, der Moderation, der Ak-zeptanz anderer und respektiert das Recht aller auf ein Leben in Frieden und Würde, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder Überzeugung. Diese Organisationen führen zuallererst einen Krieg gegen den Islam und die Muslime.

Unsere religiöse und menschliche Pflicht verlangt, dass wir all jenen mit Härte und Entschiedenheit gegenübertreten, die sektiererische Kriege beginnen oder das Bild vom Islam und den Muslimen zerstören. Deshalb ist der Krieg gegen diese terroristischen Organisationen unser Krieg, weil wir angegriffen sind und uns verteidigen müssen. Jeder, der diese extremistische takfiristische Ideologie unterstützt oder sie zu verteidigen versucht, ist ein Feind des Islam, der jordanischen Heimat und aller noblen menschlichen Werte. Gleichzeitig muss die internationale Gemeinschaft auch dem Extremismus anderer Religionen und Konfessionen entgegentreten.

Die Grundlage der Standfestigkeit Jordaniens sind unser starker innerer Zusammenhalt und die Praxis aktiver Staatsbürgerschaft.“

Gegner des anti-IS-Kriegs melden sich zu Wort

Neben der Lobpreisung des Haschemiti-schen Königshauses enthielten einige Kommentare in den sozialen Netzwerken jedoch auch Kritik am Königshaus. So beschwert sich zum Beispiel ein Facebook-User über die Unfähigkeit der Regierung im Umgang mit politischen und wirtschaftlichen Problemen im eigenen Land und behauptet, dass Jordanien nur wegen der finanziellen Unterstützung durch die USA und den Westen an der Anti IS-Koalition teilnehme und dabei keine Rücksicht auf das eigene Volk neh-me.

Zwei jordanische Parteien, deren Namen in der Berichterstattung nicht genannt werden, sollen im Zusammenhang mit dem Absturz der jordanischen F-16 und der Gefangennahme des Piloten durch den IS die Regierung aufgefordert haben, sich aus der Koalition gegen den IS zurückzuziehen. Sie argumentieren, wenn das nicht geschehe, werde Jordanien einen hohen Preis bezahlen müssen. Der Kommentator Musa Keilani wirft den beiden Parteien vor, dass sie nicht erkannt hätten, dass der Krieg gegen Daesh – so die arabische Bezeichnung für den IS - ein unmittelbar jordanischer Krieg sei. Der IS-Führer Baghdadi habe ganz offen Jordanien als eines der Ziele des IS neben Syrien und dem Irak genannt. Jordaniens Auseinandersetzung mit Baghadi gehe auf den 7.6.2006 zurück, als Bagdadis Mentor Abu Musab Zarqawi, der damalige Führer von Al Qaida im Irak, der Vorgängerorganisation des IS, im Rahmen einer gemeinsamen Aktion amerikanischer und jordanischer Soldaten bei Baquba im Irak getötet wurde. Die Militäraktion war eine Reaktion auf Bombenattentate auf drei Hotels in Amman, für die Al Qaida die Verantwortung übernahm. Daesh, so Keilani weiter, bedrohe Jordanien unmittelbar, versuche die hier lebenden 2000 jihadistischen Salafisten zu mobilisieren und behaupte 7000 Salafisten warteten nur auf die Befehle Bagdadis.

Eine Gruppe von acht der 150 Abgeordneten des jordanischen Parlaments veröffentlichte ein Memorandum, in dem sie den Austritt Jordaniens aus der Anti-IS-Koalition forderten, um die Stabilität des Königshauses zu sichern. Auch der Bruder des Piloten, Jawad al-Kasasbeh forderte die jordanische Regierung dazu auf, sich aus der Anti IS-Koalition und dem Krieg gegen den IS zurückzuziehen. Es sei nicht die Aufgabe Jordaniens sich an einen Krieg in einem anderen Land zu beteiligen, sondern an erster Stelle das eigene Land, bzw. die eigenen Grenzen und damit die eigene Bevölkerung zu schützen.

Kritik an der Beteiligung Jordaniens an den Aktivitäten der Anti-IS-Koalition war schon im September 2014 laut geworden, bevor es diese Beteiligung überhaupt gab. Damals hatten selbst jordanische Analysten die Meinung vertreten, Jordanien werde sich an Luftschlägen gegen den IS nicht beteiligen, weil die politischen Kosten für Jordanien zu hoch wären.

