Es gibt viele theoretische Spekulationen dazu, wie KI Berufe und Beschäftigung verändern wird. Sie arbeiten demgegenüber empirisch hierzu. Wie gut kann man denn den Einsatz von KI in der Arbeitswelt überhaupt erforschen?
Es ist schwierig, zu erheben, ob Menschen im Arbeitsleben KI nutzen. Denn inzwischen arbeiten häufig Algorithmen und Künstliche Intelligenz im Hintergrund, beispielsweise bei der Reisekostenabrechnung. Deshalb können wir mit Befragungen nie vollständig identifizieren, ob Personen mit solchen Technologien arbeiten oder nicht – außer, sie arbeiten bewusst damit. Bei unserer Studie haben wir deshalb ganz gezielt gefragt, ob bestimmte KI-Tools für Aufgaben wie Text- und Bildbearbeitung eingesetzt werden und damit den bewussten Umgang abgefragt.
Und wie genau erforschen Sie Arbeit und Beschäftigung?
Einerseits arbeiten wir klassisch mit standardisierten Fragebögen. Zweitens mache ich auch klassisch Betriebsbesichtigungen. Da gehen wir in die Betriebe und lassen uns zeigen, wie modernste Technologien eingesetzt werden. In diesem Zuge führen wir dann auch qualitative Interviews, die uns einen Einblick darin geben, inwiefern diese Technologien den Beschäftigten wirklich behilflich sind. So können wir dann nicht nur sagen, dass es eine Maschine X gibt, sondern auch, was das mit der Arbeit macht.
Wie stark wird KI in deutschen Betrieben bereits eingesetzt?
Bei der Frage hat man häufiger das Problem, dass sehr viele Firmeninhaberinnen und Firmeninhaber behaupten, sie würden Künstliche Intelligenz einsetzen.
Die Frage ist dann aber: Wo tun sie das denn überhaupt? Wenn man da genau hinschaut, dann ist das vor allem entweder in den Bereichen, in denen die Hürden, eine solche Technologie einzusetzen, relativ gering sind oder Künstliche Intelligenz sich im experimentellen Stadium befindet. Einen systematischen Einsatz von KI und Algorithmen mit einem Konzept sehe ich in Deutschland noch nicht bei vielen Firmen.
Ein paar Ausnahmen gibt es, etwa im Verwaltungsbereich (Krankenkassen oder Banken) oder bei Juristinnen und Juristen. Dort werden beispielsweise Verträge bereits systematisch mit entsprechenden KI-Tools bearbeitet. Auch Transkriptions- und Übersetzungsbüros arbeiten damit. Im Wesentlichen sind da große Sprachmodelle die Grundlage. In der Fertigung selbst sind das jedoch eher noch Experimente, vor allem um Qualität zu sichern oder Menschen zu unterstützen. Hier zeigt die Technik dann, wo man genauer hinschauen soll oder wo vielleicht ein Fehler passiert ist. Auch wird KI speziell für Simulationen alternativer Szenarien eingesetzt, um Prozesse zu überwachen. Eine vollständige Automatisierung findet jedoch eher selten statt.
Bei KI sehe ich es fast gar nicht, dass sie eingesetzt wird, um Menschen zu ersetzen.
Im Alltag denkt man häufig, dass eine Technik wie ChatGPT dann eingesetzt wird, wenn sie rein technisch zur Erfüllung einer Aufgabe in der Lage ist. In Ihrer Forschung beobachten Sie jedoch systematisch Hürden beim Technikeinsatz. Welche gibt es im Falle Künstlicher Intelligenz?
Eine ganze Reihe. Viele Unternehmen in Deutschland haben noch gar nicht die richtigen Voraussetzungen dafür, KI produktiv einzusetzen. Häufig fehlt es noch an der Digitalisierung, teilweise ist das Computerzeitalter noch gar nicht in den Betrieben angekommen. Betriebe verwalten ihre Lager beispielsweise häufig noch mit Papierlisten oder mit händisch am Computer ausgefüllten Tabellen. Da können keine Algorithmen signalisieren, dass bald ein bestimmtes Ersatzteil nachbestellt werden muss und dieses gerade günstig auf dem Markt angeboten wird. KI kann man aber nur dann sinnvoll einsetzen, wenn man digitalisiert ist und Systeme hat, die solche Daten möglichst automatisch erfassen und verarbeiten.
Und selbst wenn es digitale Daten oder Sensorik gibt, sehe ich häufig das große Problem der Schnittstellen. In der Regel kommen in mittelständischen Unternehmen Systeme und Maschinen von verschiedenen Herstellern zum Einsatz.
