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Country reports

Zwischen Zurückhaltung und vorsichtigem Optimismus

by Michael Däumer, Sebastian Grundberger

Reaktionen auf die Amtseinführung Barack Hussein Obamas aus dem Libanon, Jordanien und Syrien

Arabische Medien nehmen den Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Obama eher zurückhaltend zur Kenntnis. Einerseits stellt man das Versprechen Obamas heraus, die Beziehungen zur muslimischen Welt neu zu gründen, andererseits wird Obamas Erfolg oder Misserfolg fast ausschließlich über die amerikanische Politik im israelisch-palästinensischen Konflikt definiert. Und dort sieht man die USA fest an der Seite Israels. Daran werde auch Obama aufgrund der Logik traditioneller US-Außenpolitik wohl nicht viel ändern können.

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Überschwänglich war sie nicht, die Reaktion in der arabischen Presse auf die Amtseinführung Barack Obamas als 44. US-Präsidenten. Der Gaza-Konflikt und seine diplomatischen Implikationen bestimmten die Titelseiten auch am Tag Eins der Präsidentschaft des Barack Hussein Obama. Unter den arabischsprachigen jordanischen Tageszeitungen kam manch eine sogar gänzlich ohne Bild von der Amtseinführung Obamas auf ihrer Titelseite aus. In der englischsprachigen „Jordan Times“, welche vor allem auch auf die ausländische Gemeinde ausgerichtet ist, beschränkte man sich fast ausschließlich darauf, seitenweise Meldungen ausländischer Nachrichtenagenturen zu Obama abzudrucken. Ein kleiner Kommentar war in der „Jordan Times“ dennoch zu finden. Darin wird die Amtseinführung Obamas vor allem wegen dessen ethnischen Hintergrundes als „Meilenstein“ der US-Geschichte bezeichnet. Das Obama-Versprechen von „change“ kommentiert die „Jordan Times“ mit dem Hinweis, es gebe viel Spielraum für einen solchen in Washington. Jordanien hoffe genau wie der Rest der arabischen Welt, dass die neue US-Regierung die Politik gegenüber dem Nahen Osten korrigiere. Insbesondere wünscht sich das Blatt dabei ein „möglich frühes Signal“, dass man bereit ist, eine „gleichmäßige“ und „ausgewogene“ Haltung im israelisch-palästinensischen Konflikt einzunehmen und das „andauernde US-Vorurteil“ der USA zugunsten des israelischen Staates zu beenden.

Auch die jordanische Zeitung „Al Dustur“ („Die Verfassung“) weist darauf hin, der Präsident habe in seiner Antrittsrede jegliche Erwähnung des Palästinenserproblems und der „Massaker“ aus Gaza unterlassen. Die Zeitung „Al Ghad“ („Morgen“) veröffentlichte auf ihrer Homepage eine Umfrage, ob die Leser glauben, dass der neue US-Präsident die nahost-spezifischen Probleme und insbesondere die Palästinenserfrage lösen helfen könne. 69 Prozent der Teilnehmer an dieser Online-Umfrage antworteten mit „nein“, 22 Prozent mit „ja“ und 9 Prozent waren unentschieden.

Jordanien hatte im letzten Sommer in einer Umfrage für Aufsehen gesorgt. Bei einer internationalen Erhebung in 23 Ländern, wen die Menschen zwischen Obama und John McCain als US-Präsident bevorzugen, hatte sich damals neben den USA selbst nur in Jordanien eine knappe Mehrheit für John McCain ausgesprochen.

Auch in den libanesischen Zeitungen und Nachrichtenportalen ist hinsichtlich der Prioritätensetzung ein deutlicher Unterschied zu Europa zu erkennen. Der Amtsantritt Obamas ist nicht das alles bestimmende Thema, sondern lediglich eine wichtige Meldung unter zahlreichen anderen. Genau wie in Jordanien macht die libanesische Presse die Bewertung Obamas von seiner Haltung im arabisch-israelischen Konflikt abhängig. Dabei gab es sowohl aus libanesischer Sicht hoffnungsvolle als auch vorsichtig abwartende Kommentare.

Grundsätzlich positiv äußerte sich etwa die prowestliche Internetzeitung „Ya Liban“. Sie stellte das Versprechen des US-Präsidenten eines „neuen Wegs nach vorne“ hinsichtlich der Beziehungen zur muslimischen Welt heraus. Obama habe auch versprochen, die Nahost-Politik unmittelbar nach seinem Amtsantritt anzugehen. Dies markiere einen Kontrast zu anderen US-Präsidenten, die dieses Problem erst später während ihren Amtszeiten angepackt hätten. Obama müsse sich entscheiden, „wie tief die USA in Friedensbemühungen involviert sein“ wollten und „ob sie eine härtere Linie gegenüber Israel“ einschlagen und beispielsweise auf einen Stopp des Siedlungsbau in den Palästinensergebieten drängen sollten. Die Tatsache, dass die von Obama als Außenministerin ausgewählte Hillary Clinton in der Vergangenheit eine „strikte Unterstützerin Israels“ gewesen sei, könne dabei auch den positiven Effekt haben, dass sie bei den Israelis vielleicht das eine oder andere Zugeständnis erreichen könne.

Auch die französischsprachige prowestliche Tageszeitung „L´Orient le Jour“ äußert sich grundsätzlich positiv. Obama habe in seiner Antrittsrede die „Hand gegenüber der muslimischen Welt“ ausgestreckt. In einem Leitartikel unter der Überschrift „Ja, er kann“ erhofft sich die Zeitung von Obama „einen intelligenten Blick nach all den Jahren des dummen Dogmatismus gegenüber der Welt ringsherum“. Zumindest habe Obama den „Ehrgeiz“, das Problem zu lösen, woran seine Vorgänger gescheitert seien – eine „gerechte und definitive Lösung des Rätsels um Palästina“ zu finden. Israel habe pünktlich zum Amtsantritt die „Szene seines Verbrechens in Gaza“ geräumt. Jetzt liege es an Obama, das Problem anzugehen.