Am 3.9.2014 hatten 21 Abgeordnete, die verschiedenen Parlamentsfraktionen angehören, in einem an den Parlamentsvorsitzenden Atef al-Tarawneh gerichteten Memorandum gefordert, dass die jordanische Regierung Jordanien nicht in den Krieg gegen den IS führen dürfe. “Das ist nicht unser Krieg. Dementsprechend weisen wir jede Beteiligung Jordaniens an einem Kampf zurück, der nicht der unsrige ist.“ Khalil Attia, einer der Unterzeichner sagte, die Gruppe wolle nicht „in einen internationale Koalition gegen den IS hineingezogen“ werden. Die Kritik aus den Reihen der Vertreter des politischen Islam wurde noch heftiger, als die jordanische Armee bestätigte, dass sie sich am 23.9.2014 erstmalig an Luftschlägen gegen den IS beteiligt hatte. Der Salafistenführer Mohamed al-Shalabi nannte die anti-IS-Kampagne einen “neuen Kreuzzug” und bezeichnete sie als “haram”, also nach der Scharia unrechtmäßig. Es gehe um Absichten des Westens, die darauf abzielten den Islam zu schwächen. Der stellvertretende Führer der jordanischen Muslimbrüder, Zaki Bani Arshid, erinnerte an die schon zuvor kundgetane Ablehnung der Teilnahme an der Kampagne durch seine Gruppe und sagte, "Das ist nicht unser Krieg. Wir sind nicht daran interessiert, für andere zu kämpfen”.

Interessant wäre zu erfahren, ob es sich bei den referierten kritischen Stellungnahmen zur jordanischen Beteiligung an den Luftschlägen der anti-IS-Koalition – z.B. jenen von Vertretern des politischen Islam - tatsächlich um Stellungnahmen handelt, die die Meinung eines großen oder zumindest nennenswerten Teils der Bevölkerung Jordaniens widerspeigelt.

Information = Meinungsbild?

Aus gut informierten Kreisen ist zu hören, dass die Vertreter des politischen Islam die Möglichkeiten, die etwa Facebook und Twitter bieten, generell dazu nutzen, das Meinungsbild in ihrem Sinne zu manipulieren. So sollen sie auch im Fall Muath Kasasbeh systematisch Facebook- und Twitter-Konten eingerichtet und dann durch ‚likes‘, bzw. ‚re-tweets‘ den Eindruck einer gewaltigen Gefolgschaft und Unterstützerschar vorgetäuscht haben. Es wird ferner berichtet, dass man 100.000 ‚likes‘ für 200 US$ käuflich erwerben kann. Die regierungstreuen traditionellen Medien, die ihre Berichterstattung ansonsten weitgehend auf das einseitige Nachrichtenangebot der staatlichen Nachrichtenagentur Petra stützen, nehmen das ‚Informationsangebot‘ der fraglichen Facebook- und Twitter-Seiten dankbar an, hilft es doch den Eindruck ausgewogener Berichterstattung zu vermitteln.

Lösung in Sicht?

Einen Monat nach dem die jordanische F-16 nahe Raqqa in Nordsyrien zerschellt ist und der Pilot Muath Kasabeh vom IS gefangen genommen wurde, ist immer noch nicht abzusehen, ob der Fall Kasasbeh ein gutes Ende nehmen wird.

Der IS hatte bereits Ende Dezember 2014 in seiner Propagandazeitschrift DABIQ ein Interview mit dem Piloten veröffentlicht, wobei natürlich nicht sicher ist, inwieweit der Pilot frei antworten konnte oder seine Antworten unter Einsatz von Folter erzwungen wurden. Muhammad Abu-Rumman, ein am Centre for Strategic Studies (CSS) der University of J ordan tätiger Experte für den politischen Islam, sieht die Veröffentlichung des Interviews als Hindernis für die Möglichkeit von Verhandlungen zwischen der jordanischen Regierung und dem IS. Abu-Rumman wollte selbst das Schlimmste, den Tod des Piloten, nicht ausschließen.

In den sozialen Medien war in den ersten ein, zwei Wochen nach der Gefangennahme noch über Möglichkeiten der Befreiung Muath Kasasbehs diskutiert worden. Dabei wurden mehrere Möglichkeiten erwogen.

Jordanische Stämme verhandeln mit irakischen Stämmen, die ihrerseits mit syrischen Stämmen und diese schließlich mit dem IS mit dem Ziel die Freilassung Kasasbehs zu erwirken.

