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Wehrhafte Kirche? Die neue evangelische Friedensethik in der Zeitenwende

Die Evangelische Kirche bekennt sich zu einem neuen Pragmatismus in der Sicherheitspolitik – Ein wichtiger Schritt für das Gelingen der Zeitenwende

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) vermittelt seit Jahren ein ambivalentes sicherheitspolitisches Bild. Einerseits prägen Ostermärsche und ein kompromissloser Pazifismus das Denken vieler Kirchenmitglieder. Andererseits engagieren sich evangelische Geistliche in der Militärseelsorge der Bundeswehr und begleiten Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen.

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Kehrtwende in Friedenspolitik: Debatte über Krieg und Frieden

Etwa dreieinhalb Jahre nach Beginn der russischen Vollinvasion in die Ukraine hat die EKD im November 2025 auf ihrer Jahrestagung eine neue Friedensethik verabschiedet. Unter dem Titel „Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick. Evangelische Friedensethik angesichts neuer Herausforderungen“ legt sie ein bemerkenswertes Kapitel in der innerkirchlichen und gesellschaftlichen Debatte über Krieg und Frieden vor – verbunden mit einer tiefgreifenden Neuausrichtung ihrer bisherigen friedenspolitischen Positionen:

  • Investitionen in Verteidigung sind notwendig, um Menschen, Rechte und öffentliche Ordnung zu schützen. • Rüstungsexporte dürfen weder grundsätzlich abgelehnt noch pauschal genehmigt werden; sie erfordern sorgfältige Einzelfallentscheidungen.
  • Den Opfern von Gewalt und Angriffen ist Hilfe zu leisten. • Angesichts hybrider Kriegsführung braucht es ein erweitertes Verteidigungsverständnis, das über militärische Fähigkeiten hinausgeht und auch Bildung sowie Prävention einschließt.
  • Ein gesellschaftliches Dienstjahr, das ausdrücklich Frauen einbezieht, kann die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft und die Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwohl stärken.
  • Nuklearwaffen bleiben zu ächten, doch kann ihr Besitz zur Abschreckung sicherheitspolitisch geboten sein – ein Dilemma, das sich nicht vollständig auflösen lässt.

Vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs, der gezielten Angriffe auf die Zivilbevölkerung und der deutschen Waffenlieferungen zur ukrainischen Verteidigung bekennt sich die EKD damit zu einem sicherheitspolitischen Realismus.

 

Kein Abschied vom pazifistischen Idealismus

Von einem vollständigen Abschied vom pazifistischen Idealismus kann in der neuen Denkschrift jedoch keine Rede sein. Innerhalb der rund 18 Millionen Mitglieder der EKD bleiben prominente Stimmen, die gegen die in der Denkschrift skizzierte Neuausrichtung protestieren. Zu den Kritikerinnen und Kritikern zählen unter anderem der Friedensbeauftragte der EKD, Landesbischof Friedrich Kramer, der Vorstand der Bonhoeffer-Niemöller-Stiftung, die Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden sowie die Initiative Christlicher Friedensruf.

 

„Wir brauchen die Kirchen“

Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, brachte seine Sicht bei der Festveranstaltung zur Neugründung des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung der DGAP am 18. November 2025 auf den Punkt: „Wir brauchen andere zivilgesellschaftliche Akteure, die sich für dieses Thema engagieren. Wir brauchen die Gewerkschaften, wir brauchen die Kirchen, wir brauchen Verbände. Alle müssen am Ende dazu beitragen, dass diese Gesellschaft ein anderes Mindset entwickelt.“

 

Im Einklang mit dem Völkerrecht

Die neue EKD-Denkschrift steht im Einklang mit dem Völkerrecht, das die Unterstützung verteidigender Staaten durch Waffenlieferungen erlaubt, sowie mit der deutschen Rechtslage, nach der Waffenexporte Einzelfallentscheidungen sind. Bedenklich bleibt jedoch, dass es innerhalb der Evangelischen Kirche Stimmen gibt, die darin bereits Militarismus und eine Eskalation des Krieges sehen. So lehnten Margot Käßmann, ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischöfin von Hannover, sowie Bischof Friedrich Kramer Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Kramer betonte in der evangelischen Monatszeitschrift Zeitzeichen kurz nach der Invasion, Russland sei „nicht unser Feind“.

 

Gesellschaftlicher Konsens nötig

In Zeiten, in denen Deutschland und seine Bündnispartner einer hybriden Kriegsführung ausgesetzt sind, braucht es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens: Wir sind bedroht. Nur ein solcher Konsens kann in einer Demokratie die legitime Grundlage für weitergehende Maßnahmen zum Schutz und zur Abwehr dieser Bedrohungen bilden. Konkret geht es dabei um Investitionen in den Verteidigungshaushalt, die Einführung eines neuen Wehrdienstes zur Stärkung von Truppe und Reserve sowie um ein Dienstjahr für beide Geschlechter. Die Zeitenwende wird nur gelingen, wenn sie von der gesamten Gesellschaft getragen wird – und damit auch von relevanten Institutionen wie den Kirchen.

 

Bewusstsein für Resilienz und Verantwortung schärfen

Mit ihrer neuen Friedensethik hat die Evangelische Kirche in Deutschland einen wichtigen Schritt zur Verwirklichung der Zeitenwende im gesellschaftlichen Diskurs getan. Zugleich zeigen die zahlreichen ablehnenden Stimmen in der christlichen Friedensbewegung, dass die dramatische sicherheitspolitische Lage noch klarer kommuniziert werden muss, um das Bewusstsein für Resilienz und Verantwortung weiter zu schärfen.

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Kapcsolat Martin Bieber
Portrait Martin Bieber
Referent für Bundeswehr und Gesellschaft
Martin.Bieber@kas.de +49 30 26996-3525

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