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Politsnack

Frei, aber nicht fair

Wie feindliche digitale Einflussnahme die Demokratie in Gefahr bringt am Beispiel Rumäniens

Anfang Dezember 2024 wurde in Rumänien die Präsidentenwahl vom Verfassungsgericht nach dem ersten Wahlgang annulliert. Es sei im Hinblick auf Wahlkampfkennzeichnung und Wahlkampffinanzierung massiv gegen rumänisches Wahlrecht verstoßen worden. Besonders interessant sind jedoch die folgenden Aspekte der richterlichen Begründung: Durch die intransparente Nutzung digitaler Technologien und künstlicher Intelligenz sei die Chancengleichheit in erheblichem Umfang zu Gunsten eines und zu Ungunsten aller anderen Bewerber um das Präsidentenamt verletzt worden. Und weil demokratische Wahlen nicht nur frei, sondern auch fair ablaufen müssen, wird die gesamte Präsidentenwahl im Mai 2025 wiederholt.

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Hybride Angriffe auf die Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten der Europäischen Union beinhalten oft feindliche digitale Einflussnahme. Der US-Vizepräsident James David Vance glaubt jedoch nicht an deren zerstörerische Kraft und sagte im Februar 2025 bei der Münchner Sicherheitskonferenz: „(…) Wenn eure Demokratie durch ein paar Hunderttausend Dollar an digitaler Werbung aus einem fremden Land zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht besonders stabil.“ Werfen wir also einen genaueren Blick auf das, was vermutlich mit etwas mehr als ein paar Hunderttausend Dollar in Rumänien angerichtet wurde.


Călin Georgescu, ein unbedeutender rumänischer Politiker ohne klare Parteibindung, kündigte seine unabhängige Kandidatur für das Präsidentenamt weniger als zwei Monate vor dem Wahltag an. Anfang Oktober 2024 geben in Meinungsumfragen rund ein Prozent der Befragten an, für ihn stimmen zu wollen. Ende November 2024 erhält Călin Georgescu rund 23 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl. Auch wenn sich jeder Wahlkampfmanager solche Wachstumsraten wünscht, ist klar: Mit einem deklarierten Wahlkampfbudget von Null Euro ist so ein Ergebnis nicht zu erreichen. Hier stimmt etwas nicht.


Das Cyfluence Research Center stellt in einer jüngst veröffentlichten Studie fest, dass Călin Georgescus rechtsextreme, nationalistische und mystisch-religiöse Aussagen auf verschiedenen Plattformen massiv und unauthentisch gefördert wurden. Betroffen waren die Social Media Plattformen X, Facebook, TikTok, YouTube und Instagram. TikTok räumte die Existenz entsprechender manipulativer Netzwerke auf seiner Plattform unterdessen ein. Es wurden zeitlich korreliert und in Wiederholung pro-Georgescu Inhalte im Kommentarbereich von Videoinhalten auf YouTube und TikTok festgestellt. Zudem verweist das Cyfluence Research Center auf eine koordinierte Verbreitung von Links zu pro-Georgescu TikTok-Videos auf X.


Hinweise auf langfristige Einflussbemühungen sind hauptsächlich auf Facebook und X festzustellen: Dutzende der pro-Georgescu Facebook-Seiten wurden mehrere Jahre vor den aktuellen Wahlen eingerichtet. Diese Seiten verbreiteten die gleichen nationalistischen und mystisch-religiösen Aussagen, auf denen später die Kampagne von Călin Georgescu aufsetzte. Über diese Accounts wurden zahlreiche ausländische Konten verwaltet. In mehreren Fällen beobachteten die Analysten des Cyfluence Research Center auch ein wiederkehrendes Muster chinesischer Beschriftungen in den Seitendetails. Einige dieser Seiten änderten im Laufe der Kampagne ihren Fokus und konzentrierten sich auf die Unterstützung für Georgescu. Der Bericht der französischen Regierungsbehörde Viginum, die sich mit der Überwachung und Bekämpfung ausländischer digitaler Einmischungen beschäftigt, stellt ebenfalls externe Einflussnahme fest. Rumänische Nachrichtendienste berichten über Spuren nach Russland im Rahmen von Cyberangriffen während des Wahlprozesses.