Jordanische Salafisten mit Sympathien für den IS werden von jordanischen Behörden zu Gesprächen mit dem IS bewegt, die das Ziel der Freilassung Kasasbehs haben.

Jordanien entsendet Spezialeinheiten, die Kasasbeh befreien sollen.

Es wurde auch gemunkelt, die jordanischen Behörden hätten gezielt jordanische Salafisten u.a. aus der Heimatregion des Piloten festgesetzt um diese als Faustpfand zu benutzen und nach Verhandlungen mit dem IS und der Freilassung des Piloten ebenfalls freizulassen

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Pilot selbst einem der jordanischen Stämme aus der Region von Karak enstammt, erschien die erste Möglichkeit die naheliegendste zu sein. So sollen regionale Stammesführer die Möglichkeit erörtert haben, im Gegenzug zur Freilassung Kasasbehs im Einvernehmen mit den jordanischen Behörden dem IS die Freilassung der seit 2005 in Jordanien inhaftierten Sajida Mubarak Atrous al-Rishawi anzubieten. Sie war an den Selbstmordattentaten beteiligt, von denen 2005 drei Hotels in Amman betroffen waren und bei denen 60 Menschen ums Leben kamen. Sajida al-Rishawi soll damals direkt mit dem Gründer der Vorgängerorganisation des IS, dem Jordanier Abu Musab al-Zarqawi zusammengearbeitet haben.

Bislang noch keine Fortschritte

Bisher hat es offensichtlich noch keine großen Fortschritte beim Versuch der Befreiung des Piloten aus den Händen des IS gegeben. Dementsprechend wollte sich auch weder die jordanische Regierung noch das jordanische Königshaus zu neuen Entwicklungen äußern. Bei einem Austausch mit Stammesführern der Bani Sahkr in der vergangenen Woche berichtete der König allerdings von den intensiven Bemühungen der Behörden um die Freilassung des Piloten Muath Kasasbeh, bat gleichzeitig aber auch um Geduld. Wie zu hören ist, bemühen sich die jordanischen Behörden schon seit geraumer Zeit in enger Abstimmung mit türkischen Behörden, denen exzellente Zugänge zum IS nachgesagt werden, eine Lösung im Fall Kasasbeh zu finden. Schon unmittelbar nach der Gefangennahme Kasasbehs durch den IS hatten türkische Medien davon berichtet, dass Jordanien die Türkei wie auch Katar um Hilfe bei der Befreiung des Piloten gebeten habe. Dabei seien alle denkbaren Lösungsmöglichkeiten, auch ein Austausch von Gefangenen in Erwägung gezogen worden. Ein namentlich nicht genannter jordanischer Minister wird mit der Bemerkung zitiert, in Jordanien seien Personen in Haft, die für den IS von größtem Interesse seien.

In der letzten Woche hielt sich der japanische Vizeaußenminister zu Gesprächen in Amman auf, deren Ziel es war, mit jordanischer Hilfe die Freilassung von zwei japanischen Journalisten zu erwirken, die sich seit einiger Zeit in der Hand des IS befinden. Nachdem am Wochenende bekannt wurde, dass eine der zwei Geiseln offensichtlich vom IS ermordet wurde, konzentrieren sich die Bemühungen nun auf die Freilassung der zweiten japanischen Geisel. In diesem Zusammenhang wurde einmal mehr die in Jordanien inhaftierte Terroristin Sajida Mubarak Atrous al-Rishawi als Austauschobjekt genannt. Man darf allerdings sicher davon ausgehen, dass Jordanien al-Rishawi kaum austauschen dürfte, würde der Pilot Muath Kasasbeh nicht ebenfalls freikommen.

Samir Hijari meint in der Zeitung al-Rai, so lange Kasasbeh nicht wieder in Jordanien sei, sehe sich die jordanische Regierung massivem Druck der Bevölkerung ausgesetzt. Dies nicht zuletzt, weil der IS im erwähnten Interview in der IS-Propagandazeitschrift DABIQ in Aussicht stellte, den Piloten zu ermorden. Aber auch, weil das jenen Jordaniern Anlass zu kritischen Diskussionen gibt, die nicht damit einverstanden sind, dass sich Jordanien an Militäraktionen beteiligt, die aus ihrer Sicht vom Westen bestimmt und deren Opfer einmal mehr Muslime sind.

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