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Italiens neue Krise: Alte Konflikte, neue Freunde?

Ein Gespräch mit Caroline Kanter, Leiterin des KAS-Auslandsbüros Italien

Italien war der erste und der am stärksten betroffene europäische Staat, der sich mit der Corona-Pandemie konfrontiert sah. Diese Krise hat das Land stark getroffen und Italiens Politik, Gesellschaft und Wirtschaft massiv herausgefordert. In der Regierungskoalition herrschen Unstimmigkeiten und die Opposition zeigt sich wenig konstruktiv. Frustriert ist man mit den verspäteten Reaktionen der europäischen Partner.

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Die italienische Regierung wurde und wird im Umgang mit der Corona-Pandemie vor große Herausforderungen gestellt. Wie ist es um die Dynamik innerhalb der Regierungskoalition bestellt?

Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei der Regierungskoalition zwischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Demokratischer Partei (Partito Democratico, PD) um ein reines Zweckbündnis handelt. Dass die beiden Koalitionspartner bei einer Vielzahl von Themen unterschiedliche politische Positionen vertreten, war bereits zu Beginn klar als dieses Bündnis nach der Aufkündigung der Lega/M5S-Regierung im August 2019 gebildet wurde.

Hinzu kommt, dass die Fünf-Sterne-Bewegung in ihrer politischen Ausrichtung äußerst heterogen ist. Mit Blick auf den Umgang mit der aktuellen Krise gibt es vor allem beim Thema Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) unterschiedliche Auffassungen und es ist nicht nur zu einem Konflikt zwischen den Koalitionspartnern gekommen, sondern über die Anwendung des ESM wurden auch innerhalb der Bewegung unterschiedliche Positionen vertreten. Teile der Fünf-Sterne-Bewegung sind wieder in den Anti-Europa-Modus verfallen, vom dem man den Eindruck hatte, dass sich die Bewegung zwischenzeitlich davon entfernt hätte. Vermutlich werden gerade bei der europakritischen Strömung innerhalb der Fünf-Sterne-Bewegung Erwartungen geweckt, wenn Außenminister Luigi Di Maio davon spricht, dass man beim Europäischen Rat am 23. April einen “neuen historischen Kurs” in der Europäischen Union einschlagen wird.


Wir können also feststellen, dass weder die Regierung, noch die Opposition klare und einheitliche Positionen zu den aktuell diskutierten Instrumenten wie dem ESM und den Eurobonds vertreten.  Die Mehrheit der Italiener verbindet viele negative Assoziationen mit dem ursprünglichen ESM und dessen Umsetzung in Programmländern wie Griechenland. David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, hat in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung “Il Foglio” angemerkt, dass die Debatte um die Zustimmung zum ESM “sehr italienisch” sei und im Grunde in keinem anderen Land in dieser Art geführt werden würde. Vielleicht hätte man dem Fonds einen anderen Namen geben sollen.

 

Sind die Italiener in dieser Krisensituation mit der Arbeit ihrer Regierung zufrieden?

Circa zwei Drittel der Italiener sind mit dem Krisenmanagement von Premierminister Giuseppe Conte zufrieden und loben das Agieren der Regierung Conte II in der Krise. Conte selbst kann davon in aktuellen Umfragen mit 57% Zustimmung profitieren. Allerdings schöpft weder die Demokratische Partei (22%) noch die Fünf-Sterne-Bewegung (16%) signifikant von der positiven Bewertung des Krisenmanagements. Es wird interessant sein zu sehen, welche Ergebnisse der Europäische Rat bringen wird und wie diese in Italien perzipiert werden.

Nach wie vor stößt die Mitte-Rechts-Opposition bestehend aus Lega mit knapp 30 %, der immer mehr erstarkenden Fratelli d’Italia (12%) und Forza Italia (8%) mit circa 46% bei knapp der Hälfte der italienischen Bevölkerung auf Zustimmung.

Es bleibt bislang offen, wie die Phase 2 nach dem Lockdown gestaltet werden soll. Mit einer Experten-Task-Force unter der Leitung von Vittorio Colao (Geschäftsführer Vodafone) will man diese Phase vorbereiten und legt die Planung somit in die Hände von Technokraten und Experten. Dies hat teilweise starke Kritik hervorgerufen und eine Diskussion darüber entfacht, ob Verantwortlichkeiten der Politik auf Experten übertragen werden sollten.

Phase 2 wird für Premierminister Conte damit voraussichtlich eine äußerst harte Bestandsprobe darstellen, die mit einer auf wackligen Beinen stehenden Regierungskoalition und einem wirtschaftlich darniederliegenden Land nicht einfach zu meistern sein wird.

 

Schweißen die Krise und die aktuellen Herausforderungen die politischen Kräfte zusammen und wie ist die Stimmung im Land?

Politisch ist das Land nach wie vor gespalten – das zeigen die erwähnten Umfragedaten. Die Opposition attackiert die Regierung wann immer es möglich ist und zeigt sich wenig konstruktiv in der Krise. Harsche Kritik üben vor allem Lega und Fratelli d'Italia. Forza Italia hat sich durch Silvio Berlusconi erstmals von der Position der beiden Partner im Mitte-Rechts-Bündnis distanziert und sich deutlich für die Nutzung des ESM ausgesprochen. Forza Italia präsentiert sich gerade als unterstützende Oppositionskraft.