Die Annullierung des ersten Wahlganges durch das Verfassungsgericht löste in den Sozialen Netzwerken Empörung über die Störung eines demokratischen Prozesses aus. Bemerkenswert ist, dass viele dieser Kritiker dieselben Personen sind, die zuvor die Kampagnen für Călin Georgescu unterstützt hatten. Während Călin Georgescu behauptete, er sei ein unabhängiger Kandidat, der von keiner Partei unterstützt werde und über kein Wahlkampfbudget verfüge, zeigen die Ergebnisse des Cyfluence Research Center, dass viel Zeit und Ressourcen in eine umfangreiche und über Jahre detailliert vorbereitete Online-Kampagne investiert worden sind. Die laufende Löschung von Benutzerkonten auf den verschiedenen beteiligten Social-Media-Plattformen behindert nun allerdings die Bemühungen, das Ausmaß und die Wirksamkeit dieser Operationen genau zu bewerten.


Rumänische Ermittlungen haben zwischenzeitlich Verbindungen zwischen dem unmittelbaren Umfeld von Călin Georgescu und dort aufgefundenen großen Mengen von Waffen und Bargeld zu Russland hergestellt. Ermittlungen in der Türkei und der Republik Moldau weisen ebenfalls auf Verbindungen nach Russland hin. Die Suche nach Erklärungen für den unerwarteten Wahlerfolg von Călin Georgescu führte zu einer Fülle verschiedener Kampagnen. Kampagnen, die aus dem Ausland aber auch aus dem rumänischen Inland geführt wurden. Um die Verwirrung komplett zu machen: Ein Teil der inländischen Kampagnen wurde von Unterstützern Călin Georgescus, ein anderer Teil aber auch von seinen politischen Konkurrenten initiiert. Der politischen Konkurrenz ging es dabei nicht darum, Călin Georgescu zum Sieg zu verhelfen, sondern vielmehr wollte man sich selbst in der zweiten Runde der Präsidentenwahl in einer aussichtsreichen Kandidatenkonstellation wiederfinden. Stattdessen standen dann aber bei Verkündung der Wahlergebnisse gleich mehrere zentrale politische Akteure im Matt des 3-D-Schachs der rumänischen Präsidentenwahl.


Aufgrund der feindlichen digitalen Einflussnahme auf die Präsidentenwahl in Rumänien Ende 2024 und durch zahlreiche weitere Verstöße Călin Georgescus gegen das rumänische Wahlgesetz, entsprach der gesamte Wahlablauf nicht mehr den hohen Standards, die zu Recht an demokratische Wahlen angelegt werden müssen. Die ebenfalls ans Licht gekommenen inländischen Einflussnahmen auf die Präsidentenwahl verweisen darauf, dass Rumänien auch mit hausgemachter Korrosion am Fundament seiner Demokratie kämpft.


Die Ereignisse rund um die Präsidentenwahl in Rumänien Ende 2024 zeigen, dass demokratische Prozesse im digitalen Zeitalter einer Mischung aus alten und neuen Herausforderungen gegenüberstehen. Gerade diese Mischung scheint besonders toxisch zu wirken. Die Wiederholung der Wahl im Mai 2025 bietet nun nicht nur die Gelegenheit, die Integrität des Wahlprozesses wiederherzustellen, sondern auch, Lehren aus den bisherigen Schwächen zu ziehen. Dies gilt nicht nur für Rumänien, sondern für alle Länder, die ihre liberalen Demokratien bewahren, schützen und stärken wollen.

 

Zur Autorin:
Katja Christina Plate leitet seit 2022 das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rumänien. Nach ihrem Studium der Sozialwissenschaften in Deutschland, Frankreich und Bosnien-Herzegowina ist sie seit 2005 in verschiedenen Positionen für die Konrad-Adenauer-Stiftung tätig. Neben ihrem Schwerpunkt Europa beschäftigt sich Katja Christina Plate mit Fragen der hybriden und informationellen Kriegsführung sowie mit der Digitalisierung, die die Gesellschaft in einem breiteren Kontext prägt. Die globale Förderung von Freiheit und Demokratie durch neue Formate des politischen Dialogs ist ihr ein zentrales Anliegen.

 

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About this series

Rund um die Themen Kommunikation, Kampagnenmanagement und Digitale Strategie gibt der Blog Einblicke in aktuelle Trends der Politischen Kommunikation. Kommunikationsexpertinnen und -experten geben innovative, praktische Tipps für die politische Kampagne und für die Umsetzung.

Saskia Gamradt
Saskia Gamradt
Policy Advisor Political Communication
saskia.gamradt@kas.de +49 30 26996-3252

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