In einem Gastkommentar für den englischsprachigen „Daily Star“ äußerst sich der Journalist und Direktor des Issam Fares Institute for Public Policy and International Affairs der American University of Beirut (AUB), Rami Khouri, wesentlich skeptischer. Obama müsse mit einem Kongress leben, der jegliche Objektivität gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt niederstimme. Durch die Unterstützung des „Israelischen Selbstverteidigungsrechtes“ habe das Repräsentantenhaus Obama mit 390 zu 5 Stimmen „Handschellen“ angelegt. Obama habe in den vergangenen Wochen „keinerlei substantielle Aussagen zum Gaza-Konflikt“ gemacht, schreibt der palästinensische Journalist mit amerikanischem Pass. Der neue US-Präsident könne sich der „fast irrationalen Unterstützung“ der USA für Israel nicht entziehen und „erbe“ diese „verformte Realität“ ohne Möglichkeit, eine grundlegend andere Politik zu machen.

Der in Jordanien, Syrien und dem Libanon intensiv als Informationsquelle genutzte Fernsehsender „Al Jazeera“ aus Katar überschreibt auf seiner Homepage einen Bericht zur Obama-Einführung mit der Erneuerung des weltweiten Führungsanspruchs der USA: „Obama erklärt, die USA sei bereit zu führen“. Anschließend zitiert Al-Jazeera ausgiebig Robert Fisk, einen in Beirut lebenden britischen Journalisten, der glaubt, „keinen großen Unterschied“ zwischen Obamas Rhetorik in dessen Antrittsrede und der Rhetorik von George W. Bush zu erkennen. Der einzige Unterschied sei, dass „9/11 nicht noch einmal passiert“ sei.

In Syrien widmete die Parteizeitung der herrschenden Baath-Partei, „Al-Baath“ („Die Auferstehung“), Obama einen Leitartikel unter der Überschrift „Was die Araber von Obama erwarten“. Das Blatt glaubt, eine „Zufriedenheit“ in der gesamten Welt über den Amtsantritt Obamas zu erkennen. Diese hänge vor allem damit zusammen, dass die „schwarze Ära“ des George W. Bush zu Ende gegangen sei, in der sich dieser im Libanon und in Palästina als „Terrorist“ und „Kriegsverbrecher“ betätigt habe. Mit Obama gebe es eine gewisse Hoffnung, dass dieser das „Völkerrecht respektieren“ werde. Allerdings werde diese Hoffnung durch die Tatsache getrübt, dass Obama gegenüber dem Geschehen in Gaza eine „Attitüde des Schweigens“ an den Tag gelegt habe. Und eine „Attitüde des Schweigens“ sei eigentlich auch ein „Zeichen der Zustimmung“. Außerdem seien die Regeln der US-Politik eng gesteckt, egal wie die Absichten des neuen Präsidenten auch sein mögen. Die „blinde Unterstützung Israels“ im „arabisch-zionistischen Konflikt“ sei eine der „absoluten Gebote“ der amerikanischen Außenpolitik. Wenn es also einen Bereich gebe, in dem Obama in der Nahostpolitik „change“ bringen könne, betreffe dies vor allem das „Bild“ und den „Anschein“ der US-Politik. An ihrer Substanz werde Obama jedoch kaum etwas ändern.

Insgesamt fällt auf, dass die Presse in Jordanien und in Syrien und im Grunde genommen auch im Libanon den Amtsantritt Obamas nur hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Nahostpolitik kommentiert. Innen-, gesellschafts- oder sonstige außenpolitische Fragen interessieren praktisch nicht. Die Tatsache, dass Obama afroamerikanischer Herkunft ist, wird am Rande positiv bemerkt, auf einen möglichen islamischen Hintergrund des neuen US-Präsidenten wird nicht eingegangen.

Der auffälligste gemeinsame Nenner zwischen den verschiedenen arabischen Stimmen ist die relativ geringe Bedeutung, die man dem Amtsantritt Obamas gibt. Nichts ist zu spüren vom Enthusiasmus und von der Obama-Manie europäischer Medien. Obama wird schlichtweg als der nächste US-Präsident gesehen, nicht mehr aber auch nicht weniger. Vorschusslorbeeren bekommt er nur wenige. Welchen Ruf Obama in der arabischen Welt in den nächsten Wochen und Monaten erhält, wird fast ausschließlich davon abhängen, wie er sich im israelisch-arabischen Konflikt verhalten wird.

Die arabische Welt, zumindest was Jordanien, den Libanon und Syrien angeht, zeigt sich verhalten. Große Erwartungen verknüpfen diese Länder mit dem Amtsantritt von Obama nicht. Trotz mancher Fortschritte verharrt der arabisch-israelische Konflikt seit über 60 Jahren. Dennoch weiß die arabische Welt, dass Veränderungen nur mit den USA und nicht gegen sie geschehen werden. Eigene arabische Anstrengungen, den jahrzehntelangen Konflikt zu lösen, scheitern regelmäßig am Fehlen einer gemeinsamen Linie innerhalb der arabischen Welt. Die arabische Zurückhaltung gegenüber Veränderungen bleibt bestehen, auch wenn die arabischen Staaten mit vorsichtigem Optimismus erhoffen, dass die Vereinigten Staaten unter Barack Obama den Beziehungen zur muslimischen Welt eine neue Dynamik verleihen könnten.

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