Zwischen denen funktionieren häufig die Schnittstellen nicht richtig, das heißt: Es können keine Daten von A nach B übertragen werden.
Unproblematisch ist das nur dann, wenn man alle Maschinen von einem Hersteller kauft. Selbst dann ist das, was man mit der KI macht, aufgrund der Kosten aber vielleicht gar nicht produktivitätssteigernd. Der Kauf einer Maschine mit vorausschauender Wartung (Predictive Maintenance) ergibt etwa nur Sinn, wenn ich gleich dazu einen Servicevertrag mit dem Maschinenhersteller über die Wartung abschließe. Dem zahle ich dann ständig Geld, damit der seinen gesamten Maschinenpark bedienen kann. Das ist dann eher ein Geschäftsmodell für den Maschinenhersteller als für den kleinen Handwerker. Vor allem kleinere Unternehmen wollen ja auch von ihrer Dienstleistung leben und nicht nur Erfüllungsgehilfen der Hersteller von KI und Software sein.
Zudem gibt es im mittelständisch geprägten Deutschland auch die Angst, Marktvorteile zu verlieren. Also wenn ich ein kleines Ingenieurbüro bin, das alles digitalisiert hat und dieses Wissen teilt, dann stelle ich mein Knowhow auch sehr vielen anderen zur Verfügung. Das hindert Betriebe oft daran, Daten und Informationen zu teilen.
Für KI braucht man aber viele, viele Daten und Informationen. Insofern bräuchte es dann etwa Datenverbünde, in denen sensibel mit Informationen umgegangen wird.
Welche Rolle spielen die Beschäftigten?
Die menschliche Komponente in den Betrieben darf man nicht vergessen. Im Personalmanagement gibt es viel Literatur dazu, dass es immer kritisch ist, wenn Menschen mit Technologien konfrontiert werden, die ihnen das Gefühl geben, Kontrolle zu verlieren. Bei KI ist häufig der Gedanke, dass, wenn ich etwas mit einer Maschine mache, diese von mir lernt und dann vielleicht besser ist als ich. Hier gibt es definitiv Ängste. Gleiches gilt für Systeme, die Arbeitsleistungen messen, beispielsweise die Dauer, die das Austauschen eines Bauteils benötigt. Das kann aber ganz gut mit Regularien, wie Daten gespeichert, anonymisiert und gelöscht werden, organisiert werden.
Zudem ist es wichtig, dass Unternehmen Menschen nicht nur mit ihrer Qualifikation, sondern auch mit ihrer Menschlichkeit achten und wertschätzen. Sie dürfen nicht das Gefühl haben, entmündigt zu werden. Schulungen helfen dabei, indem sie Menschen zeigen, wie sie KI zur Unterstützung einsetzen können und weiterhin diejenigen sind, die die Schalter umlegen. Dann kann KI auch sehr attraktiv für Beschäftigte sein, indem sie etwa stupide Aufgaben für den Menschen erledigt. Das passiert auch schon. Hier zeigen unsere Befragungen jedoch, dass dieser Einsatz häufig informell ist, das heißt: Ohne dass ein Betrieb gesagt hat, dass es eingesetzt werden soll oder muss.
Der Hype um KI erscheint für viele als natürlich, aufgrund der neuen technischen Errungenschaften. Tatsächlich bekommen viele andere disruptive Technologien nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Warum interessieren sich Unternehmen gerade für KI?
Zum einen ist es eine gewisse Neugier. Dann spielt es natürlich eine Rolle, dass mit KI Produktivitätsgewinne verbunden werden. Bei einer Firma gab es zudem das Ziel, Menschen mit Beeinträchtigungen an bestimmten Arbeitsplätzen einzusetzen. Diese wurden mit der Technik dann in die Lage versetzt, bestimmte Aufgaben zu erledigen. Auch kann KI beim Fachkräftemangel helfen – sie ist nicht die alleinige Lösung, aber ein wichtiger Baustein.
Dr. Britta Matthes ist Leiterin der Forschungsgruppe „Berufe in der Transformation (BiT)“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Sie studierte Soziologie und Biologie an der Universität Leipzig, war Doktorandin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und promovierte an der Freien Universität Berlin. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich insbesondere mit der strukturierenden Rolle von Berufen für den Arbeitsmarkt. Derzeit steht dabei die Frage nach den Auswirkungen der Einführung moderner digitaler Technologien für den Arbeitsmarkt, insbesondere auf die Veränderung von Kompetenzanforderungen, aber auch auf die Arbeitsbedingungen im Fokus ihrer Untersuchungen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei immer auch auf den Veränderungen der damit verbundenen sozialen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten.
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