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Politsnack

Moldau am Scheideweg

Methoden des russischen Informations- und Cyberkriegs

Bei der Parlamentswahl am 28. September entscheidet Moldau nicht nur über seine neue Regierung, vor allem geht es um eine Richtungsentscheidung für Europa, die Europäische Union oder die Erweiterung der russischen Einflusssphäre. Um letzteres zu erreichen, setzt der Kreml auf ein breites Repertoire an Einflussmethoden – von digitaler Desinformation und Propaganda über Cyberangriffe bis hin zu bezahlten Protesten und Stimmenkauf.

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“Das Ziel des Kreml ist klar: Moldau durch die Wahlurnen zu erobern, es gegen die Ukraine einzusetzen und uns zu einer Startrampe für hybride Angriffe auf die Europäische Union zu machen”, warnte Präsidentin Maia Sandu am 9. September in ihrer Rede vor dem EU-Parlament. Erobern bedeutet in diesem Fall, eine russlandfreundliche Regierung im Land zu etablieren. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Selbst wenn die aktuelle Regierungspartei PAS (Partei für Aktion und Solidarität), zu der auch Sandu gehört, die Wahl gewinnen sollte, wird sie ihre absolute Mehrheit schwer verteidigen können.

 

Der Vertrauensverlust in die Regierung liegt an vielen Faktoren. Moldau ist geprägt von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges, einer hohen Inflation sowie gesellschaftlichen und ethnischen Spannungen. Klar ist aber auch, dass der Kreml diese Schwachstellen ganz gezielt ausnutzt und Unsicherheiten und Ressentiments bewusst verstärkt. 

 

Die hybriden Methoden des Kreml

In Moldau sieht man sich in einem hybriden Krieg, Maia Sandu versteht die anstehenden Wahlen als “Schlachtfeld”. Ein Blick auf das breite Instrumentarium an russischen Methoden zeigt, woher diese Einschätzung kommt: Bot-Netzwerke auf Telegram, KI-gestützte Desinformationskampagnen auf TikTok, gefälschte E-Mails im Namen staatlicher Institutionen, Deepfakes von Politikern, Fake-”Nachrichten”-Websites. Aber auch gezielte Unruhestiftung, bezahlte Proteste bis hin zu Stimmenkauf.

 

Zentral ist dabei das Netzwerk rund um den Oligarchen Ilan Shor, der ganz gezielt die moldauische Bevölkerung gegen die pro-europäischen Kräfte im Land aufwiegelt. Unter anderem rief er wenige Wochen vor der Wahl zu Protesten gegen die Regierung auf und versprach Bürgern für die Teilnahme (und das Posten in sozialen Medien darüber) einen “Monatslohn” von bis zu 3000 Euro. Die Koordination erfolgte über einen Telegram-Bot, verbreitet wurde dieser über ein plattformübergreifendes Netzwerk von unauthentischen Accounts. Bereits für die Präsidentschaftswahl und das EU-Referendum im vergangenen Jahr setzte der von Moskau unterstützte Shor auf solche Methoden. Mehr als 130.000 Menschen sollen damals insgesamt etwa 39 Millionen US-Dollar erhalten haben.

 

Ergänzt wird dieses Arsenal durch gezielte Cyberangriffe, so beispielsweise wenige Tage vor der Wahl mit einer großangelegten Überlastungsattacke auf die Server der Zentralen Wahlkommission. Auch die Russisch-Orthodoxe Kirche im Land wird instrumentalisiert und als Mittel zur Organisation und Verbreitung von Moskaus Propaganda eingesetzt.

 

Pro-europäische Kräfte im Fokus

Besonders aktiv ist die russische Einflussoperation Storm-1516, die bereits vor der US-Wahl 2024 und in Deutschland vor der Bundestagswahl 2025 Stimmung gemacht hat. Ziel der Aktivitäten ist es, die Ukraine zu diskreditieren und die Unterstützung des Westens zu untergraben. Gleichzeitig werden demokratische Prozesse in westlichen Ländern direkt ins Visier genommen. Im Mittelpunkt der Operation steht dabei die Verbreitung gefälschter Nachrichten, in Umlauf gebracht durch vermeintlich seriöse Medien, verbreitet über Wegwerf-Konten, bezahlte Accounts und pro-russische Influencer.

 

Es häuften sich Fake-Nachrichten wie: “Sandu schickt Kriminelle in die Ukraine, um Hinrichtungen für Selenskyj auszuführen. Die korrupte Regierung profitiert von Energie-Deals, während sie die Bevölkerung frieren lässt. George Soros bezahlt für LGBT-Propaganda. Die Regierungspartei verteilt vorausgefüllte Wahlzettel.” Mittels fabrizierter Belege und (Deepfake-)”Experten”, soll diesen Inhalten Glaubwürdigkeit verliehen werden. Die Beispiele verdeutlichen die dominierenden Narrative und Taktiken: Delegitimierung der pro-europäischen Regierung und Präsidentin, Verstärkung von anti-westlichen und anti-ukrainischen Stimmungen, Sorge vor konservativem Werteverlust. Auffällig ist, dass Inhalte vermehrt auf Englisch verbreitet werden und offenbar (auch) die MAGA-Bewegung in den USA angesprochen werden soll.

 

Im Endeffekt geht es jedoch nicht darum, mit einer bestimmten Geschichte oder Lüge zu überzeugen. Vielmehr soll der Informationsraum vor der Wahl überflutet werden, grundsätzlich Zweifel an der Legitimität der Präsidentin und ihrer Partei gesät und internationale Unterstützung für das Land unterminiert werden.

 

Resilienz, Koordinierung, Abschreckung

Das Ausmaß und die Unverfrorenheit der russischen Einflussaktivitäten zeigt: Für eine kohärente Abwehrstrategie braucht es mehr Resilienz in der Zivilbevölkerung, bessere Cyberfähigkeiten sowie eine stärkere Koordinierung und Unterstützung zwischen Partnern.

 

Vor allem aber ist eine glaubwürdige Abschreckung gegenüber Aggressoren wie Russland notwendig, die auch für Angriffe im digitalen Raum gelten muss. Die EU sollte sich die eingangs beschriebenen Warnungen von Maia Sandu über die russischen Absichten zu Herzen nehmen und aktiv werden – sowohl mit Blick auf die Zukunft Moldaus als auch übergreifend für die Sicherheit Europas.

 

Zur Autorin:
Hannah Schimmele
verantwortet bei polisphere den Bereich Desinformation und analysiert Einflussoperationen und Desinformationskampagnen im digitalen Raum. Ihr Fokus liegt auf der Schnittstelle von Desinformation, Demokratie und Sicherheit und der gezielten Nutzung von Informationsmanipulationen durch autokratische, illiberale Akteure.

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About this series

Rund um die Themen Kommunikation, Kampagnenmanagement und Digitale Strategie gibt der Blog Einblicke in aktuelle Trends der Politischen Kommunikation. Kommunikationsexpertinnen und -experten geben innovative, praktische Tipps für die politische Kampagne und für die Umsetzung.

Saskia Gamradt
Saskia Gamradt
Policy Advisor Political Communication
saskia.gamradt@kas.de +49 30 26996-3252

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