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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

Interviews

Wie wir die Pandemie bewältigen: „Das aufzuarbeiten, wird eine große Aufgabe werden“

Über das Corona-Krisenmanagement, aber auch unsere Arbeit als Stiftung, sprechen wir mit unserem Fellow Prof. Armin Nassehi

Der Münchner Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi ist erster Fellow der Konrad-Adenauer-Stiftung. Wir sprechen mit ihm über seinen Blick von außen auf die Arbeit der Stiftung, das Pandemie-Krisenmanagement Deutschlands und die gesellschaftliche Krisenresistenz.

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Herr Nassehi, seit Oktober 2020 stellen Sie Ihre Expertise der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Verfügung. Prof. Dr. Norbert Lammert umschrieb Ihre Funktion als  „virtuelle Planstelle für das produktive Infragestellen der Stiftungsarbeit“. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz als KAS-Fellow?

Leider erlaubt die Pandemie viel zu wenige Begegnungen in Präsenz. Das macht den Blick von außen vielleicht noch stärker zu einem Außenblick, der es ja tatsächlich ist – auf verschiedenen Ebenen. Das Infragestellen besteht ja nicht darin, alles infrage zu stellen, sondern eben auch Fragen zu stellen. Und das war bis dato wirklich sehr interessant. Ich habe eine Stiftung erlebt, die – stärker als es die Politik unmittelbar kann – die gesellschaftlichen Zukunftsthemen identifizieren will und dabei in alle Richtungen schaut. Wäre es die Polizei, würde sie sagen: Wir ermitteln in alle Richtungen. Und damit ist vor allem gemeint: Viele Fragen und Antworten der Vergangenheit müssen neu ausgerichtet werden. Und das geschieht in der Tat.

Das Tempo, mit der eine Öffnung des aktuellen Lockdowns vorangetrieben wird, stößt bei der Bevölkerung zunehmend auf Frustration. In den Umfragewerten spiegeln sich wachsende Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Staates, das anfänglich hochgelobte Krisenmanagement fortzuführen. Sind andere Nationen derzeit besser als Deutschland?

Was vor allem Frust hervorruft, ist manche Inkonsequenz und Inkonsistenz unterschiedlicher Maßnahmen. Das anfängliche Krisenmanagement war wirklich hervorragend – aber in seiner Drastik im ersten Lockdown 2020 auch einfacher Sommer 2020 so getan haben, als sei die Pandemie unter Kontrolle – obwohl Expertinnen und Experten fast unisono das Gegenteil behaupteten. Man hat sich dann von dem überraschen lassen, was zu erwarten war. Aber das ist in den meisten anderen Ländern ähnlich gewesen. Seit Herbst 2020 freilich muss man der Bundesrepublik den Vorwurf machen, die Dinge zwar durch drastische, am Ende aber inkonsequente Maßnahmen in die Länge gezogen zu haben. Vielleicht sollten wir Deutschen auch einmal zugeben, dass wir kein Abo darauf haben, die Besten und die Ersten zu sein. Das aufzuarbeiten, wird eine große Aufgabe werden.

Sie sagten einmal über das Virus, dass nicht nur der menschliche Körper, sondern auch die Gesellschaft infiziert sei. Dass manche Gesellschaften anfälliger sind als andere, könnte mit den unterschiedlichen politischen Systemen zusammenhängen. Ist diese Erklärung ausreichend dafür oder ist die Krisenresistenz tiefer in der Gesellschaft verwurzelt?

Es gibt derzeit viel Bewunderung dafür, wie China die Krise bewältigt. Ich kann diese Bewunderung nicht teilen, denn einer liberalen Demokratie stehen diese Formen des Durchregierens und der Kontrolle der veröffentlichten Meinung nicht zur Verfügung – und das ist gut so. Aber man hätte von Taiwan und Südkorea, auch von Israel lernen können, dass es bei der Digitalisierung von Lösungskonzepten und bei der Regelbefolgung durch die Bevölkerung sowie bei der politischen Formulierung konsistenter Programme und Maßnahmenpakete durchaus Luft nach oben gibt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass in Deutschland eine solche Krise als ganz besondere Demütigung erfahren wird, weil wir weniger als manche unserer europäischen Nachbarn an Krisen in der jüngeren Zeit gewöhnt sind. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass es bei der Betroffenheit durch die Pandemie und durch die Maßnahmen einen starken Ungleichheitsindex gibt. Es sind manche Gruppen erheblich stärker betroffen als andere, was eindeutig mit Einkommen, Bildungsnähe, prekären Lebensverhältnissen und auch Migrationshintergrund korreliert.

Für die kommenden Monate im Jahr 2021 sind drei große Workshops mit Ihnen und der Konrad-Adenauer- Stiftung geplant, bei denen wir mit Ihnen über die Zukunft der Stiftungsarbeit und die Herausforderungen der politischen Bildung sprechen möchten. Können Sie uns diesbezüglich schon einen Ausblick geben?

Ja, die bisher geplanten Veranstaltungen beschäftigen sich mit den Themen Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung sowie deren Auswirkungen auf die öffentliche Kommunikation, die Arbeitswelt, aber auch auf rechtliche Grenzfragen. Ein anderer, vielleicht der zentrale Schwerpunkt ist die Frage der Herausforderung der Demokratie, also Fragen nach Repräsentation, Partizipation und Protest, und schließlich die politische Bildung, die ja eine der Säulen der Stiftungsarbeit ist.

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