Dieser anhaltende inneritalienische Zwist der politischen Lager birgt die Gefahr, dass das Land mit inneren Konflikten und Streitigkeiten befasst ist und somit geschwächt in die Verhandlungen mit den Partnern beim nächsten Europäischen Rat geht. Die Regierung kämpft derzeit nicht nur an zwei Fronten – der europäischen und der nationalen – sondern auch an der regionalen. Die drei am stärksten betroffenen Regionen in Norditalien hatten unterschiedliche Instrumente gewählt, um den Virus einzudämmen, was teilweise zu Konflikten mit Rom geführt hat. Nun wird die Phase 2 – die Öffnungsphase – diskutiert und auch hier kommt es zu Unstimmigkeiten was die Wiederaufnahme der Aktivitäten der Wirtschaft angeht.

Auch wenn man seitens der Bevölkerung mehrheitlich das Krisenmanagement positiv bewertet, so schauen doch 57% der Italiener pessimistisch in die Zukunft. 54 % haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Das fehlende Schutzmaterial (Masken/ Corona-Tests etc.) und dessen Verteilung nimmt großen Platz in der Berichterstattung der Medien ein und verunsichert die Bürger. Nach einer Studie der Wochenzeitschrift l’Espresso befürworten es 86% der Befragten, Masken und Handschuhe an die gesamte Bevölkerung zu verteilen. Eine zweite Infektionswelle möchte man unbedingt vermieden sehen. 81% wünschen sich einen flächendeckenden Vorsorgetest, um sicherzustellen, dass sich nur immune oder gesunde Menschen frei bewegen. Ob die Regierung diese hohen Erwartungen erfüllen und die dafür notwendigen Mittel mobilisieren kann, bleibt abzuwarten.

 

Wie blicken die Italiener in dieser Phase auf Deutschland und die europäischen Partner?

Vor allem zu Beginn der Krise Ende Februar bis Ende März haben sich die Italiener von den europäischen Partnern alleine gelassen gefühlt. Mit zu großer Verzögerung wurden die Entwicklungen in Italien von europäischer Seite realisiert. Zu spät hat man auf die italienischen Appelle reagiert. Das scheint zumindest die Wahrnehmung seitens der italienischen Öffentlichkeit gewesen zu sein. Dies hat man zwischenzeitlich korrigiert – aber vermutlich werden Irritationen in den bilateralen und europäischen Beziehungen nicht von heute auf morgen verschwinden.

Die Versäumnisse haben vor allem dem Anti-Europäismus und der Deutschlandfeindlichkeit einen nahrhaften Boden bereitet. Von Teilen der politisch Verantwortlichen werden in diesen Tagen alte Ressentiments aufgewärmt: Deutsche als “Neffen Hitlers” bezeichnet, von denen man sich lange genug habe traktieren lassen, wie es der Fünf-Sterne-Senator Elio Lannutti ausgedrückte. Diese Aussagen vergiften das Verhältnis und zeigen einmal mehr, dass wir weiter intensiv an den komplexen deutsch-italienischen Beziehungen arbeiten müssen.

In einer aktuellen Umfrage von EumetraMR haben 70% der Befragten eine negative Einstellung zu Deutschland geäußert. Deutschland wird verantwortlich gemacht für die „harte Linie“ der EU und Deutschland wolle die Corona-Krise nutzen, um wirtschaftlich davon zu profitieren, in dem geschwächte italienische Unternehmen aufgekauft würden.

Das Vertrauen der Italiener in die EU Institutionen reduzierte sich von 42% im Jahr 2019 auf aktuell 27%. Europa wird in dieser Krise nicht als „sicherer Hafen“ gesehen. Nach den

„Freunden“ Italiens in der Krise gefragt, werden China (52 %), Russland (9%), die USA (3%) und erst ganz zuletzt Spanien/Frankreich/Deutschland (1%) genannt.

Bei diesen Ergebnissen handelt es sich vermutlich um Momentaufnahmen, die stark geprägt sind von der aktuellen Diskussion über die Corona-Hilfspakete. Zwei aktuell veröffentlichte Umfragen (Institut Tecne/Termometro) sehen eine steigende Anzahl von Italienern, die sich für einen ITALEXIT aussprechen (49% verlassen / 51% verbleiben; 40 % verlassen / 41% verbleiben).

Allerdings muss man auch festhalten, dass die Kritik und Skepsis gegenüber der EU und der – aus italienischer Perspektive – mangelnden Solidarität der EU, keine neuen Entwicklungen darstellen. Ähnliche Argumente wurden bereits in der Migrations- sowie in der Wirtschafts-und Finanzkrise laut.  Aufgrund der starken Rhetorik und Popularität der europaskeptischen politischen Kräfte und der Schwäche der pro-europäischen Parteien hält dieser Trend bereits seit circa zwei Jahren an und nimmt in dieser Krise zu.

Es hat den Anschein, als seien alte Wunden in der Corona-Pandemie erneut aufgerissen worden. Italien wünscht sich Zugeständnisse. Das kann man auch daran ablesen, dass in der jüngsten Rede der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen vor allem die Entschuldigung gegenüber Italien für das verspätete Handeln der EU in Italien rezipiert wurde. David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, appellierte hoffentlich nicht umsonst an die Italiener neben der berechtigten Entschuldigung auch zu beherzigen, dass “die EU das schlagende Herz der Solidarität” sei und “parat steht, um jenen zu helfen, die Hilfe benötigen”. Die EU sei mit Verspätung gestartet, aber sie habe alles Notwendige unternommen, um diese Krise zu bewältigen, so der EU-Präsident. Wir können nur hoffen, dass diese Worte in Italien gehört werden und dazu beitragen, dass das Vertrauen in die EU mittelfristig wieder aufgebaut und gestärkt wird.

 

 

Das Gespräch führte Silke Schmitt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, KAS-Italien.

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Caroline Kanter

Portrait von Caroline Kanter

Stellv. Leiterin der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit

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